I. Der Antragsteller, französischer Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Paris, ist für die Antragsgegnerin im Rahmen der Vollstreckbarerklärung eines deutschen Kostentitels über 108.408,60 DM in Frankreich tätig geworden. Da die Antragsgegnerin die Honorarforderung nicht in vollem Umfang beglichen hat, hat der Antragsteller die Kostenfestsetzung durch den Präsidenten der Anwaltskammer von Paris (L'ordre des Avocats à la Cour d'Appel) veranlaßt. An diesem Verfahren hat die Antragsgegnerin sich nicht beteiligt. Ob sie davon hinreichend informiert war, ist streitig. Der Präsident der Anwaltskammer hat mit Beschluß vom 19.6.2001 nach Prüfung der Angaben des Antragstellers eine Honorarforderung von 15.500,- FF abzüglich gezahlter 3.200,- FF sowie zu erstattende Auslagen von 5.210,33,- FF abzüglich gezahlter 3.421,- FF anerkannt. Dieser Beschluß ist vom Vizepräsidenten des Tribunal des Grande Instance von Paris namens des Präsidenten dieses Gerichts am 30.4.2002 für vollstreckbar erklärt worden. Der Antragsteller hat unter Vorlage der genannten Entscheidungen nebst deutscher Übersetzung die Vollstreckbarerklärung des Beschlusses des Präsidenten der Anwaltskammer beantragt. Dem hat der Vorsitzende der 11. Zivilkammer des Landgerichts Essen mit Beschluß vom 12.3.2003 in Anwendung des EG Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens vom 27.9.1968 (EuGVÜ) stattgegeben.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die den Titel für eine nicht dem EuGVÜ unterfallende Entscheidung eines Schiedsorgans, hilfsweise aber für nicht anerkennungsfähig hält, weil ihr das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugegangen und die Kostenforderung übersetzt sei. Der Senat hat zur Klärung des Zugangs der vom Antragsteller mit Rückschein belegten Zustellung der Ladung der Antragsgegnerin zu dem vom Präsidenten der Anwaltskammer von Paris auf den 24.4.2001 anberaumten Erörterungstermin Beweis erhoben durch Vernehmung des von der Antragsgegnerin angebotenen Zeugen L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Vermerk des Berichterstatters vom 28.11.2003 Bezug genommen. Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. 1. Die Beschwerde ist nach Art. 43 und Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 - EuGVVO - (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) iVm § 11 Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz vom 19.2.2001 - AVAG - (BGBl. I S. 288, 436) zulässig. Sie ist aber in der Sache nicht begründet, denn das Landgericht hat den Beschluß des Präsidenten der Anwaltskammer zu Paris (Décisison du Bâtonnier) vom 27.11.2001 zu Recht für vollstreckbar erklärt, wenngleich im Tenor auch die Vollstreckbare Ausfertigung (Expédition Executoire) des Präsidenten des Tribunal de Grande Instance (TGI) in Paris vom 30.4.2002 zu erwähnen gewesen wäre.
2. Rechtsgrundlage ist - ungeachtet der Bezugnahme des Landgerichts auf das EuGVÜ - nach ihrem Art. 66 II a iVm Art. 76 die EuGVVO, da der für die Qualifikation des ausländischen Titels entscheidende Akt, die Expédition executoire des Präsidenten des TGI, erst nach Inkrafttreten der EuGVVO am 1.3.2002 ergangen ist, und zwar in einem Mitgliedstaat, in dem zuvor das „Brüsseler Übereinkommen" (EuGVÜ) in Kraft war.
