Die in Deutschland geschäftsansässige Beklagte kaufte bei der in der Schweiz ansässigen Klägerin unter anderem 1.750 kg neuseeländische Muscheln ohne Schale zu einem kg-Preis von USD 3,70, welche Anfang Januar 1992 geliefert wurden. Die Warenpartie wurde unter dem 15.01.1992 mit USD 6.475,- der Beklagten in Rechnung gestellt, wobei der Rechnungsbetrag binnen 14 Tagen zu zahlen war. Ende Januar 1992 setzte die Firma F., bei der die Beklagte eine Lagermöglichkeit unterhält, die Beklagte in Kenntnis, daß die vorbezeichnete und klägerseits ihr angelieferte Ware in Proben von dem Veterinäramt Groß-Gerau untersucht werde. Hiervon unterrichtete die Beklagte die Klägerin mit Telefax vom 07.02.1992 in der Form, daß sie ausführte, das Amt habe die Untersuchung von Muschelfleisch noch nicht abgeschlossen und werde die entnommenen Proben „wegen erhöhten Cadmiumgehalts“ nach Frankfurt schicken. Sie, die Beklagte, möchte dies abwarten und erst dann die Lieferung in den Verkehr bringen.
Mit Schriftsatz vom 13.02.1992 ließ die Klägerin die Beklagte anwaltlich wegen des offenstehenden Rechnungsbetrages mahnen und setzte Zahlungsfrist bis 17.02.1992, 12.00 Uhr.
Eine Zahlung erfolgte in der gesetzten Frist nicht. Den auf den 21.02.1992 datierten Befundbericht des Staatlichen Veterinäramtes, auf dessen Inhalt verwiesen wird und aus dem hervorgeht, daß bei allen vier untersuchten Beuteln Cadmiumwerte zwischen dem einfachen und doppelten Richtwert 1990 des Bundesgesundheitsamtes für Cadmium in den Muscheln festgestellt worden sei, erhielt die Beklagte per Fax am 26.02.1992. Sie leitete ihn an die Klägerin weiter.
Die Klägerin ließ ihrerseits Muschelfleisch vom Bundesamt für Veterinärwesen in Liebefeld-Bern untersuchen. Das Amt berichtete unter dem 28.02.1992, daß ein Cadmiumgehalt von 0,875 mg/kg bei am 26.02.1992 entnommenen Proben feststellbar sei.
Mit Telefax vom 03.03.1992 (Bl. 23 der Gerichtsakten) kündigte die Beklagte an, sie werde die Sendung Muscheln unfrei an die Klägerin zurücksenden. Als Grund gab sie an, daß die Ware wegen der hohen Cadmiumgrenzwerte als „nicht unbedenklich“ deklariert worden und im übrigen die Ware auch nicht mehr original wie vorgeschrieben verpackt sei und desweiteren die Verpackungskartons auch ungeeignet seien. Die Klägerin lehnte fernmündlich eine Abnahme der Ware ab. Die Beklagte sah darauf hin von einer Rücksendung der Ware ab.
Die von dem Staatlichen Veterinäramt für erforderlich gehaltenen Nachuntersuchungen führte der Sachverständige für Lebensmittelchemie und pharmazeutische Chemie Dr. B. in Darmstadt im Auftrage der Beklagten durch, der unter dem 31.03.1992 seinen Untersuchungsbericht erstattete, auf dessen Inhalt gleichfalls verwiesen wird und hierin zu dem Ergebnis kam, daß er bei allen 3 Proben einen Cadmiumgehalt von 1 mg/kg bei einem Richtwert von 0,5 mg/kg im Muschelfleisch festgestellt habe. Er schlug vor, mindestens weitere 20 Proben zu untersuchen, da eine Verdoppelung des Richtwertes „nicht toleriert“ werden könne.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Cadmiumgehalt der gelieferten Muscheln läge nicht über dem zulässigen Grenzwert von 1 mg/kg und sei mithin für den Verzehr geeignet. Die Mängelrüge der Beklagten, die im übrigen auch nicht unverzüglich erfolgt sei, sei mithin unbegründet.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin USD 6.475,- nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 18.02.1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, daß die Kaufsache mangelhaft sei. Entscheidend sei, daß die zuständige Behörde die Muscheln beanstandet habe. Sie hätten ihr daher nicht aus dem Lager in Groß- Gerau ausgeliefert werden dürfen. Ihr sei es angesichts der Kostenlast auch unzumutbar gewesen, weitere 20 Proben untersuchen zu lassen. Ihre Mängelanzeige sei in angemessener Frist erfolgt. Wegen wesentlicher Vertragsverletzung begehre sie Vertragsaufhebung.
