Die Parteien, die seit mehreren Jahren in laufender Geschäftsbeziehung standen, streiten um die Bezahlung von Forderungen aus früheren Liefergeschäften.
Die Klägerin, die ihren Geschäftssitz in H./China hat und dort elektronische Bauteile (insbesondere sogenannte Leiterplatten) herstellt, hatte mit dem in Hamburg niedergelassenen Beklagten am 31.01.1996 einen Alleinvertriebsvertrag (Exclusive Sales Agreement, Anlage B 6) über den Vertrieb dieser Bauteile abgeschlossen. Der Vertrag bestimmt in Art. 2 als Vertriebsgebiet Deutschland, Schweiz, Österreich und Niederlande und sieht in Art. 11 vor: „Applicable law. The law governing this agreement as per European common market (EU).“ Für seine Beendigung enthält er in Art. 8 die folgende Klausel:
Period of application of the agreement
1. The agreement will enter into force on 1st January 1996 for an indefinite period.
2. The agreement can be terminated by either party with an 90 days notice in writing and at the end of a calendar year.
3. The agreement can furthermore be terminated without notice of particularly important reasons, such as bankruptcy or winding up of the business of either party. A majority participation of third parties to the agreement is no reason for the immediate termination of the agreement.
4. This agreement can also be terminated by the Supplier when the Sole Distributor fails substantially to fulfill his contractual obligations and has not rectified matters within 90 days of receiving written notification from the Supplier, quoting the requirements of this paragraph. See Appendix 3.
In Ausfüllung des Vertrages lieferte die Klägerin in erheblichem Umfang Leiterplatten an den Beklagten, die dieser an andere Unternehmen weiterveräußerte. Mit Schreiben vom 10.10.1996 (Anlage B 8) kündigte die Klägerin den Alleinvertriebsvertrag fristlos, da der Beklagte Zahlungsfristen erheblich überzogen, ferner falsch abgerechnet und sie über angebliche Warenmängel getäuscht habe.
Die Klägerin hat geltend gemacht, daß sie aus erbrachten Lieferungen, die sie im einzelnen aufgestellt hat, und unter Abzug von Gutschriften noch Forderungen von insgesamt 216.566,94 DM gegen den Beklagten habe.
Sie hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 216.566,94 DM nebst 5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat sich hierfür auf unterschiedliche Gegenrechte berufen. Forderungen über insgesamt 42.859,46 DM hat er mit im einzelnen dargelegten Gründen bestritten. Im übrigen hat er vorgetragen, die Forderungen aus Geschäften aus dem Jahr 1994 (im Gesamtbetrag von 40.200,‑ DM) seien verjährt; die Forderung über 31.744,85 DM aus der Lieferung von 7.000 Leiterplatten bestehe nicht, da die Leiterplatten unbrauchbar gewesen seien und er sich mit dem Geschäftsführer der Klägerin, ..., geeinigt habe, daß der Kaufpreis auf 0 gemindert werden sollte. Da ... dann aber seine Entlassung habe befürchten müssen, sei man übereingekommen, den Preis pro Leiterplatte für diese und folgende Lieferungen jeweils um 1,39 DM zu mindern, so lange, bis der Gesamtpreis der 7.000 Leiterplatten (53.870,‑ DM) kompensiert sei; schließlich sei die Restforderung von 101.762,63 DM durch Aufrechnung erloschen, da der Beklagte von der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 673.306,24 DM verlangen könne, denn die Klägerin habe den Vertriebsvertrag zu Unrecht fristlos gekündigt; dadurch sei ihm ein Gewinn in der geltendgemachten Höhe entgangen.
Die Klägerin hat vorgetragen, daß sie zu einer fristlosen Kündigung berechtigt gewesen sei, da der Beklagte sie über angebliche Mängel der gelieferten Leiterplatten getäuscht habe, ferner zu Unrecht Reise- und sonstige Kosten abgerechnet habe und mit Zahlungen erheblich in Rückstand gewesen sei.
Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil in Höhe von 173.707,48 DM einschließlich 5 % Zinsen seit 06.03.1997 stattgegeben, da der Beklagte die Gesamtforderung von 216.566,94 DM dem Grunde nach nur im Umfang von 42.859,46 DM substantiiert bestritten habe und da die im übrigen geltendgemachte Aufrechnung nicht durchgreife.