Die Expédition executoire in Verbindung mit der Décision du Bâtonnier ist eine gerichtliche Entscheidung im Sinne von Art. 32 EuGVVO, vormals Art. 25 EuGVÜ (ebenso OLG München IPRspr. 1992 Nr. 223 = Bl. 69 ff der Akten; LG Karlsruhe IPRax 1992, 92 u. Reinmüller, ebd. S. 73; ders. IPRax 1989, 142; Hök JBüro 1989, 1334; Schmidt RIW 1991, 626, 628; zustimmend Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 7. Aufl., Art. 32 Rn. 9; Rauscher/Leibl, Europäisches Zivilprozeßrecht, Brüssel I-VO, Art. 32 Rn. 9; MünchKomm-Gottwald, Schlußanhang, EuGVÜ Art. 25 Rn. 12; Baumbach/Lauterbach/ Albers, 60. Aufl., Schlußanhang V C 1, Art. 25 EuGVÜ, Rn. 1). Dabei kann dahinstehen, ob insoweit primär auf die Entscheidung des Präsidenten des TGI abzustellen ist, die durch die Kostenfestsetzung des Präsidenten der Anwaltskammer ausgefüllt wird, oder ob die Entscheidung des Präsidenten des TGI die des Präsidenten der Anwaltskammer zu einer gerichtlichen aufwertet. Der Begriff der gerichtlichen Entscheidung in Art. 32 EuGVVO, ist autonom, also nicht allein aus deutscher Sicht auszulegen (Kropholler, aaO, Art. 32 Rn. 2, Rauscher/Leible, aaO, Art. 32 Rn. 5), was sich auch schon daraus ergibt, daß Art. 32 eine Legaldefinition enthält. Sie ist ersichtlich weit gefaßt und schließt „Kostenfestsetzungsbeschlüsse eines Gerichtsbediensteten" ein. Um einen solchen handelt es sich hier. Das Verfahren der Kostenfestsetzung gegen den eigenen Mandanten durch den Präsidenten der Anwaltskammer ist in Frankreich gesetzlich geregelt, und zwar heute im Dekret Nr. 91-1197 vom 27.11.1991 (abgedruckt z.B. in der Textausgabe zum Nouveau Code de Procédure civile des Verlags Editions Dalloz, Paris), mit dem das Dekret vom 9.6.1972, auf das sich die zitierte Rechtsprechung bezieht (vgl. dazu Reinmüller IPRax 1989, 143 und IPRax 1992, 73; M.J. Schmidt, Die internationale Durchsetzung von Rechtsanwaltshonoraren, 1991, S. 95 f), modifiziert wurde. Soweit die Entscheidung des Präsidenten der Anwaltskammer im Kopf als Schiedsverfahren (Arbitrage du Bâtonnier) bezeichnet ist, macht das allein das Verfahren nicht zu einem schiedsgerichtlichen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. d EuGVVO. Auf die Bezeichnung der Entscheidung kommt es nach Art. 32 EuGVVO nicht entscheidend an. Es handelt sich auch nicht um ein „fakultatives Schlichtungsverfahren", wie die Antragsgegnerin meint, sondern um ein zwingendes Verfahren (vgl. Art. 174 Dekret v. 27.11.1991: Einwendungen gegen Höhe und Beitreibung der Anwaltshonorare können nur in dem Verfahren der nachfolgenden Bestimmungen geregelt werden), dessen gesetzliche Regelung nirgendwo den Begriff der Arbitrage verwendet. Die Entscheidung enthält eine ausführliche Darlegung des Kostengrundes, d.h. der anwaltlichen Leistung, der geltend gemachten Kosten und deren Angemessenheit. Sie allein wäre nach allgemeiner Meinung zwar keine „gerichtliche" Entscheidung iSv Art. 32 EuGVVO (Rauscher/Leible, aaO, Art. 32 Rn. 9; Kropholler, aaO, Art. 32 Rn. 9). Zur „gerichtlichen" wird sie aber durch die „Vollstreckbarerklärung" seitens des Präsidenten des TGI nach Art. 178 des Dekrets oder durch eine Entscheidung des Präsidenten der Cour d'appel, wenn gegen die Festsetzung Einwände erhoben worden sind (Art. 176). Art. 178 lautet: „Wenn die Entscheidung des Präsidenten der Anwaltskammer (Bâtonnier) nicht vor den Präsidenten der Cour d'appel gebracht worden ist, kann sie durch Ordonnance des Präsidenten des TGI für vollstreckbar erklärt werden, auf Antrag des Anwalts oder der Partei." Das ist eine richterliche Tätigkeit, die mit einer gewissen förmlichen Prüfung verbunden ist und es rechtfertigt, dem Ergebnis die Qualität einer „gerichtlichen Entscheidung" iSv Art. 32 EuGVVO (früher Art. 25 EuGVÜ) beizumessen. Es handelt sich aber nicht um eine bloße Exequaturentscheidung, die dem Verbot der Doppelexequatur unterfiele (vgl. Reinmüller IPRax 1989, 142 und M.J. Schmidt, Durchsetzung von Rechtsanwaltshonoraren, S. 99 f gegen LG Hamburg, IPRax 1989, 162;). Wie sich aus der unteren Hälfte der Expéditon executoire ergibt, bedarf die Entscheidung des Präsidenten des TGI ihrerseits der Vollstreckbarerklärung durch den Greffier. Ob in dem kontradiktorisch angelegten Verfahren vor dem Präsidenten der Anwaltskammer auch tatsächlich streitig verhandelt wurde, ist für die Qualifikation unerheblich.
3. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung richtet sich nach Art. 38 ff EuGVVO mit der nach Art. 40 Abs. 1 zulässigen Ergänzung durch nationales Recht, hier des AVAG. Den darin festgelegten Förmlichkeiten ist Genüge getan.
a) Zu ihnen gehört nach Art. 53 EuGVVO die Vorlage einer Ausfertigung des ausländischen Titels, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Sie hat dem Landgericht vorgelegen und ist ausweislich der Verfügung vom 20.3.2003 (Bl. 23 R) dem Antragsteller zulässigerweise (vgl. BGH NJW 1980, 527) zurückgegeben worden, so daß das Bestreiten ihrer Existenz im Beschwerdeverfahren bedeutungslos ist. Der Antragsgegnerin sind Ausfertigungen des Beschlusses des Präsidenten der Anwaltskammer vom 19.6.2001 und der Ordonnance des Präsidenten des TGI vom 30.4.2002, beide mit deutscher Übersetzung, zusammen mit der Vollstreckbarerklärung zugestellt worden (vgl. §§ 9 III, 10 I AVAG). Lediglich der Beschluß vom 19.6.2001 war der Antragsgegnerin bereits am 30.10.2002 mit Übersetzung förmlich zugestellt worden. Das ist jedoch unschädlich, denn die Zulässigkeit der erstmaligen Zustellung des ausländischen Titels zusammen mit der Vollstreckbarerklärung ist ausdrücklich in die EuGVVO aufgenommen worden (Art. 42), weil sie unter der Geltung des EuGVÜ im Hinblick auf Art. 47 Nr. 1 bis zur Entscheidung des EuGH vom 14.3.1996 (Slg. 1996 I 1407 = IPRax 1997, 186; ebenso schon OLG Hamm RIW 1993, 148 und IPRax 1997, 421) streitig war.
b) Nach Art. 53 Abs. 2 EuGVVO hätte der Antragsteller zwar die Bescheinigung nach Art. 54 vorlegen müssen. Darauf kann aber nach Maßgabe von Art. 55 Abs. 1 EuGVVO verzichtet werden, was im vorliegenden Fall gerechtfertigt ist, weil der Senat über alle aus dem Formular ersichtlichen Informationen verfügt, insbesondere zur Zustellung (Position 4.4) und zur Vollstreckbarkeit. Es ist nicht erforderlich, daß die Dokumente im Original vorgelegt werden. Übersetzungen müssen nur auf Verlangen des Gerichts eingereicht werden; sie brauchen abweichend von § 142 Abs. 3 ZPO nur beglaubigt zu sein, und auch darauf kann verzichtet werden, wie der BGH schon zu der wortgleichen Bestimmung des Art. 48 Abs. 2 EuGVÜ entschieden hat (NJW 1980, 527, 528, vgl. Rauscher/Staudinger, aaO, Art. 55 Rn. 3). Es geht hier nicht um Urkundsbeweis, sondern um bloße Verfahrensförmlichkeiten, die flexibel gehandhabt werden können.
