Die Klägerinnen nahmen als Arbeitsgemeinschaft den Stahlbau für das Bauvorhaben X1 in Auftrag. Durch schriftlichen Vertrag vom 22.03.2001 übertrugen sie die Montagearbeiten der XXXX zum „Gesamtpauschalfestpreis" von 2.172.991,- EUR. Die Vertragsparteien unterstellten den Vertrag dem Recht der Bundesrepublik Deutschland, vereinbarten die Geltung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (Teil B und C) und bestimmten Düren zum Gerichtsstand. Auf Verlangen der XXXX hatte bereits am 15.01.2001 die Klägerin zu 1. die in der Urteilsformel bezeichneten, unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaften „für Vergütungsansprüche des Auftragnehmers... aus dem... Vertrag und seinen Nachträgen" beigebracht. Als die Arbeiten weit vorangeschritten, aber nicht vollendet und nicht abgenommen waren, eröffnete das Handelsgericht in Tongeren/Belgien durch Beschluß vom 13.12.2002 das Konkursverfahren über das Vermögen der XXXX und bestellte die Beklagten zu Konkursverwaltern. Die Klägerinnen meldeten eine Forderung auf Schadensersatz in Höhe von (vorläufig) 2.400.000,- EUR zur Konkurstabelle an. Das Handelsgericht in Tongeren erklärte durch Urteil vom 09.10.2003 die Forderung für „zulässig", jedoch unter Vorbehalt der Rechte der XXXX und ordnete auf Antrag der Konkursverwalter die Begutachtung der von der erbrachten Auftragsleistungen durch einen Sachverständigen an. Er sollte sie einschließlich etwa erbrachter Mehrarbeiten feststellen, auf Mängel untersuchen, ihren Wert schätzen und - unter Berücksichtigung des „eventuellen Schaden(s), den die Beklagte aus Anlaß des dazwischen gekommenen Konkurses erlitten habe" eine detaillierte Abrechnung zwischen den Parteien erstellen. Das Berufungsgericht in Antwerpen hob diese Entscheidung durch Urteil vom 04.11.2004 auf mit der Begründung, auf Grund der Gerichtsstandsvereinbarung sei allein das deutsche Gericht dafür zuständig, über „die Existenz und den Umfang der Forderung" zu urteilen.
Die Klägerinnen behaupten, die XXXX habe mit Konkurseröffnung im Dezember 2002 ihre Arbeiten auf der Baustelle eingestellt. Die Beklagten hätten erklärt, die Auftragnehmerin werde keine weiteren Leistungen erbringen. Bis dahin habe sie die übernommenen Leistungen weder vollständig noch einwandfrei ausgeführt. Wegen der bestehenden Mängel habe die Auftraggeberin der Klägerinnen etwa 2.000.000,- EUR einbehalten. In eigener Regie stelle sie - die Klägerin - die Auftragsarbeiten fertig und beseitige die Mängel. Bei Verhandlungen am 29.10.2002 hätten die Parteien Einvernehmen darüber erzielt, daß der XXXX noch ein Betrag von 819.399,23 EUR zur Abgeltung sämtlicher Mehrkosten beziehungsweise Nachtragsforderungen zustehe. Nach dem Stand vom 01.07.2005 errechne sich, wenn man von dem - bereits um die Bauumlage gekürzten - Auftragswert von 3.927.827,- EUR die geleisteten Zahlungen von 3.107.891,70 EUR abziehe, der offene Zahlungsanspruch der XXXX mit 819.935,30 EUR. Die Gegenforderungen der Klägerinnen insbesondere auf Erstattung der Kosten für Schadensbeseitigungen und Ersatzvornahmen seien ohne Berücksichtigung von Gemeinkostenzuschlägen um 2.880.649,69 EUR höher und würden in näher bezeichneter Reihenfolge aufgerechnet.
Die Klägerinnen beantragen,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Zahlungssicherungsbürgschaften Nr. XXXX und Nr. XXXX der XXXX mit Datum XXXX, an die Klägerin zu 1. herauszugeben,
hilfsweise: die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, auf die Rechte aus den beiden vorstehend bezeichneten Zahlungssicherungsbürgschaften Nr. XXXX und Nr. XXXX der XXXX zu verzichten;
äußerst hilfsweise: die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, auf die Rechte aus der Zahlungssicherungsbürgschaft Nr. XXXX der XXXX im Betrage von 1.100.000,- EUR in voller Höhe zu verzichten und auf die Rechte aus der Bürgschaft Nr. XXXX bis auf einen Teilbetrag von 819.399,23 EUR zu verzichten;
2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägerinnen den Verzugsschaden aus der verspäteten Rückgabe bzw. Freigabe, hilfsweise: der verspäteten Teilfreigabe, zu erstatten.
