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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien, die beide die Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina besitzen, haben am 8.7.1989 geheiratet und leben bereits seit mehreren Jahren in Deutschland. Sie haben sich im August 2002 getrennt. Die Ehefrau begehrt mit ihrem Antrag die Scheidung der Ehe.
Das Amtsgericht Leverkusen (DE) hält den Scheidungsantrag für zulässig und begründet. Die internationale Zuständigkeit für die Ehescheidung folge aus Art. 2 Abs. 1 lit. a, 1. Spiegelstrich der Verordnung 1347/2000 „Brüssel II“, weil beide Ehegatten ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt seit Jahren in Deutschland hätten. Dass die Parteien Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina sind, hindere die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht, weil die Brüssel II-Verordnung auch auf Staatsangehörige von Drittstaaten anzuwenden sei, soweit diese die Zuständigkeitskriterien des Art. 2 erfüllen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
1. Ehesache
Tatbestand:
Die Parteien sind Eheleute, welche am 8.7.1989 geheiratet haben. Die Antragstellerin möchte die Scheidung dieser Ehe und trägt zur Begründung vor, dass die Parteien seit August 2002 getrennt leben, und dass sie eine Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft ablehnt. Sie sieht die Ehe dauerhaft zerrüttet und trägt vor, ein weiteres Zusammenleben sei unerträglich und nicht möglich.
Die Antragstellerin beantragt,
die am 8.7.1989 vor dem Standesbeamten des Standesamtes Sanski Most zu Registernummer … geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden.
Der Antragsgegner hat ebenfalls Scheidungsantrag gestellt, und dem Scheidungswunsch der Antragstellerin zugestimmt.
Beide Parteien wurden persönlich gehört. Sie haben ihre schriftsätzlichen Erklärungen bestätigt. Zu einer Versöhnung der Eheleute kam es im Verlauf von zwei gerichtlichen Terminen mit den Parteien nicht. Hinsichtlich der gemeinsamen Kinder soll es bis zur beantragten gerichtlichen Entscheidung bei der gemeinsamen Elternsorge bleiben.
Entscheidungsgründe:
Der Scheidungsantrag ist zulässig und begründet. Das Familiengericht des Amtsgerichts Leverkusen ist nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 (Brüssel II-VO), die am 1.3.2001 in Kraft getreten ist, international zuständig. Nach diesem Regelwerk genügt zur Annahme der internationalen Zuständigkeit der Aufenthalt beider oder eines Ehegatten in einem Mitgliedsstaat. Dieses Kriterium ist durch den langjährigen Wohnsitz beider Parteien in Deutschland offenkundig erfüllt. Dass die Parteien Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina sind hindert die internationale Zuständigkeit nicht. Die VO ist auch auf Staatsangehörige von Drittstaaten anzuwenden, soweit diese die Zuständigkeitskriterien erfüllen. Die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts Leverkusen ergibt sich aus dem Wohnsitz der Parteien im hiesigen Bezirk. In der Sache selbst ist das gemeinsame Heimatrecht der Parteien also das Recht von Bosnien-Herzegowina anzuwenden. Danach kann gemäß Art. 55 des Gesetzes über die Familie vom 29.5.1979 in der Fassung vom 20.12.1989 ein Ehegatte die Scheidung verlangen, wenn die Ehebeziehungen schwer und dauerhaft zerrüttet sind und dadurch das Zusammenleben unerträglich geworden ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Nach Anhörung beider Parteien steht fest, dass nunmehr beide Ehegatten eine Fortsetzung der seit mehr als einem Jahr nicht mehr bestehenden ehelichen Gemeinschaft ablehnen, und dass beide geschieden werden möchten. Unter solchen Umständen ist die Ehe schwer und dauerhaft zerrüttet. Für ein weiteres Zusammenleben fehlt zudem die entsprechende Bereitschaft der Ehepartner dazu. Ein trotz dieser ablehnenden Grundhaltung durchgesetztes Zusammenleben wäre unerträglich. Dass diese Einschätzung naheliegend und richtig sein dürfte, wurde nicht zuletzt in den Anhörungsterminen der Parteien vor Gericht deutlich. Im ersten Termin wollte die Antragstellerin, später wollten beide die Ehe auf keinen Fall mehr fortsetzen. Bei diesen Haltungen hat auch die nach Art. 72 Abs. 2 des o.a. bosnischen Gesetzes immer anzusprechende Möglichkeit der Aussöhnung keine Grundlage. Dass eine mögliche Aussöhnung nur vor dem erkennenden Gericht besprochen worden ist, ist unschädlich. Soweit das bosnische Heimatrecht den Aussöhnungsversuch bei der Vormundschaftsbehörde ansiedelt, gibt es in Deutschland etwa beim Jugendamt keine derartige Aufgabenzuweisung. Damit ist es notwendig, den Versöhnungsversuch der Behörde aufzuerlegen, deren Aufgaben den Vorstellungen im Heimatrecht am nächsten kommen. Das ist hier das Gericht. Ein nicht erfolgter Sühneversuch würde zudem die Ehescheidung nicht hindern. Ein im Heimatrecht vorgesehener Versöhnungsversuch ist prozessrechtlich und nicht als materielle Scheidungsvoraussetzung zu qualifizieren (vgl. Palandt, BGB, 61. Aufl. EGBGB 107, Rn. 17). Art. 75 des o.a. bosnischen Gesetzes, wonach zusammen mit der Scheidung über die Obhut und Erziehung der gemeinsamen Kinder entschieden wird, hindert die hier angestrebte Scheidung ebenfalls nicht. Auch dies ist erkennbar keine Scheidungs-, sondern ebenfalls eine Verfahrensvoraussetzung und unterliegt damit dem Verfahrensrecht vor Ort. Damit kann in Anwendung des § 623 Abs. 2 S. 2 ZPO über die Scheidung vorab entschieden und die erbetene Sorgerechtsentscheidung nachgeholt werden. Die nach bosnischem Recht erforderlichen Maximen sind damit alle eingehalten. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung wird über das Sorgerecht unter vollständiger Beteiligung des Jugendamtes entschieden.