4. Das Beschwerdegericht darf die Vollstreckbarerklärung nur nach Maßgabe von Art. 45 EuGVVO überprüfen, also im Rahmen der in Art. 34 u. 35 EuGVVO aufgelisteten Anerkennungshindernisse, die im vorliegenden Fall nicht eingreifen.
a) Die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts darf gemäß Art. 35 Abs. 3 EuGVVO nur hinsichtlich der in Abs. 1 aufgeführten Vorschriften, die hier nicht einschlägig sind, überprüft werden. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist angesichts des anzuwendenden vorrangigen Gemeinschaftsrechts verfehlt. Die Rüge der Verfassungswidrigkeit des Gemeinschaftsrechts wegen Widerspruchs zu dieser Bestimmung bedarf keiner weiteren Erörterung.
b) Die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 34 Nr. 1 EuGVVO ist nicht verletzt. Der Vortrag der Beschwerdeführerin zur Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs wegen unzureichender Information von der Verfahrenseinleitung ist in Nr. 2 abschließend geregelt (EuGH NJW 1997, 1061, 1062; OLG Hamm RIW 1994, 243, 244; Kropholler, aaO, Art. 34 Rn. 12). Die sachlichen Einwände gegen die Honorarforderung sind gemäß Art. 45 Abs. 2 EuGVVO irrelevant. Von eine maßlosen Forderung kann keine Rede sein und der Behauptung der Titelerschleichung fehlt jede Grundlage.
5. Der Vollstreckbarerklärung steht auch nicht die Vorschrift des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO entgegen, weil zum einen von der rechtzeitigen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks auszugehen ist, und zum andern die Antragsgegnerin sich jedenfalls nicht auf dieses Anerkennungshindernis berufen dürfte.
a) Was als „verfahrenseinleitendes Schriftstück" im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO, vormals Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, anzusehen ist und was dazu gehört, entscheidet das ausländische Recht (Rauscher/ Leible, aaO, Art. 34 Rn. 28 f; Geimer/Schütze, Europ. Zivilverfahrensrecht, Art. 27 Rn. 108). Deshalb ist es unschädlich, daß der Ladung vom 2.2.2001 (Bl. 67) die Antragsschrift des Antragstellers vom 17.1.2001 (Bl. 127) nicht beigefügt war, zumal diese bereits mit Anschreiben vom 16.1.2001 (Bl. 126) unmittelbar zugesandt worden war. Der Antragsgegnerin, bei der diese Sache von Anfang an in den Händen ihres jetzigen Verfahrensbevollmächtigten und zugleich Handlungsbevollmächtigten lag, konnte nicht zweifelhaft sein, worum es ging. Eine andere Streitsache zwischen den Parteien gab es - soweit ersichtlich - nicht. Dem Informationsbedürfnis (vgl. Heß IPRax 1994, 10, 16) war damit Genüge getan.
b) „Rechtzeitig" bedeutet, daß zwischen Zustellung und Termin ein Zeitraum liegen muß, der es der beklagten Partei ermöglicht, ihre Verteidigung hinreichend vorzubereiten bzw. zu überlegen, ob sie sich überhaupt einlassen will. Dabei ist auch der Zeitaufwand für die Umsetzung einer fremdsprachigen Ladung zu berücksichtigen (BGH NJW 1986, 2197; 1991, 641; OLG Hamm RIW 1987, 871; RIW 1988, 131, 132; Schlosser, EU-Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., EuGVVO Art. 34-36 Rn. 18; Kropholler, aaO, Art. 34 Rn. 35, Rauscher/Leible, aaO Art. 34 Rn. 33, Linke RIW 1986, 409, 411 f). Die Ladung in französischer Sprache am 8.2.2002 zum Termin am 24.4.2002 ist gegenüber einer deutschen GmbH, die Auslandsgeschäfte betreibt und über qualifiziertes Personal verfügt, die sich außerdem durch einen Rechtsanwalt als Handlungsbevollmächtigten vertreten läßt, allemal ausreichend. Es war auch für jemanden ohne französische Sprachkenntnisse erkennbar, daß es sich um etwas Offizielles handelte, von dem man sich, da es per Einschreiben mit Rückschein zugestellt wurde, tunlichst Kenntnis verschaffen sollte.