Nach Schluß der mündlicher Verhandlung in 1. Instanz hat die Beklagte noch darauf hingewiesen, daß die Klägerin die Ware selbst mit dem Verfalldatum 12/92 ausgezeichnet habe. Dieser Zeitraum sei zwischenzeitlich eingetreten, ohne daß dies ihr, der Beklagten, angelastet werden könne.
Das Landgericht hat über die behauptete Mangelhaftigkeit der Ware Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlich erteilten Auskunft des Bundesgesundheitsamtes, welche unter dem 07.08.1992 erteilt worden ist und auf die verwiesen wird.
Die Einzelrichterin der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt hat sodann in dem am 22. Dezember 1992 verkündeten Urteil, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von USD 6.475,- nebst 5 % Zinsen hieraus seit 18.02.1992 verurteilt und zur Begründung ausgeführt, auf die Rechtsbeziehung der Parteien seien die Bestimmungen des Wiener UN- Kaufrechtsübereinkommens anwendbar. Nach dem Gutachten des BGA sei eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne der Art. 45 Abs. 1, 49 Ziff. 1a des vorbezeichneten Abkommens nicht feststellbar.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 05.02.1993 zugestellte Urteil mit bei Gericht am 05.03.1993 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 07.06.1993 mit bei Gericht am 03.06.1993 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagte trägt vor, eine Überschreitung des doppelten Richtwertes sei nicht erforderlich, um zur Feststellung zu gelangen, daß die Muscheln als nicht mehr zum Verzehr geeignet anzusehen seien. Eine Abnahme/Übergabe der Ware an sie sei noch nicht erfolgt; die Beweislast für die Mangelfreiheit der Ware liege daher bei der Klägerin. Spätestens aber nach Vorlage des Gutachtens B. hätte es der Klägerin oblegen, die Mängelfreiheit nachzuweisen. Jedenfalls habe das Landgericht übersehen, daß sie, die Beklagte, unter Beweis gestellt habe, daß die Muscheln einen Cadmiumgehalt von über 1 mg/kg hätten, was sie vorsorglich behaupte. Die von dem Sachverständigen B. in seinem Gutachten vom 31.03.1992 festgestellten Werte bedingten, daß die Ware als mangelhaft anzusehen sei. Wegen Überschreitens des Verfalldatums könne sie nunmehr die Ware auch nicht mehr in den Verkehr bringen. Dies habe letztlich die Klägerin zu verantworten, weil sie bei den weiteren Untersuchungen der Kaufsache nicht mitgewirkt habe, so daß die Klägerin ihr gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sei. Sie, die Beklagte, sei „exakt um den Betrag geschädigt, den die Klägerin“ von ihr nunmehr begehre. Mit der ihr zustehenden Schadensersatzforderung erkläre sie hilfsweise die Aufrechnung.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 22.12.1992 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin, die das angefochtene Urteil verteidigt, bestreitet eine Mangelhaftigkeit der gelieferten Muscheln, da diese bei einem Cadmiumgehalt von 0,5 – 1,0 mg/kg im Sinne des § 17 Lebensmittelgesetzes zum Verzehr geeignet seien. Die Klägerin meint, es obliege der Beklagten nachzuweisen, daß das Muschelfleisch eine Belastung von mehr als 1 mg/kg Cadmium aufweise. Im übrigen habe es die Beklagte allein zu verantworten, wenn sie die Ware bislang nicht in den Verkehr gebracht habe.
