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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin mit Sitz im Bezirk des Landgerichts München (DE) und die in Mailand (IT) ansässige Beklagte stehen miteinander im Wettbewerb. Zwischen den Parteien kam es immer wieder zu wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten über Äußerungen beider Parteien, das von der jeweils anderen Partei herausgegebene Werk sei eine Nachahmung des eigenen Werks. Daraufhin rief eine Angestellte der Klägerin von deren Sitz aus bei der Beklagten an und gab vor, im Auftrag des St. Public Relation Office, London aus London anzurufen. Das Gespräch wurde auf englisch geführt. Während des Gesprächs äußerte sich die Angestellte der Beklagten dahingehend, dass ihr Werk das Original sei und alles andere Nachahmungen. Die Klägerin erhob Unterlassungsklage vor dem Landgericht München (DE).
Das Oberlandesgericht München (DE) bestätigt die Entscheidung des Landgerichts, dass deutsche Gerichte zur Entscheidung nicht international zuständig seien. Zwar fielen auch unlautere Wettbewerbshandlungen unter Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ; der Erfolgsort liege aber nicht im Bezirk des Landgerichts München (DE). Unter Berücksichtigung der ratio des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ sei Erfolgsort im Sinne dieser Vorschrift jeder Ort, an dem der Schädiger mit dem Eintritt des Erfolgs rechnen müsse und an dem der Erfolg auch tatsächlich eingetreten sei. Die Angestellte der Beklagten habe nach den ihr gegebenen Informationen davon ausgehen müssen, dass sich ihre Gesprächspartnerin in London befinde. Sie habe nicht davon ausgehen müssen, dass ihre Aussage eine Person im Bezirk des Landgerichts München (DE) erreichen würde. Eine Begehungsgefahr für Deutschland sei nicht dargetan worden. Die Angestellte der Klägerin habe London als Gesprächsort fingiert, da sie davon ausgegangen sei, dass sich Angestellte der Beklagten gegenüber einem deutschen Gesprächspartner nicht zu einer wettbewerbswidrigen Äußerung provozieren lassen würden.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die im Bezirk des Landgerichts München II ansässige Klägerin und die in … ansässige Beklagte stehen miteinander bei der Herstellung und dem Vertrieb von Nachschlagewerken über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik im Wettbewerb. Nachdem es bereits in der Vergangenheit zwischen den Parteien zu wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen über Äußerungen wohl beider Parteien des Inhaltes gekommen war, daß das von der jeweils anderen Partei herausgegebene Werk eine Nachahmung des eigenen Werkes sei, rief eine Angestellte der Klägerin, Frau … vom Firmensitz der Klägerin aus bei der Beklagten an in der Absicht, zu überprüfen, ob die Beklagte sich wettbewerbsgerecht verhalte. Frau ... führte das Gespräch in englischer Sprache und stellte sich ihrer Gesprächspartnerin, Frau … als … vor (wobei sie nach der insoweit bestrittenen Behauptung der Klägerin allerdings nicht ausdrücklich erklärte, aus … anzurufen). Im Laufe des längeren Gespräches, in dem sich Frau … insbesondere nach Unterschieden zwischen den Werken der Parteien erkundigte, bat Frau … um Übermittlung bestimmter Informationen durch Telefax und gab dazu eine … Telefax-Nunmer an. Nachdem Frau … schließlich gezielt gefragt hatte, welches der Werke der Parteien das Originalwerk sei („Well, could you tell me now, what is actually now the original, are you the original … or?“), antwortete Frau … nach der insoweit bestrittenen Behauptung der Klägerin (Niederschrift eines Teils des Telefonats: Anlage K3):
„Ours is called: … Organisations and Enterprises and that is a … original publication. Anything else is an imitation.“
Die Klägerin hat den letzten Satz – „alles andere ist eine Nachahmung“ –als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie hat Klage zum Landgericht München erhoben und beantragt, die Beklagte bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs sinngemäß zu behaupten und zu verbreiten:
Das von der Beklagten herausgebrachte Buch … sei eine Originalpublikation der … und alles andere sei eine Imitation.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat den Wortlaut der von der Klägerin behaupteten Äußerung bestritten; die Äußerung habe einen anderen Wortlaut gehabt. Die tatsächliche Äußerung sei weder nach deutschem noch nach dem tatsächlich anwendbaren Wettbewerbsrecht wettbewerbswidrig.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei international nicht zuständig. Der besondere Gerichtsstand des Begehungsortes könne nur dort angenommen werden, wo der Verletzungserfolg bestimmungsgemäß eingetreten sei. Dies könne für den Sitz der Klägerin nicht angenommen werden, da Frau … nach allen ihr bekannten Umständen habe annehmen müssen, ihre Gesprächspartnerin befinde sich in …
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie macht geltend, die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München II sei begründet. Sie beantragt, das Urteil des Landgerichts München II vom 18. August 1992 aufzuheben und die Beklagte nach dem im ersten Rechtszug gestellten Antrag der Klägerin zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als unbegründet, da das Landgericht im Ergebnis zutreffend seine internationale Zuständigkeit verneint hat.
