I. Die Klägerin macht die Vergütung abzüglich Anzahlung für rund 3.000 Pullover geltend, die sie für den Beklagten fertigte und lieferte. Der Beklagte macht insbesondere die Minderung der Vergütung geltend, da die gelieferten Pullover angeblich nicht die vertraglich festgelegten Maße einhielten und zudem 25 bis 30 % der Pullover Strickfehler aufwiesen.
Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung das schriftliche Verfahren angeordnet und eine Schriftsatzfrist bis 30.05.2002 gesetzt. Mit Schriftsatz, der am 31.05.2002 bei Gericht einging, hat der Beklagte zu den geltend gemachten Mängeln weiter vorgetragen und Widerklage erhoben, mit der er Schadenersatzansprüche wegen der angeblichen Warenfehler in Höhe von etwa 14.000 EUR geltend macht.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage auf Zahlung von EUR 30.437,65 nebst Verzugszinsen stattgegeben und die Widerklage als im vorliegenden Verfahren nicht zulässig erhoben gehalten.
Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil strebt der Beklagte weiter die Klagabweisung an und verfolgt weiter seine Schadensersatzansprüche. Der Beklagte beantragt zudem, das landgerichtliche Urteil und Verfahren aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen. Dazu bringt er vor, dass das Landgericht seinen am 31.05.2002 eingegangenen Schriftsatz hätte beachten müssen und über die Widerklage sachlich hätte entscheiden müssen, da der 30.05.2002 Fronleichnam war und die Schriftsatzfrist daher erst am 31.05.2002 abgelaufen wäre. Zudem hätte das Landgericht wesentlichen Vortrag über eine inhaltlich ausreichende und rechtzeitige Mängelrüge in der Klagerwiderung übergangen.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat vorläufig Erfolg. Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an wesentlichen Mängeln, aufgrund derer das Landgericht zu einer möglicherweise unzutreffenden Entscheidung gekommen ist. Auf Antrag des Beklagten ist daher nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Landgericht zurückzuverweisen.
1. Das Verfahren erster Instanz ist fehlerhaft gewesen.
Ein Verfahrensmangel, der zur Zurückverweisung berechtigt, liegt zwar nicht vor, wenn das erstinstanzliche Gericht das Parteivorbringen lediglich unter einem sachlichrechtlich fehlerhaften Gesichtspunkt würdigt oder deshalb nicht weiter erörtert, weil es hierauf nach seinem materiellrechtlichen (möglicherweise unrichtigen) Standpunkt nicht ankommt. Denn die Frage, ob das Verfahren des ersten Rechtszugs an einem erheblichen Fehler leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt des Erstrichters aus zu beurteilen. Es stellt aber einen schweren Verfahrensfehler im Sinn des § 538 ZPO (§ 539 ZPO aF) dar, wenn das erstinstanzliche Gericht den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es den Kern ihres Vorbringens verkennt und daher eine entscheidungserhebliche Frage verfehlt oder einen wesentlichen Teil des Klagevortrags übergeht (BGH NJW 1993, 538 f.; NJW 1998, 2053 f.).
a) Das Landgericht gesteht dem Beklagten ein Minderungsrecht gemäß Art. 50 CISG nicht zu, da er nicht rechtzeitig und inhaltlich ausreichend Vertragswidrigkeiten der angelieferten Pullover gerügt hätte.
Soweit die Mängelrüge die Lieferung einer geringeren als der vereinbarten Menge von Pullovern betrifft, ist dem Landgericht zuzugeben, dass eine rechtzeitige Mängelrüge von dem Beklagten nicht vorgetragen ist. Dieser Mangel wird von dem Beklagten in der Berufung auch nicht aufgegriffen.
Zu Recht greift die Berufung allerdings das Urteil an, soweit das Landgericht verneint hat, dass der Beklagte Strickfehler gegenüber der Klägerin rechtzeitig monierte. Strickfehler hat der Beklagte nach der Auffassung des Landgerichts erstmals in der Klagerwiderung bzw. der Widerklageschrift beanstandet. Dabei hat das Landgericht jedoch entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag übersehen. Es hat zwar im Tatbestand angeführt, dass auf Telefonate und das Schreiben des Beklagten vom 05.10.2001 hin ein Geschäftsführer und ein Mitarbeiter der Klägerin am 09.10.2001 nach ... zur ... anreisten, der Käuferin des Beklagten, bei der sich die gelieferte Ware befand. Das Landgericht hat aber nicht beachtet, dass der Beklagte in der Klagerwiderung auch vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, dass dem Geschäftsführern und dem Mitarbeiter der Klägerin dort die behaupteten Strickfehler und Maßabweichungen „dargestellt“, d.h. erläutert und gezeigt wurden und diese die bemängelten Pullover sich anschauten. Dieses Übergehen von Parteivortrag ist ein wesentlicher Verfahrensmangel, der zur Aufhebung von Urteil und Verfahren führen kann.