Aller Einzelheiten im übrigen wegen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 511, 511 a, 519 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten stellt sich als sachlich unbegründet dar; es war daher wie erkannt zu entscheiden.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist das Begehren der Klägerin auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises in der geltend gemachten Höhe gemäß ihrer Rechnung vom 15.01.1992 begründet, denn zwischen den Parteien ist rechtswirksam über 1750 kg neuseeländische Muscheln ein Kaufvertrag zustande gekommen, den die Klägerin ihrerseits auch ordnungsgemäß erfüllt hat. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Beklagten sind nicht durchgreifend. Sie konnte sich daher auch nicht rechtswirksam von dem Vertrag lossagen.
Die Rechtsbeziehung der Prozeßparteien untersteht dem Wiener UN- Übereinkommen über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980, in der Literatur auch bezeichnet als CIS, CISG, UNCITRAL Kaufrecht oder UN-Kaufrecht. Von letzterer Bezeichnung wird im folgenden ausgegangen.
Das UN-Kaufrecht gilt sowohl in der Bundesrepublik Deutschland (seit 01.01.1991) als auch in der Schweiz (seit 01.03.1991) (Quelle: Burghard-Piltz, Internat. Kaufrecht, München 1993, Seite 17 f) und verdrängt, soweit es Geltung erheischt, nationales Recht, insbesondere auch die Vorschriften des internat. Privatrechts (vgl. Piltz aaO § 2 Rn. 116, Seite 50 mN). Vorliegend sind die Tatbestandsmerkmale der Art. 1 und 2 UN-Kaufrecht erfüllt, weil Klägerin und Beklagte im Rahmen ihres gewerblichen Handelns den Kaufvertrag geschlossen haben und sie ihren Sitz in zwei verschiedenen Vertragsstaaten haben. Die Rechtfertigung des Zahlungsbegehrens der Klägerin folgt mithin aus Art. 53 UN- Kaufrecht. Der Kaufpreis ist aufgrund der vertraglichen Absprache zwischen den Parteien in US-Dollar zu zahlen. Da das UN-Kaufrecht keine Regeln über die Währungsbestimmung enthält, waren die Parteien schon deshalb frei, die Währungseinheit nach eigenem Ermessen zu bestimmen.
Daß das von der Klägerin gelieferte Muschelfleisch mit Cadmium in einer Konzentration belastet war, die signifikant über den von der Zentralen Erfassungs- und Bewertungsstelle für Umweltchemikalien (ZEBS) des Bundesgesundheitsamtes veröffentlichten Richtwert von 0,50 mg/kg (vgl. Bundesgesundheitsblatt 5/91 und wiederum 5/93) lag, erfüllt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 49 UN-Kaufrecht, die, lägen sie vor, die Beklagte zur Vertragsaufhebung berechtigt hätten. In ihrem Schreiben vom 03.03.1992 kann ein derartiges Verlangen der Beklagten erblickt werden, weil sie hierin unmißverständlich deutlich macht, daß sie die Ware als nicht vertragsgemäß ansieht und sie deshalb der Klägerin zur Verfügung stellen will (vgl. Art. 26 UN-Kaufrecht).
Voraussetzung für ein begründetes Verlangen auf Vertragsaufhebung ist eine wesentliche Vertragsverletzung. Die Lieferung einer vertragswidrigen Ware – wie vorliegend beklagtenseits behauptet – kann sich nach allgemeiner Meinung (vgl. von Caemmerer/Schlechtriem, UN-Kaufrecht, Rn. 20 und Herber/Czerwenka, Internat. Kaufrecht, Rn. 5 f, jeweils zu Art. 25) als eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen. Beim Gattungskauf hat bei einer wesentlichen Vertragsverletzung der Käufer die Wahl zwischen der sofortigen Vertragsaufhebung (Art. 49 Abs. 1 a UN-Kaufrecht) – so hat sich die Beklagte entschieden – und dem Anspruch auf Ersatzlieferung nach Art. 46 Abs. 2 UN-Kaufrecht.
Für die Entscheidung des Rechtsfalles – liegt eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des Art. 25 UN-Kaufrecht vor kommt es mangels ausdrücklicher vertraglicher Absprachen allein auf die Auslegung des Art. 35 Abs. 2 UN-Kaufrecht an, welcher vier Prüfungskriterien aufstellt.
