1. Die Klägerin, eine schwedische Aktiengesellschaft, verlangt von der Beklagten, einer deutschen GmbH, 116.535 DM für eine im Frühjahr 1991 erfolgte Lieferung polnischen Kokses in das ehemalige Jugoslawien.
Die Klägerin bestätigte mit Fax vom 11.3.1991 der Beklagten den Verkauf von etwa 500 t Koks mit bestimmten Werten zu einem Preis von 255 DM pro Tonne franko Osijek (RRB 2). Der Koks traf am 30.3.1991 in … ein und gelangte zur Firma …, der die Beklagte unter dem 2.4.1991 hierüber Rechnungen zu einem Tonnenpreis von 293 DM stellte (RRB 9/19). Die Firma … rügte gegenüber der Beklagten am 10.4.1991 die Zusammensetzung des Kokses, nämlich einen zu hohen Wassergehalt, sowie einen zu hohen Asche- und Schwefelanteil (B 1). Diese Rüge übermittelte die Beklagte der Klägerin am 15.4.1991. Als die Beklagte Anfang Juni 1991 den streitgegenständlichen Koks von der zwischenzeitlich in Konkurs gefallenen Firma … herausverlangte, lehnte diese eine Herausgabe ab, weil der Koks der Beklagten nicht gehöre (B 8).
Die Klägerin hat vorgetragen, der Koks habe nicht die von der Firma … behaupteten Werte aufgewiesen. Selbst wenn man aber diese unterstellen würde, wäre der Koks nicht mangelhaft gewesen. Die Firma … sei nie anstelle der Beklagten in den Kaufvertrag eingetreten und habe auch den angelieferten Koks nicht in der Weise übernommen, daß sie gegenüber der Klägerin als Käuferin aufgetreten sei. Der Beklagten sei es nicht gelungen, von ihrer Vertragspartnerin, der Firma … ihrerseits den Kaufpreis zu erlangen. Sie versuche nun, dieses Risiko auf die Klägerin durch die Behauptung abzuwälzen, daß ihre Vertragspflichten auf die Firma … übergegangen seien.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 116.535 DM nebst Zinsen hieraus in Höhe von 18 % vom 30.3.1991 bis 30.5.1991, 17 % vom 31.5.1991 bis 3.10.1991, 16 % vom 4.10.1991 bis 16.1.1992 sowie seit 17.1.1992 in Höhe von 8 % über dem Diskontsatz der schwedischen Reichsbank zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Firma … sei in den Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten eingetreten. Sie, die Beklagte, habe im übrigen rechtzeitig bestehende Mängel des Kokses gerügt.
2. Das Erstgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Behauptung der Beklagten, wonach die Firma … in den Vertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten eingestiegen sei, sei trotz gerichtlichen Hinweises unsubstantiiert geblieben. Auf eine Rechtzeitigkeit der Rüge komme es nicht an, da nach den Sachverständigengutachten selbst bei Zutreffen der von der Beklagten behaupteten Werte die Abweichung nicht so gravierend wäre, als daß sie nicht durch entsprechende Ofenführung kompensiert werden könnte.
3. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten.
Zur Begründung wird vorgetragen, das Erstgericht habe nicht berücksichtigt, daß die Kokslieferungen über die Inlandsabteilung von … verzollt worden seien, während bei einer Lieferung in Erfüllung der Lieferverpflichtung gegenüber der Beklagten kein Zoll angefallen wäre. Hieraus werde das Vorliegen eines Kaufvertrags zwischen … und der Klägerin deutlich. Diese Umstände habe der Konkursverwalter auch schriftlich mitgeteilt. Ein weiterer Nachweis für die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten stelle ein Schreiben der Firma vom 14.7.1993 dar. Hieraus gehe hervor, daß sie, die Beklagte, die Verzollung wegen der mangelnden Qualität gestoppt habe, und daß die Klägerin bestätigt habe, daß sie als Lieferantin der Firma … die Zustimmung zur Verzollung erteile (Beweis: Zeuge …). Dies habe die Firma … auch mit Schreiben vom 19.4.1991 (B 13) bestätigt.
