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Zusammenfassung der Entscheidung Das Bezirksgericht Maloja (CH) verpflichtete den Schuldner, dem Gläubiger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das Landgericht Zwickau (DE) erteilte dieser Abschreibungsverfügung die Vollstreckungsklausel. Dem Schuldner wurde am 31.05.1996 eine mit dem Text einer Vollstreckungsklausel versehene beglaubigte Abschrift der Abschreibungsverfügung zugestellt. Seine Beschwerde vom 02.09.1996 wurde durch das Oberlandesgericht Dresden (DE) als verspätet verworfen. Hiergegen legte er Rechtsbeschwerde ein.
Der Bundesgerichtshof (DE) gab der Rechtsbeschwerde statt. Die Monatsfrist nach § 11 Abs. 2, 3 AVAG beginne mit der Zustellung des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Schuldtitels zu laufen. Eine rechtswirksame Zustellung sei jedoch nicht erfolgt. Zum einen sei die Vollstreckungsklausel in der dem Schuldner zugestellten Sendung nicht unterschrieben und stelle daher lediglich einen Entwurf dar. Zum anderen könne zwar nach Art. 36 LugÜ die Rechtsmittelfrist auch durch die Zustellung der richterlichen Entscheidung, dass die Zwangsvollstreckung zugelassen werde, in Gang gesetzt werden. Die Zustellung der rein innerdienstlichen Anweisung an die Urkundsbeamtin, die Klausel zu erteilen genüge aber nicht, da der Schuldner ihr nicht hinreichend entnehmen könne, dass sie in seine Rechte eingreife, zumal er nicht einmal namentlich erwähnt werde.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Durch Abschreibungsverfügung vom 8. Juni 1995 verpflichtete das Bezirksgericht Maloja (Schweiz) den Schuldner, den Gläubiger wegen seiner außergerichtlichen Kosten in Höhe von 10.920,50 sfr zu entschädigen. Auf Antrag des Gläubigers verfügte der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts Zwickau gemäß § 7 AVAG, diesen Teil der Abschreibungsverfügung mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Dem Schuldner wurde am 31. Mai 1996 eine mit dem Text einer Vollstreckungsklausel versehenen beglaubigten Abschrift der Abschreibungsverfügung zugestellt. Mit einem am 2. September 1996 eingegangenen Schriftsatz wandte sich der Schuldner gegen diese Maßnahme. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht das als Beschwerde ausgelegte Schreiben als unzulässig, weil verspätet, verworfen. Dagegen wendet sich der Schuldner mit der Rechtsbeschwerde.
II. Das gemäß § 17 Abs. 1 AVAG, § 547 ZPO zulässige Rechtsmittel ist begründet.
1. Gemäß § 11 Abs. 2 und 3 AVAG konnte der im Gerichtsbezirk wohnende Schuldner gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung innerhalb eines Monats Beschwerde einlegen, beginnend mit der Zustellung des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Schuldtitels. Eine solche Zustellung ist hier nicht in rechtswirksamer Weise erfolgt.
a) Der Schuldner hat zwar zugestanden, daß ihm am 31. Mai 1996 der mit dem Text einer Vollstreckungsklausel versehene Schuldtitel zugestellt worden ist. Der von ihm mit der Rechtsbeschwerde vorgelegte Inhalt der zugestellten Sendung läßt aber erkennen, daß die Vollstreckungsklausel – entgegen § 8 Abs. 3 AVAG – nicht unterschrieben war. Unter dem Wortlaut der Klausel befindet sich lediglich der Vermerk:
„Für die Richtigkeit der Abschrift“.
Nur dieser Richtigkeitsvermerk ist als solcher unterzeichnet. Er weist gerade das Fehlen einer Unterschrift unter der Klausel selbst aus. Soweit die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang neues tatsächliches Vorbringen unterbreitet, ist es zulässig, weil die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels von Amts wegen zu prüfen ist. Der Gläubiger hat dem tatsächlichen Vortrag nicht widersprochen. Ihm entspricht es im übrigen, daß sich auch bei den Gerichtsakten keine unterschriebene Klausel befindet (vgl. Bl. „zu 7“ zwischen Bl. 7 u. 8 GA).