Das Landgericht meint weiterhin, dass der Beklagte angebliche Maßabweichungen der Pullover nicht inhaltlich ausreichend der Klägerin mitteilte; die Angabe im Schreiben vom 5.10.2001 sei zu pauschal. Hinsichtlich einer inhaltlich ausreichenden Rüge – dass die Klägerin bei der Produktion der Pullover die vertraglich festgelegte Maße nicht eingehalten hätte – hat das Landgericht aber wiederum den Vortrag der Klagerwiderung nicht hinreichend beachtet, nämlich das Vorbringen, dass auf Telefonate und sein Schreiben vom 05.10.2001 hin ein Geschäftsführer und ein Mitarbeiter der Klägerin am 09.10.2001 nach ... zur ... anreisten, dass diesen dort die behaupteten Strickfehler und Maßabweichungen dargestellt wurden und diese sich die bemängelten Pullover anschauten.
Dem Landgericht ist ein weiterer Verfahrensmangel dadurch unterlaufen, dass es Parteivortrag sinnentstellend der Entscheidung zugrunde gelegt hat. Es hat angenommen, der Beklagte habe erklärt, dass die Maßvorgaben (zu erg. für die Pullover) auf seine Schriftsatzanlagen lediglich „draufkopiert“ seien. Der Beklagte habe jedoch nicht nachgewiesen, dass die draufkopierten Maßvorgaben den Bestellungen tatsächlich als Anlagen beigefügt und dem Vertrag zugrunde gelegt worden seien. Der Beklagte hat aber vorgetragen und dies ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass in dem Auftragsschreiben zur Herstellung der Pullover sieben Maße vorgegeben waren und dass nur die Skizzen, die auf den von ihm als Anlagen vorgelegten Maßblättern enthalten waren, später aufkopiert waren, nicht die Maßtabellen selbst. Dass die Tabellen mit den Maßangaben des Beklagten ihr zugegangen waren und die Maße der Auftragserteilung zugrunde lagen, ist von der Klägerin nicht in Abrede gestellt worden. Der Beklagte hat auch die von einem Geschäftsführer oder einem Mitarbeiter der Klägerin unterschriebenen Maßangaben ohne die aufkopierten Skizzen als Anlagen B 6 bis B 10 vorgelegt. Der gerichtlichen Entscheidung zugrundezulegen, dass der Beklagte die Herstellung von Pullovern ohne genaue Maßangaben beauftragte, verkennt den Kern des gemeinschaftlichen Parteivorbringens.
b) Das Landgericht hat unzutreffend für die Beurteilung einer Erklärung des Beklagten, dass er mit Schadensersatzansprüchen aufrechne, nicht den Schriftsatz vom 31.05.2001 berücksichtigt. Es hat den Schriftsatz des Beklagten, der am 31.05.2002 bei Gericht einging, fälschlicherweise so behandelt, als sei er nicht innerhalb der für das schriftliche Verfahren gesetzten Frist eingegangen. Der Beklagte weist aber zu Recht darauf hin, dass der 30.05.2002, der Tag, bis zu dem die Parteien nach dem Beschluss des Landgerichts vom 25.04.2002 Schriftsätze einreichen konnten, Fronleichnam war. Fronleichnam ist nach § 1 FeiertagsG in Baden-Württemberg allgemeiner Feiertag. Gemäß § 222 Abs. 2 ZPO lief daher die vom Gericht gesetzte Frist am 31.05.2002 ab. § 222 Abs. 2 ZPO findet auch Anwendung, wenn das datierte Ende der gesetzten Frist nach dem Wortlaut der richterlichen Verfügung auf einen Sonn- oder Feiertag fällt (vgl. BGH LM § 765 BGB Nr. 1). Maßgebend für die Verlegung des Fristendes auf den Ablauf des nächsten Werktages wegen eines allgemeinen Feiertags ist das Landesrecht, das für das Gericht, bei dem die Prozesshandlung vorzunehmen ist, gilt (BAG NJW 1989, 1181). Das Landgericht hätte daher den Schriftsatz der Beklagten vom 31.05.2002 beachten und seiner Entscheidung zugrundelegen müssen. In dem Schriftsatz hat der Beklagte zu seinen angeblichen Schadensersatzansprüchen ergänzend vorgetragen und die Forderung, mit der er aufrechnet, beziffert.
c) Schließlich hat das Landgericht zu Unrecht angenommen, dass der Beklagte die Widerklage nicht rechtzeitig bei Gericht einreichte. Die Widerklage ging im schriftlichen Verfahren bis zu dem Zeitpunkt ein, der dem Schluß der mündlichen Verhandlung gleich steht. Dies war der Ablauf des 31.05.2002 (siehe b.). Der Schriftsatz des Beklagten mit der Widerklage ging am 31.05.2002 bei Gericht ein.
