Die in …/Italien ansässige Klägerin ist Herstellerin von sog. Inlineskates; die in … ansässige Beklagte vertreibt solche Inlineskates.
Im Frühjahr/Sommer 1996 belieferte die Klägerin die Beklagte auf deren Bestellung mit Inlineskates und sonstigen Skaterartikeln. Sie erteilte der Beklagten hierüber folgende Rechnungen:
1033 vom 30.4.1996 über 258.850,32 DM
1348 vom 9.5.1996 über 87.413,49 DM
1409 vom 27.5.1996 über 350.478,46 DM
1771 vom 24.6.1996 über 15.485,08 DM.
Die Rechnungen waren 10 Tage ab Rechnungsdatum fällig; Zahlungen leistete die Beklagte nicht. Unter Berücksichtigung einer der Beklagten erteilten Gutschrift von 1.241,60 DM hat die Klägerin die Beklagte deshalb mit der im September 1996 erhobenen Klage auf Zahlung des Gesamtbetrages in Anspruch genommen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 710.985,75 DM nebst 10 % Zinsen von 257.608,72 DM seit dem 11.5.1996, von 87.413,49 DM seit dem 10.5.1996, von 350.478,46 DM seit dem 7.6.1996 und von 15.485,08 DM seit dem 5.7.1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich mehrerer Gegenforderungen berühmt und mit diesen die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt. Sie hat behauptet:
Andere – nicht streitgegenständliche – Lieferungen der Klägerin von Skaterartikeln hätten Fehlmengen aufgewiesen; die diesen Lieferungen zugrunde liegenden Rechnungen seien deshalb in Höhe von 4.020,‑ DM und 7.068,‑ DM überzahlt worden. Außerdem seien aus – ebenfalls nicht streitgegenständlichen – weiteren Lieferungen der Klägerin Waren im Wert von 4.615,‑ DM zurückgesandt worden, die ihr die Klägerin zuvor in Rechnung gestellt habe. Die vorgenannten Beträge – so hat die Beklagte gemeint – müsse ihr die Klägerin zurückerstatten.
Desweiteren hat die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Höhe von insgesamt 1.209.428,25 DM geltend gemacht, den sie aus folgendem Sachverhalt herleitet:
Im Juli 1992 schlossen die Klägerin sowie die Beklagte und die in Konstanz ansässige Fa. … einen in englischer Sprache gefaßten Vertrag, in dem die Klägerin der Beklagten sowie der Fa. … die exklusiven Vertriebsrechte für die von ihr hergestellten Inlineskates auf dem deutschen Markt einräumte. Die Beklagte und die Fa. … wiederum teilten den deutschen Markt dahingehend unter sich auf, daß die Beklagte Inlineskates in Norddeutschland und die Fa. … in Süddeutschland exklusiv vertreiben sollte. In Punkt 5 des Vertrages vom Juli 1992 heißt es:
„This contract will have a duration of 3 years with the expiry date the 31/7/1995 and it will be automatically renewed for the same period if one of the two sides will not give the notice 3 month before the above mentioned expiry date.“
Mit Schreiben vom 29.3.1995 teilte die Klägerin der Beklagten folgendes mit:
„Regarding the July 1992 contract which Roces has given you the exclusive inline skates distribution for North Germany, we inform you with this fax that such contract, as per point 5, will not be automatically renewed. The renewal will have to be discussed by the two companies.“
Die Beklagte hat behauptet:
Bei einem Treffen mit der Klägerin am 20.4.1995 in … sei vereinbart worden, daß eine Kündigung des Vertrages vom Juli 1992 zum 31.7.1995, die – wie die Beklagte gemeint hat – im Schreiben der Beklagten vom 29.3.1995 nur angekündigt worden sei, nicht habe erfolgen sollen. Vielmehr sei der Zeitpunkt der Kündigung einvernehmlich bis zum 31.7.1996 hinausgeschoben worden; falls zu diesem Zeitpunkt nicht gekündigt werde, habe sich der Vertrag automatisch um drei weitere Jahre verlängern sollen. Eine Kündigung zum 31.7.1996 sei aber – unstreitig – von keiner Partei erklärt worden. Trotzdem habe die Klägerin ebenfalls unstreitig ab Januar 1996 keine neuen Bestellungen von ihr, der Beklagten, mehr angenommen. Dadurch sei ihr für die Zeit bis zum 31.7.1996 ein Gewinn in Höhe von 452.313,60 DM und für die Zeit bis Ende Dezember 1996 ein Gewinn in Höhe von weiteren 757.114,60 DM entgangen.
