-
Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien sind Eheleute und besitzen beide die Staatsangehörigkeit von Jugoslawien (Serbien und Montenegro). Die Ehefrau, die sich bereits seit mehr als einem Jahr in Deutschland aufhält, hat Prozesskostenhilfe für die Einleitung eines Scheidungsverfahrens gegen ihren Ehemann beantragt, der weiterhin in Jugoslawien lebt. Das deutsche Amtsgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen.
Auf Beschwerde der Ehefrau hat das OLG Stuttgart (DE) die amtsgerichtliche Entscheidung bestätigt. Das Gericht stellt klar, dass das Amtsgericht seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht unter Hinweis auf § 606 a Abs. 1 Nr. 4 ZPO verneint habe. Denn seit dem 1.3.2001 bestimme sich die internationale Zuständigkeit in Scheidungssachen nach Art. 2 bis 8 Verordnung 1347/2000 „Brüssel II“. Diese Verordnung finde auch auf Staatsangehörige von Drittstaaten Anwendung, wenn diese eine hinreichende Beziehung i.S.v. Art. 2 bis 8 Verordnung 1347/2000 „Brüssel II“ zu einem Mitgliedstaat hätten. Da die Antragstellerin sich seit über einem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, sei die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 2 Abs. 1 a, 5. Spiegelstrich Verordnung 1347/2000 „Brüssel II“ gegeben. Die internationale Zuständigkeit hänge danach – anders als nach § 606 a Abs. 1 Nr. 4 ZPO – nicht mehr von einer positiven Anerkennungsprognose ab. Dennoch sei der Antrag auf Prozesskostenhilfe zu versagen. Da die jugoslawischen Gerichte nämlich eine ausschließliche internationale Zuständigkeit für die Ehescheidung eigener Staatsangehöriger in Anspruch nähmen, sofern der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft in Jugoslawien habe, könne ein in Deutschland ergehendes Scheidungsurteil im gemeinsamen Heimatstaat der Ehegatten nicht anerkannt werden. Ein Interesse der Antragstellerin, eine hinkende – nur in der Bundesrepublik Deutschland wirksame – Ehescheidung anzustreben, sei aber nicht ersichtlich.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Familiengerichts Heilbronn ist nicht begründet.
Der Scheidungsantrag der Antragstellerin weist gewisse Unzulänglichkeiten auf.
Fraglich ist zum einen schon, ob es in Serbien/Montenegro eine Stadt namens D. gibt. Möglicherweise ist die Stadt D. gemeint. Weiterhin gibt es in Serbien/Montenegro keine Postleitzahlen, deren 2. Leitzahl eine „0“ ist. Eine Kennzahl „30...“ ist dort nicht gebräuchlich. Möglicherweise könnte die Kennzahl des ansonsten nicht näher konkretisierten Aufenthalts des Antragsgegners „36... lauten. Dies bedarf jedoch im Beschwerdeverfahren keiner weiteren Aufklärung.
Weiterhin ist fraglich, ob dem Vorbringen der Antragstellerin schon mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, dass die Ehebeziehungen der Parteien im Sinne des Art. 83 des serbischen Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen v. 22.04.1980 idF v. 30.05.1994 ernsthaft und dauerhaft zerrüttet sind oder der Zweck der Ehe aus anderen Gründen nicht verwirklicht werden kann (zur Anwendbarkeit des gemeinsamen Heimatrechts der Parteien vgl. im Übrigen Art. 17, 14 EGBGB). Auch dies kann derzeit auf sich beruhen.
Der Beschwerdeführerin ist allerdings insoweit Recht zu geben, als das Amtsgericht zu Unrecht unter Anwendung von § 606 a Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint hat. Die Vorschrift ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland bestimmt sich seit 01.03.2001 nach der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten vom 29.05.2000 (ABl L 160, 2S. 19; abgedruckt u.a. in Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 25. Aufl., S. 1863 ff.; oftmals auch Brüssel II-VO genannt). Hinsichtlich ihres persönlichen Anwendungsbereichs findet die Verordnung auch für Staatsangehörige von Drittstaaten Anwendung, wenn diese mit Blick auf eines der Zuständigkeitskriterien nach Art. 2 – 8 EheVO eine Beziehung zu einem Mitgliedsstaat haben (Thomas/Putzo, aaO, S. 1864 -8-). Nachdem die Antragstellerin geltend macht, schon seit über einem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben, ist die internationale Zuständigkeit der hiesigen Gerichte nach Art. 2, 5. Spiegelstrich EheVO nicht zweifelhaft. Im Gegensatz zu § 606 a Abs. 1 Nr. 4 ZPO stellt die jetzt geltende Regelung für die Frage der internationalen Zuständigkeit auch nicht mehr zusätzlich auf eine positive Anerkennungsprognose ab.
Auch darauf kam es vorliegend nicht an.
Wer wie die Antragstellerin Prozesskostenhilfe für die Führung eines Rechtsstreits in persönlichen Angelegenheiten in Anspruch nehmen will, hat dann einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn sein Begehren nicht mutwillig erscheint. Daran fehlt es vorliegend. Die Antragstellerin kann, nachdem die jugoslawischen Gerichte nach wie vor eine ausschließliche familienrechtliche internationale Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen, insbesondere wenn die antragsgegnerische Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt dauerhaft in Jugoslawien hat, nicht damit rechnen, dass ein in Deutschland ergehendes Scheidungsurteil auch im gemeinsamen Heimatstaat anerkannt werden wird. Ein Interesse, lediglich eine sog. hinkende Ehescheidung in der Bundesrepublik Deutschland anzustreben, ist nach dem Vortrag der Antragstellerin nicht ersichtlich und nicht ohne weiteres anzuerkennen. Bei dieser Sachlage würde eine verständige Partei, die die Kosten ihrer Prozessführung selbst aufzubringen hätte, von einer derartigen Prozessführung Abstand nehmen.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat somit keinen Erfolg.