Die Beklagten rügen die internationale Unzuständigkeit des Landgerichts Aachen. Hilfsweise beantragen sie, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten machen geltend, der Konkursmasse stehe ein Restwerklohn von 2.255.454,04 EUR zu. Hilfsweise hätten sie diesen Anspruch in dem vor dem Handelsgericht in Toneren anhängigen Verfahren gegen die seitens der Klägerinnen angemeldeten Ansprüche aufgerechnet. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Entstehung dieser Ansprüche bestreiten sie ebenso wie die von den Klägerinnen behaupteten Zahlungen.
Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die von ihnen überreichten Unterlagen Bezug genommen. Die Kammer hat das anzuwendende belgische Recht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht der Universität Köln vom 05.01.2005 und eines Ergänzungsgutachtens vom 03.08.2005 (Bl. 185 ff., 233 ff. GA). Auf den Inhalt der Gutachten wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig (unten zu I.). Sie ist auch begründet, und zwar sowohl mit dem Herausgabeantrag (unten zu II.) als auch mit Feststellungsantrag (unten zu III.)
I. Deutsche Gerichte sind für die Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig (unten zu 1.). Die Befassung der belgischen Gerichte mit demselben Sachverhalt steht der Entscheidung nicht entgegen (unten zu 2.), ebensowenig das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung während des Insolvenzverfahrens (unten 3.) oder fehlende Vollstreckbarkeit der hier zu treffenden Entscheidung im Königreich Belgien (unten 4.). Auch der Feststellungsantrag ist zulässig (unten 5.).
1. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus Art. 23 Abs. 1 Satz 1, Art. 66 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) in Verbindung mit der Gerichtsstandvereinbarung in Ziffer 22.2 Abs. 2 des schriftlichen Vertrags vom 22.03.2001. Allerdings sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO Konkurse von dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen; für ihre Eröffnung und Abwicklung sind nach Maßgabe von Art. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) die Gerichte desjenigen Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Slg. 1979, S. 733, 744 - Gourdain/Nadler) fallen unter Art. 1 Abs. 2 lit. b) EuGVVO auch Einzelverfahren, wenn sie unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens halten (vgl. auch Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 3 EuInsVO). Hingegen gelten die Vorschriften der EuGVVO für solche Einzelverfahren, die mit dem gleichen Klageziel auch ohne die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen könnten und die nicht unmittelbar seiner Verwirklichung dienen. Ihnen ist der hier zu entscheidende Rechtsstreit zuzurechnen:
Die Klage hat ihren Ursprung nicht in der Insolvenz der XXXX sondern in der schon vor Konkurseröffnung von den Parteien unterschiedlich beantworteten Frage, ob die Restforderung der Beklagten durch Aufrechnung erloschen und der Sicherungszweck der Bürgschaften weggefallen ist, so daß aus der Sicherungsvereinbarung die Beklagten zu ihrer Herausgabe verpflichtet sind. Diese Frage ist nicht im Insolvenzverfahren zu klären, sondern im Wege der Klage, und zwar mit bindender Wirkung auch für das Insolvenzverfahren. Richtet sich demnach die internationale Zuständigkeit nach den Bestimmungen der EuGVVO, so gilt nach deren Art. 23 Abs. 1 die im Vertrag vom 23.01.2001 wirksam getroffene Gerichtsstandsvereinbarung, die auch für die Insolvenzverwalter verbindlich ist. Sie hat, wie der Sachverständige XXXX überzeugend ausgeführt hat, Vorrang vor einer etwaigen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts aus Art. 574 Abs. 2 der belgischen Zivilprozeßordnung.
2. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist durch die Vorbefassung der belgischen Gerichte nicht in Frage gestellt: Das Berufungsgericht in Antwerpen hat durch Urteil vom 04.11.2004 die Zuständigkeit der belgischen Gerichte für eine Entscheidung über „die Existenz und den Umfang der Forderung" der Klägerinnen verneint. Damit scheidet auch eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 27, Art. 28 EuGVVO aus.
Die Rechtskraft dieses Urteils ist für das vorliegende Verfahren schon deshalb kein Prozeßhindernis, weil es keine Sachentscheidung trifft, diese vielmehr den deutschen Gerichten vorbehält.
