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Zusammenfassung der Entscheidung Der klagende Rechtsanwalt, mit Kanzleisitz in Deutschland, begehrte von dem in Luxemburg wohnhaften Beklagten die Zahlung eines Honorars für die Anfertigung von Vertragsentwürfen. Diese wurden dem Beklagten in Düsseldorf übergeben. Die Klage vor den deutschen Gerichten wurde vor Inkrafttreten der Brüssel I-VO bei Gericht eingereicht, aber erst nach deren Inkrafttreten am 28.5.2003 zugestellt.
Das OLG Düsseldorf (DE) verneint die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Diese richte sich vorliegend nach der Brüssel I-VO, welche insbesondere in zeitlicher Hinsicht anwendbar sei. Die Klage sei zwar vor Inkrafttreten der Verordnung bei Gericht eingereicht worden; maßgebend für die Frage, wann die Klage i.S.v. Art. 66 Abs. 1 Brüssel I-VO als "erhoben" anzusehen ist, sei jedoch der Zeitpunkt der Zustellung. Hieran ändere auch Art. 30 Nr. 1 Brüssel I-VO, der den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts für die Zwecke der Art. 27, 28 Brüssel I-VO auf die Klageeinreichung vorverlegt, nichts. Diese Bestimmung sei auf den zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung ohne Einfluss. Der Sitz der Kanzlei des Klägers liege zwar in Deutschland, so dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 lit. b) Brüssel I-VO an dem für alle Streitigkeiten aus einem Dienstleistungsvertrag einheitlich zu bestimmenden Erfüllungsort in Betracht komme. Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO sei indessen hier nach der "Luxemburg-Klausel" des Art. 63 Brüssel I-VO nicht anwendbar. Der "Bestimmungsort" i.S. dieser Vorschrift sei mit dem Erfüllungsort i.S.v. Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO nicht identisch. "Bestimmungsort" sei vielmehr der Ort, an dem die Leistung dem Gläubiger bestimmungsgemäß, nämlich nach dem Vertragsinhalt, zugute kommen solle. Unerheblich sei hingegen der Ort der tatsächlichen Erbringung der Dienstleistung. Damit liege der Bestimmungsort aber in Luxemburg.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
A. Das zulässige Rechtsmittel, das sich nur gegen den Beklagten zu 4. richtet, hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die u. a. gegen den Beklagten zu 4 (nachfolgend Beklagter genannt) auf Honorarzahlung erhobene Klage (99.411,41 EUR nebst gesetzlicher Zinsen) im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine günstigere Entscheidung. Zur Begründung und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf das angefochtene Urteil und die Erwägungen des Senats in seinem Hinweisbeschluss vom 03. November 2005 Bezug genommen.
I. Dort hat der Senat zur Frage der Zulässigkeit der Klage gegen den in Luxemburg residierenden Beklagten u. a. das Folgende ausgeführt:
„1. Zutreffend ist ... der Einwand der Berufung, dass es im Streitfall in Bezug auf den ... Beklagten nicht um die vom Landgericht allein geprüfte (und verneinte) Frage nach der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts geht. Es geht vielmehr um die Frage nach der internationalen Zuständigkeit der inländischen Gerichte.
2. Die internationale Zuständigkeit richtet sich ... nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, ABl. EG L 012 v. 16. Januar 2001 S. 1, nachfolgend Verordnung genannt), die am 1. März 2002 in Kraft getreten ist (Art. 76 S. 1 EuGVVO). Die internationale Zuständigkeit richtet sich nicht (mehr), wie der Beklagte meint, nach dem am 28. Februar 2002 außer Kraft getretenen Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 09. Oktober 1978 (EuGVÜ, nachfolgend Übereinkommen genannt). Die Klage ist zwar vor dem Inkrafttreten der Verordnung, nämlich am 21. Dezember 2001 bei Gericht eingereicht worden. Sie ist aber erst nach deren Inkrafttreten, nämlich am 28. Mai 2003 zugestellt worden (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO). Ferner ist gemäß Art. 1 Abs. 1 und 3 EuGVVO der sachliche und räumliche Geltungsbereich der Verordnung eröffnet.
