Tatbestand:
Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in (...), Türkei, über deren Rechtsfähigkeit und gesetzliche Vertretung die Parteien streiten. Die Beklagte ist ein Handelsunternehmen mit Sitz in Deutschland.
Mit Vertrag vom 29.05.1991 kaufte die Beklagte von der Klägerin ca. 1.000 t erntefrische türkische Einlegegurken der Größen 3/6 und 6/9. Nach dem Vertrag sollte die Ware „frei Kühl-LKW türkischer Verladestation (...)“ geliefert werden. Der Ort der Verladung sollte auch Erfüllungsort sein. Die Beklagte wollte eine deutsche Spedition mit dem Transport beauftragen. In der Folgezeit kamen die Parteien in Abänderung ihres Vertrages überein daß die Klägerin türkische Frachtführer beauftragen solle und zwar gegen eine der Höhe nach streitige Kostenerstattung.
Die Klägerin ließ in der Zeit vom 16.06. bis zum 16.07.1991 in (...) Ware zum Gesamtpreis von 925.336,30 DM verladen. Bei der Verladung anwesend war ein Herr T., der von der Beklagten mit der Überwachung der Verladung beauftragt worden war. Die Reklagte zahlte auf den Kaufpreis lediglich 838.364,14 DM. Der Restbetrag in Höhe von 86.972,16 DM ist Gegenstand der vorliegenden Klage. Außerdem hat die Klägerin noch 14.100,– DM Frachtkosten eingeklagt.
Die Beklagte hat sich gegenüber der Restkaufpreisforderung mit der Behauptung verteidigt, ein Teil der Ware sei verdorben in Deutschland angekommen, bei einigen Lieferungen seien die Mengen geringer gewesen als angegeben und schließlich seien zum Teil größere als die vertraglich vereinbarten Gurken geliefert worden. Die Parteien haben insbesondere darüber gestritten, ob es für die Vertragsmäßigkeit der Ware auf den Zeitpunkt der Verladung in der Türkei oder auf den Zeitpunkt der Ankunft in Deutschland ankomme.
Das Landgericht hat zu den Vertragsabsprachen und der Tätigkeit von T. in der Türkei Beweis erhoben, wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 17. Januar 1992, auf die Bezug genommen wird, ergibt. Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht sodann die Reklagte unter Klageabweisung im übrigen verurteilt, an die Klägerin den Restkaufpreis in Höhe von 86.972,16 DM nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Ob bei der Entladung der LKW in Deutschland Gurken verdorben gewesen seien und ob Teilmengen gefehlt hätten, könne offenbleiben. Aufgrund des schriftlichen Vertrages und auch nach der Ergebnis der Beweisaufnahme komme es nämlich für die Vertragsmäßigkeit der Erfüllung auf die Verladung in der Türkei an. Dort aber habe der Zeuge T. die Ware geprüft und für gut befunden. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, daß die von der Klägerin in (...) verladene Ware den vertraglichen Vereinbarungen entsprochen habe. Hinsichtlich der angeblichen Übergrößen schließlich sei der Vortrag der Beklagten zu ungenau.
Mit der Berufung bekämpft die Beklagte die Vertragsauslegung des Landgerichts. Im übrigen behauptet sie, die Ware sei schon bei der Verladung in der Türkei mangelhaft gewesen.
Die Beklagte beantragt
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Die Klägerin bittet darum
die Berufung zurückzuweisen.
(...)
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht in Höhe von 86.972,16 DM nebst Zinsen stattgegeben.
I. Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin ist parteifähig und wird durch ihre Gesellschaftsleiter gesetzlich vertreten.
(...)
II. Die Klage ist in dem von dem Landgericht zuerkannten Umfang auch begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Restkaufpreisanspruch in Höhe von 86.972,16 DM aus Art. 53 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf – CISG – vom 11.04.1980 i.V. m. dem Gesetz vom 05.07.1989 (BGBl. II 586 ff.). Da die Parteien durch Erklärung gegenüber dem Landgericht die Anwendung deutschen Rechts nach Art. 27 EGBGB vereinbart. haben, sind gemäß Art. 1 Abs. 1 b CISG die Regeln des CISG als innerstaatliches deutsches Recht auf den Vertrag der Parteien anwendbar. Darauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen.
Die Höhe des Restkaufpreisanspruchs ist unstreitig. Die Behauptung der Beklagten, ihr seien über die Lieferungen keine Einzelrechnungen erteilt worden, ist bezüglich der Fälligkeit der Kaufpreisforderung unerheblich. (...)
Der Kaufpreisanspruch ist nicht nach Art. 50 Satz 1 i. V. m. Art. 35 Abs. 1 und 2, Art. 45, 51 Abs. 1 CISG gemindert. Dabei kann offenbleihen ob die Behauptungen der Beklagten, ein Teil der Ware sei verdorben gewesen, ein Teil sei zu groß gewesen und es seien nicht die berechneten Mengen geliefert worden, zutreffen.
Denn die etwaigen Gewährleistungsrechte der Beklagten sind jedenfalls nach Art. 39 Abs. 1 CISG ausgeschlossen.