3. Das angerufene Gericht ist durch das in Belgien anhängige Insolvenzverfahren nicht an einer Sachentscheidung gehindert. Nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO richten sich die Wirkungen des Insolvenzverfahrens nach dem Insolvenzrecht des Mitgliedsstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird. Art. 24 Loi sur les faillites vom 08.08.1997 verbietet die Einzelzwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung. Nach belgischem Recht ist auch zu beurteilen, ob die herausverlangten Bürgschaften zur Insolvenzmasse gehören (vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. b) EuInsVO) und wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt (vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. f) EuInsVO). Das belgische Insolvenzverfahren ergreift - von den in Art. 16 Loi sur les faillites aufgezählten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - das gesamte Vermögen des Schuldners, also sämtliche Aktiva und Passiva; dazu zählen auch die ihm erteilten Bürgschaften. Der Gläubiger darf aber ein ihm zustehendes Aussonderungsrecht, wenn der Insolvenzverwalter es bestreitet, außerhalb des Insolvenzverfahrens gerichtlich durchsetzen. Ein Aussonderungsrecht besteht nicht nur hinsichtlich der in Art. 101-104 Loi sur les faillites aufgezählten Sachen und Rechte; auch ein schuldrechtlicher Herausgabeanspruch kann zur Aussonderung berechtigen, sofern die Sache innerhalb des Schuldnervermögens individualisierbar und bei wertender Betrachtung ihm nicht zuzuordnen ist. Auch hierin folgt die Kammer dem eingehenden, in jeder Hinsicht überzeugenden Gutachten des Sachverständigen XXXX dessen Ausführungen sie sich im Ergebnis und in der Begründung auf Grund eigener Urteilsbildung anschließt. Die Klägerinnnen haben die Voraussetzungen einer Aussonderung nach belgischem Recht dargetan: Ihrem Vorbringen zufolge steht ihnen, wie noch näher darzulegen sein wird (unten zu II.), nach dem von den Parteien gewählten deutschen (materiellen) Recht aus der Sicherungsabrede ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunden zu. Sie gehören in einem solchen Fall nicht mehr zum haftenden Vermögen des Insolvenzschuldners; ein schützenswertes Interesse des Verwalters, sie weiterhin bei der Masse zu halten, ist nicht ersichtlich.
4. Ist das angerufene Gericht nach Art. 23 Abs. 1 EuGVVO international zuständig, sind - wie der Sachverständige XXXX bestätigt hat - die rechtlichen Bedingungen dafür erfüllt, daß die Entscheidung des deutschen Gerichts vom Insolvenzgericht, dem Handelsgericht in Tongeren, im Insolvenzverfahren anerkannt wird (Art. 33 Abs. 1 EuGVVO).
5. Die Klägerinnen haben ein rechtliches Interesse (§ 256 Abs. 1 ZPO) an der mit dem Klageantrag zu 2. erstrebten Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten. Sie können zwar die bis zur letzten mündlichen Verhandlung entstandenen Avalkosten beziffern, aber noch nicht die künftigen. Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage genügt es, wenn der anspruchsbegründende Sachverhalt sich noch fortentwickelt, wie es hier hinsichtlich der Höhe des Verzugsschadens der Fall ist (vgl. Zöller/Greger, 25. Aufl., § 256 Rn. 7a).
Nach dem Klägervortrag haben sich die Beklagten auf vorgerichtliche Aufforderung hin geweigert, die Bürgschaften herauszugeben oder teilweise freizugeben. Weil die Klägerinnen den Zeitpunkt der Inverzugsetzung nicht mitgeteilt haben, ist der Feststellungsantrag ergänzend dahin auszulegen, das er sich auf den nach Zustellung der Klage (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB) entstandenen und noch entstehenden Verzugsschaden bezieht.
