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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Antragstellerin beantragte die Anordnung eines dinglichen Arrestes in das gesamte Vermögen der in der Schweiz ansässigen Antragsgegnerin wegen einer Rückzahlungsforderung. Die Parteien hatten einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen. Später hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin aufgefordert, keine neuen Aufträge auszuführen und das Konto abzurechnen. Ferner hat sie auch verlangt den ihr zustehenden Betrag auszuzahlen. Nach Kündigung des Vertrags hat die Antragsgegnerin zugesagt, einen Zahlungsplan zur Rückzahlung offener Beträge zu übersenden. Trotzdem hat sie sich geweigert, Zahlung zu leisten.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (DE) begründet das LugÜ im vorliegenden Fall nicht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Voraussetzungen des in Betracht kommenden Art. 5 Nr. 3 LugÜ seien nicht erfüllt. Der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ i.S.v. Art. 5 Nr. 3 LugÜ könne nur so verstanden werden, dass er den Ort bezeichne, an dem das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt geschädigt habe. Demzufolge eröffne der Ort des reinen Vermögensschadens nicht den besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ. Weiterhin führt das Gericht aus, dass sich Art. 5 Nr. 3 LugÜ nur auf Verfahren beziehe, in denen eine Schadenshaftung geltend gemacht werde, die nicht an einen Vertrag i.S.v. Art. 5 Nr. 1 LugÜ anknüpfe. Im streitigen Fall ginge die Antragsstellerin von einer Rückzahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin aus, die sich aus deren vertraglichen Zusagen ergebe. Art. 5 Nr. 3 LugÜ sei somit nicht anwendbar. Außerdem begründe Art. 24 LugÜ hier nicht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Zwar sei nach dieser Vorschrift für einstweilige Maßnahmen wie einen Arrest das nationale deutsche Zuständigkeitsrecht ergänzend anwendbar; auch daraus ergebe sich vorliegend jedoch kein Gerichtsstand in Deutschland.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin beantragt die Anordnung des dinglichen Arrestes in das gesamte Vermögen der in der Schweiz ansässigen Antragsgegnerin wegen einer „Rückzahlungsforderung“ in Höhe von DM 562.030,84 nebst 4 % Zinsen seit 05.03.1997 sowie einer Kostenpauschale von DM 43.000. Sie beantragt ferner anzuordnen, daß die Vollziehung des Arrestes durch Hinterlegung eines Betrages von DM 605.030,84 gehemmt und daß in Vollziehung des Arrestes die angebliche Forderung der Antragsgegnerin auf Auszahlung des Kontokorrentguthabens gegen die Banque R. L. Konto …, gepfändet werde.
Zur Begründung hat die Antragstellerin im wesentlichen vorgetragen:
Sie sei Bauunternehmerin. Am 25.06.1996 habe sie einen Vermittlungsauftrag mit einer mit der Antragsgegnerin verbundenen Firma unterzeichnet. Die Antragsgegnerin habe sich als Brokerin geriert. Aufgrund von Einzahlungen und – aufgrund telefonischer Absprachen mit Vertretern der Antragsgegnerin – durchgeführten Transaktionen habe sich zuletzt ein Guthabensstand der Antragstellerin in Höhe von UStiny_mce_markeramp;nbsp;319.335,75 ergeben. Die Antragsgegnerin sei aufgefordert worden, das Konto abzurechnen, keine neuen Aufträge mehr auszuführen, offene Positionen glatt zu stellen und den der Antragstellerin zustehenden Betrag auszuzahlen. Die Antragsgegnerin habe im Anschluß an die Kündigung zugesagt, einen Zahlungsplan zur Rückzahlung offener Beträge zu übersenden. Entgegen ihrer Zusage habe sich die Antragsgegnerin bisher geweigert“ Zahlung zu leisten. Die Antragsgegnerin sei offensichtlich bemüht, ihre Organisitionsstruktur aufzulösen und sich so dem Zugriff ihrer Gläubiger zu entziehen.
Das Landgericht Karlsruhe hat mit Beschluß vom 23.10.1997, auf dessen Gründe wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Anträge auf Anordnung des dinglichen Arrestes und auf Erlaß eines Arrestpfändungsbeschlusses zurückgewiesen, da es nicht zuständig sei.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. In der Nichtabhilfeentscheidung wird u.a. ausgeführt, die Antragstellerin habe weder in der Antragsschrift noch in der Beschwerdebegründung einen zu sichernden Anspruch in beantragter Höhe dargelegt und glaubhaft gemacht.
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig, § 567 Abs. 1 ZPO.
Sie konnte durch einen beim Landgericht und Oberlandesgericht Karlsruhe nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt eingelegt werden. Dies ist so lange möglich, als keine mündliche Verhandlung anberaumt wird (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1470 mwN auch zur Gegenanicht).
2. Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht Karlsruhe entschieden, daß es als Gericht der Hauptsache (§§ 919, 943 Abs. 1 ZPO) nicht zuständig ist.
Der Beurteilung der internationalen Zuständigkeit sind die Bestimmungen des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 (im folgenden LugGVÜ) zugrunde zu legen. Dessen Art. 1 – 54 a stimmen im wesentlichen mit dem Brüsseler Übereinkommen (EuGVÜ) überein (vgl. Zöller/Geimer ZPO 19, Aufl. LugGVÜ).
