-
Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin erwirkte am 10.11.1998 vor dem Landgericht Darmstadt (DE) ein Anerkenntnisurteil auf Zahlung gegen eine Firma. Das Amtsgericht Langen (DE) eröffnete am 01.02.1999 den Konkurs über das Vermögen dieser Firma. Als Konkursverwalter wurde der Antragsgegner benannt. Die Klägerin beantragte am 06.12.1999 beim Landgericht Darmstadt (DE), dem Anerkenntnisurteil gemäß § 32 AVAG nachträglich Tatbestand und Entscheidungsgründe beizufügen, da sie die Zwangsvollstreckung in Frankreich beabsichtigte. Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Landgerichtes wies den Antrag zurück, da der Vervollständigung des Urteils entweder § 240 ZPO oder § 14 der Konkursordnung entgegen stünden, je nachdem ob sie das Erkenntnisverfahren betreffe oder der Zwangsvollstreckung zuzuordnen sei.
Das Oberlandesgericht Frankfurt (DE) hält die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin für begründet. Insbesondere sei der Antrag auf Vervollständigung eine die Zwangsvollstreckung lediglich vorbereitende Maßnahme und unterliege damit nicht dem Verbot aus § 14 KO. Dies ergebe sich daraus, dass gemäß Art. 25 EuGVÜ Entscheidungen auch ohne schriftliche Begründung anzuerkennen seien. Die Möglichkeit der Vervollständigung solle lediglich die Prüfung von Anerkennungshindernissen vereinfachen. Wie Art. 48 Abs. 1 EuGVÜ zeige, könne sich das Gericht auch auf sonstige Weise vom Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen überzeugen. Das Verfahren sei auch nicht unterbrochen. Weder das EuGVÜ noch das AVAG würden Regelungen bezüglich der Unterbrechung wegen einer Konkurseröffnung enthalten, obwohl diese Möglichkeit etwa in Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ bedacht worden sei. Auch eine analoge Anwendung von § 240 ZPO scheide aus, da es widersinnig sei, eine Unterbrechung anzunehmen, obwohl ein Verstoß gegen § 14 KO gerade nicht zu befürchten wäre.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Klägerin hat am 10. November 1998 ein Anerkenntnisurteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit dem Sitz in Offenbach am Main erwirkt, wonach die Firma ... verpflichtet ist, an die Klägerin 38.695,62 DM nebst Nebenforderungen zu zahlen. Wegen des genauen Wortlauts des Anerkenntnisurteils wird auf Blatt 10 und 11 der Akten Bezug genommen. Das Urteil ist gemäß § 313 b ZPO ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe verkündet und der Firma ... am 16. November 1998 zugestellt worden.
Mit Beschluß des Amtsgerichts Langen (Hessen) vom 01.02.1999 (Az. 7 N 133/98) wurde über das Vermögen des ... Inhaber der Firma „...“ der Konkurs eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde der im Rubrum näher bezeichnete Antragsgegner benannt.
Mit Schriftsatz vom 06.12.1999 hat die Klägerin gemäß § 32 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes vom 30. Mai 1988 (kurz AVAG) beantragt, das Anerkenntnisurteil zu vervollständigen und Tatbestand und Entscheidungsgründe nachträglich abzufassen. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, sie beabsichtige die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil in Frankreich.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat ausgeführt, § 14 KO verbiete die Einzelzwangsvollstreckung. Das gesamte Vermögen des Gemeinschuldners, also auch das in Frankreich gelegene Vermögen, gehöre zur Konkursmasse. Selbst wenn eine ausländische Rechtsordnung § 14 KO nicht anerkenne, was jedoch zu bestreiten sei, so würde vorliegend ein deutsches Gericht durch die Vervollständigung des Urteils eine mögliche Aushöhlung des § 14 KO unterstützen. Dies könne nicht gewollt sein, weshalb sich die Vervollständigung des Anerkenntnisurteils verbiete.
Mit dem angefochtenen Beschluß vom 16. Februar 2000 hat der Vorsitzende der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt mit Sitz in Offenbach am Main den Antrag auf Vervollständigung zurückgewiesen. Zur näheren Begründung ist in dem Beschluß ausgeführt, der Antrag sei unzulässig, da das Verfahren gemäß § 240 ZPO durch das noch nicht beendete Konkursverfahren unterbrochen sei. Die Wirkung dieser Unterbrechung erstrecke sich auch auf den jetzt gestellten Antrag nach § 32 AVAG. Die begehrte Vervollständigung komme einer inhaltlichen Veränderung des erlassenen Urteils gleich und betreffe daher das Erkenntnisverfahren. Selbst wenn die begehrte Maßnahme der Zwangsvollstreckung zuzuordnen sei, stünde ihr § 14 der Konkursordnung entgegen, da Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen während der Dauer des Konkursverfahrens ausgeschlossen seien. Die Vervollständigung des Urteils sei nicht nur eine Vorbereitung der Zwangsvollstreckung, sondern bereits eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung selbst, da erst ein für die Vollstreckung im Ausland geeigneter Titel geschaffen werden solle.
Gegen den Beschluß vom 16.02.2000 wendet die Klägerin sich mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, § 240 ZPO sei im Zwangsvollstreckungsverfahren unanwendbar.