II. Die Beklagten sind verpflichtet, beide von der Klägerin zu 1. geleisteten Bürgschaften freizugeben.
A) Der Herausgabeanspruch der Klägerinnen folgt, soweit ein Restwerklohnanspruch nicht mehr besteht, weil die Auftragsleistungen vergütet sind, zum einen aus der Sicherungsvereinbarung mit der XXXX, die der Bürgschaftserteilung zugrundeliegt, zum anderen aus der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 371 Satz 1 BGB. Die Parteien haben ihr Vertragsverhältnis dem deutschen Recht unterstellt (Ziffer 22.1 des Vertrags vom 23.03.2001). Danach hat ein Schuldner, der eine Bürgschaft beigebracht hat, nach Wegfall des Sicherungszwecks entweder auf Grund der ergänzend auszulegenden Sicherungsabrede mit dem Gläubiger oder nach den Vorschriften über die Erstattung einer ungerechtfertigten Bereicherung Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde (BGH in NJW 1989, S. 1482/1483). Entfällt der Sicherungszweck, weil die Hauptschuld erfüllt wird, kann der Schuldner auch in entsprechender Anwendung von § 371 Satz 1 BGB die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangen (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 371 Rn. 1). Der Zweck von Bürgschaften zur Sicherung der Werklohnforderung eines vorleistungspflichtigen Bauunternehmers gemäß § 648a BGB, wie sie hier die Klägerin zu 1. schon vor Abschluß des Vertrags vom 22.03.2001 beigebracht hat, ist erreicht, wenn die Leistungen vollständig erbracht und bezahlt sind (vgl. BGH in NJW 2001, S. 822, 824; OLG Brandenburg in MDR 2004, S. 1411). Dies darzulegen und erforderlichenfalls nachzuweisen, ist Sache des Bestellers. Kommt der Auftragnehmer seiner Verpflichtung, die Leistungen prüfbar abzurechnen (§ 14 Nr. 1 Satz 1 VOB/B), nicht nach, so hat der Besteller die geschuldete Vergütung selbst zu ermitteln (OLG Brandenburg, aaO). Unstreitig werden hier von der Insolvenzschuldnerin weitere Auftragsleistungen nicht mehr erwartet und auch nicht angeboten. Sie hat aber weder vorgerichtlich noch in diesem Rechtsstreit eine prüfbare Abrechnung erteilt. Die Klägerinnen haben mit ihrer Aufstellung (Anlage K 28) sowohl die Leistungen der Auftragnehmerin wie auch die ihr geschuldeten Vergütungen nachvollziehbar und - ihrem Vorbringen zufolge - vollständig erfaßt. In den Anlagen K 17 bis K 23 sind sowohl die Abzüge für die nicht ausgeführte Edelstahlverkleidung der Aufzugtüren wie auch die Nachträge für Zusatzleistungen und Beschleunigungsmaßnahmen (Pos. 6, 7 der Anlage K 28) im einzelnen aufgeschlüsselt und bewertet. Der von den Klägerinnen errechnete „offene Zahlungsanspruch" übersteigt, wenngleich nur geringfügig, den Betrag von 819.399,23 EUR, den die Parteien - wie XXXX mit Schreiben vom 21.11.2002 (Anlage K 13) niedergelegt hat - am 29.10.2002 gemeinsam als geschuldeten Restwerklohn errechnet haben. Die Beklagten haben die Aufstellung der Klägerinnen in den nachfolgenden Positionen nicht mit den gemäß § 138 Abs. 2 ZPO notwendigen Einzelheiten bestritten, obwohl ihnen dies mithilfe der Unterlagen der XXXX möglich gewesen wäre. Deshalb läßt sich die geschuldete Gesamtvergütung unter Verwendung der Ordnungsziffern der von den Klägerinnen vorgelegten Aufstellung (Anlage K 28) wie folgt ermitteln:
1. Hauptauftrag 2.172.991,- EUR
2. Option 183.912,- EUR
(6) Zusatzleistungen, Beschleunigungsmaßnahmen 1.195.042,44 EUR
(7) Weitere Zusatzleistungen 491.345,80 EUR
(8) Vergütung für weitere Regiearbeiten der XXXX u.a. ("Deckellösung") 60.000,- EUR
Gesamtvergütung 4.103.291,24 EUR
Weder das Auftreten von Mängeln noch deren Beseitigung auf eigene Kosten berechtigen die Klägerinnen zu einem Abzug für die von der Auftragnehmerin geschuldete „Änderungsarbeiten/Fehlerbeseitigung" (Pos. 5)
Von der Gesamtvergütung in Höhe von 4.103.291,24 EUR sind folgende Positionen abzuziehen:
(11) 1,2 % Umlage für Baustrom und Wasser 49.239,49 EUR
Die Beklagten bestreiten den Abschluß einer Bauwesenversicherung, deren Kosten deshalb nicht in Ansatz kommen.
