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unalex. Rechtsprechung Entscheidung DE-974
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unalex. Rechtsprechung

Entscheidung DE-974  



OLG Zweibrücken (DE) 10.03.2006 - 6 WF 41/06
Art. 19, Brüssel IIa-VO – unalexRechtshängigkeit und abhängige Verfahren –unalexKonkurrierende Eheverfahren –unalexAbhängige Verfahren

OLG Zweibrücken (DE) 10.03.2006 - 6 WF 41/06, unalex DE-974



Auf dem Gebiet der internationalen Zuständigkeit in Ehesachen wird § 606 a Abs. 1 ZPO durch die vorrangigen Regelungen der Verordnung 2201/2003 "Brüssel IIa" seit deren Geltung ab dem 1. März 2005 verdrängt.

Gem. Art. 19 Abs. 1 Brüssel IIa-VO – ebenso schon zuvor Art. 11 Abs. 2 Brüssel II – hat das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen bis zur Klärung der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts auszusetzen, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigkeitserklärung einer Ehe zwischen denselben Personen gestellt werden.


-  Zusammenfassung der Entscheidung 

Der Antragsteller, Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, erstrebt mit Antrag vom 30.12.2005 die Scheidung der im Jahre 2001 mit der Antragsgegnerin geschlossenen Ehe. Die Antragsgegnerin ist polnische Staatsangehörige und lebt mit den beiden aus der Ehe hervorgegangenen Kindern seit 2002 in Polen. Sie hat dort vor dem Bezirksgericht in Kattowitz am 13.07.2005 Klage auf Trennung von Tisch und Bett erhoben, die dem Antragsteller am 17.12.2005 zugestellt worden ist. Das Amtsgericht Landau (DE) hat dem Antragsteller Prozesskostenhilfe verweigert, weil es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Ehescheidung nach § 606 a ZPO fehle. Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.

Das OLG Zweibrücken (DE) weist die Beschwerde zurück. Zwar fehle es nicht an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte; denn § 606 a Abs. 1 ZPO werde im vorliegenden Fall durch die vorrangig anwendbaren Vorschriften der Verordnung 2201/2003 „Brüssel II bis“ verdrängt, die ab dem 1.3.2005 anwendbar sei. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. a, 2. Spiegelstrich seien aber die deutschen Gerichte vorliegend international zuständig, weil beide Ehegatten hier zuletzt ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Der gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe sei jedoch deshalb abzuweisen, weil eine Entscheidung der deutschen Gerichte im Hinblick auf das früher eingeleitete Verfahren auf Trennung von Tisch und Bett in Polen nicht ergehen könne. Dieser Vorrang des polnischen Verfahrens gelte nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung „Brüssel II bis“ auch dann, wenn beide Verfahren nicht den gleichen Streitgegenstand hätten. Denn maßgebend sei insoweit der Streitgegenstandsbegriff der Verordnung, nicht jener des im Gerichtsstaat geltenden nationalen Verfahrensrecht (hier: § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

 JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission

-  Entscheidungstext 

I. Der Antragsteller, Staatsangehöriger von Bosnien- Herzegowina mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland erstrebt mit am 30. Dezember 2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz die Scheidung der am 3. August 2001 mit der Antragsgegnerin geschlossenen Ehe. Die Antragsgegnerin ist polnische Staatsangehörige. Sie lebt mit den beiden aus der Ehe hervorgegangenen Söhne seit Weihnachten 2002 in Polen. Dort hat sie vor dem Bezirksgericht in Kadovik am 13. Juli 2005 u.a. Klage auf Trennung von Tisch und Bett erhoben. Diese ist dem Antragsteller am 17. Dezember 2005 zugestellt worden.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht Prozesskostenhilfe verweigert. Seiner Ansicht nach ist schon die Internationale Zuständigkeit nicht gegeben. Außerdem liege bereits anderweitige Rechtshängigkeit im Sinne des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vor.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller weiterhin das Ziel, ihm zur Durchführung des Scheidungsverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

II. Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO gegen die Versagung der nachgesuchten Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Scheidungsverfahrens statthafte sofortige Beschwerde ist verfahrensrechtlich bedenkenfrei, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Die erstinstanzliche Entscheidung erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung derzeit mutwillig im Sinne des § 114 ZPO ist.