Eine nicht unterzeichnete Vollstreckungsklausel stellt lediglich einen Entwurf dar. Ihre Zustellung ist unwirksam (vgl. für nicht unterschriebene Urteile BGHZ 42, 94, 96; BGH, Urt. v. 14. Januar 1953 – VI ZR 50/52, NJW 1953, 622, 623 f, insoweit nicht in BGHZ 8, 303; OGH NJW 1950, 309; LAG Köln BB 1968, 768; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 310 Rn. 27; Zöller/Vollkommer, ZPO 20. Aufl. § 315 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Musielak, § 315 Rn. 12; für den nicht unterschriebenen Ausfertigungsvermerk eines Urteils auch BGH, Urt. v. 10. Juni 1964 – VIII ZR 286/63, LM § 317 ZPO Nr. 8). Sie setzt keine Notfristen in Lauf (vgl. BGH, Urt. v. 19. September 1977 – II ZR 43/77, VersR 1978, 138 f; v. 21. Mai 1980 – VIII ZR 196/79, JR 1980, 506, 507; Beschl. v. 18. April 1984 – IVa ZB 2/84, VersR 1984, 586; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 55. Aufl. § 315 Rn. 10).
b) Die über die Zustellung aufgenommene Postzustellungsurkunde (§§ 212, 195 Abs. 2 ZPO) weist hier ebenfalls keine rechtswirksame Zustellung aus. Zwar hätte die Rechtsmittelfrist gemäß dem Wortlaut des Art. 36 des Übereinkommens vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: LugÜbk) möglicherweise auch durch die Zustellung der richterlichen Entscheidung in Gang gesetzt werden können, daß die Zwangsvollstreckung zugelassen wird. Zu diesem Zweck müßte diese aber in einer an den Schuldner gerichteten Beschlußform ergehen (vgl. OLG Hamm MDR 1978, 324), die ihm die Bedeutung der Maßnahme erkennbar macht. Statt dessen ist im vorliegenden Fall nach dem Vermerk auf der Zustellungsurkunde (angeblich) „Bl. 12“ zugestellt worden. Mit dieser Blattzahl ist in den Akten die „Verfügung“ des Vorsitzenden bezeichnet, die in Form einer innerdienstlichen Anweisung an die Urkundsbeamtin gefaßt wird, die Klausel zu erteilen. Wäre diese rein interne Anordnung dem Schuldner zugestellt worden, so hätte er daraus nicht hinreichend entnehmen können, daß sie in seine Rechte eingreifen sollte: Er war darin nicht einmal namentlich erwähnt. Es kommt somit nicht entscheidend darauf an, daß die Bezeichnung auf der Zustellungsurkunde nicht mit den Schriftstücken übereinstimmt, welche der Schuldner als ihm zugestellt vorgelegt hat.
Zwar ist die Verfügung des Vorsitzenden – welcher der Urkundsbeamte zu entsprechen haben wird – existent geworden und mit der Beschwerde angreifbar. Da jedoch die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt worden ist, hat der Schuldner rechtzeitig Beschwerde eingelegt.
2. Das Beschwerdegericht wird deshalb die Begründetheit des Rechtsmittels prüfen müssen. Dazu weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
Gegen die zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts (S. 3 u. 4), daß das Lugano-Übereinkommen im vorliegenden Fall anwendbar ist, wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Recht nicht mehr. Der Schuldner hat auch nicht substantiiert dargetan, daß die Anerkennung der Abschreibungsverfügung gegen Art. 27 Nr. 1 LugÜbk verstoßen könnte: Nachdem er selbst eine Klage vor dem Bezirksgericht Maloja zurückgenommen hatte, mußte er damit rechnen, daß er die Kosten zu tragen hatte; auch oblag es ihm, sich insoweit selbst nach dem Fortgang zu erkundigen.
Dagegen ist im Hinblick auf § 15 AVAG der unstreitige Umstand zu berücksichtigen, daß der Gläubiger die für ihn am 8. Juni 1995 titulierte Forderung am 1. Februar 1996 an seinen Rechtsanwalt abgetreten hat. Die Frage, ob der Schuldner durch eine Leistung auf die titulierte Forderung dennoch gegenüber dem Abtretungsempfänger frei würde, richtet sich nach schweizer Recht (Art. 33 Abs. 2 EGBGB).