Die Klägerin, eine italienische Fleischexporteurin, macht Kaufpreisforderungen gegen die Beklagte, eine Fleischimporteurin, geltend.
Mit Fax vom 12.11.1993 bestellte die Beklagte bei der Klägerin 10 Tonnen Schweinerückenspeck, entschwartet, tiefgefroren zum Preis von DM 1,38 pro Kilogramm. Die Ware wurde in zwei Partien am 22.11. bzw. 26.11.1993 nach München geliefert. Die Rechnung für die erste Partie in Höhe von DM 11.405,70 wurde von der Beklagten bezahlt, die zweite Rechnung über DM 2.664,78 jedoch nicht.
Am 21.12.1993 reklamierte die Beklagte die Ware mit Telex in dem es heißt:
Ein Kunde beanstandet soeben, daß der Rückenspeck nicht sauber entschwartet ist. Er wird die Ware zurückschicken. Nach Erhalt geben wir Ihnen dann Bescheid um welche Mengen es sich handelt.
Diese Reklamation wurde von der Klägerin am gleichen Tag zurückgewiesen.
Mit Telex vom 22.12.1993 machte die Beklagte weiter geltend, daß die Ware von ihrem Kunden zur Verfügung gestellt wurde, da sie ranzig sei. Sie berief sich auf einen versteckten Mangel und schlug vor einen neutralen Sachverständigen hinzuzuziehen. Auch diese Reklamation wies die Klägerin zurück, da die Ware vor mehr als einem Monat geliefert worden war. Hierauf antwortete die Beklagte am 23.12.1993 mit dem Hinweis, daß der versteckte Mangel bei der Ankunft nicht ersichtlich war. Dies wurde von der Klägerin nicht akzeptiert. Die Beklagte ließ den Schweinerückenspeck am 11.01.1994 durch einen Veterinär untersuchen und stellte der Klägerin den bereits bezahlten Kaufpreis am 08.02.1994 in Rechnung.
Danach bestellte die Beklagte am 27.04.1994 zehn Tonnen Schweinebacken, entschwartet und tiefgefroren zu DM 1,20 pro Kilogramm sowie eine Tonne Schweinerückenspeck mit Schwarte tiefgefroren zum Preis von DM 2,‑ pro Kilogramm. Diese Waren wurden ihr am 29.04.1994 geliefert und ihr insgesamt DM 14.666,40 in Rechnung gestellt.
Die Beklagte beglich jedoch auch diese Rechnung nicht.
Mit Telex vom 06.05.1994 teilte sie der Klägerin mit, daß die reklamierte Ware zur Abholung bereitstehe und nach dem 11.05.1994 bei Nichtabholung verwertet werde.
Auf Mahnung der Klägerin rechnete die Beklagte mit Telex vom 17.05.1994 mit ihrer Forderung aus der Rechnung vom 08.02.1994 nebst weiteren Kosten auf.
Auf anwaltliche Mahnung der Klägerin vom 03.06.1994 wurden weder die Lieferung vom 26.11.1993 noch die vom 29.04.1994 bezahlt.
Die Klägerin bestreitet, daß die erste Lieferung mangelhaft gewesen sei, die Beklagte habe die Ware auch nicht rechtzeitig untersucht, die von ihr beanstandete Ranzigkeit sei zudem kein versteckter Mangel. Schließlich beruft sie sich darauf, daß nach italienischem Recht mit einer bestrittenen Forderung nicht aufgerechnet werden könne.
Die Klägerin beantragt
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 17.523,18 nebst 15,5 % Zinsen aus DM 2.664,78 seit dem 01.06.1994 sowie aus DM 14.666,40 seit dem 14.04.1994 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, daß der von ihr beanstandete Schweinerückenspeck ranzig gewesen sei. Die Ware, die tiefgefroren in Kartons verpackt geliefert worden sei, sei bei Lieferung von sachkundigen Mitarbeitern stichprobenartig untersucht worden. Dabei konnten keine Mängel festgestellt werden. Die Ware sei gefroren an eine Firma ... und von dieser weitergeliefert worden. Erst der Letztabnehmer habe den Verderb der Ware nach Antauen feststellen können. Hierauf sei der Mangel sofort gerügt worden. Auf die Frage, ob nach italienischen Recht aufgerechnet werden könne, komme es nicht an, da im Rahmen des CISG eine Aufrechnung als allgemeines Rechtsinstitut unmittelbar möglich sei.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist bis auf einen Betrag von DM 192,‑ sowie die Höhe des Zinssatzes im wesentlichen begründet.
