Die Parteien haben wie angegeben geheiratet. Beide Parteien waren zu diesem Zeitpunkt Spanier und sind es noch. Aus der Ehe sind die am …1993 geborene Tochter … und der am …1996 geborene … hervorgegangen, die seit der im März 1997 erfolgten Trennung der Parteien im mütterlichen Haushalt betreut werden.
Die ehelichen Lebensverhältnisse waren geprägt von den Erwerbseinkünften des Antragsgegners, der als Lufthansa Angestellter im Jahre 2002 ein steuerpflichtiges Bruttoeinkommen von 44.275,‑ EUR mit steuerfreien Zulagen in Höhe von 4.700,‑ EUR erzielte.
Gegen Anfang September 2001 verlegte die Antragstellerin zusammen mit den Kindern ihren Wohnsitz in ihren Heimatort in Spanien, wo seither die Kinder die Schule beziehungsweise Vorschule besuchen. Sie behielt eine Meldeanschrift in Deutschland bei und bezog vom Arbeitsamt Frankfurt auch fortan Kindergeld. Unter Berufung auf den fehlenden Wohnsitz in Deutschland hat das Arbeitsamt am 09.01.2003 die Kindergeldfestsetzung aufgehoben und das geleistete Kindergeld zurückgefordert.
Die Parteien beantragen die Scheidung der geschlossenen Ehe unter Hinweis auf die seit mehr als 5 Jahren andauernde Trennung; eine Versöhnung lehnen sie beide ausdrücklich ab.
Die Antragstellerin begehrt ferner die Zahlung von nachehelichem Ehegattenunterhalt und beantragt, den Antragsgegner zu verurteilen, ab dem 1. des auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden Monats an die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von 833,10 EUR monatlich zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt, den Zahlungsantrag abzuweisen, hilfsweise, den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Antragstellerin auf die Zeit bis zum 31.12.2004 zu beschränken.
Er errechnet sein monatliches Durchschnittseinkommen auf 2.488,‑ EUR monatlich, wovon er bislang 750,‑ EUR monatlich an die Antragstellerin für Ehegatten- und Kindesunterhalt geleistet hat. Er meint, der Antragstellerin obliege jetzt eine Erwerbstätigkeit und sie könne als Verkäuferin mit einer Halbtagsbeschäftigung 500,‑ EUR monatlich netto verdienen. Außerdem wohne sie kostenfrei bei ihren Eltern.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Das Gericht hat die Parteien in der Verhandlung vom 28.05.2002 beide persönlich angehört und sich davon überzeugt, dass sie seit mehr als 5 Jahren dauernd voneinander getrennt leben und dass sie eine Versöhnung ausdrücklich ausschließen und die Scheidung begehren.
Die Antragstellerin hat die Durchführung des gesetzlichen Versorgungsausgleiches nach deutschem Recht beantragt. Das Gericht hat die Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt und mit Zustimmung der Parteien die Entscheidung darüber abgetrennt, um sie nach in Kraft treten einer aktualisierten Barwertverordnung im Beschlussverfahren nachzuholen.
Die Antragstellerin hat in dem gesonderten Unterhaltsverfahren 72 F 207/02, jetzt 72 F 943/01 UEUK, Kindes- und Ehegattenunterhalt bei dem hiesigen Gericht eingeklagt; die Entscheidung hierüber ergeht zeitgleich mit dem Ehescheidungsurteil.
Das Gericht hat zu beiden Verfahren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens zum Inhalt und der aktuellen Anwendung spanischen Unterhaltsrechtes mit folgenden Einzelfragen:
a) Sieht das spanische Unterhaltsrecht eine Rückverweisung auf deutsches Recht für den Fall vor, in dem Frau und Kinder ihren dauernden Aufenthalt in Spanien haben, der letzte gemeinsame Aufenthaltsort der Ehegatten jedoch in der Bundesrepublik Deutschland war und der Ehemann noch dort wohnt?
