Durch Urteil vom 18. Juni 1976 hat das Berufungsgericht in Rennes in Frankreich die Beklagten u.a. als Gesamtschuldner zur Zahlung eines vorläufigen Schadensersatzes von 200.000 FF an den Kläger verurteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf das genannte Urteil und auf das Urteil des Handelsgerichts Rennes vom 4. März 1975 (Anlagen zum Schriftsatz vom 11. Mai 1977) Bezug genommen. Das Urteil des Berufungsgerichts Rennes ist den Parteien zugestellt und nach französischem Recht vollstreckbar.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts Rennes haben die Beklagten den französischen Kassationshof angerufen. Dieser hat noch nicht entschieden.
Der Kläger hat bei dem Landgericht Stade beantragt, gemäß Art. 32 ff. EWG-Übereinkommen die Vollstreckungsklausel zu erteilen. Er hat von diesem Antrag die Kostenentscheidung des Urteils des Berufungsgerichts Rennes ausgenommen (Bl. 8 der Akten).
Durch Beschluß vom 16. Februar 1977 hat der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten, an den Kläger solidarisch einen vorläufigen Schadensersatz von umgerechnet 200.000 FF zu zahlen, zugelassen. Gegen diesen, dem Beklagten am 28. Februar 1977 zugestellten Beschluß haben die Beklagten am 28. März 1977 Beschwerde eingelegt.
Sie machen geltend, durch die Zulassung der Zwangsvollstreckung werde dem Gläubiger die Möglichkeit gegeben, nach Ablauf von einem Monat aus dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Berufungsgerichts Rennes zu vollstrecken, ohne daß sie die Möglichkeit hätten, die Vollstreckung abzuwenden oder der Kläger eine Sicherheit zu leisten hätte. Dieses verstoße – so meinen sie – gegen die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik. Zudem verstoße auch die Verurteilung zu einer „vorläufigen Schadensersatzleistung“ gegen die öffentliche Ordnung.
Sie beantragen,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag des Klägers abzulehnen,
hilfsweise, die Entscheidung über die Beschwerde bis zu einer Entscheidung über das Urteilsverfahren in Frankreich durch den Kassationsgerichtshof auszusetzen,
weiter hilfsweise, die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung bis zum Erlaß einer Entscheidung im Urteilsverfahren durch den Kassationsgerichtshof von der Leistung einer Sicherheit durch den Kläger abhängig zu machen.
Der Kläger stellt keinen Antrag.
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.
Der Kläger hat die nach Art. 32 ff. des EWG-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen erforderlichen Urkunden vorgelegt.
Die Vorschriften des europäischen Übereinkommens über die besonderen Zuständigkeiten in Versicherungssachen, Abzahlungsgeschäften und sonstigen ausschließlichen Zuständigkeiten (Abschnitt 3, 4 und 5 des Titels II des Übelreinkommens) sind nicht verletzt. Auch liegt ein Fall des Art. 59 nicht vor. Schließlich sind die Voraussetzungen des Art. 27 in Verbindung mit Art. 34 Abs. 2 des Übereinkommens nicht gegeben. Insbesondere widerspricht die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils des Berufungsgerichts Rennes nicht der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Das Berufungsgericht in Rennes hat die Beklagten zu einer „Abschlagszahlung“ in Höhe von 200.000 FF verurteilt (vgl. Seite 10 des genannten Urteils = Seite 12 der Übersetzung der vereidigten Dipl.-Übersetzerin …). Der endgültige Schaden soll erst durch eine Untersuchung der von dem Handelsgericht in Rennes bestellten Sachverständigen festgestellt werden. Der Urteilszusammenhang spricht dafür, daß das Berufungsgericht in Rennes meinte, bereits einen Mindestschaden in dieser Höhe feststellen zu können, so daß also über einen Teil des Betrages endgültig geurteilt wäre. Aber selbst wenn die Abschlagszahlung in dem Sinne gemeint sein sollte, daß eine Überprüfung des Schadens durch Sachverständige auch einen geringeren Schaden ergeben könnte und folglich der endgültig als Schadensersatz zu leistende Betrag niedriger sein könnte, so würde auch eine solche Verurteilung zu einer „vorläufigen“ Schadensersatzleistung nicht gegen den deutschen ordre public verstoßen. Derartige Vorbehaltsurteile sind dem deutschen Recht nicht fremd; das Gesetz sieht diese Form der Entscheidung vielmehr ausdrücklich zum Beispiel im Urkunden- und Wechselprozeß, § 599 ZPO, und im Zusammenhang mit der Aufrechnung, § 302 ZPO, vor.
Es verstößt ferner nicht gegen die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, daß ein Urteil bereits vor seiner Rechtskraft vollstreckbar ist. Der Umstand, daß die Beklagten, wie sie befürchten, bei Aufhebung des Urteils. des Berufungsgerichts Rennes durch den französischen Kassationsgerichtshof nach einer durchgeführten Zwangsvollstreckung aus rein tatsächlichen Gründen möglicherweise keinen oder nur unter erschwerten Umständen Schadensersatz zu erlangen vermögen, stellt als solcher keine derartig die Rechte der Kläger. beschneidende Situation dar, daß Sie mit der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht zu vereinbaren wäre. Im übrigen bietet das europäische Übereinkommen in Art. 38 Abs. 2 bereits selbst die Möglichkeit, den Bedenken der Beklagten Rechnung zu tragen und die Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Insbesondere aus den von den Beklagten geltend gemachten Gründen sieht der Senat es für angemessen an, von 38 Abs. 2 des EWG-Übereinkommens Gebrauch zu machen und – bis zur Rechtskraft des Urteils des Berufungsgerichts Rennes – die Zwangsvollstreckung von einer von dem Kläger zu. erbringenden Sicherheitsleistung in Höhe des Wertes der begehrten Zahlung abhängig zu machen.
Der Senat sieht davon ab, seine Entscheidung bis zur Entscheidung des französischen Kassationsgerichtshofs gemäß Art. 38 Abs. 1 EWG-Übereinkommen auszusetzen. Den schützenswerten Interessen der Beklagten ist bereits durch die Anordnung einer Sicherheitsleistung genüge getan. Der Kläger hat umgekehrt ein ebenfalls zu schützendes Interesse an der Möglichkeit einer baldigen Vollstreckung der Entscheidung des Berufungsgerichts Rennes. Einen besonderen Grund, der es gleichwohl rechtfertigen könnte, die Entscheidung des Senats auszusetzen, haben die Beklagten nicht dargetan.
Da der Rechtsbehelf der Beklagten ohne Erfolg geblieben ist, haben sie gemäß § 97 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.