Die Beklagte hat die genannten Verfahrensmängel in einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügenden Weise gerügt.
2. Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf den genannten Verfahrensfehlern, denn es besteht die Möglichkeit, dass die Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn das Gericht den Vortrag des Beklagten in der Klagerwiderung und im Schriftsatz vom 31.05.2002 vollständig und korrekt zur Kenntnis genommen hätte.
a) Eine Darstellung der Vertragswidrigkeiten am 9.10.2000 wäre rechtzeitig und bestimmt genug.
Gem. Art. 39 Abs. 1 CISG verliert ein Käufer sein Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet.
Die vom Gesetz geforderte angemessene Anzeigefrist ist keine lange Frist. Sie richtet sich nach den Umständen. Grundsätzlich wird teilweise eine Frist von einem Monat noch als angemessen angesehen, teilweise auch nur eine Frist von 14 Tagen (vgl. Staudinger / Magnus, BGB, Bearbeitung 1999, Art. 39 CISG Rn. 49 mit weiteren Nachweisen). Eine Rüge am 9.10.2001, 11 Tage nach dem von der Klägerin behaupteten Lieferdatum (28.09.2001), liegt innerhalb einer im vorliegenden Fall angemessenen Frist. Die Ware ist nicht verderblich. Besondere Eile war auch aus sonstigen Gründen nicht geboten.
Das Landgericht hat sich nicht dazu geäußert, welche Frist es im vorliegenden Fall für angemessen hält.
Eine Beanstandung der Lieferung durch die Tochter und die Ehefrau des Beklagten gegenüber dem Geschäftsführer und dem Mitarbeiter der Klägerin in den Geschäftsräumen der ... genügte inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen. Ein Käufer muss die Vertragswidrigkeit einer Ware genau bezeichnen. Er muss – auch nach Ansicht des Landgerichts – den Verkäufer derart unterrichten, dass dieser sich verlässlich darüber klar werden kann, wie er reagieren, z. B. Nachbessern, Nachliefern oder eine eigene Untersuchung der Ware vornehmen soll (vgl. BGH NJW 1982, 2730; Staudinger / Magnus, aaO, Rn. 21). Der Sachmangel ist deshalb in seiner Art und seinem Umfang so deutlich zu bezeichnen, dass dem Verkäufer eine solche Entscheidung möglich ist. Die genaue Darstellung der angeblichen Vertragswidrigkeiten anhand der Ware stellt die intensivste Art der Information des Verkäufers dar. Dieser erhält damit nicht nur eine Anzeige des Käufers, er kann sich vielmehr von der Ware und ihrer angeblichen Vertragswidrigkeit ein genaues Bild machen.
Die Anzeige genügte der gesetzlichen Form. Der Käufer kann die Vertragswidrigkeit grundsätzlich in jeder Form, also auch mündlich, anzeigen (Staudinger / Magnus, aaO). Das Landgericht hat dies nicht anders gesehen.
b) Eine Aufrechnung hat das Landgericht an der fehlenden Bezifferung scheitern lassen. Im – rechtzeitig eingegangenen – Schriftsatz vom 31.05.2002 hat der Beklagte die Forderung, mit der er aufrechnen will, mit 980,02 EUR beziffert.
c) Über die Widerklage hat das Landgericht zu Unrecht überhaupt nicht entschieden. Hätte das Landgericht bemerkt, dass die von ihm gesetzte Schriftsatzfrist aufgrund der Regelung des § 222 Abs. 2 ZPO erst am 31.05.2001 ablief, hätte es über die Widerklage entschieden. Denn es hat ausgeführt, dass eine Widerklage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingehen muss. Die Schriftsatzfrist steht im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO dem Schluss der mündlichen Verhandlung gleich.
3. Der Senat hält es für angemessen, gemäß § 538 Abs. 2 ZPO Verfahren und Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung ist sachdienlich. Der Sachverhalt ist auch nicht ansatzweise aufgeklärt. Um über die Klage entscheiden zu können, ist eine aufwendige Beweisaufnahme notwendig. Über die Widerklage hat das Landgericht gar nicht geurteilt. Den Parteien würde bei einer Sachentscheidung des Berufungsgerichts eine Tatsacheninstanz genommen. Es ist insbesondere nicht Aufgabe der zweiten Instanz, den Sachverhalt vollständig aufzubereiten. Vielmehr soll ein Berufungsgericht grundsätzlich die vom Landgericht aufgrund ordnungsgemäßen Verfahrens festgestellten Tatsachen rechtlich überprüfen.