Vorliegend ist zunächst das erste Kriterium von Relevanz. Die Kaufware entspricht danach dem Vertrag nur, wenn sie sich für die Zwecke eignet, für die Ware der gleichen Art gewöhnlich gebraucht wird.
Die Streitfrage, ob das vorbeschriebene Erfordernis nur dann erfüllt ist, wenn die Ware auch von durchschnittlicher Qualität ist – vgl. etwa das deutsche Gesetzeserfordernis in § 243 Abs. 1 BGB (hierfür sich Herber/Czerwenka aaO Rn. 4 aussprechend) oder bereits auch dann, wenn die Ware nur handelbar (merchantable) ist (so vor allem die common law – Rechtsschule, vgl. Bianca/Bonell, Commentary on the International Sales Law, Anm. 3.1. zu Art. 35 mN), wofür der Umstand sprechen könnte, daß ein entsprechender Vertragsergänzungsentwurf der Kanadischen Regierung, der Qualitätsanforderungen vorsah, im Laufe der Verhandlungen zurückgezogen wurde, kann vorliegend dahingestellt bleiben, weil die gelieferte Ware jedenfalls nicht minderwertiger Qualität ist. Hierbei kann sogar dahingestellt bleiben, ob die Cadmiumbelastung des Muschelfleisches über die bislang vorliegenden Untersuchungsergebnisse von 0,875 bzw. knapp unter 1 mg/kg hinaus geht, wie jetzt die Beklagte in der Berufungsinstanz „vorsorglich“ behauptet, weil vorstehende Werte toxikologisch nicht zu begründen sind, wie das Bundesgesundheitsamt auf Anfrage unter dem 07.08.1992 ausgeführt hat. In der im Bundesgesundheitsblatt 5 aus 1993 Seite 211 erfolgten Bekanntmachung der Richtwerte für Schadstoffe in Lebensmitteln führt das Bundesgesundheitsamt aus:
„Die Richtwerte werden nach statistischen, gesundheitlichen aber auch die Versorgung der Bevölkerung berücksichtigenden Gesichtspunkten festgelegt. Allein toxikologisch zu begründen ist der einzelne Richtwert nicht, da nur die Gesamtzufuhr des jeweiligen Schadstoffes über alle verzehrten Lebensmittel zu bewerten ist. Demzufolge erfolgte die Richtwertfindung unter Berücksichtigung der aktuellen Belastungssituation der Lebensmittel, der durchschnittlichen Verzehrmengen des Erwachsenen und der sogenannten WHO-Werte, die vorläufig duldbare, wöchentliche Aufnahmemengen für Blei, Cadmium und Quecksilber darstellen.“
Der Richtwert für die Cadmiumbelastung im Fisch hat darüber hinaus keinen gesetzlich bindenden, sondern nur einen „administrativ orientierenden Charakter“. Sie sollen, wie das Bundesgesundheitsamt in der oben zitierten Fundstelle erläuternd ausführt, nur aufzeigen, wann unerwünscht hohe Schadstoffkonzentrationen in Lebensmitteln vorliegen und alle für die Lebensmittelqualität Verantwortlichen anhalten, nach der Kontaminierungsursache zu recherchieren und nach Ortung der Kontaminationsquelle diese zu beseitigen. Auch die Überschreitung um mehr als 100 % des Richtwertes führt nicht dazu, die Muscheln als ein nicht zum Verzehr geeignetes Lebensmittel anzusehen (vgl. § 17 Lebensmittelgesetz). Nur die Fleischhygieneverordnung vom 30.10.1986 (in der Fassung der Änderungsverordnung vom 07.11.1991 abgedruckt im Bundesgesetzblatt I Seite 2066) legt fest (vgl. Ziff. 3 in der Anlage 6), daß bei Überschreitung des doppelten Richtwertes 1990 für Rückstände von Schwermetallen das Fleisch nicht mehr als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden kann. Für Fisch hingegen gibt es eine entsprechende Regelung nicht.