a) An diesem Ergebnis ändert entgegen der Meinung des Beklagten auch nichts Art. 30 Nr. 1 EuGVVO. Danach wird der Zustellungszeitpunkt für bestimmte Verfahrenswirkungen („Für die Zwecke dieses (9.) Abschnitts“) und unter bestimmten Voraussetzungen (ähnlich wie im Fall des § 167 ZPO) auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung vorverlegt. Mit dieser Bestimmung kann nicht der zeitliche Anwendungsbereich des Übereinkommens erweitert und der der Verordnung entgegen Art. 66 Abs. 1 EuGVVO eingeschränkt werden (so zutreffend OLG Koblenz, Urteil vom 07.03.2003 – 23 U 199/02 -zit. nach juris, Textdokument Nr: KORE437302003 ...; ebenso OLG Düsseldorf -23. ZS- OLGR Düsseldorf 2004, 208) ... .
b) Aus der Anwendbarkeit der Verordnung folgt, dass auch Art. 5 Nr. 1 lit a und lit. b, 2. Halbsatz EuGVVO zu beachten ist. Nach dieser Bestimmung kann eine Person mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat bei Streit um Ansprüche aus Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat verklagt werden, in dem die Dienstleistungen erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Die herrschende Meinung in der Literatur (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 3; Musielak/Weth, ZPO, 4. Aufl., VO (EG) 44/2001 Art. 5 Rn. 7; Jayme/Kohler IPRax 1999, 401, 405; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325, 328; Hausmann EuLF (D) 2000/01, 40, 44) leitet daraus eine internationale Zuständigkeit der Gerichte am Erfüllungsort für alle Streitigkeiten aus Dienstleistungsverträgen ab, also nicht nur für die vertragstypische Leistung, sondern auch für den Zahlungsanspruch. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung hat sich dieser Auffassung angeschlossen (vgl. OLG Koblenz aaO; OLG Düsseldorf aaO mwN; OLG Naumburg, Beschl. v. 20. Dezember 2002, 2 W 5/02, zit. nach juris Textdokument Nr: KORE437182003; LG München II IPRax 2005, 143; ebs. Oberster Gerichtshof Wien IPRax 2004, 349). Danach wären abweichend von der örtlichen Zuständigkeit nach nationalem Recht gemäß § 29 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB (vgl. dazu BGH NJW 2004, 54) die inländischen Gerichte am Kanzleisitz des Rechtsanwalts auch für dessen Zahlungsklagen international und damit auch örtlich zuständig.
c) Im Streitfall findet Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO indessen keine Anwendung. Das folgt aus Art. 63 EuGVVO, der es der in Luxemburg residierenden, aber vor einem anderen gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO zuständigen Gericht eines Mitgliedstaates verklagten Partei erlaubt, die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, wenn Bestimmungsort der Dienstleistung Luxemburg ist (so genannte Luxemburg-Klausel). Die Voraussetzungen der Luxemburg-Klausel liegen hier vor. Bestimmungsort der von den Rechtsanwälten der Klägerin geschuldeten Dienstleistungen war Luxemburg.
aa) Der Bestimmungsort im Sinne des Art. 63 Abs. 1 EuGVVO ist nicht identisch mit dem Erfüllungsort des Art. 5 Nr. 1 EuGVVO (vgl. Schlosser, EUR-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 64 EuGVVO Rn. 1; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 63 Rn. 2). Wäre es so, wäre die Luxemburg-Klausel überflüssig. Ihr Sinn besteht gerade darin, einem Luxemburger Residenten unter der Voraussetzung, dass ihm die gefragte Dienstleistung an seinem Wohnsitz zugute kommen soll (Kropholler aaO), den allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO zu erhalten.
bb) Im Streitfall kamen die von der Klägerin geschuldeten Arbeitsergebnisse (Vertragsentwürfe) dem Beklagten an seinem Wohnsitz unmittelbar zugute. Denn dort war er auch beruflich tätig. Die Vertragsentwürfe konnte er typischerweise nur dort auf Richtigkeit und Tauglichkeit prüfen und seine weiteren Entschließungen auf der Grundlage der Arbeitsergebnisse treffen.“
II. An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Die dagegen noch vorgebrachten Einwendungen der Klägerin, die sich gegen die Anwendung der „Luxemburg-Klausel“ richten, greifen nicht durch.
