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Zusammenfassung der Entscheidung Zwischen dem Antragsgegner und der Antragsstellerin war ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Während des Verfahrens erließ ein Gericht in Paris (FR) am 18.05.1977 die Entscheidung, dass der Antragsgegner der Antragsstellerin monatlichen Unterhalt zahlen sollte. Der auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Zahlung von monatlichem Unterhalt gerichtete Antrag der Antragsstellerin an die deutschen Gerichte in Frankfurt wurde in zwei Instanzen mit der Begründung abgewiesen, dass sie aus der französischen Entscheidung vollstrecken könne. Durch das Gericht in Paris (FR) wurde die Ehe der Parteien schließlich am 27.06.1978 geschieden. Das Landgericht Frankfurt (DE) ordnete die Erteilung der Vollstreckungsklausel für die französische Entscheidung vom 18.05.1977 an. Das Oberlandesgericht Frankfurt (DE) hob diese Entscheidung mit der Begründung wieder auf, dass das EuGVÜ gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 EuGVÜ keine Anwendung finde, da die Entscheidung eine vorläufige Anordnung im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens darstelle und die Anordnung nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens getroffen worden sei. Die Antragsstellerin erhob Rechtsbeschwerde.
Der Bundesgerichtshof (DE) gibt der Rechtsbeschwerde statt. Auf seinen Vorlagebeschluss habe der EuGH geantwortet, dass das EuGVÜ auch auf gerichtliche Entscheidungen über Unterhaltsansprüche Anwendung finden würde, die akzessorisch zu einem anhängigen Scheidungsstreit ergingen. Diese Entscheidung sei für die innerstaatlichen Gerichte bindend.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Zwischen den Parteien ist ein Ehescheidungsverfahren vor den Gerichten in Paris anhängig. Das Landgericht Paris hatte in diesem Verfahren am 18. Mai 1977 eine Entscheidung erlassen, nach der der Antragsgegner seiner Ehefrau, der Antragstellerin, monatlich 3.000 FF Unterhalt zahlen sollte. Ein im Wege der einstweiligen Verfügung bei den deutschen Gerichten in Frankfurt außerdem von der Ehefrau gestellter Antrag, den Ehemann ab 1. Juli 1977 zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 1.200 DM zu verurteilen, wurde in zwei Instanzen abgewiesen, weil die Antragstellerin aus der französischen, ihr Unterhalt zusprechenden Entscheidung vollstrecken könne.
Zwischenzeitlich ist die Ehe der Parteien durch Urteil des Landgerichts Paris vom 27. Juni 1978 aus beiderseitigem Verschulden geschieden und der Antragstellerin eine vorläufige Ausgleichsleistung von monatlich 2.000 FF zuerkannt worden. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Mit Beschluß vom 20. Dezember 1977 hat der Vorsitzende der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt angeordnet, daß die Entscheidung des Landgerichts Paris vom 18. Mai 1977, durch die ein Unterhaltsbetrag von monatlich 3.000 FF der Antragstellerin zuerkannt worden ist, mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Diese Entscheidung ist auf Beschwerde des Antragsgegners am 2. Mai 1978 vom Beschwerdegericht aufgehoben worden.
Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts. Sie beantragt, den Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 2. Mai 1978 aufzuheben und die Vollstreckbarkeitserklärung des Vorsitzenden Richters der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt vom 29. Dezember 1977 für rechtmäßig erteilt zu erklären, hilfsweise festzustellen, daß eine einstweilige Unterhaltsanordnung eines französischen Familiengerichts betreffend Ehegattenunterhalt in Deutschland gestützt auf §§ 328 und 606 ff. ZPO i.Vbg. mit Art. 7 § 1 FamRÄndG vom 11. August 1961 nicht anerkannt und somit auch nicht über diesen Weg für vollstreckbar erklärt werden kann.