Der Klägerin steht gemäß § 53 CISG ein Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises sowohl für die Lieferung vom 26.11.1993 wie auch die vom 29.04.1994 zu.
1. Restkaufpreis in Höhe von DM 2.664,78:
Die Beklagte ist – auch für den Fall, daß der gelieferte Schweinerückenspeck nicht vertragsgemäß, Art. 35 CISG, und damit der Klägerin eine wesentliche Vertragsverletzung, Art. 25 CISG, vorzuwerfen war – von der Zahlung des Kaufpreises nicht gemäß Art. 81 CISG befreit, da sie den geltend gemachten Mangel nicht ordnungsgemäß gemäß Art. 39 CISG gerügt hat und zudem keine rechtzeitige Vertragsaufhebung erklärt hat, Art. 49 Abs. 2 CISG.
Auch wenn man von der Darstellung der Beklagten ausgeht, daß die beanstandete Ranzigkeit des Specks einen versteckten Mangel darstelle, weil er im gefrorenen Zustand nicht feststellbar gewesen sei, hat sie diesen Mangel nicht ordnungsgemäß gerügt. Eine Rüge muß den Mangel genau bezeichnen. Die Beklagte hätte insbesondere rügen müssen, ob beide Lieferungen insgesamt oder zum Teil beanstandet werden. Lediglich aus den erst mit der Klageerwiderung vorgelegten Kühlhausrechnungen (B 9, 11) lassen sich an Hand der Gewichtsangaben (10.729 kg) entnehmen, daß beide Lieferungen beanstandet werden, während die (Gegen)Rechnung der Beklagten vom 08.02.1994 (B 6) nur vom Gewicht der ersten Lieferung (K 26) ausgeht (8 265 kg) Hierzu wäre sie bereits wenige Tage nach der Überprüfung durch den Veterinär am 11.01.1994 in der Lage gewesen. Schon im Hinblick auf die erheblichen Kühlhauskosten wäre die Beklagte verpflichtet gewesen rasch zu handeln Es läßt sich – auch unter Berücksichtigung der Feiertage – nach Auffassung der Kammer sogar durchaus vertreten, daß sie sich mit der Beauftragung des Sachverständigen nicht erst bis zum 10.01.1994 Zeit lassen durfte, nachdem ihr die Ranzigkeit bereits am 22.12.1993 bekannt wurde.
Selbst wenn man von einer ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Mängelrüge ausgeht, so hat die Beklagte sich mit der Erklärung der Vertragsaufhebung zu lange Zeit gelassen Diese kann man keinesfalls in der Stellung einer Rechnung (vom 08.02.1994) ersehen Abgesehen davon, daß die Beklagte insofern gar nicht erklärt, daß sie diese Rechnung der Klägerin übersandt hat, kann man aus ihr keine klare Äußerung zur Fortgeltung des Vertrags entnehmen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das CISG dem Käufer wegen Vertragsverletzungen mehrere Rechtsbehelfe zur Verfugung stellt, Art. 45 CISG. Da etwa das Recht, Schadensersatz zu verlangen, neben anderen Rechtsbehelfen besteht, Art. 45 Abs. 2 CISG, muß der Verkäufer einer Erklärung des Käufers entnehmen können, welchen der Rechtsbehelfe der Käufer nun geltend macht. Aus der letzten Zeile der Rechnung vom 08.02.1994 („Kühlhauskosten, Havariekommisar etc. werden gesondert abgerechnet“) könnte etwa durchaus entnommen werden, daß die Beklagte im wesentlichen Schadensersatz will. Auch aus den Schriftsätzen der Beklagen im Prozeß wird nicht klar, auf welchen der Rechtsbehelfe des CISG die Beklagte ihre Ansprüche stützen möchte. Erst aus dem Telefax vom 06.05.1994, in dem die reklamierte Ware zur Abholung zur Verfügung steht kann man an eine Rückabwicklung gemäß Art. 81 Abs. 2 S. 2 CISG denken. Diese konkludente Erklärung der Vertragsaufhebung wäre jedenfalls verspätet, Art. 49 Abs. 2 b) i). Der Käufer kann sich – auch wenn der Verkäufer den Mangel nicht anerkennt – nicht vier Monate Zeit lassen, um mitzuteilen, ob der Vertrag aufgehoben wird oder nicht. Im Lebensmittelhandel ist eine solche Frist nicht mehr angemessen.