Auszugehen ist davon, daß im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und … seit dem 1. Februar 1973 das EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (GVÜ; abgedruckt bei Zöller, ZPO, 18. Aufl., S. 2419) gilt. Dieses Übereinkommen verdrängt für seinen Geltungsbereich die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (Zöller, aaO, Art. 2 GVÜ, Rn. 6; Schlosser, NJW 80, 1226, jeweils mwN) Gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GVÜ ist die vorliegende Klage daher am Sitz der Beklagten in … zu erheben, wenn nicht eine der in den Vorschriften des zweiten bis sechsten Abschnitts des GVÜ vorgesehenen Ausnahmen vorliegt. Für den vorliegenden Fall kommt allein die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Nr. 3 GVÜ in Betracht. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, dann, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, und zwar an dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Aus dieser Vorschrift läßt sich jedoch im vorliegenden Fall die internationale (und örtliche) Zuständigkeit des Landgerichts München II nicht herleiten:
Der Begriff der „unerlaubten Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 GVÜ ist weit auszulegen; unter ihn fallen auch unlautere Wettbewerbshandlungen (Zöller, aaO, Art. 5 GVÜ, Rn. 14). Der Begriff „des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten, ist „, ist dahin auszulegen, daß dem Kläger die Wahlmöglichkeit eingeräumt wird, seine Klage entweder am Ort des ursächlichen Geschehens oder an dem Ort, an dem sich der Schadenserfolg verwirklicht hat, zu erheben (EuGH, Urteil vom 30. November 1976, NJW 1977, 493 „Mines de Potasse“).
Der Begriff des „Ortes, an dem sich der Schadenserfolg verwirklicht hat“, bedarf jedoch genauerer Bestimmung. Sinn dieser – an Regelungen in den nationalen Rechten und insbesondere an § 32 ZPO anknüpfenden (EuGH, aaO, S. 494) – Bestimmung ist es, dem Geschädigten die Rechtsverfolgung zu erleichtern und dort Abhilfe zu schaffen, wo Unrecht getan wurde (Zöller, aaO, Rn. 13, 15). In den Fällen der sogenannten Distanzdelikten, in denen der Ort der ursächlichen Handlung (Handlungsort) und der Ort des Eintritts des Erfolges (Erfolgsort) auseinanderfallen, wäre der im Erfolgsort vom Schaden betroffene Geschädigte unangemessen benachteiligt, wenn er sein Recht am Handlungsort oder am Ort des Sitzes des Schädigers suchen müßte. Der Schädiger andererseits wäre unangemessen bevorzugt, da er in diesen Fällen regelmäßig mit dem Eintritt des Schadens an einem anderen Ort als dem Handlungsort rechnen muß: Bei unerlaubten Handlungen, die durch Versendung von Briefen oder Fernschreiben begangen werden oder bei Umweltdelikten rechnet der Handelnde mit dem Eintritt des Erfolges am Zielort des Briefes bzw. Fernschreiben oder unter Umständen an einem entfernten Ort (EuGH aaO). Bei unerlaubten Handlungen, die durch Verbreitung von Zeitschriften begangen werden, muß der Handelnde mit dem Eintritt des Erfolges im gesamten Verbreitungsgebiet der Zeitschrift rechnen. Für den letzteren Fall hat die Rechtsprechung zu § 32 ZPO allerdings angenommen, daß ein Erfolgsort nur in dem Bereich angenommen werden kann, den der Verleger oder Herausgeber der Zeitschrift nach seinen Intentionen durch den Vertrieb der Zeitschrift auch wirklich erreichen will oder in dem er mit einer Verbreitung rechnen muß (GBH, Urteil vom 3. Mai 1977, NJW 1977, 1590). Denn der Verleger oder Herausgeber einer Zeitschrift wäre gegenüber dem Verletzten unangemessen benachteiligt, wenn ein Erfolgsort auch in einem Gebiet angenommen würde, das von seiner Betriebsorganisation nicht erfaßt wird oder in das ein Exemplar der Zeitschrift nur zu dem Zweck gebracht wird, um dadurch dort den Gerichtsstand des Begehungsortes zu begründen (BGH, aaO, re.Sp.).
