Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach … Recht mit Sitz in … begehrt von der Beklagten Zahlung des Kaufpreises für eine Schuhlieferung. Die Beklagte bestellte bei der Klägerin am 20. September 1989 120 Paar Schuhe. Die Bestellung wurde über den Handelsvertreter … in … abgewickelt. Das hierbei verwandte Auftragsformular der Klägerin – … – trägt den handschriftlichen Vermerk:
„esclusiva su Bad Homburg“.
Die Schuhe wurden vereinbarungsgemäß im März 1990 geliefert und von der Klägerin laut Rechnung Nr. … vom 16. März 1990 mit 4.710.000 LIT in Rechnung gestellt, wobei ein Zahlungsziel von 60 Tagen vereinbart war.
Die Klägerin lieferte im Jahr 1990 die gleichen Schuhe auch an ein Konkurrenzunternehmen der Beklagten, die Firma … mit „…“ = Hauptniederlassung in …. Ende März 1990, die Beklagte hatte ca. 20 Paar Schuhe aus der Lieferung vom März 1990 verkauft, wurden Schuhe der Klägerin gleicher Art auch in einer Zweigniederlassung der Firma … in … zu einem 30 % niedrigeren Preis als dem der Beklagten angeboten.
Nach ergebnislosem Versuch, den Verkauf durch des Konkurrenzunternehmen … zu unterbinden, sandte die Beklagte die restlichen Schuhe an die Klägerin zurück und informierte diese darüber mit Schreiben vom 31. Mai 1990, in dem es heißt:
„Wir annullieren unsere Bestellung vom März 1990 No….
Wir erwarten Ihre Gutschrift ... wenn wir das erhalten haben, werden wir Ihre Rechnung bezahlen.“
Die Klägerin beauftragte ein … Inkassoinstitut mit der Einziehung der Forderung, wobei Kosten in Höhe von 176.400 LIT entstanden.
Die Klägerin behauptet, sie nehme ständig Bankkredit mit einem Zinssatz von 15 % in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe in Anspruch.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.710.000 LIT zuzüglich Zinsen in Höhe von 15 % seit dem 16.05.1990 und vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 176.400 LIT zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Handelsvertreter … habe gewußt, daß die Firma … auch in … ein Geschäftslokal betreibe. Der anteilige Forderungsbetrag für die nicht verkauften Schuhe in Höhe von 3.602.000 LIT stehe der Klägerin daher nicht zu.
Gegenüber der Restforderung in Höhe von 1.108.000 LIT rechnet die Beklagte mit einer angeblichen Gegenforderung auf. Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe einen Schadenersatzanspruch gegen die Klägerin aus positiver Vertragsverletzung. Sie behauptet, sie hätte einen Gewinn von mindestens 1.500.000 LIT erzielt, wenn die Schuhe exklusiv von ihr verkauft worden wären.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in Höhe von 4.710.000 LIT nebst den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Zinsen begründet, im übrigen unbegründet.
Die Parteien haben einen Kaufvertrag abgeschlossen, auf den das UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980 (CISG) Anwendung findet. Die Beklagte hat die Aufhebung des Vertrages nicht wirksam erklärt und die Voraussetzungen einer aufrechenbaren Gegenforderung nicht dargelegt. Mahnkosten können überhaupt nicht, Zinsen nur in Höhe von 5 % bis zum 15. Dezember 1990, alsdann in Höhe von 10 % gefordert werden.
I. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 4.710.000 LIT ais Kaufpreis für die von ihr an die Beklagte verkauften Schuhe.
Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über 120 Paar Schuhe zum Preis von 4.710.000 LIT zustande gekommen. Die Klägerin nahm das Angebot der Beklagten vom 20. September 1989 – … – spätestens mit der Lieferung der Schuhe an.
Das CISG ist anzuwenden. Nach dessen Art. 1 I b) findet es Anwendung, wenn die Parteien des Kaufvertrages ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten haben und die Regeln des internationalen Privatrechts zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen.
Die Parteien haben ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten. Die Klägerin hat ihren Sitz in …, die Beklagte in der ….
Die Regeln des internationalen Privatrechts führen zur Anwendung des … Rechts. … ist Vertragsstaat des CISG (Martiny, in: Münchener Kommentar – Band VII, EGBGB/IPR, 2. Aufl., München 1990, Art. 28 Anh. II Rn. 2).
Die bei der Bestimmung des maßgeblichen Sachrechts heranzuziehenden Regeln des internationalen Privatrechts umfassen sämtliche kollisionsrechtliche Normen, insbesondere die der Bundesrepublik Deutschland. Nach Art. 28 I 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist, wobei gemäß Art. 28 II 1 EGBGB vermutet wird, daß diese Verbindung mit demjenigen Staat besteht, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihre Hauptniederlassung unterhält. Bei einem Kaufvertrag stellt regelmäßig die Veräußerung, d.h. also die Lieferung der Sache, die charakteristische Leistung dar. Es ist grundsätzlich das Recht des Staates anzuwenden, in dem sich die Niederlassung des Verkäufers befindet (Martiny, in: Münchener Kommentar, Band VII, Art. 28 Rn. 30, 32, 112). Die Niederlassung der Klägerin, die Verkäuferin der Schuhe war, befindet sich in ….