Gegen das Teilurteil des Landgerichts vom 18.09.1997, das ihm am 19.09.1997 zugestellt wurde, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 30.09.1997, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 30.10.1997, der am 30.10.1997 bei Gericht eingegangen ist, begründet.
Der Beklagte trägt vor, hinsichtlich des Betrages von 31.744,85 DM sei zwischen den Parteien eine wirksame Minderung um diesen Betrag vereinbart worden, da ... als Geschäftsführer der Klägerin für eine solche Vereinbarung vertretungsbefugt gewesen sei. Im übrigen seien die Forderungen der Klägerin durch Aufrechnung erloschen. Zur Begründung seiner Aufrechnungsforderung wiederholt der Beklagte sein Vorbringen, daß sein Anspruch aus einer Schadensersatzforderung resultiere, da die Klägerin den Alleinvertriebsvertrag zu Unrecht fristlos gekündigt habe. Zur Höhe dieser Forderung führt er aus, daß ihm durch die Kündigung für das Jahr 1996 ein Verlust von 170.136,38 DM entstanden sei. Da eine ordentliche Kündigung erst zum Ende des Jahres 1997 möglich gewesen sei, seien ihm ferner für das Jahr 1997 Erträge von 479.611,16 DM entgangen, die bei Steigerungen des Geschäftsvolumens noch höher gelegen hätten. Ferner leitet der Beklagte weitere Schadensersatzforderungen daraus her, daß er höhere Zölle – insgesamt 5.065,32 DM Mehrkosten – habe zahlen müssen, da die Klägerin nach ihrer Kündigung keine Ursprungszeugnisse mehr für schon gelieferte Waren ausgestellt habe. Eine weitere Schadensersatzforderung von 929,56 DM ergebe sich daraus, daß ihm die Transportfirma Gebrüder ... in Hongkong in Rechnung gestellt habe, obwohl vereinbarungsgemäß die Klägerin diese Kosten habe tragen sollen.
Der Aufrechnung stehe auch kein Aufrechnungsverbot entgegen. Zwar hätten die Parteien für die Einzellieferungen Zahlung „Net 30 (bzw. 40) days“ (Anlage B 12) vereinbart. Diese Formulierung bedeute aber keinen Aufrechnungsausschluß, wie das Landgericht angenommen habe, da die Rechtsprechung die Netto-Kasse-Klausel nur zum – hier nicht einschlägigen – Schutz Dritter als Aufrechnungsverbot interpretiere. Ferner verstoße die Klägerin gegen Treu und Glauben, wenn sie sich gegenüber der aus eigenem Vertragsverstoß folgenden Schadensersatzverpflichtung (aus unberechtigter fristloser Kündigung des Vertragsverhältnisses) auf ein Aufrechnungsverbot berufe. Schließlich sei ein eventuelles Aufrechnungsverbot auch dadurch abbedungen worden, daß die Klägerin dem Beklagten Gutschriften erteilt habe.
Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Hamburg vom 18.09.1997 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, daß dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch zustehe, mit dem er aufrechnen könne. Denn die Klägerin sei zur fristlosen Kündigung des Alleinvertriebsvertrages aus wichtigem Grund berechtigt gewesen, da der Beklagte zum einen Zahlungen teilweise erst mit einem Verzug von 15 Monaten erbracht habe, ferner nicht angefallene Reisekosten und Transportzuschläge berechnet und hinsichtlich der Lieferung der 7.000 Leiterplatten eine Minderung auf 0 in Anspruch genommen habe, obwohl die Kundin des Beklagten diese Lieferung gegen eine geringe Minderung abgenommen habe. Die behauptete Minderungsvereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Geschäftsführer der Klägerin, ..., sei schon wegen ihres Inhaltes sitten- und gesetzwidrig und daher nichtig gewesen. Jedenfalls sei sie wegen Täuschung wirksam angefochten worden, da die behaupteten Mängel nicht vorgelegen hätten.
Ferner habe der Beklagte seine behauptete Schadensersatzforderung nicht hinreichend substantiiert. Schließlich scheitere eine Aufrechnung auch an dem vereinbarten Aufrechnungsverbot, das aus der Kasseklausel folge. Es sei unzulässig, die erteilten Gutschriften für die Auslegung der Klausel heranzuziehen.
Auch die weiteren vom Beklagten geltendgemachten Schadensersatzforderungen hält die Klägerin für unbegründet.
Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird im übrigen auf die vorbereitenden Schriftsätze und die zur Akte gereichten Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung war zurückzuweisen. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, gemäß Art. 53 CISG Restkaufpreise in Höhe von 173.707,48 DM an die Klägerin zu zahlen.
1. Das CISG ist hier kraft stillschweigender Rechtswahl anwendbar. Eine stillschweigende Rechtswahl für die einzelnen Liefergeschäfte folgt hier aus der Rechtswahlklausel, die die Parteien in Art. 11 ihres Alleinvertriebsvertrages vereinbart haben. Die Rechtswahl in einem Vertriebsvertrag gilt zwar nicht unmittelbar und ohne weiteres auch für die einzelnen Geschäfte, die in Ausfüllung des Vertrages durchgeführt werden. Grundsätzlich sind der Vertriebsvertrag und die einzelnen Durchführungsgeschäfte vielmehr kollisionsrechtlich selbständig zu beurteilen (vgl. auch BGHZ 74, 136 [noch zum EKG]). Doch stellt die Rechtswahl in einem Rahmenvertrag, soweit nicht andere Anhaltspunkte vorliegen, ein starkes Indiz dafür dar, welchem Recht die Durchführungsgeschäfte unterstehen sollen. Denn mit der Rechtswahl im Rahmenvertrag haben die Parteien deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ihre Rechtsbeziehungen, zu denen die Durchführung der Einzelgeschäfte ebenfalls gehört, grundsätzlich dem gewählten Recht unterstehen sollen.
Die hier vereinbarte Rechtswahlklausel ist mit dem Landgericht dahin auszulegen, daß die Parteien deutsches Recht vereinbaren wollten. Zwar ist die Klausel „the law governing this agreement as per European common market (EU)“ ungewöhnlich und nicht sehr klar formuliert. Es ist ihr aber der eindeutige Parteiwille zu entnehmen, daß jedenfalls nicht chinesisches Recht, sondern in der EU geltendes Recht maßgebend sein soll. Hieraus könnte abgeleitet werden, daß das in der EU oder jedenfalls in den Staaten des vertraglichen Vertriebsgebietes (Deutschland, Schweiz, Österreich, Niederlande) einheitliche Recht vereinbart werden sollte. Doch gibt es ein allgemeines einheitliches Vertragsrecht, insbesondere für Alleinvertriebsverträge, in der EU bisher nicht – selbst das CISG gilt nicht in allen EU-Staaten und erfaßt auch grundsätzlich nicht Vertriebsverträge (von Caemmerer/Schlechtriem/Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht – CISG – [2. Aufl. 1995] vor Art. 14-24 Rn. 7; Staudinger Magnus, Wiener UN-Kaufrecht [CISG] [1994] Art. 1 Rn. 37). Die hier vereinbarte Rechtswahlklausel ist nach Auffassung des Senats deshalb dahin auszulegen, daß das mit dem Sachverhalt am stärksten verbundene europäische Recht gewählt werden sollte. Dies ist das deutsche Recht, in dessen Geltungsbereich der Beklagte seine geschäftliche Niederlassung hat und dessen Geltungsbereich auch den Großteil des Vertriebsgebietes ausmacht. Für die Geltung deutschen Rechts hat sich auch die Klägerin im Verfahren ausgesprochen (Schriftsatz vom 17.08.1998); der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.
Die Wahl deutschen Rechts schließt das CISG als Teil der deutschen Rechtsordnung ein (BGHZ 96, 313 [noch zum EKG]; zum CISG OLG Düsseldorf, IPrax 1993, 412 mit Anmerkung Magnus IPrax 1993, 390; Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht [1996] Rn. 15; Staudinger/Magnus Art. 1 Rn. 104). Da die übrigen räumlichen, zeitlichen, sachlichen und persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des CISG gegeben sind – die Kaufvertragsparteien haben ihre Niederlassungen in Vertragsstaaten, die das CISG zum 01.08.1988 (China) und zum 01.01.1991 (Bundesrepublik Deutschland) in Kraft gesetzt haben –, ist für die einzelnen Kaufgeschäfte das CISG anzuwenden.
2. Der Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 173.707,48 DM, dessen Entstehen unstreitig ist, folgt aus Art. 53 CISG in Verbindung mit den einzelnen Lieferverträgen.
