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Zusammenfassung der Entscheidung Ein Gericht in Genua (IT) verurteilte die Agentin der Antragsgegnerin zur Zahlung. Nach Art. 288 in Verbindung mit Art. 2204 Abs. 2 des italienischen Codice della Navigazione vertritt der Agent den Reeder des Verfrachters im Prozess, so dass Klagen gegen letzteren gegen den Agenten geführt werden können. Die Antragsstellerin beantragte, dieses Urteil gegenüber der Antragsgegnerin für das Gebiet der BRD für vollstreckbar zu erklären.
Das Landgericht Hamburg (DE) weist den Antrag zurück. Wäre der Antrag auf Vollstreckbarerklärung gegen die Agentin gerichtet, wäre er begründet. Obwohl jedoch nach italienischem Recht die Agentin die Antragsgegnerin prozessrechtlich wirksam vertreten hätte, sei im Hinblick auf Art. 27 Nr. 1 und 2 EuGVÜ eine Vollstreckbarerklärung gegenüber der Antragsgegnerin nicht statthaft. Diese hätte keine Kenntnis von der Klage gehabt, ihr sei das Urteil nicht zugestellt worden und sie hätte keinerlei Einflussmöglichkeit auf das Verfahren gehabt. Dazu komme, dass auch im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung der Antragsgegnerin keine Gelegenheit zu rechtlichem Gehör gegeben sei.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin, eine Aktiengesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in G – im folgenden S (S) genannt – hat am 31. Mai 1975 ein Urteil des Landgerichts Genua gegen die C s.a.s. – im folgenden C genannt – erwirkt, durch das die C als Agent des Verfrachters Tankreederei... KG in H – im folgenden Antragsgegnerin genannt – sowie des Schiffes „G W“ verurteilt worden ist, an die S 11.248.266,– Lit. (italienische Lire) nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 18. Februar 1974 sowie die Prozeßkosten zu zahlen, die mit insgesamt 495.000,– Lit. für Honorare festgesetzt worden sind.
Die S beantragt, dieses Urteil gegenüber der Antragsgegnerin für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar zu erklären.
Die Tankreederei... KG hat, wie sich aus dem vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg (Anlage 7) ergibt, gemäß Eintragung vom 28. März 1977 ihre Firma geändert in „R & Co KG“, dem jetzigen Namen der Antragsgegnerin.
II. 1. Die Entscheidung des Landgerichts Genua ist in einer Handelssache ergangen.
Maßgebend für die Vollstreckbarerklärung ist das Europäische Übereinkommen vom 27. September 1968 (Übk) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Gesetz vom 24. Juli 1972) nebst Ausführungsgesetz vom 29. Juli 1972. Das Übereinkommen ist am 1. Februar 1973 in Kraft getreten und ersetzt gemäß Art. 55 das deutsch-italienische Vollstreckungsabkommen von 1936.
2. Durch das Urteil des Landgerichts Genua ist nicht die Antragsgegnerin, sondern die C verurteilt worden. Aus dem Tenor des Urteils und auch aus seiner Begründung geht hervor, daß die C in ihrer Eigenschaft als Agentin der Antragsgegnerin verurteilt worden ist. Nach Art. 288 des Codice della navigazione (Cod. nav.) in Verbindung mit Art. 2204 Abs. 2 Codice civile (Cod. civ.) vertritt der Agent den Reeder des Verfrachters auch im Prozeß, so daß Klagen gegen letzteren gegen den Agenten geführt werden können; daß die C autorisierter Vertreter der Tankreederei D & Co KG gewesen ist, ist in den Urteilsgründen, an die das Vollstreckungsgericht gebunden ist, festgestellt worden.
III. Ein gegen die C gerichteter Antrag auf Vollstreckbarerklärung wäre – ohne daß dies hiermit abschließend festgestellt sein soll – nach dem EG-Übk. begründet:
Die S hat einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt zu ihrem Verfahrensbevollmächtigten bestellt (§ 4 Abs. 3 AusfGes. in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 Satz 2 Übk.). Sie hat eine Urteilsausfertigung nebst einer von dem beeidigten Übersetzer M gefertigten Übersetzung in die deutsche Sprache vorgelegt.
Aus der im Original vorliegenden Bescheinigung des zuständigen Gerichtsvollziehers vom 11. Oktober 1976 mit der beigehefteten Empfangsbestätigung des Empfängers ergibt sich, daß das Urteil der C am 13. Oktober 1976 zugestellt worden ist. Das Urteil ist vollstreckbar, wie sich aus der gerichtlichen Bestätigung vom 20. April 1977 (Anlage 1, 4) ergibt.
Klage und Ladung zum Verhandlungstermin vom 22. Oktober 1974 sind der C am 4. Juli 1974 durch den Gerichtsvollzieher G zugestellt worden (Anlage 5, 6).
Die Voraussetzungen der Art. 46 Nr. 1, 2 und 47 Nr. 1 Übk. gegenüber der C sind somit erfüllt; auch ist die in § 3 AusfGes. vorgesehene Form des Antrags gewahrt.
Obwohl nach italienischem Recht die Antragsgegnerin durch ihre G Agentin auch prozeßrechtlich vertreten wird, hält das erkennende Gericht im Hinblick auf Art. 27 Nr. 1 und 2 Übk. es zum Schutze des inländischen Schuldners nicht für statthaft, die Vollstreckung des Urteils für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland für zulässig zu erklären. Selbst wenn nach italienischem Recht der Reeder im Prozeß gesetzlich durch den Agenten vertreten wird und dem Reeder in einem solchen Fall keine Einwendungen gegen das Urteil zustehen (vgl. Righetti, Il raccomandatario marittimo, 1965 S. 196 ff., 198; Manca, Studi di diritto della navigazione I, 1959, S. 275; Trib. Napoli 18. 12. 1956, Riv. Dir. Nav. 1957 II 352 mit Anm. Albano), widerspricht es der deutschen öffentlichen Ordnung, hinsichtlich der Auswirkungen des Urteils in Deutschland einen deutschen Schuldner einer derartigen Regelung zu unterwerfen. Die Antragsgegnerin hat von der Klage keine Kenntnis gehabt, ihr ist auch das Urteil nicht zugestellt worden. Damit ist ihr jegliche Einflußmöglichkeit auf das Prozeßgeschehen genommen und sie konnte sich auch nicht gegen das passive Verhalten der C wehren, die sich auf den Rechtsstreit nicht eingelassen hat. Von einem Reeder, der sich im Auslandsverkehr betätigt, kann nicht erwartet werden, daß er über alle speziellen Befugnisse, die die einzelnen Staaten möglicherweise dem Reedereiagenten gewähren, informiert ist und somit eine vom dortigen Gesetzgeber gewährte Prozeßvertretung durch seinen Willen gedeckt ist. Die von Art. 288 Cod. nav. bezweckte Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs findet ihre Grenze dort, wo sie möglicherweise nicht mehr im Einklang mit dem Willen eines der ausländischen (nicht italienischen) Beteiligten steht. Hinzu kommt, daß auch das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung in dieser Instanz der Antragsgegnerin keine Gelegenheit zu rechtlichem Gehör gibt (Art. 34 Abs. 1 Übk.).
Aus diesen Gründen war der Antrag zurückzuweisen.