Die Klägerin hat demgegenüber die Ansicht vertreten, der Vertrag vom Juli 1992 habe sich aufgrund des Schreibens vom 29.3.1995 nicht automatisch verlängert. Sie hat insbesondere eine Vereinbarung über das Hinausschieben des Kündigungszeitpunktes sowie die Höhe des geltend gemachten entgangenen Gewinns bestritten. Außerdem hat sie die internationale Zuständigkeit des LG Münster zur Entscheidung über die Aufrechnungsforderungen gerügt.
Die Frage der Beendigung des Vertrages vom Juli 1992 und das Bestehen oder Nichtbestehen von Schadensersatzansprüchen ist Gegenstand von Feststellungsklagen die die Klägerin gegen die Beklagte im Mai/Juni 1996 vor dem Tribunale di Treviso und die Beklagte gegen die Klägerin vor dem LG Münster erhoben haben. Das LG Münster hat die Entscheidung darüber gem. Art. 21 I EuGVÜ ausgesetzt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Klageforderung sei aus Art. 53 CISG begründet. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei unberücksichtigt zu lassen, weil das LG Münster mangels internationaler Zuständigkeit zu einer Entscheidung hierüber nicht befugt sei. Die Zuständigkeit des LG Münster lasse sich insbesondere nicht aus der Rechtsprechung zu den sog, sekundären Zahlungspflichten herleiten. Denn diese betreffe nur den Fall, daß Ersatzansprüche wegen Schlecht- oder Nichterfüllung des Kaufvertrages geltend gemacht würden, auf den die Klageforderung gestützt werde. Darum gehe es hier nicht. Die Beklagte leite keine Ersatzansprüche aus den hier in Rede stehenden vier Lieferungen, deren Bezahlung die Klägerin verlange, her, sondern aus der Verletzung des Vertrages über die exklusiven Vertriebsrechte.
Aber selbst wenn man auch diese Ersatzansprüche zu den sekundären Zahlungspflichten zählen wollte, sei das LG Münster international nicht zuständig. Denn Zahlungsort und Gerichtsstand für die Erfüllung der in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Kaufpreisforderung sei nach Art. 57 CISG iVm Art. 5 EuGVÜ das italienische Gericht am Sitz der Klägerin, so daß auch ein Rechtsstreit über sekundäre Ersatzansprüche dort zu führen sei. Daß die Klägerin – aus welchen Gründen auch immer – sich entschlossen habe, diesen Gerichtsstand nicht in Anspruch zu nehmen, ändere daran nichts.
Bleibe man dabei, daß die Beklagte Ersatzansprüche aus einem Vertrag herleite, der mit den hier in Rede stehenden vier Lieferungen nichts zu tun habe, beurteile sich die internationale Zuständigkeit danach, wo nach allgemeinen Grundsätzen die Verpflichtungen aus diesem Vertrag zu erfüllen waren. Das aber sei ungeachtet der Tatsache, daß sich der vereinbarte Exklusiv- und Gebietsschutz auf deutsches Gebiet beziehe – ebenfalls der in Italien gelegene Sitz der Klägerin.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
Sie meint:
Die vom Landgericht zur Verneinung seiner internationalen Zuständigkeit herangezogene Entscheidung des BGH vom 12.5.1993 sei überholt. Denn der EuGH habe, im Gegensatz zum BGH, mit Entscheidung vom 13.7.1995 klargestellt, daß Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ nur für den Fall der Widerklage gelte, nicht hingegen für den Fall der Prozeßaufrechnung. Das LG Münster sei deshalb international zuständig, auch über diese Aufrechnung zu entscheiden. Da für die Aufrechnung deutsches Recht anzuwenden sei, komme es auf eine Konnexität zwischen Klage- und Aufrechnungsforderung nicht an.
