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Zusammenfassung der Entscheidung Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, die vor ihrer Trennung gemeinsam in Italien gelebt hatten. Anlässlich der Trennung hatte der Antragsgegner der Antragstellerin in einer Erklärung die Zahlung eines bestimmten monatlichen Unterhaltsbetrages zugesagt. Der Antragsgegner hatte diese Erklärung in der Form einer sog. "dichiarazione sostitutiva di notorietà" vor der italienischen Gemeinde abgegeben, in welcher die Parteien bis dahin gelebt hatten. Die Antragstellerin hat zu dieser Erklärung beim Landgericht Bonn (DE) die Erteilung der deutschen Vollstreckungsklausel beantragt. Gegen die Erteilung der Klausel hat der Antragsgegner Beschwerde zum OLG Köln (DE) eingelegt.
Das OLG Köln (DE) gibt der Beschwerde statt und weist den Klauselantrag zurück. Bei der von der italienischen Gemeinde ausgestellten Urkunde handele es sich nicht um eine Urkunde im Sinne von Art. 50 EuGVÜ. Das Gericht nimmt Bezug auf die Entscheidung des EuGH vom 17.06.1999 - 260/97 - Unibank/Christensen. Nach dieser Entscheidung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine vollstreckbare öffentliche Urkunde angenommen werden kann: Die Urkunde muss von einer Behörde beurkundet sein; es muss eine auf ihren Inhalt bezogene Beurkundung vorliegen; schließlich muss die Urkunde im Ursprungsstaat vollstreckbar sein. Bei der von der Antragstellerin vorgelegten "dichiarazione sostitutiva di notorietà" seien diese Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt. Es fehle insbesondere an einer Beurkundung des Urkundeninhalts. Aus der Urkunde gehe hervor, dass es sich um eine einseitige Erklärung des Antragsgegners handele, zu welcher die italienische Gemeinde die Echtheit der Unterschrift des Antragsgegners beglaubigt habe. Dementsprechend beziehe sich die öffentliche Wirkung der Urkunde allein auf die Echtheit seiner Unterschrift. Da folglich keine öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 50 EuGVÜ vorliege, scheide eine Vollstreckbarerklärung aus.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute, die zeitweise gemeinsam in Italien gelebt haben. Die Antragstellerin will gegen den Schuldner wegen behaupteter Unterhaltsverpflichtungen die Zwangsvollstreckung aus einer italienischen Urkunde betreiben. Hierzu legt sie eine „dichiarazione sostitutiva di atto di notorieta“ (Ersatzerklärung für eine notarielle Urkunde) des Schuldners vor, die dieser am 7. August 1996 bei der Gemeinde Comerio/Varese abgegeben hat. Darin hat er erklärt, dass er für den Unterhalt seiner Ehefrau, der Antragstellerin, mit einer monatlichen lebenslangen Zuwendung in Höhe von 3.000,‑ DM sorgen werde.
Unter Bezug auf diese Urkunde hat die Antragstellerin deren Vollstreckbarerklärung beim Landgericht Bonn beantragt, das am 30.03.2007 die beantragte Vollstreckungsklausel erteilt hat. Mit rechtzeitig eingelegter Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen diese Entscheidung. Er macht geltend, die Urkunde sei einer Vollstreckbarerklärung nicht zugänglich, da sie keine öffentliche Urkunde im Sinne des Art. 50 EuGVÜ sei. Es werde lediglich die Unterschrift des Schuldners beglaubigt, der diese Erklärung nicht abgegeben habe, um sich zu Unterhaltsleistungen zu verpflichten, sondern um für Aufenthaltszwecke der Antragstellerin gesicherte Einkünfte zu bestätigen.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg und führt zur Ablehnung der beantragten Vollstreckbarerklärung. Die vorgelegte Urkunde ist keine öffentliche Urkunde im Sinne des Art. 50 EuGVÜ.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich die Vollstreckbarkeit nach den Vorschriften der EuGVÜ vom 27.09.1968 richtet, da die öffentliche Urkunde vom 07.08.1996 datiert, somit aus der Zeit vor Inkrafttreten der EuGVVO (VO Nr. 44/2001) vom 22.12.2000. Der insoweit maßgebliche Art. 50 EuGVÜ verlangt eine öffentliche Urkunde, die in einem anderen Vertragsstaat aufgenommen und dort vollstreckbar ist.