Sie beantragt, das Endurteil des Landgerichts München I vom 24.5.1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß Zinsen bis einschließlich 30.11.1993 zu zahlen sind.
Sie trägt vor, das von der Beklagten vorgelegte Schreiben der Firma … vom 19.4.1991 könne nur eine Fälschung sein, was sich schon daraus ergebe, daß der darin erwähnte Konkurs erst am 2.5.1991 eröffnet worden sei. Im übrigen sei die Abwicklung der Zollformalitäten unter Einbeziehung der Tatsache geschehen, daß die Klägerin hier in Erfüllung ihres mit der Beklagten bestehenden Kaufvertrags die Ware nach … an die Firma geliefert habe (Beweis: Zollformular 5.4.1991 – RRB 28). Auch das von der Beklagten vorgelegte Schreiben der Firma … vom 14.7.1993 sei eine Fälschung.
Das Erstgericht hat gemäß Beweisbeschluß vom 18.5.1992 (Bl. 57 der Akten) Beweis erhoben durch Erholung eines Gutachtens des Sachverständigen … vom 30.11.1992 (nach Bl. 73 a der Akten) zur Frage der Beurteilung der von der Beklagten behaupteten Qualitätsunterschiede des Kokses. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird hierauf verwiesen. Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung, die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, da der Klägerin der geltend gemachte Kaufpreisanspruch sowie die Zinsforderung in der angesichts der zwischenzeitlichen Vollstreckung der Hauptsache noch geltend gemachten Höhe zustehen.
1. Der Kaufpreisanspruch ergibt sich aus Art. 53, 58 Abs. 1 CISG. Das CISG ist gemäß Art. 1 Abs. 1 a CISG anwendbar, da zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Parteien ihre Niederlassungen in zwei verschiedenen Vertragsstaaten hatten. Die Klägerin hat den verkauften Koks auch nach Maßgabe des Vertrags zur Verfügung gestellt, nämlich vereinbarungsgemäß direkt nach … zur Abnehmerin der Beklagten, der Firma …. Daß die Ware an die Firma … zu liefern war, wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Dies ergibt sich im übrigen auch aus der Bestimmung des Lieferorts in der Bestellung der Beklagten, der Bestätigung der Klägerin (RRB 1 bzw. RRB 2) sowie aus dem wiederholten Vortrag der Beklagten, daß gerade die Firma … der Beklagten die Klägerin empfohlen und damit das Geschäft überhaupt angebahnt hatte (vgl. Bl. 32, 150 der Akten). Aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben der Firma … vom 10.4.1991 (B 11), welches sich die Beklagte auch inhaltlich zu eigen gemacht hat (vgl. Bl. 152 der Akten), ergibt sich auch, daß die Beklagte die Firma … beauftragt hatte, den Koks in Empfang zu nehmen.
In diesem Schreiben ist ausdrücklich die Rede davon, daß der Koks bereits „an unsere Gießerei“ geliefert worden sei. Den Erhalt hatte die Firma … im übrigen gegenüber der Beklagten bereits am 5.4.1991 bestätigt (RRB 4). Die Beklagte selbst hat vorprozessual gegenüber der Klägerin von an die Firma … gelieferten Koks gesprochen (Schreiben vom 6.9.1991 – RRB 8). Im übrigen war die Beklagte auch noch Monate nach der Lieferung der Auffassung, daß der Koks für sie an die Firma … geliefert worden sei. Andernfalls wäre es nicht verständlich, daß sie von der Firma … am 3.6.1991 den Koks herausverlangt hat, wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Schreiben der Firma … vom 12.6.1991 (B 8) ergibt.
2. Die Klägerin selbst hat nicht gemäß Art. 64 CISG die Aufhebung des Vertrags erklärt. In dem Fax von der Klägerin an die Beklagten vom 19.4.1992 (B 3) liegt keine Aufhebungserklärung, sondern nur der Hinweis auf die bestehende Zahlungspflicht der Beklagten und die Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag. Gleiches gilt für das von der Klägerin an die Firma … gerichtete Fax vom 18.4.1991, welches die Firma … in Übersetzung am 19.4.1991 an die Beklagte weitergeleitet hat (B 4).