Vorsorglich bestreitet die Beklagte die geltend gemachte Zinsforderung.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint:
Das LG Münster sei zur Entscheidung über die Prozeßaufrechnung nicht international zuständig. Zuständig sei vielmehr das italienische Gericht am Sitz der Klägerin.
Das Landgericht habe sich zu Recht auf die Entscheidung des BGH vom 12.5.1993gestützt. Die gegenteilige Entscheidung des EuGH vom 13.7.1995 vermöge nicht zu überzeugen, zumal sie sich mit der Rechtsprechung des BGH überhaupt nicht auseinandersetze. Sie zwinge im übrigen auch nicht zu einem anderen als dem vom BGH gefundenen Ergebnis. Denn sie überlasse die Voraussetzungen, unter denen die Prozeßaufrechnung als Verteidigungsmittel geltend gemacht werde, ausdrücklich dem nationalen Recht. Danach könne die Zulässigkeit der Prozeßaufrechnung auch weiterhin davon abhängig gemacht werden, daß das deutsche Gericht für die klageweise Geltendmachung der zur Aufrechnung gestellten Forderung auch international zuständig sein müsse.
Wolle man dagegen eine Aufrechnung zulassen, richte sich diese nach dem Statut der Forderung, gegen die aufgerechnet werde. Gelte deutsches Recht, scheide eine Aufrechnung aufgrund des Aufrechnungsausschlusses nach § 391 II BGB aus. Gelte hingegen italienisches Recht, scheitere eine Aufrechnung an Art. 1343 ff. c.c., wonach die zur Aufrechnung gestellte Forderung u.a. entscheidungsreif sein müsse; daran fehle es, wenn sie wie hier dem Grunde und der Höhe nach bestritten werde.
Schließlich stehe der Beklagten auch in materiell rechtlicher Hinsicht keine Gegenforderung zu, da sich der Vertrag vom Juli 1992 infolge des Schreibens vom 29.3.1995 nicht verlängert habe.
Hilfsweise beantragt die Klägerin, daß sich der Senat gem. Art. 22 II EuGVÜ für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung für unzuständig erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
A. Der Klägerin steht die geltend gemachte Klageforderung zu (I); sie ist durch die von der Beklagten erklärte Prozeßaufrechnung nicht erloschen (II).
I. Der Kaufpreisanspruch findet seine Rechtsgrundlage in Art. 53 CISG, der Zinsanspruch in Art. 78 CISG.
1. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien ist – soweit es um die mit der Klage geltend gemachte Kaufpreisforderung geht – das CISG anzuwenden, das in Italien am 1.1.1988 und in Deutschland am 1.1.1991 in Kraft getreten ist. Dies gilt unabhängig von der Frage, nach welchem Recht der Rahmenvertrag vom Juli 1992 über die exklusiven Vertriebsrechte zu beurteilen ist. Denn der Rahmenvertrag ist von den in seiner Ausführung geschlossenen einzelnen und rechtlich selbständigen Kaufverträgen zu trennen, auch wenn der Inhalt dieser Einzelverträge durch den Rahmenvertrag teilweise vorgegeben ist (vgl. BGH NJW 1979, 1782; Baumbach/Hopt, HGB, 29.Aufl., Überbl. v. § 373 Rn. 13). Mit Rücksicht auf diese rechtliche Selbständigkeit der Einzelkaufverträge ist auch das diesbezüglich anwendbare Recht gesondert zu ermitteln, was hier zur Anwendung des CISG führt (so auch OLG Düsseldorf RIW 1996, 958).
