Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht, verlangt von dem Beklagten, vormals Inhaber eines einzelkaufmännischen Unternehmens, den Restkaufpreis aus einer Schuhlieferung.
Die Bestellung des Beklagten erfolgte am 21.03.1988. Die bestellten Schuhe entsprachen in Farbe und Modell einem vorhergehenden Auftrag vom 21.09.1987. Mit Schreiben vom 28.03.1988 bat der Beklagte um Stornierung des Vertrages, da sich bei der Auslieferung der Erstbestellung Reklamationen ergeben haben. Die Klägerin kam diesem Verlangen nicht nach und übersandte mit Rechnung vom 11.04.1988 über 5.208.000 LIT die bestellten Artikel (48 Paar Herrenschuhe); die Auslieferung an den Beklagten erfolgte am 25.05.1988.
Mit Schreiben vom 10.06.1988 teilte der Beklagte mit, daß sich einige Reklamationen ergeben hätten, weil die Verarbeitung nicht einwandfrei sei:
„Das Blatt ist oftmals unterschiedlich lang. Die Schuhwaren sind teilweise sehr unsauber vernäht. Viele Kunden klagen über starkes Abfärben.“
Am 21.09.1988 leistete der Beklagte eine Teilzahlung in Höhe von 3.044.000 LIT und teilte mit, daß über den Restbetrag von 2.164.000 LIT die mangelhafte Ware gemäß beigefügter Auflistung der Klägerin zur Verfügung stehe. Am 14.10.1988 übersandte der Beklagte eine Auswahl der beanstandeten Artikel. Die Klägerin lehnte jedoch mit Schreiben vom 24.11.1988 die geltend gemachten Beanstandungen ab.
Die Klägerin trägt im wesentlichen vor:
Die erhobenen Rügen seien, weil verspätet, unbeachtlich (Art. 39 UN-Kaufrecht). Es handle sich nicht um versteckte Mängel. Die Lieferung sei einwandfrei erfolgt. Die Schuhe seien ungefüttert, so daß das Leder abfärben könne, was aber kein wesentlicher Mangel sei.
Sie arbeite mit Bankkredit in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe. Für diesen habe sie in Italien Kreditzinsen zu entrichten, die über dem italienischen Diskontsatz lägen.
Die Klägerin hat zunächst unter Einbeziehung der Vorlieferung 5.979.000 LIT geltend gemacht, vor der mündlichen Verhandlung jedoch die Klage in Höhe von 3.815.000. lit. zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt demgemäß, den Beklagten, wie geschehen, zur Zahlung zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte führt im wesentlichen aus:
Eine stichprobenhafte Überprüfung bei Anlieferung habe keine Mängel ergeben. Durch Kundenreklamationen, nach dem Tragen der Schuhe, sei zum Vorschein gekommen, daß die Schuhe abfärben und durch unzureichende Nahtverarbeitung einreißen, was sofort mit Schreiben vom 10.06.1988 und auch mündlich der Klägerin mitgeteilt worden sei. Bei einer – nochmaligen – Kontrolle aller Schuhe sei noch festgestellt worden, daß unterschiedliche Blattgrößen vorhanden seien.
Es handle sich um versteckte Mängel, die sich erst bei der Benutzung herausstellen würden. Die Rüge sei – in Anwendung von § 377 HGB – rechtzeitig erfolgt, so daß der Beklagte die Aufhebung des Vertrages verlangen könne.
Die Zinsforderung sei nicht gerechtfertigt, ein Zinsausfall nicht dargetan.
Wegen der sonstigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
1. Auf den deutsch-italienischen Kaufvertrag vom 21.03.1988 findet das Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den Internationalen Warenkauf vom 11.04.1980 Anwendung. Davon gehen beide Parteien zutreffend aus.
Das Übereinkommen ist zum 01.01.1988 in Italien in Kraft getreten. Nach Art. 1 Abs. 1 b ist es auch anzuwenden, wenn die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaats führen. Dies ist der Fall. Art. 28 Abs. 1 Satz 1, 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB verweist auf italienisches Recht. Der Vertrag weist die engsten Verbindungen zu dem Staat auf, in dem die Klägerin als Verkäuferin ihren Sitz hat.
2. Die Klägerin kann gemäß Art. 53 den restlichen Kaufpreis beanspruchen.
Der Beklagte ist nicht befugt, gemäß Art. 49 Abs. 1 a wegen einer wesentlichen Vertragswidrigkeit der Ware die Aufhebung des Vertrages zu erklären. Die Berufung auf die Mangelhaftigkeit der Ware ist ausgeschlossen, da der Beklagte nicht rechtzeitig gerügt hat.
Offen bleiben kann dabei, ob insoweit Art. 39 in Verbindung mit Art. 38 anwendbar ist oder über Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 EGBGB die Regelung des § 377 HGB subsidiär heranzuziehen ist. Die Anwendung dieser Vorschriften führt im vorliegenden Fall zum selben Ergebnis.
Der Käufer hat die Ware alsbald zu untersuchen, wie es nach den Umständen tunlich ist. Dies behauptet der Beklagte. Er macht jedoch geltend, bei der stichprobenhaften Überprüfung seien Mängel nicht festgestellt worden, die Mangelhaftigkeit habe sich erst durch Kundenreklamationen ergeben. Nach Lage der Dinge hat der Beklagte jedoch die an eine sachgerechte Untersuchung zu stellenden Sorgfalts- pflichten nicht beachtet. Bei den gerügten Mängeln – Einreißen der Schuhe, unsaubere Nahtverarbeitung, unterschiedliche Blattgrößen – handelt es sich um offene Mängel, die nicht erst beim Tragen der Schuhe zu Tage treten. Der Beklagte war aufgrund seiner Sachkunde gehalten, eine fachmännische, gründliche Untersuchung vorzunehmen. Dies gilt umso mehr, weil bei der ersten Lieferung Mängel entdeckt worden waren und er so „vorgewarnt“ war. So hätte er auch die Schuhe dahin untersuchen müssen, ob Abfärbungen auftreten können. Eine ordnungsgemäße Untersuchung hätte alsbald zu einer Entdeckung der behaupteten Mängel geführt. Die Rüge am 10.06.1988 ist demnach verspätet. Die Angaben des Beklagten über telefonische Reklamationen sind, da das Datum des Anrufs, der Name des Gesprächspartners, der Inhalt der Reklamation nicht mitgeteilt werden, nicht ausreichend substantiiert und können deshalb nicht verwertet werden. Demgemäß hat der Beklagte das Recht verloren, die Vertragswidrigkeit geltend zu machen, da er den Mangel nicht alsbald, nachdem er hätte fest- gestellt werden müssen, angezeigt hat.
3. Der Kläger kann, gestützt auf Art. 74, die durch die Säumnis des Beklagten entgangene Kapitelnutzung als Schaden geltend machen.
Diese Bestimmung geht grundsätzlich davon aus, daß der Schuldner im Falle der Säumnis zur Zahlung von Zinsen verpflichtet ist. Die Zinshöhe ist allerdings nicht festgesetzt und in Einzelheiten umstritten. Es ist angebracht, auf das nationale Recht des Gläubigers zurückzugreifen (s. oben unter 1), zumal sich die Folgen der Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtung dort auswirken und zudem der Kaufpreis in italienischer Währung zu entrichten war. Demgemäß hat der Schuldner auch das Risiko zu tragen, eine in fremder Währung zu zahlende Geldschuld nach den dortigen Sätzen zu verzinsen (dazu Stoll in Schlechtriem, Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, 1987, S. 279/280, 291; Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht 1981, S. 93/94).