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Zusammenfassung der Entscheidung CLOUT Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung von UNCITRAL
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
1. Auf die kaufvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über den internationalen Warenkauf (CISG) vom 11.4.1980 anzuwenden. Denn die von den Parteien getroffene Vereinbarung der Geltung materiellen deutschen Rechts erfaßt nach herrschender Meinung (vgl. z.B. BGHZ 96, 313 für das Einheitliche Kaufgesetz) grundsätzlich auch das genannte Übereinkommen, dem die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist (BGBl. 1990 II 1477). Zwar ist für die Auslegung der Erklärung, es solle deutsches materielles Recht gelten, der jeweilige Einzelfall maßgebend. Vorliegend fehlen jedoch Anhaltspunkte dafür, daß die Parteien die Anwendung des einheitlichen Kaufrechts nach Art. 6 CISG ausschließen wollten. Ein eventueller geheimer Vorbehalt der Klägerin wäre unbeachtlich. Die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 b CISG sind im übrigen erfüllt. Auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung wird insoweit Bezug genommen.
2. Die von der Beklagten gegen den restlichen Kaufpreisanspruch der Klägerin erhobenen Einwendungen sind nur zum Teil begründet.
a) Die Klägerin lieferte die Artikel Nr. ... und... zwar verspätet und nicht in der bestellten Menge. Die Mehrkosten der von der Beklagten deshalb vorgenommenen Deckungskäufe in Höhe von 694,54 DM und 883,30 DM hat die Klägerin der Beklagten jedoch nicht zu ersetzen, weil es die Beklagte versäumte, die Vertragsaufhebung zu erklären. Die Beklagte hat ferner nicht vorgetragen, daß die Klägerin die Erfüllung ihrer Lieferverpflichtungen wegen der beiden Artikel ernstlich und endgültig verweigerte. Nach Art. 75 CISG sind die Mehrkosten eines Deckungskaufes vom Verkäufer jedoch nur dann zu tragen, wenn sie nach Vertragsaufhebung vorgenommen wurden. Denn erst die Aufhebung des Vertrags schafft im allgemeinen Klarheit darüber, daß der Vertrag nicht erfüllt werden wird. Mit der Aufhebung entfällt das Recht der Parteien auf Erfüllung und wird ihre Dispositionsfreiheit wieder hergestellt. Bis dahin haben sie sich vertragstreu zu verhalten. Die Vertragsverletzung der einen Partei gibt der anderen noch nicht das Recht, sich durch Vornahme eines Deckungsgeschäfts vom Vertrag zu lösen, solange dieser nicht durch Mitteilung an die vertragsbrüchige Partei (Art. 26 CISG) aufgehoben worden ist. Das CISG kennt keine Vertragsaufhebung kraft Gesetzes (vgl. z.B. von Caemmerer/Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Rn. 5 zu Art. 75 CISG).
b) Den Artikel Nr. ... lieferte die Klägerin ebenfalls nicht in der vereinbarten Menge. Bei einem Telefongespräch am 1.8.1996 (vgl. Bl. 4 des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom 5.5.1997; Bl. 30 der Akten) teilte sie der Beklagten mit, sie könne nicht mehr als 1.702,80 Meter des genannten Artikels liefern. Damit verweigerte sie die weitere Vertragserfüllung endgültig und ernsthaft. Die Beklagte war daher berechtigt ohne ausdrückliche Erklärung der Vertragsaufhebung einen Deckungskauf vorzunehmen (vgl. von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Rn. 5 zu Art. 75 CISG). Durch den Deckungskauf sind der Beklagten Mehrkosten in Höhe von 10.039,95 DM entstanden, wie durch die Aussage des Zeugen... bewiesen ist. Auf Bl. 6 der Sitzungsniederschrift vom 4.11.1997 (Bl. 60 der Akten) wird insoweit Bezug genommen. Die von der Beklagten gegen den restlichen Kaufpreisanspruch der Klägerin erklärte Aufrechnung ist daher in Höhe von 10.039,95 DM begründet und der restliche Kaufpreisanspruch in dieser Höhe erloschen.
c) Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten, die ihr durch die Weiterverarbeitung des Artikels Nr. ... in Deutschland gegenüber der Verarbeitung in der Türkei entstanden sind. Denn nach Art. 74 CISG hat die vertragsbrüchige Partei nur den Schaden zu ersetzen, den sie bei Vertragsabschluß als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder hätte voraussehen müssen. Eine erst nach Vertragsabschluß erlangte Kenntnis genügt nicht. Schäden, die durch die besonderen Verhältnisse des Gläubigers, die von ihm getroffenen Dispositionen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflußt werden, sind im allgemeinen nur zu ersetzen, wenn sie dem Schuldner bekannt waren. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussehbarkeit des Schadens bei Vertragsabschluß obliegt dem Geschädigten (vgl. z.B. von Caemmerer/Schlechtriem, aaO, Rn. 45 zu Art. 74 CISG). Die Beklagte hat vorliegend nicht bewiesen, daß die Klägerin bei Vertragsabschluß wußte oder hätte wissen können, daß bei nicht rechtzeitiger Lieferung des genannten Artikels eine mit erheblichen Mehrkosten verbundene Weiterverarbeitung der Stoffe in Deutschland erfolgen müsse. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus der Aussage des Zeugen.... Dieser hat nicht bekundet, daß der Klägerin die besonderen Produktionsbedingungen der Beklagten bei Vertragsabschluß bekannt waren.
d) Dahinstehen kann, ob der Artikel Nr. ... – soweit er von der Klägerin geliefert worden ist – mangelhaft war. Zu einer Minderung des Kaufpreises wäre die Beklagte insoweit nur berechtigt, wenn sie den Mangel in angemessener Frist gegenüber der Klägerin gerügt hätte (Art. 39 CISG). Die Beklagte hat dies nicht bewiesen. Der Zeuge... war sich nicht sicher, ob er der Klägerin den angeblichen Mangel mitgeteilt hat. Der Zeuge... hat ausgesagt, er habe den angeblichen Mangel der Klägerin gegenüber nicht gerügt.
e) Der von der Klägerin gelieferte Artikel Nr. ... war mangelhaft. Seine Struktur und Farbe entsprach nicht dem vereinbarten Muster. Die Beklagte stellte dies nach Verarbeitung der Stoffe fest und rügte den Mangel gegenüber der Klägerin. Auf die Aussagen der Zeugen... und... und die Ausführungen des Sachverständigen... (vgl. Bl. 4 – 6 der Sitzungsniederschrift vom 4.11.1997, Bl. 58 – 60 der Akten; Gutachten vom 17.12.1997, Bl. 72 – 80 der Akten) wird Bezug genommen. Wegen dieser Abweichung in Farbe und Struktur mußte die Beklagte – wie der Zeuge... bestätigt hat – ihrem Abnehmer einen Nachlaß von 10 % (7.339,75 DM) einräumen. Die Klägerin hat der Beklagten diesen entgangenen Gewinn zu ersetzen (Art. 74 CISG). Der Schaden war für die Klägerin bei Vertragsabschluß voraussehbar. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist daher in Höhe von weiteren 7.339,75 DM begründet.
f) Der restliche Kaufpreisanspruch der Klägerin in Höhe von insgesamt 76.312,95 DM ist damit durch Aufrechnung mit Gegenforderungen in Höhe von 17.379,70 DM erloschen. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 58.933,25 DM zuzüglich 5 % Prozeßzinsen ab Rechtshängigkeit (§§ 291 BGB, 345 HGB). Einen höheren Zinsschaden hat sie nicht nachgewiesen.
Die Ausführungen der Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 31.12.1998 geben dem Senat keinen Anlaß, die Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).
Auf die Berufung der Klägerin ist das angefochtene Urteil daher in dem im Urteilstenor genannten Umfang abzuändern und die weitergehende Berufung zurückzuweisen.