3. Es liegt auch keine Vertragsaufhebung durch die Beklagte gemäß Art. 49 CISG vor.
a) Eine Vertragsaufhebung scheitert schon daran, daß die Beklagte ihr Recht, die Aufhebung des Vertrags zu erklären, nicht gemäß Art. 49 Abs. 2 b CISG innerhalb einer angemessenen Frist wahrgenommen hat, nachdem ihr die jetzt behaupteten Vertragsverletzungen bekannt geworden waren. Eine derartige Erklärung kann frühestens in dem Schreiben der Beklagten vom 6.9.1981 (RRB 8) oder in der Klageerwiderung vom 6.11.1991 liegen. Gewußt hat die Beklagte aber nach ihrem eigenen Vortrag seit 10.4.1991 (vgl. B 1), daß angeblich die Werte des gelieferten Koks von dem Vertrag abwichen, und seit 19.4.1991 (B 13), daß angeblich die Klägerin unter Ausschaltung der Beklagten das Eigentum unmittelbar an … übertragen habe.
Ein Zeitraum von Mitte April 1991 bis Anfang September 1991, also von mehr als vier Monaten,. stellt aber keine angemessene Frist im Sinne von Art. 49 Abs. 2 b CISG dar. Diese Vorschrift soll gerade nach der Lieferung einen längeren Schwebezustand für die Klägerin vermeiden helfen, die Klägerin also darüber unterrichten, wie sie ihrerseits mit der Ware zu verfahren hat. Zugleich soll diese Vorschrift Spekulationen der Beklagten ausschließen, dieser also nicht ermöglichen, zunächst zu versuchen, von der Firma … den von dieser geschuldeten, u. U. gewinnbringenden, Kaufpreis zu erlangen und erst nach Fehlschlagen dieses Versuchs die Ware dann doch freizugeben.
b) Im übrigen läge keine wesentliche Vertragsverletzung der Klägerin im Sinne Art. 49 Abs. 1 a CISG vor.
aa) Selbst unterstellt, daß die von … mitgeteilten Werte für die ganze Kokslieferung zuträfen, so gemäß Art. 35 Abs. 1 CISG eine Abweichung von der Beschreibung in der Kaufbestätigung vor. Diese würde aber keine wesentliche Vertragsverletzung darstellen, da die Abweichung objektiv nicht von erheblicher Bedeutung war. Hierzu hat der Sachverständige … in einleuchtender Weise ausgeführt, daß die Abweichung bezüglich des Schwefelgehalts innerhalb der Analysengenauigkeit lag und daß die Abweichungen beim Wassergehalt und beim Ascheanteil (3,5 % statt 2 % und 13,2 % statt 11 %) nicht so gravierend seien, daß ein Einsatz des Koks nicht möglich gewesen wäre. Nach den Ausführungen des Sachverständigen wären diese Werte selbst bei höheren Qualitätsanforderungen durch eine entsprechende Ofenführung kompensierbar, insbesondere etwa durch einen höheren Einsatz an Koks. Im übrigen sei eine regelmäßige Qualitätsprüfung bei dem Einsatz von Koks ohnehin unverzichtbar. Schließlich spielten andere, nicht als abweichend beanstandete Merkmale bei der Verarbeitung des Koks eine wesentlich größere Rolle. Im übrigen ist die Eignung des Kokses zur Fertigung besonders hochwertiger Ware entgegen der Auffassung der Beklagten nicht Vertragsinhalt geworden, da die Firma … auch Ware mit geringerem Standard hergestellt und den Koks ja auch verwendet hat.
bb) An einer wesentlichen Vertragsverletzung fehlt es auch, soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin habe am 18.4.1991 den Koks im eigenen Namen an … veräußert. Einer Beweisaufnahme hierzu bedarf es deshalb nicht.
Der Vorwurf der Vertragsverletzung könnte insoweit darin gesehen werden, daß die Klägerin der Beklagten kein Eigentum verschafft habe. Die Klägerin hat aber genau das getan, was zwischen den Parteien vereinbart worden war, nämlich den Koks an … geliefert. Falls damit der Beklagten nicht Eigentum an dem Koks verschafft worden ist, sondern ummittelbar …, entspricht dies den vertraglichen Abreden, da danach weitergehende Handlungen der Klägerin nicht vorgesehen waren.
