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Zusammenfassung der Entscheidung Der Schuldner wurde vom Landgericht der Balearen/Mallorca (ES) wegen "sexueller Übergriffe" u.a. zu Lasten der Gläubigerin zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Weiterhin wurde er zur Zahlung einer Geldentschädigung an diese verurteilt. Der Schuldner wohnte früher in C in Deutschland. Dieser Wohnsitz war von ihm aber bereits seit längerem aufgegeben worden. Eine andere Wohnung des Schuldners wurde nicht bekannt. Nach seiner Verhaftung und der Verbüßung eines Teils der Haft in Spanien wurde der Schuldner nach Deutschland überstellt und saß seither in der Justizvollzugsanstalt Aachen (DE) ein. Die Gläubigerin beantragte vor dem Landgericht Köln (DE) die Erteilung der deutschen Vollstreckungsklausel zu dem spanischen Urteil. Gegen die Erteilung der Klausel legte der Schuldner Beschwerde ein.
Das OLG Köln (DE) gibt der Beschwerde statt und weist den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zurück. Das Landgericht Köln sei für die Klauselerteilung örtlich unzuständig. Örtlich zuständig sei gemäß Art. 39 Abs. 2 EuGVO das Gericht am Wohnsitz des Schuldners. Auf den von dem Schuldner aufgegebenen früheren Wohnsitz in C könne nicht mehr abgestellt werden. Der Schuldner habe auch keinen Wohnsitz in Aachen. Dass er sich in der dortigen Justizvollzugsanstalt in Haft befinde, stehe einem Wohnsitz nicht gleich, da er dort gegen seinen Willen einsitze. Die Regel des Art. 39 Abs. 2 EuGVO über die örtliche Zuständigkeit des Klauselgerichts am Wohnsitz des Schuldners sei ausschließlicher Natur. Sie könne nicht durch den Rückgriff auf die im deutschen Zivilprozessrecht für den Fall des Fehlens eines Wohnsitzes vorgesehene Ersatzregelung ergänzt werden. Fehle es an einem Wohnsitz im Klauselstaat, so komme eine Zuständigkeit nur an dem Ort der beabsichtigten Zwangsvollstreckung in Betracht. Dass der Schuldner im Bezirk des Landgerichts Köln über Vermögen verfüge, habe die Gläubigerin nicht dargelegt.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Der Schuldner wurde durch das im Tenor genannte Urteil wegen „sexueller Übergriffe“ in mehreren Fällen, u.a. auch zu Lasten der Gläubigerin, zu Freiheitsstrafen, u.a. zu acht Jahren rechtskräftig verurteilt. Darüber hinaus sieht das Urteil die Zahlung einer Entschädigung von jeweils 30.000,‑ EUR an die Gläubigerin sowie an eine weitere Geschädigte vor. Wegen dieser Verpflichtung zum Schadensersatz beantragt die Antragstellerin, das Urteil für vollstreckbar zu erklären. Der Antragsgegner wohnte in einem eigenen Haus in C., bis es zu seiner Verhaftung auf Mallorca im August 2002 kam. Aufgrund des gegen ihn laufenden Strafverfahrens blieb er seitdem in Haft, die zunächst in Spanien und anschließend bis jetzt in Deutschland in der JVA Aachen vollzogen wird.
Der Schuldner wendet sich mit seinem Rechtsmittel gegen die vom Landgericht Köln beschlossene Vollstreckbarerklärung des Urteils vom 03.07.2003.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Der unter dem 25.08.2006 gestellte Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist zurückzuweisen, weil das Landgericht Köln nicht örtlich zuständig ist.
Der Senat als Beschwerdegericht hat von Amts wegen die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Vollstreckbarerklärung einschließlich der örtlichen Zuständigkeit zu prüfen. § 513 Abs. 2 ZPO findet in diesem Verfahren keine Anwendung (OLG Köln,Senat, RIW 1993, 498).
Die örtliche Zuständigkeit für die beantragte Entscheidung wird in Art. 39 Abs. 2 EuGVVO bestimmt. Danach ist das Gericht am Wohnsitz des Schuldners oder an dem Ort, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, örtlich zuständig.
Wo der Wohnsitz des Schuldners liegt, richtet sich über Art. 59 Abs. 1 EuGVVO nach deutschem Recht, somit nach §§ 7 ff. BGB (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 59. Rn. 6). Der Schuldner hat nach diesen Regelungen im Bezirk des Landgerichts Köln keinen Wohnsitz. Seine Wohnung in C. hat er vor Jahren aufgegeben. Auch die Gläubigerin geht davon aus, dass er sein dort gelegenes Haus verkauft hat und nicht mehr in C. wohnt. Diese Parteiangaben werden bestätigt durch die Mitteilung der Deutschen Post, unter der C'er Anschrift sei der Schuldner nicht zu ermitteln. Ob ein Wohnsitz im Bezirk Aachen für das Beschwerdeverfahren ausreichend sein könnte, kann offen bleiben. Denn auch im Bezirk Aachen hat der Antragsgegner keinen Wohnsitz begründet. Sein Aufenthalt in der dortigen JVA erfolgt gegen seinen Willen, so dass selbst bei einer autonomen Auslegung des Begriffs „Wohnsitz“ im Sinne eines gewöhnlichen Aufenthalts das erforderliche subjektive Element zur Begründung eines Lebensmittelpunktes an diesem Ort fehlt (so MüKo/Sonnenberger, 4. Aufl., Rn. 730 ff., 735 vor Art. 1 EGBGB).
Ein Rückgriff auf die Regelung des § 16 ZPO über Art. 59 Abs. 1 EuGVVO und damit auf den letzten Wohnsitz in C. verbietet sich. Art. 59 Abs. 1 EuGVVO verweist nur insoweit auf deutsches Recht, als es um die Bestimmung des Wohnsitzes geht. Fehlt ein solcher, so kann nicht auf die Vorschriften des deutschen Prozessrechts zurückgegriffen werden. Art. 39 Abs. 2 EuGVVO regelt die Frage der örtlichen Zuständigkeit ausschließlich (Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 39 Rn. 2; ebenso im Ergebnis OLG Saarbrücken, NJW-RR 1993, 190). Bei fehlendem Wohnsitz im Inland kommt vielmehr die zweite Alternative des Art. 39 Abs. 2 EuGVVO in Betracht, die eine Zuständigkeit am Ort der voraussichtlichen Zwangsvollstreckung vorsieht. Eine solche örtliche Zuständigkeit besteht für das Landgericht Köln ebenfalls nicht, Art. 39 Abs. 2 2. Alt. EuGVVO. Die Gläubigerin hat nicht dargetan, dass in diesem Bezirk eine Vollstreckungsmöglichkeit besteht und hier die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Sie hat vielmehr auf ausdrücklichen Hinweis des Senats eine Pfändung möglicher Zahlungsansprüche des Schuldners gegen seinen früheren Dienstherrn in Aussicht gestellt. Da der Sitz des in Frage kommenden Drittschuldners, des M. C., in Düsseldorf ist, könnte allenfalls dort eine örtliche Zuständigkeit gegeben sein. Diese liegt auch außerhalb der örtlichen Zuständigkeit des Beschwerdegerichts.
Nach alldem fehlt es an einer Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags auf Vollstreckbarerklärung, so dass dieser zurückzuweisen ist.