2. Die Kaufpreisforderung ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zwischen den Parteien außer Streit.
Die Höhe des im CISG nicht geregelten Zinssatzes richtet sich nach einhelliger Meinung – auch nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. IPRax 1996, 197) – nach der Zinshöhe derjenigen Rechtsordnung, die nach den Bestimmungen des Internationalen Privatrechts für die vom CISG nicht geregelten Rechtsfragen gilt. Danach bestimmt sich die Zinshöhe nach italienischem Recht, da die Klägerin als Verkäuferin die gemäß Art. 28 II 1 EGBGB vertragstypische Leistung zu erbringen hat. Nach italienischem Recht beträgt der gesetzliche Zinssatz – mehr macht die Klägerin auch nicht geltend – seit dem 16.12.1990 10 % p.a. (vgl. Piltz, NJW 1996, 2768, 2772; Kindler, IPRax 1996, 16, 21). Substantiierte Einwendungen gegen den Zinsbeginn hat die Beklagte nicht erhoben.
II. Die Klageforderung ist auch nicht durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen.
1. Zu Recht hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über die Gegenforderungen verneint und deshalb die Aufrechnung unberücksichtigt gelassen.
a) Da die Entscheidung über die Aufrechnungsforderung(en), der materiellen Rechtskraft fähig ist (§ 322 II ZPO), können die deutschen Gerichte darüber nur entscheiden, wenn sie auch insoweit international zuständig sind. Der Senat folgt insoweit der ständige Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 1993, 2753; NJW 1973, 421) und der wohl h.M. in der Literatur (vgl. Geimer/Schütze, Europ. Zivilverfahrensrecht, Art. 6 Rn. 64 ff. mwN zum Streitstand).
aa) Allerdings mag die Prozeßökonomie (Vermeidung eines zweiten Prozesses mit umgekehrter Parteirolle) und das Interesse des Beklagten an einer möglichst effektiven Geltendmachung seiner Gegenforderungen dafür sprechen, eine Prozeßaufrechnung auch bei internationaler Unzuständigkeit des Gerichtsstaates zuzulassen, und zwar unabhängig davon, wie der Aufrechnungseinwand nach der lex causae rechtstechnisch konstruiert ist. Die internationale Zuständigkeit über die Entscheidung der Klage würde dann die internationale Zuständigkeit über die Entscheidung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung(en) – mögen sie konnex oder inkonnex, bestritten oder unbestritten sein – ohne weiteres nach sich ziehen (so Mankowski ZZP 109, 376, 384).
bb) Indes ist zu bedenken, daß im Falle der Prozeßaufrechnung ein weiterer Streitgegenstand in den Prozeß eingeführt wird, über den – wie erwähnt – auch rechtskräftig (§ 322 II ZPO) entschieden wird. Mit der Zulassung des Aufrechnungseinwandes jedenfalls für inkonnexe (bestrittene) Gegenforderungen auch bei internationaler Unzuständigkeit des Gerichtsstaates werden die Grenzen der Gerichtspflichtigkeit des Klägers im Ergebnis aber weiter gezogen als die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten; es spricht aber nichts dafür, Kläger und Beklagten kompetenzrechtlich ungleich zu behandeln (so zutr. Geimer/Schütze, aaO; die Notwendigkeit internationaler Zuständigkeit im Ergebnis bejahend auch Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 145 Rn. 39; Schack, Intern. Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., Rn. 355).
Darf das Gericht mangels internationaler Zuständigkeit nicht über die Gegenforderung entscheiden, so hat es die Aufrechnung unberücksichtigt zu lassen (BGH NJW 1993, 2753; Stein/Jonas/Leipold, aaO). Der Erlaß eines Vorbehaltsurteils (§ 302 ZPO) mit anschließender Aussetzung des inländischen Verfahrens kommt nicht in Betracht (vgl. Schack, aaO). Vielmehr kann der Beklagte seine Gegenforderung vor dem international zuständigen Gericht weiterverfolgen (so auch Zöller/Greger, ZPO, 20.Aufl., § 145 Rn. 19).
cc) An der Voraussetzung des nationalen deutschen Rechts, daß das Gericht der Hauptsache auch für die klageweise Geltendmachung der Aufrechnungsforderung zuständig sein muß, hat sich durch die Entscheidung des EuGH vom 13.7.1995 nichts geändert.