(12) Zahlungen der Klägerin zu 1. laut Anlage K 25: 1.446.307,81 EUR + 35.933,33 EUR
= 1.482.241,14 EUR
Belastungsanzeigen stehen einer Zahlung nicht gleich. Skontoabzug war nicht vereinbart.
(12) Zahlungen der Klägerin zu 2. (vgl. Anlage K 26) 1.537.342,89 EUR
(22) Sicherheitseinbehalt 5 % von 4.103.291,24 EUR = 205.164,55 EUR
Saldo 829.303,17 EUR
Die von den Klägerinnen im einzelnen aufgelisteten Zahlungen (Anlagen K 25, K 26) sind gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Soweit die Beklagten sich darauf beschränken, sie mit Nichtwissen zu bestreiten, genügt ihre Verteidigung nicht den Anforderungen nach § 138 Abs. 2 ZPO. Überdies ist sie gemäß § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig, weil die Beklagten über Unterlagen verfügen, aus denen sie sich über die seitens der Klägerinnen geleisteten Zahlungen unterrichten können, um sodann auf Grund eigener Wahrnehmung die Aufstellungen der Klägerinnen zu bestätigen oder ihnen substantiiert zu widersprechen. Dessen bedarf es um so mehr, als zwischen den Parteien unstreitig ist, daß die Klägerinnen Zahlungen in bedeutender Höhe erbracht haben; demgemäß sprechen die Beklagten - ebenso wie die Insolvenzschuldnerin in ihrem an die Klägerinnen gerichteten Schreiben vom 21.11.2002 (Anlage K 13) - von einem „Restwerklohnanspruch" der Klägerinnen (S. 3 des Schriftsatzes vom 08.04.2004 - Bl. 73 GA). Durch Hinweis- und Beweisbeschluß vom 17.06.2004 (zu V.1. [Bl. 115, 116 GA]) ist den Beklagten für den Fall, daß sie die von den Klägerinnen behaupteten Zahlungen in Abrede stellen, aufgegeben worden, eine vollständige Aufstellung (auch) der empfangenen Zahlungen zu den Akten zu reichen. Dem sind die Beklagten nicht nachgekommen.
Ohne Erfolg wenden sich die Beklagten gegen den Abzug des Sicherheitseinbehalts (Ziffer 13 des Vertrags vom 22.03.2001). Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf das Schuldverhältnis der Parteien, weil es vor dem 01.01.2002 entstanden ist, das AGB-Gesetz in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden. Unwirksam ist nach § 9 AGB-Gesetz eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Regelung, wonach der Besteller fünf Prozent der Auftragssumme bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist einbehalten und der Auftragnehmer diesen Einbehalt nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösen darf (BGH in NJW 1997, S. 2598; NJW 2001, S. 1857; NJW 2002, S. 894 f.). Ob die von den Beklagten beanstandete Regelung ohne weiteres als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerinnen bewertet werden muß, ist zweifelhaft, bedarf aber keiner Erörterung. Im Falle ihrer Unwirksamkeit ist der infolgedessen lückenhafte Vertrag ergänzend dahin auszulegen, daß der Besteller die vereinbarte Sicherheit einbehalten darf, es sei denn, der Auftragnehmer löst den Einbehalt durch eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft ab, die nicht auf erstes Anfordern zu lauten braucht (vgl. BGH in NJW 2002, S. 3098). Auch eine solche Bürgschaft hat hier die Insolvenzschuldnerin nicht beigebracht.