b) Gibt es in der Praxis Ausnahmen zu der Bestimmung des Art. 148 des spanischen Zivilgesetzbuches, wonach Unterhalt erst von dem Zeitpunkt an zu leisten ist, zu dem die Klage eingereicht wird, und ist mit Klageeinreichung im Sinne dieser Bestimmung bereits die Anhängigkeit oder erst die Rechtshängigkeit (im Sinne des § 261 ZPO) gemeint?
c) Werden die Art. 97 und 152 des spanischen Zivilgesetzbuches so angewendet, dass eine Mutter auch bei Betreuung minderjähriger Kinder grundsätzlich verpflichtet ist, spätestens 3 Jahre nach Trennung der Parteien einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, widrigenfalls ein fiktives Arbeitseinkommen angerechnet wird, das bei einer Mutter ohne qualifizierte Berufsausbildung mit Kindern im Alter von 9 Jahren und 5 Jahren bei bestehender Betreuungsmöglichkeit durch die Großeltern auf 500,‑ EUR veranschlagt werden kann?
d) Wie wird der Unterhaltsbedarf von minderjährigen Kindern und von betreuenden Elternteilen ermittelt und werden gegebenenfalls Einkünfte, beispielsweise auch Kindergeld, in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet?
e) Wird eine Unterhaltsberechnung lediglich die Grundvergütung des Unterhaltspflichtigen zu Grunde gelegt oder sind auch Zulagen (zum Beispiel für Überstunden und Nachtarbeit) sowie geldwerte Vorteile (wie zum Beispiel verbilligte Flugtickets) maßgebend?
Werden Fahrtkosten grundsätzlich in der tatsächlich angefallenen Höhe bei der Bereinigung des Nettoeinkommens berücksichtigt?
Werden Aufwendungen zum regelmäßigen Besuch der Kinder von dem unterhaltsrelevanten Einkommen in voller Höhe in Abzug gebracht?
Werden Steuererstattungen aus Einkommensteuerbescheiden dem unterhaltsrelevanten Einkommen zugerechnet?
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Prof. Dr. Gerhard Hohloch, Direktors des Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg vom 30.11.2002 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Scheidungsbegehren ist gerechtfertigt.
Die internationale und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 a 3 der Europäischen EheVO Nr. 1347/2000 vom 29.05.2000, die am 01.03.2001 in Kraft getreten ist und der sowohl Deutschland als auch Spanien als Vertragsstaaten beigetreten sind. Der Antragsgegner hatte und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, und zwar im Bezirk des angerufenen Amtsgerichtes. Dementsprechend ist gemäß Art. 14 Abs. 1 und 2 Eheverordnung diese Gerichtsentscheidung auch im Heimatland der Parteien anzuerkennen.
Auf die beantragte Entscheidung findet gemäß Art. 17 Abs. 1, 14 Abs. 1 EGBGB spanisches Recht Anwendung, weil die Parteien beide spanische Staatsbürger sind. Zweiseitiges Abkommensrecht auf dem Gebiet der Scheidung besteht zwischen den Staaten Spanien und Deutschland nicht, so dass Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB heranzuziehen ist, welcher wiederum auf Art. 14 EGBGB verweist. Die Parteien haben einen Ehevertrag nicht abgeschlossen und auch ansonsten keine Rechtswahl hinsichtlich der allgemeinen Ehewirkungen im Sinne des von Art. 14 Abs. 2 bis 4 EGBGB vorgenommen, womit anhand Art. 14 Abs. 1 EGBGB aufgrund der übereinstimmenden spanischen Staatsangehörigkeit der Parteien spanisches Recht auf die Scheidung anzuwenden ist. Das spanische internationale Privatrecht nimmt die vom deutschen internationalen Privatrecht ausgesprochene Verweisung an, da gemäß Art. 9 des spanischen Zivilgesetzbuches (codigo civil vom 24.07.1889) die Ehewirkungen nach dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten bei Eheschließung bestimmt werden und gemäß Art. 107 Trennung und Scheidung vom gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten im Zeitpunkt der Einreichung der Klage bestimmt werden. Regionale Sonderregelungen bestehen für die Scheidung jedenfalls in Andalusien, wo die Herkunftsorte der Parteien liegen, nicht. Für die Scheidung gilt in Spanien also grundsätzlich gemein spanisches Recht auf der Grundlage des codigo civil.
