Die Beklagte, Inhaberin eines Schuheinzelhandelsunternehmens, bestellte am 16.10.1991 bei der Klägerin, einer Schuhfabrik mit Sitz in Italien, 212 Paar Schuhe zum Preis von 11.206,20 DM. Lieferung sollte Ende Januar 1992 frei Haus unversteuert erfolgen. Hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten wurde vereinbart, daß bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen ab Rechungsdatum 3 % Skonto auf den Kaufpreis gewährt werden könnten. Im übrigen sollte die Fälligkeit der Forderung 60 Tage nach dem Rechnungsdatum eintreten. Die Klägerin produzierte die bestellten Schuhpaare und stellte sie Mitte Januar 1992 zur Übergabe an den Beförderer bereit. Anschließend bekam die Klägerin Bedenken hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit der Beklagten. Mit Schreiben vom 27.1.1992 forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 4.2.1992 zur Sicherheitsleistung in Höhe des vereinbarten Kaufpreises durch einen bankbestätigten Scheck oder eine Bankbürgschaft auf. Sie wies die Beklagte darauf hin, daß sie bei nicht rechtzeitiger Leistung der geforderten Sicherheit von ihrem Recht auf Aufhebung des Vertrages Gebrauch machen, einen Deckungsverkauf durchführen und den dadurch eintretenden Schaden bei ihr geltend machen werde. Am 13.5.1992 verkaufte die Klägerin die 212 Paar Schuhe an die R… Corporation zum Preis von 4.240.000 LIT.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei nicht in der Lage gewesen, den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen. Dies ergebe sich aus folgenden zwischen den Parteien unstreitigen Umständen: Bei einem vorausgegangenen Geschäft der Parteien, die Winterware 1991/1992 betreffend, wurde der Beklagten die Möglichkeit der Zahlung mittels dreier Schecks über je ein Drittel des Kaufpreises, fällig am 1.11. und 1.12.1991 sowie am 1.1.1992, eingeräumt. Der erste Scheck mit Fälligkeit am 1.11.1991 konnte reibungslos eingelöst werden. Hingegen war dies bei den beiden nachfolgend fälligwerdenden Schecks nicht möglich, weil sie von der Beklagten gesperrt worden waren. Bezüglich des am 1.12.1991 fälligen Schecks erging Anerkenntnisurteil am 2.3.1992/6.4.1992, wobei der Beklagten vorbehalten blieb, ihre Rechte im Nachverfahren geltend zu machen. Hinsichtlich des am 1.1.1992 fälligen Schecks erging Versäumnisurteil gegen die Beklagte. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil blieb zunächst ergebnislos, da die Beklagte dem beauftragten Gerichtsvollzieher am 8.5.1992 die Durchsuchung der Geschäftsräume verweigerte. Zahlung seitens der Beklagten erfolgte dann am 15.5.1992.
Die Klägerin meint, daß sie angesichts der offensichtlichen, zukünftigen Vertragsverletzung seitens der Beklagten gem. Art. 72 I, II UN-Kaufrecht berechtigt gewesen sei, die Aufhebung des Vertrages zu erklären und einen Deckungsverkauf durchzuführen. Gem. Art. 74, 75 UN-Kaufrecht stehe ihr nicht nur der Differenzbetrag zwischen vereinbartem und durch das Deckungsgeschäft erzielten Kaufpreis zu.
Sie habe auch einen Anspruch auf Ersatz des weiteren ihr entstandenen Schadens.