Unerheblich ist, daß die Bundesrepublik Deutschland, die dem CISG erst mit Wirkung vom 1. Januar 1991 beigetreten ist, bei Abschluß des Kaufvertrages am 16. März 1990 noch nicht Vertragsstaat des CISG war. Das CISG gilt auch für Kaufverträge, bei denen mir eine der Vertragsparteien ihre Niederlassung in einem Vertragsstaat hat (LG Stuttgart, RIW 89, 984; LG Aachen, RIW 90, 491; Herber, in: Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, München 1990, Art. 1 Rn. 35; Martiny, in: Münchener Kommentar, Band VII, Art. 28 Anh. II Rn. 23).
II. Dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises steht eine Aufhebung des Vertrages nach Art. 49 I CISG durch die Beklagte nicht entgegen. Die Beklagte hat die Aufhebung des Vertrages nicht wirksam erklärt.
Zwar steht dem Käufer nach Art. 49 I a CISG ein Recht zur Aufhebung des Vertrages zu, wenn eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt.
Art. 49 I a CISG gewährt dem Käufer aber lediglich ein Gestaltungsrecht. Die Vertragsverletzung führt, auch wenn sie wesentlich ist, niemals kraft Gesetzes zur Aufhebung des Vertrages. Hierzu ist zwingend die Erklärung der Vertragsaufhebung durch den Käufer erforderlich (Huber, in: Schlechtriem, Art. 49 Rn. 29; Heber/Czerwenka, Int. Kaufrecht, München 1991, Art. 26 Rn. 2, Art. 49 Rn. 11).
Die Beklagte erklärte die Aufhebung des streitgegenständlichen Kaufvertrages, der auf dem Auftrag von 20. September 1989 – … – beruht, jedenfalls nicht ausdrücklich. Der Auffassung der Beklagten, sie habe mit der in ihrem Schreiben vom 31. Mai 1990 enthaltenen Erklärung, sie annulliere ihren Auftrag von März 1990 – …. –, die Aufhebung erklärt, ist nicht zu folgen.
Bei diesem Auftrag handelt es sich nicht um den dem streitgegenständlichen Kaufvertrag zugrunde liegenden Auftrag. Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Kaufvertrag geltend, der auf dem Auftrag vom 20. September 1989 – … – beruht. Dieser Auftrag wurde von der Beklagten in ihrem Schreiben nicht erwähnt.
Die Aufhebung des Vertrages wurde von der Beklagten auch nicht konkludent erklärt.
Dahinstehen kann im vorliegenden Fall der Streit, ob die Aufhebungserklärung im Rahmen des Art. 49 I CISG überhaupt durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann (verneinend: Heber/Czerwenka, Art. 49 Rn. 11; Enderlein/Muskow/Stargard, Art. 26 Rn. 2 f.; bejahend: Leser, in: Schlechtriem, Art. 26. Rn. 10). Denn selbst wenn man die konkludente Erklärung der Vertragsaufhebung für zulässig erachtet, muß zweifelsfrei erkennbar sein, daß der Käufer an den Vertrag nicht festhalten will (Leser, in: Schlechtriem, Art. 26 Rn. 10; Heber/Czerwenka, Art. 49 Rn. 11). Das Verhalten der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht.
Die Beklagte sandte zwar die restlichen Schuhe an die Klägerin zurück und forderte von dieser in Schreiben von 31. Mai 1990 eine entsprechende Gutschrift.
Gleichzeitig erklärte sie jedoch, in diesem Fall die bereits verkauften Schuhe bezahlen zu wollen. Dieser Teil des Vertrages sollte nach dem Willen der Beklagten also weiter Bestand haben und ordnungsgemäß durchgeführt werden.
Selbst wenn die Beklagte entgegen den obigen Darlegungen die Aufhebung des Kaufvertrages in vollem Umfang erklärt hätte, wäre diese Erklärung unwirksam.
Denn Art. 49 I a CISG gewährt dem Käufer nur bei Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung ein Recht zur Aufhebung des Vertrages. Voraussetzung hierfür ist aber nach Art. 25 CISG, daß der Verkäufer diese Folge nicht vorausgesehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte.
Die Klägerin hat den Verkauf ihrer Schuhe durch die Firma … in … nicht vorausgesehen.
Eine Exklusivlieferungsvereinbarung bestand zwischen den Parteien eindeutig nur für die Stadt … Die Klägerin lieferte ihre Schuhe aber lediglich an die Firma … mit Hauptniederlassung in … und hatte von der Zweigniederlassung der … in … selbst unstreitig keine Kenntnis.
Auch eine vernünftige Person in gleicher Lage und Stellung hätte den Verkauf der Schuhe durch die Firma … in … nicht vorausgesehen.
Ein … Schuhlieferant, der seine Geschäftstätigkeit in Deutschland über Handelsvertreter abwickelt, hat keine Kenntnis über möglicherweise bestehende Filialen seiner Geschäftspartner.
