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Zusammenfassung der Entscheidung Die Antragsstellerin erwirkte gegen den Antragsgegner ein Versäumnisurteil des Arrondissementsgerichts von s-Hertogenbosch (NL). Dieses wurde, ebenso wie bereits die Klage, in den Niederlanden öffentlich zugestellt. Das Urteil wurde auf Antrag durch das Landgericht Düsseldorf (DE) in Deutschland für vollstreckbar erklärt. Hiergegen legte der Antragsgegner Beschwerde mit der Begründung ein, dass der Antragsstellerin sein Wohnsitz bekannt gewesen und eine öffentliche Zustellung damit unzulässig gewesen sei.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (DE) gibt der Beschwerde statt. Es liege entweder ein Versagungsgrund nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ oder nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ vor. Grundsätzlich sei das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Dies sei durch den Senat als Gericht des Anerkennungsstaates auch deswegen zu prüfen, weil Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ die Vorlage einer Urkunde verlange, aus der sich die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ergebe. Die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung hätten nicht vorgelegen, da gemäß § 4 der niederländischen Zivilprozessordnung der Antragsstellerin der Wohnsitz und der wirkliche Aufenthalt des Antragsgegners nicht bekannt sein dürfen. Daran seien nach deutschem Recht hohe Anforderungen zu stellen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Antragsstellerin den Anforderungen an die Nachforschung nach dem Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Antragsgegners gerecht wurde. Könnten jedoch die deutschen Maßstäbe nicht auf die Beurteilung der öffentlichen Zustellung nach niederländischem Recht angewandt werden, so würde das Verfahren nach der niederländischen Zivilprozessordnung einen Verstoß gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public darstellen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Antragstellerin erwirkte gegen den Antragsgegner das Versäumnisurteil des Arrondissementsgerichts von s-Hertogenbosch vom 18.07.1997 wegen Forderungen des von ihr ererbten Fußbodenbauunternehmens A in Höhe von 113.181,32 DM aus Fußbodenverlegungsarbeiten, die in der Zeit zwischen Mai und August 1992 im Auftrag des Antragsgegners in Deutschland durchgeführt worden seien. Das Versäumnisurteil wurde, wie schon die Klage vom 07.02.1997, in den Niederlanden öffentlich zugestellt.
Die Antragstellerin hat beantragt, das Urteil für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar zu erklären. Mit Beschluß des Vorsitzenden der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12.04.1999 ist antragsgemäß entschieden worden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, der geltend macht, die öffentliche Zustellung sei unzulässig gewesen, weil der Antragstellerin sein Wohnsitz bekannt gewesen sei. Er sei von 1994 bis zum 01.10.1997 in der U S 5 in D erreichbar gewesen. Dort habe er eine GmbH betrieben, als deren Geschäftsführer er dort täglich anwesend gewesen sei. Der Schwager der Antragstellerin habe ihn am 23.11.1995 in der U S 5 besucht und an diese Anschrift auch das Einschreiben vom 28.11.1995 gerichtet, welches der Antragsgegner in Kopie vorlegt.
Weiter trägt der Antragsgegner vor, er sei seit dem 10.07.1995 in Düsseldorf polizeilich gemeldet gewesen, und zwar bis zum 20.11.1998 in der R 18. Dazu überreicht er die Auskunft des Einwohnermeldeamtes der Stadt... vom 05.08.1999 (Bl. 57 GA).
Die Antragstellerin bestreitet, eine ladungsfähige Anschrift des Antragsgegners gekannt zu haben. Sie gibt an, „im Vorfeld“ Ermittlungen zum Aufenthaltsort des Antragsgegners unternommen zu haben. Dieser sei jedoch nicht greifbar gewesen. Sie habe zunächst die Anschrift W in Bonn ermittelt. Hiernach müsse der Antragsgegner umgezogen sein zur K, hiernach zur N. Anschließend sei der Antragsgegner ohne Abmeldung bei der Behörde untergetaucht.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
Gemäß Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine ausländische Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Die Nachprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung obliegt dem Senat als Gericht des Anerkennungsstaates, wie auch aus Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ hervorgeht, wonach die Partei, die die Anerkennung geltend macht oder die Zwangsvollstreckung betreiben will, eine Urkunde vorzulegen hat, aus der sich die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ergibt.
Die Zustellung der Klage war im vorliegenden Fall nicht ordnungsgemäß; denn die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung lagen nicht vor.
Gemäß § 4 der niederländischen ZPO – wie von der Antragstellerin in beglaubigter Übersetzung vorgelegt – hat die Zustellung an die Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft bzw. an eine dort zuständige Person zu erfolgen, wenn der Wohnsitz und der wirkliche Aufenthalt unbekannt sind. Daß diese Unkenntnis auf Seiten der Antragstellerin vorlag, kann nicht angenommen werden. An die Feststellung der Unbekanntheit des Aufenthalts sind nach deutschem Recht hohe Anforderungen zu stellen. Die Partei, die sich darauf beruft, hat darzulegen und nachzuweisen, daß sie das Erforderliche und Mögliche zur Prüfung des unbekannten Aufenthaltes getan hat (Zöller, ZPO, 21. Aufl., § 203 Rn. 2 mwN). Diesen Anforderungen wird, die Antragstellerin schon deshalb nicht gerecht, weil sie ohne Zeitangabe ihre „Ermittlungen“ schildert. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Antragstellerin zeitnah zur Klageeinreichung Nachforschungen nach dem Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Antragsgegners angestellt hätte. Auch geht die Antragstellerin nicht substantiiert auf die Darlegungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 10.08.1999 und auf die Vorlage der Auskunft des Einwohnermeldeamtes vom 05.08.1999 ein.
Aus diesen Gründen kann von einer ordnungsgemäßen Zustellung nach den Maßstäben deutschen Rechts nicht ausgegangen und das Versäumnisurteil infolge dessen nicht für vollstreckbar erklärt werden. Dieselben Maßstäbe sind aber auch bei der Beurteilung der öffentlichen Zustellung nach niederländischem Recht anzulegen, weil ansonsten festgestellt werden müßte, daß das Verfahren nach der niederländischen Zivilprozeßordnung von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechtes in einem solchen Maße abweicht, daß nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Dann wäre ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public zu konstatieren, der zu einer Versagung der Vollstreckbarerklärung nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ führen müßte.