1. Mit Recht macht die Beschwerde allerdings geltend, dass die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts nicht unter Hinweis auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 606 a Abs. 1 ZPO abgelehnt werden kann. Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird nämlich durch die vorrangig anwendbaren Regelungen der VO (EG) Nr. 2201/2003 (im Folgendem: EheVO II – Brüssel IIa) verdrängt. Insoweit haben Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften Vorrang vor entgegenstehenden innerstaatlichen Regelungen zum Kollisionsrecht (vgl. Weinreich/Klein/Rausch, FamR 2. Aufl. § 606 a ZPO Rn. 1). Die EheVO II (Brüssel IIa) ist am 23. Dezember 2003 im Amtsblatt der EG/EU verkündet worden, somit in der Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedsstaat unmittelbar geltendes Recht und nach Art. 72 Satz 2 der Verordnung ab dem 1. März 2005 anwendbar (vgl. Rausch, FuR 2004, 154, 155). Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit ist somit gem. Art. 3 Abs. 1 a Spiegelstrich 2 auch der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland, wenn beide Ehegatten zuletzt ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten und der Antragsteller dort zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch hat (vgl. Rausch aaO S. 158 unter Ziff. 3). Das ist hier der Fall. Nach dem Vorbringen des Antragstellers haben die Parteien nach ihrer Heirat zunächst gemeinsam in der Bundesrepublik Deutschland gelebt, wo er sich nach der Trennung weiterhin aufhält.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Familiengericht jedoch Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf das vor dem Bezirksgericht in Kadovik (Polen) von der Antragsgegnerin eingeleitete Verfahren auf Trennung abgelehnt. Anders als das deutsche Recht sieht das polnische Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch vom 25. Februar 1964 neben der Scheidung (Art. 56 § 1 FVGB) bei vollständiger Zerrüttung eine Trennung von Tisch und Bett vor (Art. 61/§ 1 FVGB). Im Unterschied zur Scheidung lässt die Trennung von Tisch und Bett die Ehe als solche fortbestehen (vgl. Bergmann/Ferid/Gralla, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Polen S. 30). Für die zu treffende Entscheidung kann indes dahinstehen, ob die Streitgegenstände identisch sind, also wegen anderweitiger Rechtshängigkeit ein Prozesshindernis vorläge (vgl. etwa BGH FamRZ 1992, 1060, 1061; OLG München FamRZ 1992, 73, 74; für die Trennung von Tisch und Bett nach italienischem Recht AG Siersburg NJW-RR 1997, 388 f.). Denn auch insoweit ist gegenüber der Regelung des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO im deutschen Recht vorrangig auf die Verordnung der Europäischen Gemeinschaften abzustellen. Danach gilt – was im Rahmen der Zulässigkeit von Amts wegen zu prüfen ist – hinsichtlich Rechtshängigkeit und abhängiger Verfahren der Prioritätsgrundsatz. Gem. Art. 19 Abs. 1 EheVO II (Brüssel IIa) – ebenso schon zuvor Art. 11 Abs. 2 EheVO I (Brüssel II) – hat das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen bis zur Klärung der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts auszusetzen, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigkeitserklärung einer Ehe zwischen denselben Personen gestellt werden. Diese Regelung führt hier dazu, dass das im Mitgliedsstaat Polen früher eingeleitete Verfahren auf Trennung das nunmehr angestrebte Scheidungsverfahren blockiert (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO 27. Aufl. Art. 19 EuEheVO Rn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO 63. Aufl. Anhang 1 zu § 606 a Art. 11 Rn. 11; AnwK-BGB/Gruber, Anh I. zum III. Abschnitt EGBGB Rdnrn 7f; HK-ZPO/Dörner Art. 19 EheGWO Rn. 3; Rauscher, EuZPR Art. 11 Brüssel II – VO Rdnrn 21, 24ff). Demzufolge ist bei dem hier zu Beurteilung stehenden Sachverhalt nach den vorrangigen Regelungen des Europäischen Rechts nicht allein der Streitgegenstandsbegriff der ZPO maßgebend (vgl. Musielak/Borth, ZPO 4. Aufl. § 606 a Rn. 32; Gruber, FamRZ 2000, 1129, 1131 f.; Hau, FamRZ 2000, 1333, 1339).

Wenn die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts noch nicht feststeht, vgl. Art. 19 Abs. 3 EheVO II (Brüssel IIa), ist zunächst das spätere Scheidungsverfahren gem. § 19 Abs. 1 der Verordnung auszusetzen, bis das erstbefasste Gericht seine Unzuständigkeit festgestellt hat, den Antrag als unbegründet abgewiesen oder ihn nicht im Umfang des beim zuletzt befassten Gerichts gestellten Antrags entschieden hat (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege aaO Art. 19 Rn. 9). Danach wird spätestens im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung über die Trennung das hier eingeleitete Scheidungsverfahren wieder möglich sein (vgl. Gruber, FamRZ 2000 1129, 1135; ders. AnwK-BGB aaO Rdnrn 4, 27ff; Musielak/Borth aaO).

Könnte demzufolge der beabsichtigte Scheidungsantrag derzeit lediglich zu einer Aussetzung des Verfahrens führen, erweist sich die Rechtsverfolgung als mutwillig. Denn eine vermögende Partei anstelle des Antragstellers würde bei dieser Sachlage – solange der Aussetzungsgrund besteht – aus Kostengründen davon absehen, das Scheidungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland einzuleiten.





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