Eine Vertragsverletzung durch die Klägerin könnte allenfalls dann vorliegen, wenn ihr die Kenntnis des Handelsvertreters … zugerechnet werden müßte. Das wäre aber nur dann der Fall, wenn dieser als Abschlußvertreter iSd § 84 I S. 1, 2. Alt. HGB auf Seiten der Klägerin aufgetreten wäre.
Das deutsche HGB findet auf das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem … Handelsvertreter ... Anwendung, weil dieser in Deutschland Kunden vermitteln soll. Zu alldem hat die Beklagte jedoch nichts dargelegt.
III. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Kaufpreises ist auch nicht durch die Aufrechnung der Beklagten teilweise erloschen. Die Beklagte hat die Voraussetzungen ihrer angeblichen Gegenforderung nicht hinreichend dargelegt.
Zwar gewährt Art. 74 S. 1 CISG dem Käufer einen Schadenersatzanspruch einschließlich des entgangenen Gewinns, wenn der Verkäufer eine ihm obliegende Vertragspflicht verletzt. Dies ist nicht hinreichend dargelegt.
Auch die pauschale Behauptung eines entgangenen Gewinns in Höhe von 1.500.000 LIT genügt mangels Angabe der Berechnungsgrundlagen für diese Summe nicht.
IV. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 5 % Zinsen seit dem 16. Mai 1990, ab dem 16. Dezember 1991 von 10 %.
1. Nach Art. 78 CISG hat die eine Partei Anspruch auf Zahlung von Zinsen, wenn die andere Partei es versäumt, den Kaufpreis zu zahlen. Es genügt dabei, daß eine fällige Forderung nicht rechtzeitig zum Zahlungstermin beglichen wird. Verzug im Sinne des deutschen. Rechts ist nicht erforderlich (Eberstein, in: Schlechtriem, Art. 78 Rn. 9).
Die Schuhe wurden von der Klägerin am 16. März mit einem Zahlungsziel von 60 Tagen in Rechnung gestellt. Die Forderung war am 16. Mai 1990 fällig.
Die Höhe der Zinsen ist in Art. 78 CISG nicht festgelegt. Es ist der nach dem nationalen Recht des Gläubigers geltende Zinssatz zu zahlen (LG Stuttgart, aaO, 985 mwN; Asam/Kindler, Ersatz des Zins- und Geldentwertungsschadens nach dem Wiener Kaufrechtsübereinkommen, RIW 89, 842; Eberstein, in: Schlechtriem, Art. 78 Rn. 11). Der Zinssatz in … beträgt bis zum 15.12.1990 gemäß Art. 1284 I CC 5 % per anno, alsdann 10 % (vgl. Kindler, Zur Anhebung des gesetzlichen Zinssatzes in Italien, RIW 91, 304 f.).
2. Ein darüberhinausgehender Anspruch der Klägerin auf Zinszahlungen nach Art. 74 CISG besteht nicht.
Die Klägerin hat für ihre bestrittene Behauptung, sie nehme ständig Bankkredit mit einem Zinssatz von 15 % in Anspruch, keinen Beweis angetreten. Ihre Darlegung, der Diskontsatz habe in … 12,5 % bzw. 13,5 % betragen ist unerheblich. Die Vereinbarung eines höheren als des gesetzlichen Zinssatzes bedürfte auch der hier fehlenden Schriftform (Art. 1284 III CC).
V. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Mahnkosten. Diese sind nicht die Folge einer angemessenen Rechtsverfolgung.
Zwar zählen zu den nach Art. 74 CISG zu erstattenden Verlusten auch die Kosten einer angemessenen Rechtsverfolgung, insbesondere die Mahnkosten des Verkäufers, wenn der Kaufpreis bereits zum Zeitpunkt der Mahnung fällig war.
Die Einschaltung eines Inkassobüros ist indessen nur dann ais eine angemessene Maßnahme der Rechtsverfolgung anzusehen, wenn das Inkassobüro über Möglichkeiten der Rechtsverfolgung verfügt, die denjenigen des Gläubigers überlegen sind.
Gerade in zwischenstaatlichen Rechtsverkehr fehlt es hieran regelmäßig, so daß der Gläubiger keine Erstattung der Inkassogebühren fordern kann (Stoll, in: Schlechtriem, Art. 74 Rn. 14 mwN).
Die Klägerin schaltete das … Inkassobüro zwar erst nach Fälligkeit der Forderung ein. Es fehlte dem … Institut aber an der Klägerin überlegenen Möglichkeiten der Rechtsverfolgung gegenüber der deutschen Beklagten. Das zeigt schon die Tatsache, daß des Inkassoinstitut lediglich eine schriftliche Zahlungsaufforderung an die Beklagte übersandte. Danach wurde von der Klägerin anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen. Die Klägerin hätte dies auch sofort tun können.
Die Einschaltung des Inkassoinstituts versprach auch keinen Erfolg. Die Beklagte hatte bereits mit Schreiben vom 31. Mai 1990 die Erfüllung verweigert.