§ 32 ZPO und Art. 5 Nr. GVÜ verfolgen das gleiche gesetzgeberische Ziel. Der Begriff des „Ortes an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, ist daher insoweit, als es um den Erfolgsort geht, unter Berücksichtigung der erläuterten Ratio des Art. 5 Nr. 3 GVÜ dahin auszulegen, daß Erfolgsort jeder Ort ist, an dem der Schädiger mit dem Eintritt des Erfolges rechnen mußte und an dem er tatsächlich eingetreten ist. Danach liegt hier der Erfolgsort nicht im Bezirk des Landgerichts München II. Denn die für die Beklagte handelnde Frau … mußte (und sollte nach dem Willen ihrer Gesprächspartnerin) nach den gesamten ihr übermittelten Informationen davon ausgehen, daß ihre Gesprächspartnerin sich in … befinde. Sie mußte daher nicht damit rechnen, daß ihre Äußerungen tatsächlich eine im Bezirk des Landgerichts München II sitzende Person erreichen würde.
Das vorstehende gewonnen Ergebnis entspricht der – wie dargelegt, von Art. 5 Nr. 3 GVÜ erstrebten – Billigkeit. Insbesondere angesichts der Tatsache, daß die Annahme eines Tatortes im Bezirk des Landgerichts München II auch zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts führen würde, erschiene es als unbillig, der Klägerin die Möglichkeit zu geben, durch ein von einem fingierten Ort aus geführtes Gespräch der hier vorliegenden Art für eine (zudem noch durch ungewöhnliche Hartnäckigkeit provozierte) unerlaubte Handlung den Gerichtsstand ihres Sitzes und die Anwendbarkeit deutschen Rechts zu begründen. Dabei übersieht der Senat nicht, daß der Klägerin die von Art. 5 Nr. 5 GVÜ gewollte Möglichkeit der Wahl zwischen zwei Gerichtsständen genommen wird; dies ist jedoch die Konsequenz der Tatsache, daß die Klägerin einen nicht zutreffenden Gesprächsort fingiert hat.
Die Frage, ob sich aus Art. 5 Nr. 3 GVÜ die internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht auch dann herleiten ließe, wenn sich durch eine in einem anderen Land (hier: … und vermeintlich …) begangene unerlaubten Handlung eine Begehungsgefahr für die Bundesrepublik Deutschland ergäbe, kann dahingestellt bleiben, da eine solche Begehungsgefahr nicht dargetan ist. Denn offensichtlich und nach eigenem Sachvortrag in der Berufungsverhandlung wurde … als Gesprächsort fingiert, weil die Klägerin mit der Möglichkeit rechnete (besser wohl: befürchtete), daß die Mitarbeiterin der Beklagten sich gegenüber einem deutschen Gesprächspartner nicht zu einer wettbewerbswidrigen Äußerung würde provozieren lassen. Sollte die Mitarbeiterin der Beklagten sich daher gegenüber der in … geglaubten Mitarbeiterin der Klägerin tatsächlich in der hier beanstandeten Weise geäußert haben, so könnte daraus die Gefahr gleichartiger Äußerungen gegenüber Personen in der Bundesrepublik Deutschland nicht hergeleitet werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt läßt sich daher ein Gerichtsstand aus Art. 5 Nr. 3 GVÜ nicht herleiten. Daß sich aus diesem Überlegungen im übrigen dann, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts München II gemäß Art. 5 Nr. 3 GVÜ entgegen der hier vertretenen Ansicht zu bejahen wäre, die Unbegründetheit der Klage mangels Begehungsgefahr ergäbe, sei nur am Rande angemerkt.
Von der nach dem Auslegungsprotokoll zum GVÜ (BGBl Teil II, 1972, S. 845) gegebenen Möglichkeit, die Frage der Auslegung des Art. 5 Nr. 3 GVÜ dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen, hat der Senat angesichts der begrenzten Bedeutung des Falles abgesehen.