Für die Entscheidung über die Ehescheidungsanträge ist im vorliegenden Fall Art. 86 Ziffer 4 des spanischen Zivilgesetzbuches heranzuziehen, da die Parteien das eheliche Zusammenleben unstreitig im März 1997, mithin vor mehr als 5 Jahren tatsächlich beendet haben. Die Antragstellerin hat unter Berufung darauf den Antrag auf Ehescheidung gestellt und der Antragsgegner hat daraufhin seinerseits ebenfalls die Scheidung der Ehe begehrt. Beide Parteien haben eine Versöhnung ausdrücklich ausgeschlossen, so dass die Ehe der Parteien durch die Scheidung aufzulösen war.
Für das Begehren auf Zahlung von nachehelichem Ehegattenunterhalt ist ebenfalls materielles spanisches Recht maßgebend. Sowohl nach Art. 8 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 02.10.1973, das für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 01.04.1987 in Kraft ist und seitdem auch im Verhältnis zu Spanien gilt, als auch durch die inhalts- und deckungsgleiche Vorschrift des Art. 18 Abs. 4 EGBGB ist das auf die Ehescheidung angewandte Recht für die Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten maßgeblich. Art. 18 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ist „Sachnormverweisung“; die Möglichkeit einer Rückverweisung auf deutsches Recht besteht weder nach dieser Vorschrift noch nach dem Haager Unterhaltsübereinkommen.
Das eingeholte Gutachten hat bestätigt, dass Rechtsgrundlage für Nachscheidungsunterhalt nach spanischem Recht Art. 97 des spanischen Zivilgesetzbuches jedenfalls dann ist, wenn – wie hier – die Ehegatten ein „Scheidungsabkommen“ im Sinne des Art. 90 codigo civil nicht getroffen haben. Gemäß Art. 97 des spanischen Zivilgesetzbuches kann ein Ehegatte, für den die Trennung oder Scheidung ein wirtschaftliches Ungleichgewicht im Verhältnis zur Lage des Anderen bewirkt, welches eine Verschlechterung zu seiner früheren Situation in der Ehe mit sich bringt, eine gerichtlich festzulegende Pension begehren, wobei insbesondere Alter und Gesundheitszustand, die berufliche Qualifikation und die Wahrscheinlichkeiten des Zuganges zu einer Anstellung, der vergangene und künftige Einsatz für die Familie, die Dauer der Ehe und des ehelichen Zusammenlebens sowie das Vermögen, die wirtschaftlichen Mittel und die Bedürfnisse des einen wie des anderen Ehegatten maßgeblich sind. Anhand des Gutachtens unterscheiden sich die als Nachscheidungsunterhalt zu zahlenden Pensionen regelmäßig in der Höhe kaum von dem von spanischen Gerichten üblicherweise festgesetzten Getrenntlebensunterhalt. Die zitierte Rechtsprechung ist durchaus zurückhaltend mit der Bejahung einer Erwerbsobliegenheit einer kindesbetreuenden Mutter, auch für die Zeit nach erfolgter Ehescheidung; eine Erwerbsobliegenheit einer Mutter eines im Vorschulalter befindlichen und eines weiteren grundschulpflichtigen Kindes wird somit nicht bejaht. Hintergrund ist nicht zuletzt der Umstand, dass die in Spanien gerichtlich zugesprochenen Unterhaltsbeträge eher gering sind und daher in aller Regel nicht für die Bestreitung des gesamten Lebensunterhaltes der Unterhaltsberechtigten ausreichen, so dass faktisch eine Aufstockung durch eigene Erwerbseinkünfte, sonstige Einkünfte oder aus öffentlichen Unterstützungsmitteln erforderlich ist.
