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Zusammenfassung der Entscheidung Ein türkischer Ehemann hat beim Amtsgericht Heilbronn (DE) Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Ehescheidung von seiner ebenfalls türkischen Ehefrau beantragt. Beide Ehegatten haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Ehemannes.
Das OLG Stuttgart (DE) hebt den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe der Parteien seien gegeben. Insbesondere seien die deutschen Gerichte für das Scheidungsverfahren nach Art. 2 Abs. 1 lit. a, erster Spiegelstrich der Verordnung 1347/2000 „Brüssel II“ international zuständig, weil beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht den Antrag des Ehemannes auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Ehescheidung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete (sofortige) Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet. Im Ergebnis führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Bescheidung über den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers.
Nach dem Sachvortrag des Ehemannes sind die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe der Parteien gegeben. Die deutschen Gerichte sind für das Scheidungsverfahren international zuständig, da beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (Art. 2 Abs. 1 a 1. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 – Brüssel II -). Auch wenn der Ehemann inzwischen durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, führt das Scheidungsstatut nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zunächst zum türkischen Recht, weil der Ehemann vor der Einbürgerung, ebenso wie seine Frau, die türkische Staatsangehörigkeit besaß. Wird auf das Recht eines anderen Staates verwiesen, so ist nach Art. 4 Abs. 1 EGBGB allerdings auch dessen internationales Privatrecht anzuwenden. Verweist das Recht des anderen Staates auf deutsches Recht zurück, so sind die deutschen Sachvorschriften anzuwenden. Art. 13 des türk. IPRG stellt bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Ehegatten auf das Recht ihres gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts ab. Da beide Parteien in Deutschland leben und hier auch ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten, beurteilt sich die Ehescheidung nach deutschem Recht.
Selbst wenn man aber eine Rückverweisung durch das türkische internationale Privatrecht auf deutsches Recht verneinen sollte, gelangt man über Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zur Anwendung deutschen Rechts. Der Ehemann stützt seinen Scheidungsantrag darauf, dass die Parteien seit Oktober 2001 getrennt leben. Bei Anwendung deutschen Rechts wäre die Ehe gemäß §§ 1565, 1566 Abs. 2 BGB gescheitert und dementsprechend zu scheiden. Nach türkischem Recht wäre der Antragsteller mit demselben Sachvortrag nicht erfolgreich, nachdem sein auf türkisches Recht gestützter Scheidungsantrag mit Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 11.02.2003 rechtskräftig abgewiesen worden ist (vgl. Art. 166 Abs. 4 türk. ZGB). Kann die Ehe hiernach aufgrund des eigentlich berufenen türkischen Rechts (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB: frühere gemeinsame Staatsangehörigkeit) nicht geschieden werden, unterliegt die Scheidung dem deutschen Recht, nachdem der Ehemann inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat (vgl. Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., Art. 17 EGBGB, Rn. 25-27).
An einer abschließenden positiven Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Scheidungsverfahren ist der Senat gehindert, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht bekannt sind (§ 117 ZPO). Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren keine PKH-Erklärung in der Form des § 117 Abs. 3 ZPO vorgelegt und auch sonst seine Einkommenssituation nicht belegt. In der Antragsschrift verweist er auf PKH-Unterlagen, die in einem Unterhaltsrechtsstreit beim Amtsgericht Heidelberg (7 F 2424/03) vorgelegt worden sein sollen. Diese Unterlagen sind dem Senat nicht bekannt; sie dürften auch dem Familiengericht Heilbronn nicht vorgelegen haben, da sie anderenfalls mit den Prozessakten übersandt worden wären.
Bei dieser Sachlage ist der Beschluss des Familiengerichts vom 23.06.2004 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrags an das Amtsgericht zu verweisen, welches hierüber befinden kann, sobald der Antragsteller in einer ihm nachzulassenden Frist die gemäß § 117 ZPO erforderlichen Unterlagen einreicht.