In der behaupteten Veräußerung des Kokses durch die Klägerin unmittelbar an … also unter Ausschaltung der Beklagten, könnte ein Eingriff in Rechtspositionen der Beklagten und damit eine Verletzung nachvertraglicher Pflichten gesehen werden (vgl. Schlechtriem/ Huber, Art. 31 CISG Rn. 76). Eine etwaige Vertragsverletzung wäre jedoch nicht wesentlich, d.h. von objektiv erheblicher Bedeutung für die Beklagte. Im vorliegenden Fall hatte nämlich von vornherein die Beklagte ihrerseits Kaufpreisansprüche gegenüber … (vgl. RRB 9 – 19). Diese unterlagen, da seinerzeit Jugoslawien auch Vertragsstaat war, ebenfalls dem CISG. Aus dem CISG konnte aber … ein Recht, die Kaufpreiszahlung gegenüber der Beklagten zu verweigern, auch dann nicht herleiten, wenn … und die Klägerin nachträglich ebenfalls einen Kaufvertrag über den bereits von der Beklagten an … verkauften Koks geschlossen hätten.
4. Wegen der von der Beklagten behaupteten Abweichungen des gelieferten Kokses von dem Vertrag kommt eine Minderung des Kaufpreises gemäß Art. 50 CISG nicht in Betracht. Die Beklagte hat nämlich keine entsprechende rechtsgestaltende Erklärung abgegeben. Eine solche wäre aber erforderlich gewesen (Schlechtriem/ Huber, Art. 50 CISG, Rn. 11).
5. Etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten gemäß Art. 45 Abs. 1 b, 74 ff. CISG müssen schon deshalb außer Betracht bleiben, da die Beklagte mit derartigen Ansprüchen keine Aufrechnung erklärt hat. Dies wäre erforderlich gewesen, da – anders als bei der Vertragsaufhebung, Art. 81 CISG – der Kaufpreisanspruch nicht kraft Gesetzes erlischt.
Im übrigen scheiterten Schadensersatzansprüche schon daran, daß die Beklagte keinen Schaden dargetan hat. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß ihr durch die behaupteten Abweichungen der Kokszusammensetzung ein Vermögensschaden entstanden wäre. Gleiches gilt für das behauptete Verhalten der Klägerin Mitte April 1991 gegenüber … und …. Auch hier ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß ohne dieses behauptete Vorgehen der Klägerin die Ware gar nicht an angelangt wäre (da die Lieferung ja bereits ca. 14 Tage vorher erfolgt war) oder daß andernfalls Koks bezahlt oder die Beklagte zumindest auf ihr Herausgabeverlangen im Juni 1991 den Koks zurückerhalten hätte.
6 Der Zinsanspruch ergibt sich dem Grunde aus Art. 78 CISG, da die Beklagte den gemäß Art. 58 CISG fälligen Kaufpreis nicht gezahlt hat. Die Zinshöhe bestimmt sich nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB nach schwedischem Recht, da die Klägerin als Verkäuferin die vertragstypische Leistung zu erbringen hatte. Danach hat die Klägerin Anspruch auf Zinsen in Höhe von 8 % über dem Diskontsatz der schwedischen Reichsbank, § 6 Räntelag (1975: 635), (vgl. Höglund, Sveriges Rikes Lag, Stand: 1.1.1991, Seite 530/531). Dort ist ein Zuschlag (tillägg, vgl. Parsenow, Fachwörterbuch für Recht und Wirtschaft Schwedisch/Deutsch – Deutsch/Schwedisch, 2. Auflage, Seite 168) von 8 % (åtta, vgl. Kornitzky, Taschenwörterbuch Schwedisch/Deutsch, 1958, Seite 521) festgelegt. Der in der Literatur genannte niedrigere Zinssatz (vgl. Fischler/ Vogel, Schwedisches Handels- und Wirtschaftsrecht mit Verfahrensrecht, 3. Auflage 1978, Seite 94) trifft damit nicht zu.