2. Versorgungsausgleich
Tatbestand und Entscheidungsgründe
Nach § 1587/I BGB sind im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Versorgungen auszugleichen. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Eheschließungsmonats und endet mit dem letzten Tag des Monats, welcher dem Monat vorausgeht, in welchem der Scheidungsantrag zugestellt wurde (§ 1587/II BGB):
Die Ehezeit begann am 01.07.1989.
Sie endete am 31.10.2003.
In dieser Zeit haben die Parteien folgende Anrechte erworben:
A. Anwartschaft der Antragstellerin:
Bei der … 176,44 EUR
Versicherungsnr. …
Die Bewertung erfolgt nach § 1587a/II Nr. 2 BGB.
insgesamt: 176,44 EUR
B. Anwartschaften des Antragsgegners:
1. Bei der... 467,63 EUR
Versicherungsnr....
Die Bewertung erfolgt nach § 1587a/II Nr. 2 BGB.
2. Bei der...
Es handelt sich um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung nach § 1587a/II Nr. 3 BGB. Jahresrente 12.141,24 EUR
Nach § 1587a/II Nr. 3 BGB ist nur der Ehezeitanteil der Betriebsrente auszugleichen, der sich nach dem Zeit-Zeit-Verhältnis wie folgt berechnet:
Betriebszugehörigkeit
Anfang 01. 03. 1990
Ende 30. 09. 2032
Gesamtzeit (Monate): 511
in Ehezeit (Monate): 164
Ehezeitanteil in % 32,0939
als Betrag: 12141,24 * 32,0939 % = 3.896,60 EUR
Altersgrenze 65
Der Wert der Versorgung steigt nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Der Ehezeitanteil der Versorgung ist daher gem. § 1587a Abs. 3, 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen. Dafür ist zuerst nach der BarwVO der Barwert zu berechnen. Es sind die Werte der Tabelle 1 der BarwVO zu verwenden, weil die Versorgung für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist.
Alter bei Ehezeitende: 36
Barwertfaktor: 2,3
Barwert: 8.962,18 EUR
Aus Barwert oder Deckungskapital wird eine dynamische Rente in der Weise berechnet, daß der Wert fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Somit ist der Betrag mit dem für das Ehezeitende geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte (EP) und diese mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts (ARW) nach § 1587a/III, IV BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen.
Umrechnungsfaktor Beiträge in EP: 0,0001754432
Entgeltpunkte: 1,5724
Aktueller Rentenwert: 26,13 EUR
EUR dynamisch: 1,5724 * 26,13 = 41,09 EUR
Der Versorgungsträger läßt die Realteilung nicht zu. Es handelt sich um einen inländischen privatrechtlich organisierten Versorgungsträger.
Das ergibt folgende Obersicht:
splittingfähig gem. § 1587b/I BGB mit EP: 467,63 EUR
Schuldr.Ausgl. § 2 VAHRG, inländisch: 41,09 EUR
insgesamt: 508,72 EUR
Nach § 1587a/I BGB ist der Ehegatte mit den höheren Anrechten ausgleichspflichtig: 176,44 – 508,72 = -332,28 EUR
Ausgleichspflicht des Antragsgegners: 166,14 EUR
Nach § 1587b/I BGB hat der Versorgungsausgleich durch Rentensplitting zu erfolgen in Höhe von: (467,63 – 176,44) / 2= 145,60 EUR
Der Höchstbetrag nach § 1587b/V BGB betragt: 572,62 EUR
Er ist nicht überschritten.
Soweit Splitting, Quasisplitting und Realteilung nicht möglich sind, ist der schuldrechtliche Ausgleich nach § 2 VAHRG vorgesehen. Dem schuldrechtlichen Ausgleich bleiben demnach: 20,54 EUR
Anstelle des schuldrechtlichen Ausgleichs nach § 2 VAHRG können nach § 3b/I Nr. 1 VAHRG bis zu Höhe von 2 % der allgemeinen Bezugsgröße nach SGB IV § 18 auch andere in oder vor der Ehe erworbene Versorgungen, die durch Übertragung oder Begründung von Anwartschaften ausgeglichen werden können, herangezogen werden, und zwar im Höchstwert von: 47,60 EUR
Der Ausgleich erfolgt durch erweitertes Splitting in Höhe von: 20,54 EUR
Die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte folgt § 1587b/VI BGB.
Streitwert nach § 17a GKG: 166,14 * 12 =1.993,68 EUR