Der EuGH hat für die Streitfrage, ob die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Gerichtsstaates zur Entscheidung über Gegenforderungen, die im Wege der Prozeßaufrechnung geltend gemacht werden, davon abhängt, daß der Gerichtsstaat für die klageweise Geltendmachung der zur Aufrechnung gestellten Forderungen gegen den Kläger international zuständig wäre, auf das nationale Recht des Gerichtsstaates verwiesen. Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ gelte nur für eine Klage des Beklagten auf gesonderte Verurteilung, nicht aber für den Fall, dass ein Beklagter eine Forderung gegenüber dem Kläger als bloßes Verteidigungsmittel im Wege der Aufrechnung geltend mache. Damit läßt der EuGH die Möglichkeit offen, daß die nationalen Gerichte weiterhin einen Kompetenzbezug fordern (so auch Jayme/Kohler IRPrax 1995, 343, 349; Geimer, IZPR, 3. Aufl. Rn. 868c). Er hat insbesondere die (übrigen) Ausführungen des BGH im Urteil vom 12.5.1993 zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht beanstandet, so daß auch die Rechtsprechung des BGH, die einen Kompetenzbezug verlangt, nicht als überholt anzusehen ist (vgl. auch Geimer/Schütze, aaO, Rn. 71, wonach die Rspr. des BGH durch das EuGH-Urteil vom 13.7.1995 nicht „overruled“ sei).
b) Die internationale Zuständigkeit des LG Münster zur Entscheidung über die Gegenforderungen wäre allerdings auch nach der hier vertretenen Ansicht zu bejahen, wenn die deutschen Gerichte für die selbständige klageweise Geltendmachung dieser Ansprüche zuständig wären. Das ist hier aber nicht der Fall.
aa) Nach Art. 2 I EuGVÜ – nach dessen Bestimmungen sich die internationale Zuständigkeit in erster Linie richtet – wären die italienischen Gerichte zuständig, weil die Klägerin ihren Sitz in Italien hat.
bb) Auch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ begründet keine davon abweichende Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Nach dieser Vorschrift kann eine Person mit Wohnsitz im Gebiet eines Vertragsstaates in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, und zwar wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder erfüllt worden wäre. Maßgebend ist diejenige Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet und die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt (BGH NJW 1993, 2753), hier also die (angebliche) Verpflichtung der Klägerin zum Schadensersatz wegen Verletzung des exklusiven Vertriebsvertrages sowie zur (Rück-)Zahlung wegen angeblicher Fehlmengen und angeblich zurückgelieferter, vorher in Rechnung gestellter Waren. Auch nach dieser Vorschrift wären aber die Gerichte am Sitz der Klägerin in Italien zuständig.
(1) Rechtsgrundlage für die Schadensersatzforderung ist die zwischen den Parteien und der Fa. … getroffene Vereinbarung über die exklusiven Vertriebsrechte vom Juli 1992. Dabei handelt es sich um einen Vertragshändlervertrag, der die Beklagte berechtigte und verpflichtete, die Waren der Klägerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung – exklusiv, d.h. im Alleinvertrieb – in (Nord-) Deutschland zu vertreiben. Bei einem derartigen Vertrag stehen in der Regel die handelsvertreterrechtlichen Elemente im Vordergrund. Daraus folgt nach h.M., daß die charakteristischen Leistungen durch den Vertragshändler erbracht werden, so daß das am Ort seiner Hauptniederlassung geltende Recht auf den Vertrag anzuwenden ist (vgl. OLG Düsseldorf RIW 1996, 958 mwN; Palandt/Heldrich, Art. 28 EGBGB Rn. 15), sofern sich nicht aus den Umständen ergibt, daß der Vertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist. Solche Umstände, die von einem üblichen Vertragshändlervertrag abweichen, sind weder dargetan noch sonstwie erkennbar. Da die Beklagte ihre Hauptniederlassung in Münster hat, ist insoweit deutsches Recht anzuwenden.