Das von der Klägerin gelieferte Muschelfleisch war für den Verzehr durch Menschen geeignet. Selbst wenn der Vortrag der Beklagten zutreffend sein sollte, daß die Muscheln teilweise mit mehr als 1 mg/kg Cadmium belastet waren – die vorliegenden Proben können eine derartige Behauptung nicht belegen -, kann von einer Ungeeignetheit der Ware als verkehrsfähiges Lebensmittel nicht ausgegangen werden. Muscheln werden üblicherweise anders als Grundnahrungsmittel – nicht in großen Mengen in kurzer Zeit verzehrt, weshalb auch Kontaminationsspitzen im Regelfall – wie das Bundesgesundheitsamt in seiner Stellungnahme vom 07.08.1992 auch ausgeführt hat – zu keiner gesundheitlichen Schädigung führen.
Vorstehende Erwägungen erklären auch, weshalb der Senat keine Veranlassung sah, erneut in die beklagtenseits beantragte Beweisaufnahme einzutreten, zumal die sachverständigen Stellungnahmen Dr. S. und Dr. B. in schriftlicher Form bereits vorliegen. Daß eine Verdoppelung des Richtwertes nicht toleriert werden kann, mag gesundheitspolitisch wünschenswert sein, stellt sich aber augenblicklich angesichts der eindeutigen Gesetzlage noch als reine Zielvorstellung dar. Die Richtwertüberschreitungsbestimmung in der Fleischhygieneverordnung ist wegen ihres Eingriffscharakters nicht auf andere Lebensmittelgruppen entsprechend anwendbar, zumal hierbei auch beachtet werden muß, daß jede nationale Gesetzgebung in Deutschland mit der Richtlinie des Rates vom 22. Juli 1991 zur Festlegung von Hygienevorschriften für die Erzeugung und die Vermarktung von Fischereierzeugnissen (91/493/EWG in Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften) in Übereinstimmung stehen müßte.
Der vorbeschriebenen Rechtslage wegen kommt es auf die Rechtsfrage, ob letztlich der Verkäufer für die Vereinbarkeit der Ware mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Land des Käufers einzustehen hat, die wiederholt Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen war (teilweise wird dieses Problem auch bei Art. 35 Abs. 2 lit. b UN- Kaufrecht angesiedelt), nicht mehr entscheidungserheblich an.
Überwiegend dürfte in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten werden, daß über die Beurteilung der Frage, ob die Liefergegenstände sich „für die Zwecke eignen, für die Sachen der gleichen Art gewöhnlich gebraucht werden“ nicht die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften aller der Länder herangezogen werden dürfen, in die bei Vertragsabschluß ein Export möglich war (vgl. von Caemmerer-Schlechtriem, aaO Rn. 26 zu Art. 35). Auch die internat. Handelskammer vertritt in ihrer Stellungnahme zum Vertragsentwurf E 1978 den Standpunkt, daß öffentlich-rechtliche Vorschriften keinen Einfluß auf die Vertragsgemäßheit der Ware im Sinne des Art. 35 Abs. 2 lit. a haben (vgl. Bianca/Bonell, aaO, Anm. 3.2 zu Art. 35; Herber/Czerwenka, Rn. 5 zu Art. 35). Da nach Art. 7 UN-Kaufrecht bei der Auslegung des Übereinkommens dessen internationaler Charakter genauso berücksichtigt werden muß wie auch das Erfordernis, daß das Recht in den Vertragsstaaten eine einheitliche Anwendung finden soll, dürfte vieles für die vorbeschriebene Rechtsauffassung sprechen.
Die Tatsache der Richtwertüberschreitung erfüllt letztlich auch nicht das Tatbestandsmerkmal des Art. 35 Abs. 2 lit. b, wonach die Kaufsache nur dann den Anforderungen des Vertrages entspricht, wenn sie sich für einen bestimmten Zweck eignet, der dem Verkäufer bei Vertragsabschluß ausdrücklich oder auf andere Weise zur Kenntnis gebracht wurde, sofern sich nicht aus den Umständen ergibt, daß der Käufer auf die Sachkenntnis und das Urteilsvermögen des Verkäufers nicht vertraute oder vernünftigerweise nicht vertrauen konnte.