c) An der rechtzeitigen Zustellung fehlt es in aller Regel, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück überhaupt nicht zugegangen ist. Dem Einwand muß das Gericht von Amts wegen nachgehen, jedoch ist der Antragsteller darlegungs- und beweispflichtig (OLG Karlsruhe IPRax 1996, 426; Rauscher/Leible, aaO, Art. 34 Rn. 42). Er hat die Ablichtung einer Urkunde vorgelegt, die eine Zustellung per Einschreiben mit Rückschein am 8.2.2002 belegt und deren Echtheit nicht bestritten ist. Der Rückschein ist eine Privaturkunde mit der Beweiskraft nach § 416 ZPO (vgl. Zöller/ Stöber, § 175 Rn. 4; Thomas/Putzo, § 175 Rn. 6). D.h. sie hat die Vermutung der Vollständigkeit und der Richtigkeit des Beurkundeten für sich, die aber widerlegt werden kann (vgl. BGH NJW 1999, 1702, 1703).
Es ist schon fraglich, ob die Antragsgegnerin den Zugang hinreichend bestritten hat. Sie steht - jedenfalls in Person ihres Handlungs- und Verfahrensbevollmächtigten - auf dem Standpunkt, daß zum einen fremdsprachige Schriftstücke schlicht unbeachtlich sind und daß zum anderen Zustellungen aus dem Ausland immer zu Händen eines Geschäftsführers erfolgen müssen. Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte letzteres seiner Behauptung nach mit negativem Ergebnis abgeklärt hat, sind ausweislich des Vortrags im Schriftsatz vom 20.11.2003 (Bl. 114/5 der Akten) keine weiteren Nachforschungen angestellt worden. Die Antragsgegnerin hat sich vielmehr darauf beschränkt, spekulativ Möglichkeiten des Nichtzugangs aufzuzeigen, wie z.B. das Nichtauffinden der Büroräume der Antragsgegnerin durch einen unmotivierten Zusteller wegen der Vielzahl von Firmen mit dem Namensbestandteil L2 im selben Bürogebäude oder des eigenmächtigen Einbehalts der Einschreibesendung im Postamt und Einlage in ein falsches Postfach. Die Bemühungen des Gerichts, die tatsächlichen Gegebenheiten zu ermitteln, sind dadurch abgeblockt worden, daß der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Ladung kompetenter Mitarbeiter durch die eigene Präsentation als Parteivertreter unterlaufen und statt dessen einen Zeugen präsentiert hat, der zum Beweisthema wenig sagen konnte. Die verbleibenden Ermittlungslücken gehen zu Lasten der Antragsgegnerin, weil sie eine weitergehende Beweisaufnahme vereitelt hat.
