Die Klägerin ist eine in Italien ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung italienischen Rechts. Der Beklagte betreibt ein am 1.10.1993 von seinem Vater übernommenes Fliesenfachgeschäft, in welchem er schon vorher tätig war. Für die Klägerin war eine Frau … eng entweder als Handelsvertreterin – so die Behauptung der Klägerin- oder als „Marketing-Manager“ – so die Behauptung des Beklagten – tätig. Der Beklagte lernte Frau … im Januar 1993 auf einer Messe in München kennen und bestellte über sie bei der Klägerin Fliesen zum Preis von DM 1.575,‑. Über diesen Betrag erstellte die Klägerin eine Rechnung vom 5.3.1993, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Aufgrund einer entsprechenden Absprache zwischen dem Beklagten und Frau … brachte letztere am 9.3.1994 die Fliesen nach Gießen, wo sie dem Beklagten übergeben wurden. Frau … bestand auf sofortiger Zahlung mittels eines auf ihren Namen auszustellenden Schecks, den sie – so ihre Erklärung gegenüber dem Beklagten – sodann einem in Deutschland unterhaltenen Konto der Klägerin gutschreiben lassen wolle. Dies, so erklärte sie dem Beklagten weiter, sei zur Vermeidung von Schwierigkeiten mit dem Zoll zweckmäßig. Bei der Zusammenkunft am 9.3.1993 vereinbarten. Frau … und der Beklagte desweiteren die Gewährung eines 10 %-igen Nachlasses auf den Rechnungsbetrag und die Herausnahme von Musterfliesen im Wert von DM 182,50 aus der Berechnung. Dem Wunsch von Frau … entsprechend stellte der Beklagte sodann einen Scheck über DM 1.235,‑ aus, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Schecksumme wurde von dem Ausstellerkonto abgebucht, gelangte aber nicht auf ein Konto der Klägerin. Mit Gutschrift vom 30.6.1993, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, gewährte die Klägerin auf die gelieferten Fliesen einen Nachlaß in Höhe von DM 230,‑. Erstmals mit Schreiben vom Folgetag mahnte die Klägerin die Bezahlung der Rechnung vom 5.3.1993 an. Mit Schreiben ihres jetzigen Prozeßbevollmächtigten unter der Anschrift seiner in Italien belegenen Kanzlei vom 27.6.1994 mahnte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des nach Abzug der Gutschrift noch offenen Rechnungsbetrages von DM 1.345,‑ unter gleichzeitiger Aufgabe von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 119.000,‑ italienischen Lire. Die Klägerin behauptet, durchgehend Bankkredit in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe in Anspruch zu nehmen, der durchgängig mit mindestens 11,5 % zu verzinsen sei.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 1.345,‑ nebst 12 % Zinsen seit dem 6.4.1993, sowie 119.000,‑ italienische Lire vorgerichtliche Mahnkosten zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, mit Hingabe des Schecks an Frau … seine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Klägerin selbst bei mangelnder Weiterleitung des Geldes an die Klägerin erfüllt zu haben, was sich aus einer nach den Grundsätzen von Duldungs- oder Anscheinsvollmacht anzunehmenden Inkassovollmacht an Frau ... für die Klägerin ergäbe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagte eine Visitenkarte von Frau … vorgelegt, bezüglich derer auf die Fotokopie auf Blatt 15 der Akten Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in der Hauptsache voll und in Bezug auf die Nebenforderungen nur teilweise begründet.
Der Beklagte ist zur Bezahlung des Kaufpreises für die gelieferten Fliesen an die Klägerin in Höhe von DM 1.345,‑ verpflichtet, Art. 53 CISG. Die rechtliche Beurteilung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages richtet sich vom Grunde her nach den Bestimmungen des CISG, weil die Parteien des Kaufvertrages jeweils in zwei verschiedenen Vertragsstaaten des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den Internationalen Warenkauf ansässig bzw. geschäftsansässig sind, und weil sowohl Italien als auch Deutschland im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Unterzeichnerstaaten dieses Übereinkommens waren und entsprechende Urkunden darüber hinterlegt haben, Art. 3 Abs. 2 EGBGB, Art. 1 Abs. 1 CISG. Umstände für ein Eingreifen der Ausschlußklauseln gemäß Art. 1 Abs. 2, Art. 2 CISG sind nicht vorgetragen.