B) Die oben mit 829.303,17 EUR errechnete restliche Vergütungsforderung der XXXX ist nur erloschen, wenn den Klägerinnen in dieser Höhe die von ihnen zur Aufrechnung gestellten, von den Beklagten in Abrede gestellten Gegenforderungen zustehen. Aber auch im entgegengesetzten Fall müssen die Beklagten uneingeschränkt die Bürgschaften freigeben. Dies ist das Ergebnis einer ergänzenden Auslegung der Sicherungsvereinbarung, auf Grund deren die Klägerin zu 1. am 15.01.2001 die Bürgschaften der XXXX beigebracht hat. Ein Vertrag ist nach § 157 BGB ergänzend auszulegen, wenn er eine Regelung nicht enthält, die die Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte getroffen hätten, wenn sie schon bei Vertragsschluß die später zutage getretene Lücke bedacht hätten. § 648a Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, daß der Unternehmer dem Besteller die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung bis zu einem Höchstsatz von 2 % für das Jahr zu erstatten hat; dies gilt nicht, soweit eine Sicherheit wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Vergütungsanspruch des Unternehmers aufrechterhalten werden muß und die Einwendungen sich als unbegründet erweisen (§ 648a Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Klägerinnen haben in der Zeit seit dem 01.01.2003, also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nachgewiesene Avalkosten von mehr als 65.000,- EUR (vgl. Anlage K 31) aufwenden müssen. Die Beklagten sind entweder nicht willens oder nicht in der Lage, diese und die künftig anfallenden Avalzinsen vorab aus der Insolvenzmasse zu bezahlen; damit ist auch für die Zukunft nicht zu rechnen. Freilich berühmen die Beklagten sich ihrerseits eines Restwerklohnanspruchs gegen die Klägerinnen in Höhe von 2.255.454,04 EUR und verweisen auf die in dem Verfahren vor dem Handelsgericht Tongeren erklärte Hilfsaufrechnung gegen die Insolvenzforderungen der Klägerinnen. Dem Vorbringen der Beklagten ist aber nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, welche Leistungen sie über den oben errechneten Restwerklohn hinaus vergütet verlangen, ob sie Gegenstand des ursprünglichen Vertrags waren oder nachträglich ihr in Auftrag gegeben worden sind und wie sich die von ihnen geforderte Vergütung berechnet. Abgesehen von der fehlenden Substantiierung ist eine etwa bestehende Restwerklohnforderung aber auch nicht fällig, weil die Beklagte keine Schlußrechnung im Sinne von §16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B erteilt hat, wie sie auch im Falle der vorzeitigen Beendigung des Pauschalvertrags erforderlich ist (vgl. Werner/Pastor, Bauprozess, 11. Aufl., Rn. 1392). Damit fehlen die Voraussetzungen für eine Aufrechnung gegen den Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung der Avalzinsen nach deutschem Recht (§ 387 BGB) und nach belgischem Recht, weil die Forderungen sich nicht aufrechenbar gegenüberstehen (Art. 1290 Code Civil; vcil. 5. 23 des Gutachtens des Sachverständigen XXXX vom 03.08.2005 - Bl. 255 GA).
Auch die Ausnahmevorschrift des § 648a Abs. 3 Satz 2 BGB greift nicht zugunsten der Beklagten ein, weil sie ebenfalls an einen fälligen Vergütungsanspruch des Unternehmers anknüpft. Das in dieser Situation berechtigte Anliegen der Klägerinnen, dem weiteren Anwachsen der Avalzinsen eine Grenze zu setzen, war Gegenstand der Erörterung in der ersten mündlichen Verhandlung. Hinge der Herausgabeanspruch der Klägerinnen in seiner Durchsetzung davon ab, daß sie in diesem Rechtsstreit den von ihnen vorgetragenen Sachverhalt nachweisen, wonach ihre Aufrechnung gegen die in Höhe von 829.303,17 EUR unstreitige Restwerklohnforderung der Insolvenzschuldnerin durchgreift (vgl. OLG Brandenburg, aaO), so ließe sich kaum abschätzen, wann der Rechtsstreit mit diesem Prozeßgegenstand zu einem rechtskräftigen Abschluß gebracht werden kann. Die Klägerinnen haben ihrerseits keine Sicherheiten, aus denen sie sich wegen ihrer Forderung auf Erstattung der nach dem 01.07.2005 angefallenen und der künftigen Avalzinsen befriedigen können. Nach ihrem Vorbringen übersteigen die ihnen gegen die Beklagte zustehenden Forderungen auch ohne Berücksichtigung der Avalkosten den Restwerklohnanspruch der XXXX bei weitem. Für derartige Fälle, in denen dem Besteller durch die Sicherheitsleistung laufende Kosten entstehen, die der Unternehmer unter Verletzung seiner Verpflichtung aus § 648a Abs. 3 Satz 1 BGB nicht erstatten kann oder will, räumen redliche Vertragsparteien, die eine solche Entwicklung beim Abschluß der Sicherungsvereinbarung bedenken, dem Besteller das Recht ein, von der Sicherungsvereinbarung zurückzutreten und Herausgabe der Bürgschaft zu verlangen. In diesem Sinne ist auch die von den Parteien vor dem 15.01.2001 getroffene Sicherungsabrede ergänzend auszulegen.
III. Mit der Herausgabe der Bürgschaften sind die Beklagten spätestens bei Klageerhebung am 13.11.2003 in Verzug geraten (§ 286 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB sind sie zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der seither den Klägerinnen durch die Verzögerung der Herausgabe entsteht.