1. Die Klägerin meint, der Begriff „Bestimmungsort“ im Sinne des Art. 63 Abs. 1 EuGVVO sei unter Heranziehung des englischsprachigen Begriffs („final place of delivery“) dahin auszulegen, dass damit zwar nicht der Ort gemeint sei, an dem die Arbeitsergebnisse dem Gläubiger rechtlich geschuldet werden, aber sehr wohl der Ort der tatsächlichen Übergabe oder Ablieferung der Leistung. Da die Arbeitsergebnisse dem Beklagten stets in Düsseldorf übergeben worden seien, seien die inländischen Gerichte auch international zuständig.
2. Diese Rechtsauffassung ist unrichtig. Sie entspricht nicht dem Sinn und Zweck der Luxemburg-Klausel. Deren Sinn und Zweck bestand gemäß Art. I Abs. 1 des Protokolls vom 27. September 1968 in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26. Mai 1989 (BGBl 1994 II, 519, 530, abgedr. bei Zöller/Geimer, ZPO, 23. Aufl. Anh. I EuGVÜ aE) historisch sowie gemäß Art. 63 Abs. 1 EuGVVO aktuell und unverändert darin zu verhindern, dass in einer zu großen Zahl von Fällen Verfahren der Luxemburgischen Justiz entzogen werden, obwohl die beklagte Partei besondere Beziehungen zu diesem Vertragsstaat unterhält (BGH NJW 2003, 2609; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Art. I Protokoll Rn. 1 und 3; Schlosser EuGVÜ, Einl. Rn. 5). Mit dem Begriff „Bestimmungsort“ ist im Gegensatz zum Begriff „Erfüllungsort“ deshalb der Ort gemeint, an dem der Gläubiger in den Genuss der Leistung (Lieferung beweglicher Sachen oder Erbringung von Dienstleistungen) kommt (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 63 Rn. 2). Maßgeblich ist deshalb entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, an welchem (etwa bei Abholung zufälligen) Ort der Gläubiger die Leistung tatsächlich in Empfang nimmt, sondern der Ort, an dem sie dem Gläubiger bestimmungsgemäß, nämlich nach dem Vertragsinhalt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, zugute kommen soll. Das ist regelmäßig und auch hier der Wohnsitz des Gläubigers, also der Ort, wo sich sein Lebensmittelpunkt befindet und wo er in den Genuss der Leistung kommt (§ 7 Abs. 1 BGB). In diesem Sinne ist auch der englischsprachige Begriff „final place of delivery“ zu verstehen. Dass die Parteien bei Vertragsschluss bestimmt haben, dass der Beklagte die Leistung (nur) im Inland nutzen darf, behauptet selbst die Klägerin nicht.
3. Fehl geht auch die Ansicht der Klägerin, der Senat könne diese Rechtsfrage nicht im Beschlussverfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO entscheiden. Zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung durch Urteil nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Der Bundesgerichtshof hat in der schon zitierten Entscheidung (NJW 2003, 2609), in dem es um die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte bei einer Klage gegen eine beklagte Gesellschaft mit Satzungssitz in Luxemburg ging, ausgesprochen, dass im Rügefall der Gerichtsstand des Erfüllungsorts im Inland (Erfüllung der Einlagepflicht zugunsten einer im Inland residierenden Gesellschaft) gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVVO grundsätzlich nicht gegeben ist (vgl. ebs. Oberster Gerichtshof Wien, Entscheidung vom 16. Januar 2001, Az: 5 Ob 4/01a zu Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens, zit. nach juris Textdokument Nr: KORE535712002). In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall waren die inländischen Gerichte nur deshalb zuständig, weil die luxemburgische Residenz der dortigen Beklagten nicht effektiv, sondern nur in Gestalt eines „Briefkastens“ gewesen ist. Dass der Beklagte tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt in Luxemburg hat, ist im Streitfall indes unumstritten. Die Rechtssache hat im Übrigen auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
III. Auf die weitere Frage, ob der Anspruch darüber hinaus auch sachlichrechtlich wegen Eintritts der Verjährung unbegründet ist, kommt es nicht mehr an.