3. Die Einwendungen des Beklagten gegen die Forderungen der Klägerin greifen nicht durch.
a) Die Einrede der Verjährung gegenüber Forderungen der Klägerin in Höhe von 40.200,‑ DM aus dem Jahre 1994 hat keinen Erfolg. Für die Verjährung der vertraglichen Zahlungsansprüche sind hier die Vorschriften des BGB – als des stillschweigend gewählten deutschen Rechts – maßgebend, da das CISG, das als speziellere Regelung an sich Vorrang hat, zur Verjährung nichts sagt. Die zweijährige Ausschlußfrist des Art. 39 Abs. 2 CISG bezieht sich nur auf Mängelansprüche, nicht jedoch auf Zahlungsansprüche. Damit gilt nach § 196 Abs. 2 BGB eine vierjährige Verjährungsfrist, da die Klägerin als gewerblich handelndes Unternehmen als Kaufmann im Sinn des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu betrachten ist und ihre Lieferung für den Gewerbebetrieb des Beklagten erbracht hat. Bei Klageerhebung im Jahr 1997 war die Vierjahresfrist noch nicht abgelaufen.
b) Auch der Aufrechnungseinwand des Beklagten ist unbegründet.
Denn der Aufrechnung steht, soweit es um die Forderungen der Klägerin geht, die nicht auf der Lieferung der 7000 Leiterplatten beruhen, ein vereinbartes Aufrechnungsverbot entgegen. Daß diese Forderungen in Höhe von 141.962,63 DM entstanden waren, ist unstreitig. Die Parteien hatten, wie zwischen ihnen ebenfalls unstreitig ist, für die diesen Forderungen zugrunde liegenden Einzelgeschäfte als Zahlungsklausel „net 40 days“ vereinbart (vgl. die von dem Beklagten vorgelegten Auftragsbestätigungen der Klägerin, Anlage B 12). Die Auslegung dieser Vertragsklausel richtet sich nach dem Maßstab des CISG. Um die Bedeutung einzelner Vertragsklauseln zu ermitteln, ist gemäß Art. 8 Abs. 1 CISG vom erkennbaren Parteiwillen auszugehen und im übrigen gemäß Art. 8 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 2 CISG ein objektiver und internationaler Auslegungsmaßstab anzulegen (vgl. Bianca/Bonell/Farnsworth, Commentary on the International Sales Law. The 1980 Vienna Sales Convention, 1987, Art. 8 Bem. 2.4, von Caemmerer/Schlechtriem/Junge, Art. 8 Rn. 7 ff., Staudinger/Magnus Art. 8 Rn. 17 ff.).
Auf Grund dieses Maßstabes ergibt sich, daß die Vereinbarung einer Netto-Zahlungspflicht bedeutet, daß der Schuldner keine Abzüge vornehmen darf. Er soll für die erhaltene Lieferung zunächst vollständig zahlen und eigene Gegenansprüche dann selbständig geltend machen. Der „Netto“ oder „Netto Kasse“-Klausel wird deshalb in Deutschland kraft Handelsbrauch ein Aufrechnungsausschluß entnommen (BGHZ 14, 62; BGHZ 23, 131 („netto Kasse gegen Rechnung und Verladepapiere“); BGH NJW 1985, 550 m. zust. Aufs. Lebuhn IPRax 1986, 19 („cash on delivery“); OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 115 („binnen 7 Tagen rein netto Kasse ohne Abzug“); Baumbach/Hopt, HGB, 29 Aufl. 1995; § 346 Stichwort „Kasse, Kasse gegen Dokumente“; Palandt/Heinrichs § 387 Rn. 14; Staudinger/Gursky § 387 Rn. 173; eingehend auch Liesecke WM 1978, Beil. 3 S. 8 f.). Ganz ähnlich wird die Klausel „net“ oder „net cash“ etwa auch in der englischen Rechtsprechung verstanden (Biddell Brothers v. Clemens Horst Company (1911) 1 K.B. 934 (C.A.) 940 (für „net cash“): „no credit and no deduction by way of discount or rebate or otherwise ...“); ebenso Benjamin on Sale (4. Aufl. 1992) Rn. 9-060).