Für den Erfüllungsort ist dann § 269 I BGB maßgebend, also der Sitz des Schuldners. Schuldner der Schadensersatzforderung ist die Klägerin mit Sitz in Italien. Dies wiederum führt zur internationalen Zuständigkeit der italienischen Gerichte.
(2) Soweit die Beklagte wegen angeblicher Fehlmengen aus bereits bezahlten, nicht streitgegenständlichen Lieferungen offenbar Minderung (Art. 50 CISG) geltend machen und mit entsprechenden Rückzahlungsansprüchen (4.020,‑ DM und 7.068,‑ DM) aufrechnen will, ist der Erfüllungsort iSd Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ebenfalls in Italien. Hat der Minderung geltend machende Käufer den Kaufpreis bereits bezahlt, so kann er die Klage auf teilweise Rückzahlung (Art. 81 II CISG) am allgemeinen Gerichtsstand des Verkäufers oder am Gerichtsstand des Erfüllungsortes der Lieferpflicht erheben (vgl. Huber in v. Caemmerer/Schlechtriem, CISG, 2.Aufl., Art. 45 Rn. 63 und Art. 50 Rn. 16). In beiden Fällen liegt der Gerichtsstand in Italien, weil die Klägerin dort ihren Sitz hat und weil – soweit es um den Erfüllungsort ihrer Lieferpflicht geht – die Klägerin die Ware unstreitig dem ersten Beförderer in Italien übergeben hat (Art. 31 lit. a) CISG).
Soweit die Beklagte mit einem Anspruch wegen zurückgesandter, angeblich aber vorher schon bezahlter Ware (4.615,‑ DM) aufrechnen will, ist der Gerichtsstand ebenfalls in Italien. Sollte die Beklagte diesen Anspruch aus Art. 81 II CISG herleiten wollen, ergibt sich dies aus den vorstehenden Erwägungen. Sollte sie diesen Anspruch dagegen aus ungerechtfertigter Bereicherung herleiten wollen – für den Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ grds. nicht gilt (vgl. Geimer/Schütze, aaO, Art. 5 Rn. 32) – ergibt sich dies aus der dann wiederum maßgebenden allgemeinen Zuständigkeit nach Art. 2 I EuGVÜ.
cc) Die internationale Zuständigkeit des LG Münster zur Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte(n) Gegenforderung(en) wäre nach weit verbreiteter Ansicht auch dann zu bejahen, wenn das deutsche Gericht für die Entscheidung über eine entsprechende Widerklage zuständig wäre (Stein/Jonas/Leipold, § aaO, § 145 Rn. 40). Danach folgt die internationale Aufrechnungszuständigkeit aus der Widerklagezuständigkeit (Zöller/Greger, aaO, § 33 Rn. 8).
(1) Ob dieses Ergebnis nach der Entscheidung des EuGH vom 13.7.1995 noch aus Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ hergeleitet werden kann, ist zweifelhaft, kann im Ergebnis aber unentschieden bleiben. Denn nach dieser Vorschrift müssen Klage und Widerklage „auf denselben Vertrag oder Sachverhalt ... gestützt“ werden. Daran fehlt es hier. Gegenstand der Klage sind Kaufpreisforderungen aus einzelnen Kaufverträgen; Gegenstand der Widerklage wären Schadensersatzansprüche aus – wie eingangs dargelegt – einem davon rechtlich selbständigen Vertragshändlervertrag sowie anderen, rechtlich ebenfalls selbständigen vorherigen Kaufverträgen. Klage und Widerklage würden mithin auf verschiedenen Sachverhalten beruhen.