Nach dieser Vorschrift hat der Käufer nur dann Gewährleistungsrechte, wenn er die Vertragswidrigkeit innerhalb einer angemessenen Frist dem Verkäufer anzeigt. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Käufer die Vertragswidrigkeit hätte feststellen müssen. Dieser Zeitpunkt wiederum ergibt sich aus Art. 38 Abs. 1 CISG. Danach hat der Käufer die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben.
Die Beklagte hat diese Frist nicht eingehalten. Sie hat die angebliche Vertragswidrigkeit erst bei Ankunft der Ware in Deutschland gerügt. Das war frühestens sieben Tage nach der Verladung in der Türkei. Sie hätte die Ware jedoch schon bei der Verladung in der Türkei untersuchen lassen müssen. Deshalb sind die frühestens sieben Tage nach der Verladung erfolgten Rügen verspätet.
Dabei kann offenbleiben, ob das Vertragsverhältnis der Parteien die Voraussetzungen des Art. 38 Abs. 2 CISG erfüllt und daher nach dieser Vorschrift eine Untersuchung erst am Bestimmungsort hätte erfolgen müssen. Denn Art. 38 Abs. 2 CISG ist abdingbar (Stumpf in: von Caemmerer/Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 1990, Art. 38 Rn. 6), und die Parteien haben diese Vorschrift jedenfalls in ihrem schriftlichen Vertrag vom 29.05.1991 abbedungen. In diesem Vertrag heißt es nämlich nicht nur, daß Erfüllungsort für die Lieferung der Ort der Verladung sein solle und daß die Ware frei Kühl-LKW an die türkische Verladestation geliefert werden solle. Vielmehr ist danach der Kaufpreis zu zahlen „bei Abgang und Gutbefund durch Herrn T.“. Damit wird deutlich, daß die Prüfung der Ware durch den Repräsentanten der Beklagten, den Zeugen T., am Ort der Verladung nicht lediglich eine interne Angelegenheit der Beklagten war, sondern nach der Vereinbarung der Parteien für die Vertragsausführung grundlegende Bedeutung haben sollte.
Das entsprach auch der Interessenlage der Parteien. Denn ursprünglich wollte die Beklagte sich selbst um den Transport der Ware bemühen. Lediglich aus Gründen der größeren Praktikabilität ist dann später die Klägerin aufgrund einer Zusatzabrede für die Beklagte bei der Auswahl der Frachtführer tätig geworden. Diese Vertragsauslegung wird auch durch den Umstand erhärtet, daß der Zeuge T. nach seiner insoweit glaubhaften Aussage bei der Verladung nicht nur die Mengen, sondern auch die Größen und die Qualität der Gurken überprüft hat. Die Aussage des Prokuristen der Beklagten, des Zeugen L., ist demgegenüber unergiebig. Dieser Zeuge hat den schriftlichen Vertrag aufgesetzt und ist dabei nach seiner Aussage davon ausgegangen, daß lediglich die körperliche Übernahme der Ware in der Türkei habe stattfinden sollen, die qualitative Übernahme dagegen in Deutschland. Das mag zutreffen. Entscheidend ist aber nicht, was sich der Zeuge vorgestellt hat, sondern wie die Klägerin den von der Beklagten aufgesetzten Vertragstext verstehen durfte.
Die Rechtsfolge der nicht rechtzeitigen Rüge besteht darin, daß die Beklagte den Kaufpreis in der vertraglich vereinbarten Höhe ohne Rücksicht auf etwaige Vertragswidrigkeiten zu zahlen hat.
In der Literatur wird allerdings die Auffassung vertreten, im Falle einer Minderlieferung sei der Käufer auch dann, wenn er nicht rechtzeitig rüge, nur verpflichtet, einen entsprechend verminderten Kaufpreis zu zahlen (Stumpf, aaO, Art. 39 Rn. 11). Dieser Auffassung schließt sich der Senat jedoch nicht an. Sie entspricht nämlich nicht dem Sinn des Art. 39 CISG. Bei der vergleichbaren Regelung der §§ 377 f. HGB ist anerkannt, daß der Käufer bei nicht rechtzeitiger Rüge grundsätzlich trotz Minderlieferung den vollen Kaufpreis zahlen muß (BGH NJW 1984, 1964, 1966). Umstritten ist lediglich, ob das auch dann gilt, wenn sich die Mindermenge aus der Rechnung oder den Lieferscheinen ergibt, also bei einer sogenannten offenen Minderlieferung (BGH aaO). Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor. Hinsichtlich der hier gegebenen nicht offenen Minderlieferung kann die Rechtslage bei Art. 39 CISG nicht anders sein als bei §§ 377 f. HGB. Der Sinn der Rügepflicht besteht nämlich darin, dem Verkäufer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob seiner Kaufpreisforderung Einreden entgegengesetzt werden können. Also muß der Verkäufer, wenn innerhalb der angemessenen Frist nicht gerügt worden ist, grundsätzlich davon ausgehen können, daß seine Kaufpreisforderung keinen rechtlichen Zweifeln ausgesetzt ist. Genau das wäre aber der Fall, wenn trotz Unterlassens einer rechtzeitigen Rüge eine Kaufpreisminderung wegen zu geringer Liefermengen zulässig wäre.
Hinsichtlich des Zinsanspruchs ist das landgerichtliche Urteil nicht angegriffen.