Daß die Netto-Kasse-Klausel dagegen nur dann einen Aufrechnungsausschluß bedeute, wenn der Schutz Dritter das erfordere, wie der Beklagte meint, ist weder den angegebenen Entscheidungen noch dem allgemeinen Verständnis dieser Klausel zu entnehmen. Vielmehr soll sie auch und gerade im Verhältnis der Parteien zueinander sichern, daß der Zahlungsgläubiger sich darauf verlassen und damit kalkulieren kann, zunächst den vollen Preis für seine Leistung zu erhalten.
Die Berufung der Klägerin auf den Aufrechnungsausschluß ist auch nicht treuwidrig, wie der Beklagte meint. Auch innerhalb des CISG ist der Grundsatz von Treu und Glauben im Verhältnis der Parteien zueinander zu beachten (Bianca/Bonell/Bonell Art. 7 Bem. 2.4.1; von Caemmerer/Schlechtriem/Herber Art. 7 Rn. 1; Staudinger/Magnus Art. 7 Rn. 10). Auf Grund dieses Prinzips müßte die Klägerin den Aufrechnungseinwand möglicherweise trotz des vereinbarten Aufrechnungsausschlusses dann gegen sich gelten lassen, wenn dem Beklagten Forderungen aus Vertragsverstößen der Klägerin zustünden. Das ist aber, wie unten näher ausgeführt, nicht der Fall.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ergeben ferner auch nicht die Gutschriften, die die Klägerin in einzelnen Fällen erteilt hat, daß damit die Netto-Zahlungsklausel generell abbedungen worden wäre. Denn ein vereinbarter Aufrechnungsausschluß verbietet dem Zahlungsgläubiger nicht, berechtigte Gegenforderungen des Schuldners gleichwohl anzuerkennen und von der vollen Zahlung insoweit abzusehen. Daß die Klägerin aber auch bei streitigen Forderungen auf das Recht verzichtet habe, zunächst vollständige Zahlung verlangen zu können, trägt der Beklagte selbst nicht vor.
Im Umfang von 141.962,63 DM scheitert die Aufrechnung damit an dem vereinbarten Aufrechnungsausschluß.
c) Auch gegenüber der Forderung der Klägerin in Höhe von 31.744,85 DM für die Lieferung von 7000 Leiterplatten greifen die Einwendungen des Beklagten nicht durch.
aa) Zunächst hat die Klägerin diese Forderung dem Beklagten nicht durch eine Minderungsvereinbarung erlassen. Dabei kann es dahinstehen, ob die Parteien eine entsprechende Minderungsvereinbarung wirksam abgeschlossen haben. Denn jedenfalls hat die Klägerin ihre Zustimmung zu der Minderungsvereinbarung, die ihr Geschäftsführer ... abgegeben hatte, wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten.
Für die Anfechtung ist deutsches Recht maßgebend. Zwar untersteht zunächst auch die Vereinbarung über Änderungen eines dem CISG unterfallenden Vertrages dieser Konvention (Art. 29 Abs. 1 CISG). Die materielle Gültigkeit eines Vertrages und seiner Änderungen und damit auch die Anfechtung wegen eventueller Willensmängel wird vom CISG aber nicht geregelt (Art. 4 lit. a CISG). Insoweit gelten die allgemeinen Bestimmungen des autonomen Kollisionsrechts. Die Anfechtung einer vertraglichen Vereinbarung richtet sich gemäß Art. 31 Abs. 1 EGBGB nach dem Statut des angefochtenen Vertrages (Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht (5. Aufl., 1996) Rn. 226, Soergel/von Hoffmann Art. 31 Rn. 19, Staudinger/Hausmann Art. 31 Rn. 18). Da die Parteien hier, wie oben ausgeführt, als ergänzendes Vertragsstatut deutsches Recht stillschweigend gewählt haben, ist die Anfechtung nach § 123 BGB zu beurteilen.
Hiernach hat die Klägerin ihre Zustimmung zur Minderungsvereinbarung wirksam angefochten. Denn zwischen den Parteien ist einerseits unstreitig, daß die gesamte Lieferung von 7000 Leiterplatten unbrauchbar sei. Andererseits ist unstreitig, daß die Kundin des Beklagten die Leiterplatten, deren Gesamtpreis unstreitig 53.870,‑ DM betrug, gegen eine Minderung von 2,49 DM/Stück (mit Mehrwertsteuer = 20.044,50 DM, vgl. Anlage B 4) abnahm. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Beklagte die Klägerin darüber getäuscht hat, daß die 7000 Leiterplatten nicht vollständig unbrauchbar waren, sondern tatsächlich gegen eine teilweise Minderung abgesetzt wurden. Dem Beklagten muß auch bewußt gewesen sein, daß sich die Klägerin bei dieser Sachlage nicht auf eine Minderung ihrer Forderung auf Null eingelassen hätte.