Die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises ist in Art. 53 CISG normiert. Danach durfte die Klägerin zunächst Zahlung von DM 1.575,‑ verlangen. Einen niedrigeren Kaufpreis oder Umstände, aus denen sich gemäß Art. 55 CISG ein niedrigerer Kaufpreis ableiten lassen könnten, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Der Kaufpreis hat sich dann durch die von der Klägerin erteilte Gutschrift auf die eingeforderten DM 1.345,‑ reduziert.
Auf eine weitere Reduzierung des Kaufpreises auf DM 1.235,‑ kann sich der Beklagte nicht berufen. Er hat zwar eine solche Kaufpreisreduzierung mit Frau …vereinbart. Frau … war jedoch hierzu nicht ermächtigt. Dabei kann es dahinstehen, ob Frau … Handelsvertreterin oder „Marketing-Manager“ für die Klägerin war. Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe.
Nachdem der Kaufvertrag einmal abgeschlossen war, konnte eine nachträgliche Abänderung dieses Vertrages zu Lasten der Klägerin nur dann wirksam von Frau … erklärt werden, wenn Frau …hierzu wirksam bevollmächtigt gewesen wäre. Das war aber nicht der Fall.
Eine ausdrückliche Bevollmächtigung hierzu hat die Klägerin bestritten und der Beklagte nicht vorgetragen.
Als Handelsvertreterin wäre Frau … ebensowenig wie als „Marketing-Manager“ zur nachträglichen Abänderung des Kaufvertrages befugt gewesen. Insoweit ist für die Frage der Vertretungsmacht deutsches Recht anzuwenden, weil sich die Wirksamkeit einer Vollmacht nach dem Recht des Ortes richtet, an dem die Vollmacht ausgeübt wird (Palandt-Heldrich, Anhang zu Art. 32 EGBGB, Rand-Nr. 3). Das deutsche Handelsvertreterrecht kennt keine Befugnis zur nachträglichen Vertragsänderung, §§ 55 Abs. 2, 91 HGB. Wäre Frau … „Marketing-Manager“ für die Klägerin gewesen, käme eine Bevollmächtigung allenfalls als Handlungsgehilfe in Betracht, was aber gemäß § 55 Abs. 2 HGB ebenfalls nicht zur nachträglichen Vertragsänderung ermächtigt.
Eine nachträgliche Vertragsänderung durch Frau … ist von der Klägerin auch nicht genehmigt worden. Das ergibt sich aus der Gutschriftserteilung vom 30.6.1993, in welcher die mit Frau ... getroffenen Abreden gerade nicht bestätigt worden sind.
Schließlich greifen zu Gunsten des Beklagten auch nicht die Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht ein. Voraussetzung hierfür wäre im ersten Fall eine Kenntnis der Klägerin von der zwischen Frau … und dem Beklagten getroffenen Absprachen, was nicht vorgetragen ist. Für den zweiten Fall der Anscheinsvollmacht wäre Voraussetzung ein wiederholtes entsprechendes Handeln von Frau … gegenüber dem Beklagten, wofür ebenfalls keine Anhaltspunkte erkennbar sind.
Mangels weitergehender nachträglicher Änderung der Preisvereinbarung bleibt der Beklagte deshalb zur Zahlung des um die Gutschrift verminderten Kaufpreises von DM 1.345,‑ verpflichtet.
Das CISG findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung, weil es Vollmachtsfragen nicht regelt, Art. 7 Abs. 2 CISG. Man gelangt auch nicht zur Anwendung des – möglicherweise – für den Kläger günstigeren italienischen Rechts über Art. 28 EGBGB, weil dessen Bestimmungen für Vollmachtsfragen nicht gelten, Art. 37 EGBGB so daß insoweit auf die allgemeinen Regeln des internationalen Privatrechts folgend damit auf das allgemeine Vollmachtsstatut zurückzugreifen war.
Seine Kaufpreisverpflichtung gegenüber der Klägerin hat der Beklagte nicht erfüllt. Die Erfüllung des Kaufvertrages ist wieder nach den Bestimmungen des CISG zu beurteilen. Die Klägerin hat weder ganz noch teilweise Zahlungen auf den Kaufpreis erhalten. Der Kaufpreis war entweder am Ort der Niederlassung der Klägerin in Italien zu zahlen, Art. 57 Abs. 1 a CISG, was nicht erfolgt ist. Oder er war an dem Ort, an welchem die Übergabe der Fliesen stattfand, an die Klägerin zu zahlen, Art. 57 Abs. 1 b CISG, was ebenfalls nicht erfolgt ist. Der Beklagte hat zwar einen Scheck über DM 1.235,‑ ausgestellt und an Frau … übergeben, dessen Summe auch abgebucht worden ist. Die Schecksumme ist aber nie bei der Klägerin angekommen. Deshalb bleibt der Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises an die Klägerin verpflichtet.
Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, über Frau … an die Klägerin gezahlt zu haben.
Frau … könnte zum einen als Geldboten angesehen werden, derer sich der Beklagte bedient hat. Dann trägt er jedoch gemäß Art. 79 CISG das Risiko der Ankunft des Geldes bei der Klägerin.
Mangels entsprechenden Vortrages scheidet auch eine Inkassovollmacht von Frau … für die Klägerin aus, §§ 55, 91 HGB.
Die Grundsätze einer Anscheins- oder Duldungsinkassovollmacht können aus den gleichen Gründen wie vorstehend nicht zu Gunsten des Beklagten wirken. Ergänzend kommt hinzu, daß er den Scheck zu Gunsten eines anderen Empfängers ausgestellt hat, als nach dem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag vereinbart. Nach der Beschriftung des Schecks war dieser an Frau … gerichtet, nicht an die Klägerin. Der Beklagte ist damit bewußt das Risiko eingegangen, daß Frau … diesen auf ihre Adresse ausgestellten Scheck einem eigenen Konto gutbringt, ohne das Geld dann an die Klägerin weiterzuleiten. Wenn sich der Beklagte bewußt diesem Risiko ausgesetzt hat, muß er auch die Konsequenzen tragen. Auch insoweit gilt die Risikoverteilung gemäß Art. 79 CISG.
Vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 119.000,‑ Ital.Lire kann die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen. Zwar sind ihr diese Rechtsanwaltskosten entstanden und möglicherweise können sie nach italienischem Recht auch nicht auf die Gebühren angerechnet werden, die dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin aus diesem Rechtsstreit erwachsen. Darauf kommt es aber nicht an. Mit der Einforderung dieser vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verstößt die Klägerin nämlich gegen ihre Schadenminderungspflicht gemäß Art. 77 CISG. Neben den Prozeßgebühren ihres Prozeßbevollmächtigten könnte die Klägerin vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten für eine Mahnung des Beklagten nämlich dann nicht verlangen, wenn sie einen in Deutschland ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Das wäre ihr hier ohne weiteres möglich gewesen, weil ihr jetziger Prozeßbevollmächtigter, von welchem das Mahnschreiben vom 27.6.1994 stammt, auch in Stuttgart eine Kanzlei unterhält. In seiner Stuttgarter Kanzlei hat er schließlich auch die Klageschrift und auch alle weiteren Schriftsätze in diesem Rechtsstreit gefertigt. Die Fertigung auch von außergerichtlichen Mahnschreiben in der Stuttgarter Kanzlei wäre sowohl der Klägerin als auch ihrem jetzigen Prozeßbevollmächtigten durchaus zumutbar gewesen.
Zinsen auf die Hauptforderung kann die Klägerin nur in Höhe von 10 % verlangen. Gemäß Art. 78 CISG schuldet der Käufer Fälligkeitszinsen, wenn er den Kaufpreis nicht rechtzeitig bezahlt. Die Rechtzeitigkeit der Zahlung richtet sich nach Art. 58, 59 CISG in Verbindung mit dem von den Parteien geschlossenen Kaufvertrag. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages war der Kaufpreis spätestens innerhalb von 30 Tagen netto zu bezahlen, was sich aus der Rechnung vom 5.3.1993 ergibt. Eine anderweitige Fälligkeitsabrede haben die Parteien nicht vorgetragen. Die Zinshöhe bestimmt sich nach italienischem Recht, weil sie im CISG nicht geregelt ist, Art. 7 CISC, Art. 28 EGBGB. Seit 1990 beläuft sich der gesetzliche Zinssatz in Italien auf 10 % (Nachweis bei Kindler RIW 1991, 304, Art. 1284 codice civile).
Einen höheren Zinssatz kann die Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Vertragsverletzung aufgrund Nichtzahlung des Kaufpreises mitverlangen, Art. 62, 74 CISG. Die Klägerin hat nämlich die von ihr behauptete durchgängige Inanspruchnahme von Bankkredit nicht beweisen können. Insbesondere sind die von ihr vorgelegten Bankauszüge kein tauglicher Beweis. Sie umfassen zum einen nicht die hier maßgeblichen Zeiträume und weisen zum anderen, soweit der hier maßgebliche Zeitraum betroffen ist, überwiegend Positivsalden auf dem Bankkonto der Klägerin aus. Zumindest ist den von der Klägerin vorgelegten italienischen Unterlagen nichts anderes zu entnehmen.