(2) Ebensowenig ließe sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus § 33 ZPO herleiten. Nach dieser Vorschrift kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch in Zusammenhang steht. Dabei muß es sich um einen rechtlichen Zusammenhang handeln. Ein solcher ist gegeben, wenn die geltend gemachten Ansprüche als Rechtsfolge aus demselben Tatbestand abgeleitet werden oder auf dasselbe Rechtsverhältnis zurückzuführen, mithin konnex sind (Zöller/Vollkommer, § 33 Rn. 15; Stein/Jonas/Schumann, § 33 Rn. 7). Auch daran fehlt es hier aus den unter (1) genannten Gründen. Die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen stehen mit der Klageforderung in keinerlei Zusammenhang, weder in dem erforderlichen rechtlichen und mangels Identität irgendwelcher Bestandteile des rechtsbegründenden Tatbestandes auch in keinem tatsächlichen.
(3) Schließlich liegt auch keiner der in Rspr. und Schrifttum anerkannten Ausnahmetatbestände vor, die die internationale Zuständigkeit für die hier zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen begründen könnten, etwa eine rügelose Einlassung der Klägerin oder eine unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderung (vgl. Geimer, IPRax 1994,82 mwN).
2. Aber selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht die internationale Zuständigkeit des LG Münster annehmen wollte, wäre die Berufung unbegründet, weil die Aufrechnung auch der Sache nach keinen Erfolg haben könnte. Dies ergibt sich aus folgenden (Hilfs-)Erwägungen:
a) Die Voraussetzungen und die Wirkung der Aufrechnung wären nach italienischem Recht zu beurteilen.
aa) Da die Aufrechnung selbst im CISG nicht geregelt ist, werden ihre Voraussetzungen und Wirkungen über Art. 32 Nr. 4 EGBGB der Rechtsordnung entnommen, die nach dem Internationalen Privatrecht für die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, gilt (h.M.; vgl. Senat IPRax 1996, 269; OLG Düsseldorf RIW 1996, 958; Schlechtriem, UN-Kaufrecht, Rn. 42). Danach ist über Art. 28 II EGBGB italienisches Recht anzuwenden, weil die in Italien ansässige Klägerin die für die Hauptforderung (Kaufpreisforderung) maßgebende charakteristische Leistung zu erbringen hat.
bb) Nach italienischem Recht richtet sich die Aufrechnung nach Art. 1241 – 1252 c.c.
(1) Die Aufrechnung tritt kraft Gesetzes ein, wenn die einander gegenüberstehenden Forderungen gleichartig, eintreibbar und entscheidungsreif sind (Art. 1243 I c.c.). Die Wirkung der Aufrechnung besteht darin, daß die beiden Verbindlichkeiten in dem Augenblick erlöschen, in dem sie sich aufrechenbar gegenüberstehen (vgl. dazu Kindler, IPRax 1996, 16, 20 mwN; OLG Stuttgart RIW 1995, 943). Entscheidungsreife bedeutet, daß beide Forderungen dem Grunde und der Höhe nach feststehen. Die italienische Rspr. vertritt hierzu die Auffassung, daß bestrittene Forderungen nur dann entscheidungsreif sind, wenn das Bestreiten – der tatsächlichen Grundlagen der Forderung – offensichtlich unbegründet ist (Kindler, aaO). Dies kann hier aber weder hinsichtlich des Bestreitens der tatsächlichen Grundlagen der Schadensersatzforderung noch hinsichtlich des Bestreitens der übrigen Aufrechnungsforderungen angenommen werden. Weder ist es offensichtlich unbegründet, wenn die Klägerin gegenüber dem Schadensersatzanspruch einwendet, daß der Vertrag vom Juli 1992 aufgrund des Schreibens vom 29.3.1995 sich nicht automatisch über den 31.7.1995 hinaus verlängert und deshalb auch keine Lieferverpflichtung für sie mehr bestanden habe. Noch ist es offensichtlich unbegründet, wenn die Klägerin die angeblichen Fehlmengen aus vorhergehenden Lieferungen bestreitet und hinsichtlich des Rückzahlungsanspruches einwendet, daß die von der Beklagten zurückgesandte Ware dieser zuvor gar nicht in Rechnung gestellt worden sei.