Sie berechnet im einzelnen:
1. 5736,60 DM als Differenzbetrag zwischen ursprünglich vereinbarter Kaufsumme und dem Erlös des Deckungsverkaufs,
2. 784,43 DM für die an den Handelsvertreter gezahlte Provision in Höhe von 7 % des Verkaufspreises,
3. 641, DM für die Inanspruchnahme der Korrespondenzanwaltskanzlei H... & Partner in Weinheim,
4. 456,20 DM Zinsen für in Anspruch genommene Bankkredite.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.618,23 DM nebst 16 % Zinsen aus 7.162,03 DM für die Zeit vom 14.7.1992 bis 23.7.1992 und 17 % Zinsen seit dem 24.7.1992 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Beklagte meint, eine offensichtliche zukünftige Vertragsverletzung sei für die Klägerin nicht zu besorgen gewesen. Die Vertragsverletzungen lägen nicht bei der Beklagten, sondern auf Seiten der Klägerin, die mangelhafte Ware geliefert habe und daher für das vorliegende Kaufgeschäft zur Vertragsaufhebung nicht berechtigt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus Art. 74,75 UN-Kaufrecht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.833,80 DM zu.
Die Anwendbarkeit des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (BGBl. Teil II, 1989 S. 586 ff.) ergibt sich aus Art. 1 I a UN-Kaufrecht. Danach gelten seine Vorschriften für Kaufverträge über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, wenn diese Staaten Vertragsstaaten sind. Die Parteien haben einen Kaufvertrag über die Lieferung von 212 Paar Schuhen geschlossen. Die Klägerin hat ihren Geschäftssitz in Italien, die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland. Beide Staaten sind Vertragsstaaten. In Italien ist das Übereinkommen am 1.1.1988, in der Bundesrepublik am 1.1.1991 in Kraft getreten (zum Ratifikationsstand vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, München 1990, vor Art. 1 – 6 Rn. 17).
Die für einen Schadensersatzanspruch gem. Art. 75 UN-Kaufrecht erforderliche Aufhebung des Kaufvertrages liegt vor. Die Klägerin konnte die Aufhebung gem. Art. 72 I, II UN-Kaufrecht erklären. Bereits vor der vereinbarten Lieferung der Schuhe Ende Januar 1992 war offensichtlich, daß die Beklagte durch die Nichtzahlung des Kaufpreises eine wesentliche Vertragsverletzung begehen würde.
Art. 25 UN-Kaufrecht definiert eine Vertragsverletzung einer Partei als wesentlich, wenn sie für die andere Partei solchen Nachteil zur Folge hat, daß ihr im wesentlichen entgeht, was sie hätte erwarten dürfen, es sei denn, daß die vertragsbrüchige Partei diese Folge nicht vorausgesehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte. Beim vorliegenden Kaufvertrag durfte die Klägerin von der Beklagten als Käuferin in aller erster Linie die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises erwarten. Aus Sicht der Klägerin wäre ihr bei Nichtzahlung des vereinbarten Entgelts die entscheidende Gegenleistung entgangen. Das war der Beklagten auch ohne weiteres erkennbar.
Es war auch schon vor dem für die Lieferung der bestellten Schuhe festgesetzten Zeitpunkt Ende Januar 1992 offensichtlich, daß die Beklagte den vereinbarten Kaufpreis nicht bezahlen würde. Zwar sind an die Offensichtlichkeit einer zukünftigen Vertragsverletzung hohe Anforderungen im Hinblick auf den Grad ihrer Wahrscheinlichkeit zu stellen. Doch ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich. Vielmehr bedarf es einer sehr hohen naheliegenden Wahrscheinlichkeit, die allgemein einleuchtet (v. Caemmerer/Schlechtriem, Art. 72 Rn. 11, 12 mwN). Diese Erfordernisse sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Umstände, die die Nichtzahlung des Kaufpreises seitens der Beklagten nahelegen, ergeben sich aus den vorherigen Geschäftsbeziehungen der Parteien. Als gewichtiges Indiz für die Zahlungsunfähigkeit der Beklagten ist dabei insbesondere die Tatsache zu werten, daß bei dem die Winterware 1991/1992 betreffenden Geschäft zwei der insgesamt drei auf die Klägerin ausgestellten Schecks nicht eingelöst werden konnten. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß die Beklagte den Restkaufpreis i. H. v. 6.471,10 DM lediglich wegen der Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware nicht bezahlt, und ihr insofern ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht zugestanden habe. Auf eine Mangelhaftigkeit der Ware hätte sich die Beklagte nach Art. 39 I UN-Kaufrecht nämlich nur berufen können, wenn sie der Klägerin innerhalb einer angemessenen Frist die Fehlerhaftigkeit angezeigt und dabei die Vertragswidrigkeit genau bezeichnet hätte. Das hat die Beklagte vorliegend aber nicht getan. Sie hat die Klägerin erst ca. dreieinhalb Monate nach Empfang der Ware auf die behaupteten Mängel der Schuhe hingewiesen. Das reicht zur Fristwahrung insbesondere angesichts der relativ leichten Erkennbarkeit von Mängeln an Schuhen nicht aus. Im übrigen hat die Beklagte den am 1.12.1991 fällig werdenden Scheck ja bereits vor diesem Datum gesperrt, müßte also schon zu diesem Zeitpunkt die Mangelhaftigkeit der Ware erkannt haben. Dennoch vergingen ab diesem Zeitpunkt fast zwei Monate bis zur Mängelrüge Mitte Januar 1992. Dieses Verhalten legt ebenfalls den Schluß nahe, daß sich die Beklagte in Zahlungsschwierigkeiten befand und nicht wegen der Fehlerhaftigkeit der Ware die weitere Zahlung einstellte. Wegen des dritten Schecks ließ sie zudem Versäumnisurteil gegen sich ergehen. Mit Schreiben vom 27.1.1992 hat die Klägerin gem. Art. 72 II UN-Kaufrecht der Beklagten auch mitgeteilt, daß sie den Vertrag aufheben werde, wenn die Beklagte nicht entsprechende Sicherheit leiste.
Nach Art. 75 UN-Kaufrecht hat die Klägerin den Deckungsverkauf an die R… Corporation in angemessener Weise und innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Aufhebung des Vertrages vorgenommen. Anhaltspunkte dafür, daß das Deckungsgeschäft hier in der einen oder anderen Weise unangemessen wäre, sind nicht vorhanden. Die entgegenstehende Behauptung der Beklagten ist unsubstantiiert.
Nach Art. 75 UN-Kaufrecht kann die Klägerin als Schadensersatz den Differenzbetrag zwischen dem vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 11.206,20 DM und dem durch den Deckungsverkauf erzielten Preis von umgerechnet 5.469,60 DM, i.e. 5.736,60 DM, verlangen. Da die Parteien Zahlung des Kaufpreises in DM vereinbart haben, gilt diese als Vertragswährung auch für den Schadensersatzanspruch (vgl. zur geschuldeten Währung allgemein Herber/Czerwenka, UN-Kaufrecht, Art. 53 Rn. 5 – 8; v. Caemmerer/Schlechtriem, Art. 54 Rn. 8 – 10). Nach Art. 74 S. 1 UN-Kaufrecht hat die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz des weiteren Schadens, der ihr durch die Vertragsverletzung durch die Beklagte entstanden ist. Dieser umfasst die Anwaltskosten in Höhe von 641, DM sowie den Zinsschaden in Höhe von 456,20 DM. Die Provision des Handelsvertreters in Höhe von 784,43 DM kann demgegenüber nicht als Schaden geltend gemacht werden, da sie auch im Falle vertragsgemäßer Erfüllung des Kaufvertrages seitens der Beklagten zu Lasten der Klägerin angefallen wäre. Nach Art. 74 S. 1 UN-Kaufrecht soll die Klägerin aber nur so gestellt werden, wie sie stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Darüber hinaus stehen ihr keine Ansprüche zu (vgl. v. Caemmerer/Schlechtriem, Art. 74 Rn. 3).
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus Art. 78 UN-Kaufrecht.