2. Kaufpreis für die Lieferung vom 29.04.1994 (DM 14.666,40):
Die Fälligkeit dieser Kaufpreisforderung ist zwischen den Parteien unbestritten.
Die Beklagte kann gegen diese Forderung, wie auch gegen die Restkaufpreisforderung (oben 1.) nicht wirksam mit Ansprüchen aus Art. 81 Abs. 2 CISG (Rückzahlung des zuviel bezahlten Kaufpreises) bzw. 74 CISG (Schadensersatz) aufrechnen. Soweit es uni die Gegenforderungen geht, mit denen die Beklagte aufrechnen möchte, kann das Gericht deren Bestehen dahingestellt sein lassen, da eine Aufrechnung gemäß dem hierauf anzuwendenden italienischen Sachrecht unzulässig ist, art. 1243 cc.
Das Gericht hat hinsichtlich der Aufrechnungsforderung der Beklagten seine internationale Zuständigkeit, vgl. BGH NJW 93, 2753, angenommen, da eine Konnexität, die die Zuständigkeit gem. Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ begründet, jedenfalls zwischen dem Restkaufpreisanspruch der Klägerin und der Gegenforderung besteht.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist die Aufrechnung im CISG nicht geregelt, vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht § 2 Rd.Nr. 148.
Die Beklagten mißverstehen die Rn. 16 zu Art. 81 CISG bei v. Caemmerer/Schlechtriem/Leser, 2. Aufl. Dort ist lediglich ausgeführt, daß eine Aufrechnung grundsätzlich möglich sein sollte Die Voraussetzungen einer Aufrechnung sind jedoch dem gemäß Art. 32 EGBGB auf die Aufrechnung anwendbaren materiellen Recht zu entnehmen, vgl. Piltz aaO Dies ist das italienische Recht, Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 iVm Art. 28 Abs. 1 und 2 S. 1 EGBGB, nämlich das Recht des Verkäufers. Das italienische Recht unterscheidet zwischen gesetzlicher und gerichtlicher Aufrechnung, vgl. hierzu die Auskunft des italienischen Justizministeriums vom 14.10.1989, Jahrbuch für das italienische Recht, Bd. 6, S. 254 f.
Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Aufrechnung, art. 1243 Abs. 1 c.c. (compensazione), sind nicht gegeben, da die Forderung der Beklagten nicht in gleicher Weise liquide und durchsetzbar ist, wobei unter liquide die Entscheidungsreife zu verstehen ist (vgl. Kindler, Einführung in das Italienische Recht, § 14 Rndr. 15 am Ende), wobei vorliegend das Bestreiten der Klägerin nicht als offensichtlich unbegründet angesehen werden kann.
Hinsichtlich der richterlichen Aufrechnung (art. 1243 Abs. 2 c.c.,) ist zunächst davon auszugehen, daß dieses dem deutschen Recht unbekannte Rechtsinstitut als materiell– rechtliche Bestimmung zu qualifizieren ist, d.h., daß es sich nicht um eine rein prozeßrechtliche Vorschrift handelt. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Aufrechnung in verschiedenen Rechtssystemen darf nicht zu einer Rechtsverweigerung vor deutschen Gerichten führen, vgl. Schack, IZVR Rn. 354.
Die Anwendung des art. 1243 Abs. 2 c.c. scheitert nicht daran, daß es sich um einen richterlichen Gestaltungsakt handelt. Aber auch die Voraussetzungen für eine gerichtliche Aufrechnung liegen nicht vor, da die bestrittene Forderung der Beklagten, mit der sie aufrechnen will, nicht leicht und sofort feststellbar ist. Hierzu bedarf es noch einer umfangreichen Beweisaufnahme. Der Fall ist vergleichbar mit der eingeschränkten Aufrechenbarkeit im Speditionsrecht gem. 32 ADSp.
Die Summe der beiden Kaufpreisforderungen der Klägerin ergeben jedoch nur DM 17.331,18. Die Klage also war hinsichtlich der geringfügigen Mehrforderung der Klägerin abzuweisen.
3. Zinsen:
Die Klägerin kann für die fälligen Kaufpreisforderungen, ohne daß es einer Mahnung bedürfte, Zinsen verlangen, Art. 78 CISG. Da sie die bestrittene Zinshöhe nicht, durch Vorlage einer entsprechenden Bankbestätigung nachgewiesen hat, waren ihr jedoch nur 10 % Zinsen gemäß art. 1284 Abs. 1 c.c. zuzusprechen. Auch insoweit ist zur Lückenfüllung des CISG italienisches Recht anzuwenden.