Die Klägerin hat die Anfechtung ferner innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB nach der Entdeckung der Täuschung, nämlich mit Fax vom 5. Oktober 1996 (Anlage K 11) erklärt, nachdem sie die 7000 Leiterplatten unstreitig am 21. und 28. Juni 1996 geliefert hatte und erst danach von der Täuschung erfahren haben kann.
bb) Auch gegenüber der Zahlungsforderung aus der Lieferung der 7000 Leiterplatten greift der Aufrechnungseinwand des Beklagten nicht durch.
Zwar ist es zweifelhaft, ob der mit der Netto-Klausel vereinbarte Aufrechnungsausschluß auch insoweit gilt. Denn in Höhe ihrer Forderung von 31.744,85 DM hatte die Klägerin bereits eine Gutschrift erteilt, um deren Beseitigung es ihr geht. Der Zweck der Netto-Kasse-Klausel, den Zahlungsgläubiger zunächst hinsichtlich der vollen Zahlung sicherzustellen, kann hier nicht mehr in gleicher Weise wie bei ursprünglicher Zahlung wirken. Doch kann offen bleiben, ob der Netto-Klausel auch insoweit ein Aufrechnungsausschluß zu entnehmen wäre. Denn dem Beklagten steht eine aufrechenbare Gegenforderung nicht zu.
Denn die Klägerin hat mit der fristlosen Kündigung des Alleinvertriebsvertrages keine Vertragsverletzung begangen, die den Beklagten zu Schadensersatz berechtigen würde. Vielmehr war sie nach Art. 8 (3) des Alleinvertriebsvertrages berechtigt, den Vertrag aus wichtigem Grund zu beenden. Art. 8 (3) des Vertrages erlaubt eine fristlose Kündigung („without notice“), wenn besonders wichtige Gründe wie Konkurs oder Auflösung („particularly important reasons, such as bankruptcy or winding up“) gegeben sind.
Für die Auslegung dieser Vertragsklausel gilt gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB das den Vertrag beherrschende, hier also deutsches Recht, da der Vertriebsvertrag als solcher nicht unter das CISG fällt.
Die Aufzählung in Art. 8 (3) des Vertriebsvertrages ist nicht abschließend, wie aus der Formulierung „such as“ folgt, die erkennen läßt, daß Konkurs (bankruptcy) und Auflösung (winding up) nur Beispiele für besonders wichtige Gründe für eine fristlose Vertragsbeendigung sind. Nach Auffassung des Senats fallen auch massierte und gravierende Vertragsverstöße unter die Vertragsbestimmung, soweit sie die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen. Dann stehen sie an Gewicht den beispielhaft erwähnten Fällen gleich, die die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ebenfalls gravierend einschränken oder unmöglich machen.
Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, daß der Fall wesentlicher Vertragsverletzung in Art. 8 (4) des Vertriebsvertrages geregelt ist, der der Klägerin ein Kündigungsrecht einräumt, wenn der Beklagte seine Vertragspflichten in erheblichem Maß verletzt und das auch nicht binnen 90 Tagen nach schriftlicher Mahnung korrigiert („fails substantially to fulfill his contractual obligations and has not rectified matters within 90 days of receiving written notice“). Diese Bestimmung setzt Vertragsverstöße erheblicher Art voraus, allerdings der Art, daß die Folgen noch korrigiert werden können. Das wird etwa hinsichtlich verzögerter Zahlungen anzunehmen sein. Soweit aber die Vertrauensbasis zwischen den Vertragsparteien zerstört worden und eine Fortsetzung des Vertrages unzumutbar ist, kommt eine „rectification“ nicht in Betracht und kann nicht weiteres Zuwarten verlangt werden. Fälle dieser Art fallen daher unter Art. 8 (3) des Alleinvertriebsvertrages. Im hier zu entscheidenden Fall hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 5. Oktober 1996 (Anlage K 11) mit der – oben bereits näher erörterten – Täuschungshandlung des Beklagten, mit unberechtigt abgerechneten Reise-, Transport- und weiteren Kosten und mit zahlreichen und erheblichen Zahlungsfristüberschreitungen Umstände geltend gemacht, die es rechtfertigen, die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als unzumutbar zu betrachten. Der Beklagte ist den Vorwürfen in ihrer Substanz auch nicht entgegengetreten. Die Klägerin war daher zur fristlosen Kündigung des Vertriebsvertrages berechtigt.