Die Praxis der spanischen Gerichte berechnet dabei weder den Bedarf noch gibt sie einem Prozent- oder Bruchteilsanteil vom maßgeblichen Einkommen wie das deutsche Recht. Vielmehr wird unter Heranziehung der in Art. 97 Ziffer 1 des Zivilgesetzbuches aufgeführten Gesichtspunkten am Ende eine Pauschalsumme zugesprochen, die einen innerhalb der Praxis der spanischen Gerichte schwankenden Anteil von zwischen 20 % bis 30 % des einsetzbaren Einkommens des zahlungsverpflichteten Eheteiles ausmacht. Ausgangspunkt des jeweiligen Unterhaltsanspruches des jeweiligen Berechtigten ist in allen Fällen das für die Unterhaltsverpflichtung und Unterhaltsdeckung einsetzbare Nettoeinkommen. Dieses wird in Spanien durch Ermittlung des Bruttoeinkommens als Summe der Einkünfte aus den verschiedenen möglichen Einkunftsarten festgelegt, also aus der Summe von Erwerbseinkünften, Vermögenserträgnissen und anderen Einkünften. Von diesem Bruttoeinkommen werden die gezahlten oder zu zahlenden Steuern auf diese Einkünfte und die Abgaben zur sozialen Sicherung abgezogen, um auf diese Weise das einsetzbare Nettoeinkommen jedenfalls im Grundsatz zu erhalten. Eine so differenzierte Vorgehensweise wie bei der Ermittlung des „bereinigten Nettoeinkommens“ bei Geltung deutschen Rechtes im Inland beobachtet Spanien nicht in gleicher Weise.
Im Einzelnen sind Zuflüsse, die aus Steuerrückerstattungen folgen, Teile des einzusetzenden Einkommens, ebenso Überstunden- und Nachtarbeitszuschläge. „Geldwerte Vorteile“, wie etwa verbilligte Flugtickets werden in der spanischen Rechtsprechung nicht berücksichtigt, ebensowenig umgekehrt Fahrtkosten oder Aufwendungen für die Ausübung des Umgangsrechtes.
Somit kann wie folgt gerechnet werden:
Von einem Bruttolohn von rund 44.000,‑ EUR können 7.188,‑ EUR gemäß § 33 a Einkommensteuergesetz als Höchstbetrag wegen der Unterhaltsleistungen abgesetzt werden. Daraus ergibt sich eine Lohnsteuerbelastung von rund 7.850,‑ EUR jährlich, Solidaritätszuschlag von rund 430,‑ EUR, eine Kirchensteuerbelastung von rund 700,‑ EUR, Rentenversicherungsbeiträge von rund 4.300,‑ EUR, Arbeitslosenversicherungsbeiträge von rund 1.440,‑ EUR, Krankenversicherungsbeiträge von rund 2.900,‑ EUR und Pflegeversicherungsbeiträge von rund 350,‑ EUR und damit ein Nettolohn von rund 2.190,‑ EUR monatlich zuzüglich 390,‑ EUR monatlich als Umlage der steuerfreien Zulagen, die der Antragsgegner von seinem Arbeitgeber erhält. Davon muss der Antragsgegner den im parallellaufenden Unterhaltsverfahren festzusetzenden Kindesunterhalt abzüglich des nach Spanien erhältlichen Kindergeldes, mithin abgerundet 600,‑ EUR aufbringen. Von dem nach Abzug des Kindesunterhaltes verbleibenden Nettoeinkommen des Antragsgegners sind nach spanischem Recht 550,‑ EUR monatlich insbesondere im Hinblick auf die Dauer der Ehe und des Alters der zu betreuenden Kinder angemessen.
Unter besagten Gesichtspunkten besteht gar kein Anlass, die Ehegattenunterhaltspflicht schon im nächsten Jahr enden zu lassen. Eine zeitliche Begrenzung ist derzeit vielmehr gar nicht angebracht, weil es noch wenigstens 7 Jahre dauern wird, bis die Kinder nicht mehr eine umfassende mütterliche Betreuung benötigen. Außerdem ist nicht zu erwarten, dass die Antragstellerin selbst mit einer Vollzeiterwerbstätigkeit als Verkäuferin an die Einkünfte des Antragsgegners, so wie sie sich gegenwärtig darstellen, auch nur annähernd herankommen wird. Falls sich die Antragstellerin also nicht beispielsweise wieder verheiratet oder eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft begründet und die Einkünfte des Antragsgegners nicht wesentlich absinken, ist die Weiterzahlung des Unterhaltes der nachehelichen Solidarität geschuldet.