Der Antragsgegner beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
II. Auf Vorlagebeschluß des erkennenden Senats vom 27. Juni 1979 hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften am 6. März 1980 (Rechtssache 120/79) für Recht erkannt:
Das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist anwendbar sowohl auf die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung eines französischen Richters in einem Ehescheidungsverfahren, durch die einer der Parteien des Scheidungsstreits ein monatlicher Unterhaltsbetrag zuerkannt wird, als auch auf eine in einem französischen Ehescheidungsurteil einer Partei gem. Art. 270 ff. des französischen Code civil zuerkannte, monatlich zu zahlende einstweilige Ausgleichsleistung.
III. Die zugelassene Rechtsbeschwerde, die in rechter Form und Frist erhoben worden ist (§§ 17 ff. AG EGÜbk vom 29. Juli 1972 – BGBl I 1328), hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß das europäische Übereinkommen hier nicht anwendbar sei (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 EGÜbk), weil es sich bei der Entscheidung des Landgerichts Paris vom 18. Mai 1977 um eine vorläufige Anordnung im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens handele und die Anordnung nur für die Dauer des Scheidungsverfahrens getroffen worden sei.
2. Aufgrund des Urteils des europäischen Gerichtshofs vom 6. März 1980 in dieser Sache, die auf Vorlage des erkennenden Senats gemäß Art. 3 des Protokolls vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des europäischen Übereinkommens (BGBl 1972 II 846) ergangen ist, steht für die innerstaatlichen Gerichte bindend fest, daß die Rechtsmeinung des Beschwerdegerichts nicht zutrifft. Das europäische Übereinkommen findet vielmehr auch auf gerichtliche Entscheidungen über Unterhaltsansprüche Anwendung, die akzessorisch zu einem anhängigen Scheidungsstreit ergehen. Die angefochtene Entscheidung konnte nach Sachlage keinen Bestand haben; denn sie beruht auf einer Verletzung des europäischen Übereinkommens (§ 20 AG EGÜbk) in der Auslegung, die das Übereinkommen durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften für die Gerichte der Mitgliedstaaten verbindlich erhalten hat (Art. 1 des Protokolls vom 3. Juni 1971).
IV. 1. Der Senat kann hier noch nicht in vollem Umfang abschließend entscheiden. Der Antragsgegner hat nämlich geltend gemacht, daß die vorläufige Entscheidung des Landgerichts Paris vom 18. Mai 1977, deren Vollstreckbarerklärung die Antragstellerin begehrt, durch eine Regelung des Unterhalts in dem Scheidungsurteil des gleichen Gerichts vom 27. Juni 1978 zu seinen Gunsten geändert sei. Das kann allerdings nur den Betrag von 1.000 FF monatlich betreffen, um den die im Scheidungsurteil der Antragstellerin zuerkannte Ausgleichsleistung niedriger ist als der ihr in der Entscheidung vom 18. Mai 1977 zugebilligte monatliche Unterhalt, sofern beide vom Antragsgegner zu erbringenden Leistungen sich überhaupt decken. Die wegen dieses Differenzbetrages von monatlich 1.000 FF in diesem Zusammenhang erforderlichen weiteren Feststellungen kann der Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht nicht treffen (§ 20 AG EGÜbk).
Der Meinung der Antragstellerin, eine Änderung der zu vollstreckenden französischen Entscheidung in Frankreich könne im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Berücksichtigung mehr finden, ist nicht zu folgen; denn in § 29 Abs. 1 AG EGÜbk ist vorgesehen, daß dann, wenn ein Anerkennungsverfahren nach dem Übereinkommen bereits abgeschlossen ist und das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung für den ausländischen Titel geführt hat, eine Abänderung des ausländischen Titels, der der Zulassungsentscheidung zugrunde lag, in einem besonderen Verfahren zu berücksichtigen ist. Daraus folgt aber, daß die Berücksichtigung auch dann Platz greifen muß, wenn das Anerkennungsverfahren, wie hier, noch nicht abgeschlossen ist.