Art. 24 LugGVÜ erklärt für einstweilige Maßnahmen, wie den Arrest, das Verfahrensrecht des angerufenen Vertragsstaates für anwendbar. Nach deutschem Recht ist § 919 ZPO einschlägig, der nicht nur die örtliche, sondern auch die internationale Zuständigkeit regelt. Danach ist für den dinglichen Arrest zum einen das Gericht der Hauptsache (§ 919 Alt. 1) zum andern das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der mit Arrest zu belegende Gegenstand sich befindet (§ 919 Alt. 2 ZPO).
Im vorliegenden Fall ist die deutsche internationale Zuständigkeit deshalb nicht über § 919 Alt. 2 ZPO gegeben, weil der Vortrag der Antragstellerin keine Hinweise darauf enthält, daß die Antragsgegnerin im Inland Vermögen hat.
Die deutsche internationale Zuständigkeit ist auch nicht nach § 919 Alt. 1 ZPO eröffnet. In Karlsruhe ist weder der Gerichtsstand des Wohnsitzes der Antragsgegnerin, noch der Gerichtsstand des Erfüllungsortes noch der Gerichtsstand für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen noch der Gerichtsstand für Verbraucherklagen gegeben.
a) International zuständig ist nach Art. 2 Abs. 1 LugGVÜ das Gericht des Beklagten-Wohnsitzes. Die Antragstellerin stützt den Arrestanspruch in erster Linie auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit der in der Schweiz ansässigen Antragsgegnerin. Sie führt aus, nach Kündigung der Geschäftsbeziehung sei ein selbständiges Schuldanerkenntnis abgegeben worden. Für einen derartigen vertraglichen Anspruch ist eine besondere Zuständigkeit des Landgerichts Karlsruhe nicht gegeben, insbesondere nicht die des Erfüllungsortes gemäß Art. 5 Nr. 1 LugGVÜ. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind Zahlungsverpflichtungen grundsätzlich am Schuldnerwohnsitz zu bewirken (§§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 1 BGB).
b) Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 LugGVÜ sind ebenfalls nicht erfüllt. Diese Bestimmung räumt, wenn Ansprüche aus unerlaubter Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, einen besonderen Gerichtsstand vor dem Gericht des Ortes ein, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Nur als Ausnahme von der allgemeinen Regel der Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem ein Beklagter oder eine Antragsgegnerin den Wohnsitz hat, sieht Abschnitt 2 des Titels II eine Reihe besonderer Zuständigkeiten vor, zu denen auch die nach Art. 5 Nr. 3 LugGVÜ gehört. Wie der EuGH entschied, beruhen diese besonderen Zuständigkeiten, die nach Wahl des Klägers zur Anwendung kommen, darauf, daß zwischen der Streitigkeit und anderen Gerichten als denen des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (NJW 1991, 631, 632 mwN). Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es unerläßlich, eine Vermehrung der zuständigen Gerichte zu verhindern. Demgemäß kann zwar mit dem Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, in Art. 5 Nr. 3 LugGVÜ der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, gemeint sein, doch kann der letztgenannte Begriff nur so verstanden werden, daß er den Ort bezeichnet, an dem das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt geschädigt hat (EuGH aaO). Der Ort des reinen Vermögensschadens eröffnet keine internationale Zuständigkeit (Zöller/Geimer ZPO 19. Aufl. Art. 5 LugGVÜ Rn. 15 mwN). Andernfalls würde die Deliktszuständigkeit auf Kosten des in Art. 2 verankerten Grundsatzes des Beklagtenwohnsitzes stark ausgedehnt und einem Klägergerichtsstand angenähert (so zutreffend Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht 4. Aufl. Art. 5 Rn. 47 mwN). Nach dem Vortrag der Antragstellerin kann nicht davon ausgegangen werden, daß ihr ein deliktischer Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 263 oder 266 StGB zusteht, bei dem der Handlungsort oder der Erfolgsort in Deutschland liegt. Hinsichtlich des Geldguthabens der Antragstellerin in der Schweiz erscheint es allein angemessen, diesen Vermögensbestandteil als in der Schweiz belegen und dort geschädigt anzusehen (vgl. dazu auch zutreffend OLG München NJW RR 1993, 701,704).
Der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1995, 1225) zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem vorliegenden im wesentlichen dadurch, daß einer der als Mittäter in Anspruch genommenen dortigen Beklagten in Deutschland tätig geworden war.
Im übrigen bezieht sich Art. 5 Nr. 3 LugGVÜ nur auf Verfahren, in denen eine Schadenshaftung aus unerlaubter Handlung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag iSv Art. 5 Nr. 1 anknüpft (OLG Koblenz Iprax 1991, 241, 243). Hier geht die Antragstellerin in erster Linie von einer „Rückzahlungsverpflichtung“ der Antragsgegnerin aus, die sich aus deren vertraglichen Zusagen ergebe. Es entspricht der restriktiven Auslegung der Art. 5 ff LugGVÜ, daß zur „Verhinderung der Erschleichung der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes“ (vgl. OLG Koblenz aaO mwN) die die Zuständigkeit begründenden Tatsachen lückenlos schlüssig vorzutragen und glaubhaft zu machen sind. Auch hieran fehlt es bezüglich etwaiger Ansprüche aus unerlaubter Handlung, wie das Landgericht in der Nichtabhilfenetscheidung zutreffend festgestellt hat.
c) Für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Gerichtsstandes des angegangenen Gerichts nach Art. 13, 14 LugGVÜ hat die Antragstellerin keine Tatsachen vorgetragen. Der bloße Hinweis auf Gerichtsentscheidungen vermag fehlenden Tatsachenvortrag nicht zu ersetzen, zumal in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 1995, 1225) eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 13, 14 EuGVÜ gerade verneint wurde.
Nach allem war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.