(2) Fehlt es – wie hier – an der Entscheidungsreife, dann besteht die Möglichkeit, die nicht liquide Forderung im Wege der Widerklage geltend zu machen; das Gesetz spricht in Art. 1243 II c.c. von gerichtlicher Aufrechnung (Kindler, aaO). Sie setzt voraus, daß die Gegenforderung leicht und schnell festzustellen ist. Dabei sind Komplexität und Dauer einer evtl. erforderlichen Beweisaufnahme die Kriterien, anhand derer die italienische Rspr. das Erfordernis der leichten und schnellen Feststellbarkeit der Aufrechnungsforderung prüft (Kindler, aaO). Hier wären die Gegenforderungen allenfalls in dem Sinne „leicht und schnell“ festzustellen, daß sie nicht begründet sind.
(a) Die geltend gemachte Schadensersatzforderung wegen Verletzung des exklusiven Vertriebsvertrages richtet sich – wie bereits dargelegt nach deutschem Recht. Als Anspruchsgrundlage käme pVV in Betracht.
Die Voraussetzungen für einen, solchen Anspruch liegen aber nicht vor, weil die Vertragsbeziehung der Parteien vor dem Zeitpunkt, für den die Beklagte eine (verletzte) Lieferpflicht herleiten will, beendet worden ist. Unstreitig sollte sich der Vertrag vom Juli 1992 automatisch um drei Jahre verlängern, falls nicht eine der beiden Vertragsparteien drei Monate vor dem 31.7.1995 die Kündigung erklärte („give the notice“). Das Schreiben der Klägerin vom 29.3.1995 stellt eine solche „notice“ dar. Denn in ihm wird klar zum Ausdruck gebracht, daß sich der Vertrag nicht automatisch verlängern sollte („will not be automatically renewed“), sondern daß man über eine Verlängerung zunächst neu verhandeln müsse („the renewal will have to be discussed ...“); dies bedeutet nichts anderes als eine Kündigung.
Das hat offenbar die Beklagte zunächst auch selbst so aufgefaßt, da nach ihrer Behauptung eine Verhandlung über eine – bei fehlender Kündigung an sich nicht erforderliche – Verlängerung am 20.4.1995 in … stattgefunden und zu dem Ergebnis geführt habe, daß der Vertrag zumindest bis zum 31.7.1996 verlängert worden sei. Dabei kann der Senat offen lassen, ob dieses – von der Klägerin bestrittene – Ergebnis zutrifft, weil es jedenfalls keine Rechtswirkungen entfalten würde. Denn durch die Einräumung eines Alleinvertriebsrechtes an einen Vertragshändler geht der Hersteller eine Absatzbeschränkung iSd – nach deutschem Recht anwendbaren – § 18 I Nr. 2 GWB ein. Der Vertrag bedarf deshalb der Schriftform nach § 34 GWB. Danach muß der gesamte Vertrag einschließlich aller Nebenabreden, d.h. alles was die Parteien tatsächlich vereinbart haben, schriftlich niedergelegt und unterschrieben werden. Der angeblich am 20.4.1995 vereinbarten Verlängerung des Vertrages fehlt diese Schriftform. Die Verletzung des Formerfordernisses führt gem. §§ 125, 139 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages, zumindest soweit es um die hier in Rede stehende Ausschließlichkeitsabrede geht (vgl. Semler in Münchener Vertragshandbuch, Handels- und Wirtschaftsrecht, Bd.2, S. 26).
(b) Hinsichtlich der übrigen Gegenforderungen will die Beklagte offenbar nach Art. 45 I lit. a) CISG die in Art. 46 bis 52 vorgesehenen Rechte ausüben – wobei vornehmlich ein Anspruch aus Minderung nach Art. 50, 51 CISG in Betracht zu ziehen wäre – oder aber einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die Nichtberechtigung dieser Ansprüche kann aber schon deshalb „leicht und schnell“ festgestellt werden, weil die Beklagte in beiden Instanzen weder für die behaupteten Fehlmengen noch für die behauptete vorherige Bezahlung der zurückgesandten Ware Beweis angetreten hat.