Durch die Beweisaufnahme konnte aber immerhin geklärt werden, daß die Angelegenheiten der seit langem in der Abwicklung befindlichen Antragsgegnerin durch ein Schwesterunternehmen erledigt werden, unter deren Personal sich keine Person des Namens befindet, die den Rückschein unterzeichnet hat. Nach den Angaben des Zeugen L zum internen Postverteilungsdienst für das Bürogebäude hat sich auch die Spekulation mit dem irrlaufenden Zusteller erledigt. Daß Einschreibesendungen zur Gegenzeichnung des Rückscheins den amtierenden Geschäftsführern persönlich vorgelegt werden, hat der Zeuge ausgeschlossen. Ebenso lebensfremd wie diese Behauptung erscheint allerdings seine Vermutung, daß die Sendungen vom Postverteilungsdienst des Hauses den Sekretärinnen der jeweiligen Geschäftsführer zur Gegenzeichnung des Rückscheins vorgelegt werden, während der Zusteller wartet. Es ist also keineswegs widerlegt, daß die hier fragliche Sendung am 8.2.2002 zum hausinternen Postverteilungsdienst gelangt und von einer dazu berechtigten Person namens F quittiert worden ist. Fehler im weiteren Verlauf kann die Antragsgegnerin nicht zum Nachteil des Antragstellers geltend machen. Der BGH hat in einem Fall unklarer Wohnsitzverlegung im Rahmen der Rückverweisung dem OLG aufgegeben zu prüfen, ob die Unklarheiten ggf. zu Lasten des Zustellungsempfängers gehen können (IPRax 1993, 324 Anm. Linke, 295). Der BGH hat dabei auf ein Urteil des EuGH Bezug genommen, in dem der Gerichtshof die Möglichkeit aufgezeigt hat, daß der Beklagte sich auf die Ineffektivität einer Zustellung nicht berufen darf, wenn er sie zu vertreten hat (Slg. 1985, 1179 = RIW 1985, 967).
Schließlich ist zu berücksichtigen, daß Art. 34 Nr. 2 EuGVVO im Gegensatz zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ dem Beklagten abverlangt, im Falle unzureichender Benachrichtigung vom Verfahren Rechtsmittel einzulegen. Die Antragsgegnerin wußte durch ihren Handlungs- und Prozeßbevollmächtigten als Korrespondenzpartner des Antragstellers von der Einleitung des Kostenfestsetzungsverfahrens bei der Anwaltskammer (Schreiben vom 16.1.2001) wie auch von dem Termin am 24.4.2001 (Schreiben vom 12.4.2001). Wenn auch der - unstreitige - Zugang des letzteren am 18.4.2001 vielleicht nicht mehr die Möglichkeit bot, an dem Verfahren teilzunehmen, war es der Antragsgegnerin unbenommen, sich nach dem Ergebnis zu erkundigen und ggf. den zulässigen Rechtsbehelf einzulegen.
d) Auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung kommt es für Art. 34 Nr. 2 EuGVVO im Gegensatz zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht mehr an. Die von der Antragsgegnerin wiederholt in Bezug genommene Entscheidung des BGH (NJW 1991, 641) ist daher nicht mehr einschlägig. Auf ein die Rechtzeitigkeit der Zustellung ergänzendes Erfordernis der Ordnungsmäßigkeit als Anerkennungsvoraussetzung ist für die EuGVVO bewußt verzichtet worden (Kropholler, aaO, Art. 34 Rn. 38; Schlosser, EU-Zivilprozeßrecht, Art. 34-36 EuGVVO, Rn. 17; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Kurzkommentar, 2. Aufl., Wien 2003, Art. 34 Rn. 24). Das ist eines der wichtigsten Ergebnisse der Reformkommission, die mit der Überarbeitung des EuGVÜ beauftragt war, das nicht dadurch unterlaufen werden darf, daß man die Ordnungsmäßigkeit nunmehr in die Formulierung „in einer Weise zugestellt..., daß er sich verteidigen konnte" hineininterpretiert (so aber Rauscher/Leible, aaO, Art. 34 Rn. 31 ff; vgl. dagegen Schlosser, aaO). Deshalb ist es unerheblich, daß die Zustellung im vorliegenden Fall tatsächlich nicht ordnungsgemäß war, weil die Verwendung von Einschreiben mit Rückschein erst seit dem 1.6.2001 im Rechtsverkehr zwischen den EU-Staaten und Deutschland zulässig ist und auch dann das zuzustellende Schriftstück in deutsch abgefaßt sein muß (§ 2 ZustDG v. 9.7.2001). Maßgeblich war das Haager Zustellungsübereinkommen iVm der deutsch-französischen Zusatzvereinbarung vom 6.5.1961 zum Haager Zivilprozeßübereinkommen, die den Rechtshilfeweg vorsieht, wenngleich im unmittelbaren Geschäftsverkehr zwischen der französischen Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht Essen.