In autonomer Auslegung und in Blick auf die Ziele des EuGVÜ stellt der Europäische Gerichtshof drei Voraussetzungen für das Vorliegen einer öffentlichen Urkunde auf: die Beurkundung durch eine Behörde, eine auf den Inhalt der Urkunde bezogene Beurkundung und die Vollstreckbarkeit der Urkunde in dem Ausstellungsstaat (EuGH v. 17.06.1999, IPRax 2000, 409, 411). Dieser Auslegung, der sich der Senat anschließt, ist die herrschende Meinung gefolgt (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 57 EuGVVO, Rn. 3; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 57 EuGVVO, Rn. 7 unter Hinweis auf den Jenard-Bericht, OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, 1581).
Die Urkunde vom 07.08.1996 ist in einem Vertragsstaat – Italien – aufgenommen worden und zeigt die Unterschrift eines Beamten oder Angestellten der Gemeinde Comerio. Mit Protokoll der Gemeinde vom 19.01.2007 Nr. ... wird ferner durch den verantwortlichen Dienstinhaber bescheinigt, dass diese Urkunde in Italien vollstreckbar sei. Allerdings wird die weitere Voraussetzung für eine öffentliche Urkunde – und zwar, dass sich die Beurkundung der Behörde auf den Inhalt der Urkunde bezieht – nicht erfüllt. Die vorliegende Urkunde – eine Ersatzerklärung für eine notarielle Urkunde gemäß Art. 4 des Gesetzes vom 4. Januar 1968 – enthält nur eine öffentliche Beglaubigung der Unterschrift des Schuldners, nicht jedoch die erforderliche Beurkundung der Erklärung des Antragsgegners. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus der Urkunde. Die Erklärung des Schuldners zu den Unterhaltsleistungen gegenüber der Antragstellerin ist vom Erscheinungsbild her eine rein private Erklärung, die nur von dem Antragsgegner unterschrieben ist. Sodann schließt sich der Beglaubigungsvermerk der Gemeinde an. Dieser ist, wie der Wortlaut ausweist – „Beglaubigungsvermerk“ bezogen auf die in Anwesenheit geleistete Unterschrift -, lediglich eine Unterschriftsbeglaubigung. Dieses Ergebnis wird durch die als Protokoll Nr. ... bezeichnete Erklärung der Gemeinde vom 19.01.2007 bestätigt, wenn es dort heisst: „ Wir weisen darauf hin, dass nach Ansicht unserer Verwaltung sich die Gültigkeit (Beglaubigung) der ursprünglich ausgestellten Urkunde auf die Identität der Unterzeichners und die Echtheit seiner Unterschrift beschränkt. Es liegen uns keine weiteren Urkunden vor, die über ein tatsächliches Bestehen einer verpflichtenden Beziehung Nachweis liefern“. Dieser Vermerk bekräftigt, dass sich die öffentliche Wirkung der Urkunde allein auf die Echtheit der Unterschrift bezieht.
Somit fehlt eine auf den Inhalt bezogene Beurkundung durch eine Behörde, so dass es sich nicht um eine öffentliche Urkunde im Sinne des Art. 50 EuGVÜ handelt, die in einem anderen Staat für vollstreckbar erklärt werden kann. Daran ändert auch die Regelung des Art. 474 Abs. 3 CPC nichts, der eine Definition für das italienische Recht enthält, während die vom EuGH gefundene Auslegung für die hier maßgeblichen Vorschriften des europäischen Zivilverfahrensrechts entscheidend sind.