Ein möglicher Schadensersatzanspruch des Beklagten scheitert darüber hinaus daran, daß der Beklagte trotz der Hinweise des Senats in der Verfügung vom 11. Mai 1998 sowie im Senatstermin vom 29. Juni 1998 seinen behaupteten Schaden nicht substantiiert dargelegt hat. Er hat lediglich seine Umsätze und Roherträge für die Jahre 1995 und 1996 sowie Schätzungen für das Jahr 1997 mitgeteilt (Anlagen B 14 – 16). Hieraus hat er einen Gesamtschaden von mindestens 655.742,32 DM errechnet (Schriftsatz vom 18.06.1998). Daß dem Beklagten ein Schaden in dieser Höhe entstanden ist, läßt sich an Hand des vorgelegten Zahlenmaterials indessen nicht nachvollziehen. So veranschlagt der Beklagte für 1996 einen Umsatzverlust von 653.527,02 DM, aus dem dann ergangene Erträge von 170.136,48 DM abgeleitet werden (Schriftsatz vom 18.06.1998). Da die fristlose Kündigung zum 10. Oktober 1996 erfolgte und der Beklagte selbst für 1996 einen Jahresumsatz von 1.171.730,34 DM angegeben hat. konnte ihm allenfalls etwa ein Viertel des Jahresumsatzes (= 390.576,78 DM) entgangen sein. Der für 1996 behauptete Schaden von 170.136,48 DM hätte dann fast 50 % des im letzten Quartal 1996 noch erzielbaren Umsatzes ausgemacht. In der vom Beklagten eingereichten Anlage B 15 zeigt sich dagegen, daß der Unterschied zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis ca. 1/3 des Endpreises ausmacht. Die Gemeinkosten des Beklagten sind hierbei zudem noch völlig unberücksichtigt. Aus den vorgelegten Unterlagen läßt sich ein möglicher Schaden des Beklagten auch nicht schätzen, da nicht einmal erkennbar ist, welche Umsätze des Jahres 1996 der Beklagte vor bzw. nach der Kündigung des Vertriebsvertrages erzielt hat.
Auch die weiteren Schadensersatzforderungen, die der Beklagte in Höhe von 5.065,32 DM für überzahlte Zölle sowie in Höhe von 929,46 DM für verauslagte Transportkosten geltend macht, sind nicht begründet.
Hinsichtlich der überzahlten Zölle beruft sich der Beklagte zwar darauf, daß die Klägerin nach der Kündigung des Vertriebsvertrages keine Ursprungszeugnisse mehr über bereits ausgelieferte Ware vorgelegt habe, so daß er statt 3,6 % Zoll einen Satz von 5,2 % habe zahlen müssen. Diese Darlegung genügt indessen nicht, einen Anspruch auf Ersatz der Zolldifferenz in der behaupteten Höhe zu begründen. Denn der Beklagte hat weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, daß er die Klägerin seinerzeit zur Vorlage der Ursprungszeugnisse aufgefordert habe. Der Behauptung der Klägerin, er trete mit seiner Forderung jetzt erstmals zwei Jahre nach der Vertragsbeendigung an sie heran, hat der Beklagte nicht widersprochen.
Hinsichtlich der verauslagten Transportkosten ist der Beklagte beweisfällig geblieben. Er hat zwar fünf Rechnungen der Fa. Gebrüder ... vorgelegt, die diese ihm über FOB-charges in Hong Kong ausgestellt hat. Die Klägerin hat die Berechtigung der Rechnungen bestritten, an denen auch auffällt, daß sie zwar für Frachtgeschäfte für Leiterplatten der Klägerin ausgestellt sind, als einzigen Posten aber nur die FOB-charges enthalten. Dagegen enthält die einzige vollständige Frachtrechnung vom 14. Oktober 1996 ihrerseits keine FOB-charges. Da der Beklagte hierzu weder weitere Erläuterungen gegeben noch Beweis angetreten hat, kann der Betrag nicht als aufrechenbare Gegenforderung anerkannt werden.
Die Berufung war daher insgesamt zurückzuweisen.