Vorliegend ist nichts dafür dargetan, daß die Parteien die Einhaltung der Richtwerte der ZEBS beim Bundesgesundheitsamt stillschweigend vereinbart haben. Selbst wenn der Klägerin bekannt war, daß die Beklagte die Ware nach Deutschland einführen und dort vermarkten wollte, kann ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die vorliegend indessen noch nicht einmal andeutungsweise vorgetragen wurden, nicht angenommen werden, daß stillschweigend die Einhaltung der Richtwerte vereinbart war. Dies gilt um so mehr, als den Richtwerten bei Fischerzeugnissen keine Rechtsqualität zukommt (vgl. zu diesem Problemkreis auch Bianca/Bonell, Anm. 3.2. sowie von Caemmerer-Schlechtriem, Rn. 26 f, jeweils zu Art. 35 UN-Kaufrecht, Burghard-Piltz, aaO § 5 Rn. 35 Seite 187; Dölle-Stumpf im Kommentar zum einheitlichen Kaufrecht, Rn. 18 zu Art. 33).
Das Vertragsaufhebungsverlangen der Beklagten ist letztlich auch nicht um des Umstandes willen begründet, daß die Ware – wie die Beklagte behauptet – möglicherweise nicht ordnungsgemäß verpackt war.
Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist mangels Substantiierung nicht nachvollziehbar. Welche Anforderungen an die Verpackung zu stellen sind, richtet sich, wenn die Parteien keine besonderen Vereinbarungen getroffen haben, ebenfalls nach den Kriterien des Art. 35 Abs. 2 UN-Kaufrecht (vgl. von Caemmerer/Schlechtriem, Rn. 19 zu Art. 35). Ein rechtlicher Hinweis durch das Gericht war nicht angezeigt, weil selbst bei mangelhafter Verpackung, die sich des weiteren noch als eine erhebliche Vertragsverletzung darstellen müßte, die Vertragsaufhebungserklärung der Beklagten, soweit sie auf diesen Mangel gestützt wird, nach Art. 49 Abs. 2 UN-Kaufrecht verfristet ist. Wenn Art. 49 – anders als Art. 43 EKG – auch nicht mehr von einer kurzen Frist spricht, so muß doch die Erklärungsfrist „angemessen“ sein, das heißt angemessen kurz sein. Die Angemessenheit der Anzeige richtet sich nach den Umständen. Eine erheblich vertragswidrige Verpackung kann sofort festgestellt werden. Die erst mit Schreiben vom 03.03.1992 erstmals erfolgte Rüge bei einer Ware, die Anfang Januar angeliefert wurde, ist ersichtlich nicht mehr angemessen, weshalb es hierzu keiner weiteren Ausführung mehr bedarf.
Schließlich vermag die Beklagte aus dem Umstand, daß das Verfalldatum der Ware zwischenzeitlich eingetreten ist, gegenüber der Klägerin keine für sich günstigen Rechtsfolgen herleiten, da die Lieferung, wie ausgeführt, vertragsgerecht war.
Die Kaufpreisforderung ist nach Art. 78 UN-Kaufrecht zu verzinsen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend insoweit gemäß Art. 28 EGBGB schweizerisches Recht oder deutsches Recht (vgl. § 352 HGB) Anwendung findet, weil jeweils von Gesetzes wegen 5 % Verzugszins geschuldet wird (vgl. Schönberger-Gauch, Schweizerisches Zivilgesetzbuch). Die Feststellung des Landgerichtes, daß sie sich seit 18.02.1992 in Verzug befindet, hat die Beklagte nicht angefochten.
Nach § 546 Abs. 1 ZPO war die Revision zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Revisionszulassungsvoraussetzung des § 546 Abs. l Satz 2 Nr. 1 ZPO soll die Wahrung der Rechtseinheit und die Fortbildung des Rechts durch das Revisionsgericht ermöglichen. Es steht zu erwarten, daß das UN-Kaufrecht und im besonderen die Auslegung des Art. 35 Abs. 2 in der nahen Zukunft wiederholt von Entscheidungsrelevanz sein wird; andererseits gibt es hierzu noch keine gefestigte Rechtsprechung (nach Karollus, der Anwendungsbereich des UN- Kaufrechts im Überblick, JuS 1993 Seite 378, sollen bei Artikelabfassung nur 10 deutsche Gerichtsentscheidungen zum UN- Kaufrecht veröffentlicht worden sein).