Eine Vervollständigung des Anerkenntnisurteils verstoße nicht gegen das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung nach § 14 KO. Das Konkursverfahren umfasse zwar das gesamte Vermögen des Gemeinschuldners, also auch dessen Auslandsvermögen. Ob die Einzelvollstreckung auf das Auslandsvermögen erstreckt werden könne, hänge aber davon ab, ob der ausländische Staat § 14 KO durch seine Gesetzgebung oder Staatsverträge anerkennt. Dies habe das deutsche Gericht nicht zu prüfen. Im übrigen gewähre § 32 AVAG ausweislich seines Wortlauts („... so ist das Urteil auf ihren Antrag zu vervollständigen.“) keinerlei Ermessen.
II. 1. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig.
Das AVAG enthält zwar weder in seinem § 32 noch in seinen Folgebestimmungen eine Regelung zur Anfechtung einer Entscheidung über einen Antrag auf Vervollständigung eines Anerkenntnisurteils. Diese Tatsache ist jedoch -- darauf lassen die Formulierungen „ist ... zu vervollständigen“ und „sind ... nachträglich abzufassen“ -- darauf zurückzuführen, daß der Gesetzgeber eine Pflicht zur Vervollständigung begründen wollte und eine Abweichung davon nicht in Betracht gezogen hat.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Prinzipien erscheint es daher angezeigt, diejenigen Regelungen des AVAG zur Beschwerde analog heranzuziehen, die sich mit dem Beschwerderecht des Gläubigers auseinandersetzen. Demzufolge steht der Klägerin in entsprechender Anwendung der §§ 16 I, 12, 14 AVAG ein Beschwerderecht zu, weil ihr Antrag abschlägig beschieden worden ist.
Die vorliegende Beschwerde ist unbefristet und damit auch ansonsten zulässig. Es besteht kein Anlaß dafür, das hier zur Entscheidung anstehende Rechtsmittel anders zu behandeln als sonstige Beschwerden nach § 16 AVAG, die nicht befristet sind (vgl. hierzu Baumbach/Albers, 58. Aufl., § 16 AVAG, Rn. 1; Zöller/Geimer, 20. Aufl., § 16 AVAG, Rn. 1).
Aus § 32 III AVAG ergibt sich nichts anderes. Dort ist für den Fall einer notwendigen „Berichtigung des nachträglich abgefaßten Tatbestandes“ zwar geregelt, daß § 320 ZPO entsprechende Anwendung findet. § 320 I ZPO sieht für den Antrag auf Berichtigung eine zweiwöchige Frist vor. Vorliegend existiert ein zu berichtigender Tatbestand jedoch gerade nicht, weshalb für die Frage der Befristung oder Nichtbefristung des Rechtsmittels nichts anderes gelten kann als für alle übrigen ablehnenden Entscheidungen erster Instanz auch.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antragsgegner kann sich nicht darauf berufen, daß § 14 KO der begehrten Vervollständigung des Anerkenntnisurteils entgegenstehe.
Mit dem Landgericht und mit dem Antragsgegner ist zwar davon auszugehen, daß das Konkursverfahren das gesamte einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners erfaßt. Hierzu zahlt auch das Auslandsvermögen des Gemeinschuldners (BGHZ 88, 147; Kuhn/Uhlenbruck, 11. Aufl., § 14 KO, Rn. 1 b – c). Abgesehen davon, daß der deutsche Gesetzgeber nicht verhindern kann, daß der Inlandsgläubiger im Ausland vollstreckt, wenn die ausländische Rechtsordnung eine solche Vollstreckung zuläßt (vgl. Kuhn/Uhlenbruck aaO, Rn. 1 c), greift § 14 KO vorliegend jedoch nicht ein.
Auf Akte, die die Zwangsvollstreckung nur vorbereiten sollen, so z. B. die Vollstreckbarkeitserklärung, die Erteilung der Vollstreckungsklausel oder die Umschreibung von Vollstreckungstiteln bezieht sich das Verbot des § 14 KO nicht (vgl. statt vieler Kuhn/Uhlenbruck aaO, Rn. 3 mwN; OLG Saarbrücken NJW-RR 1994, 636, 637). Der Antrag auf Vervollständigung des Anerkenntnisurteils stellt nach Auffassung des Senats eine solche, die Zwangsvollstreckung lediglich vorbereitende (vereinfachende) Maßnahme dar.
Nach Art. 25 EuGVÜ sind auch solche Entscheidungen, die in abgekürzter Form ergangen sind -- also insbesondere auch Versäumnis- und Anerkenntnisurteile nach deutschem Recht -- einer für die Vollstreckung notwendigen Anerkennung in einem anderen Vertragsstaat zugänglich. Das Fehlen einer schriftlichen Begründung hindert die Anerkennung als solche nicht. Soweit §§ 32 f. AVAG eine Vervollständigung vorsehen, rechtfertigt dies keine gegenteilige Auffassung. Über die Vervollständigung soll lediglich die Prüfung von Anerkennungshindernissen nach Art. 27 und Art. 28 EuGVÜ erleichtert werden; anderenfalls muß sich das mit der Anerkennung befaßte Gericht -- wie Art. 48 I EuGVÜ zeigt -- auf sonstige Weise vom Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen überzeugen (vgl. hierzu Jan Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Art. 25 EuGVÜ, Rn. 14; Münchener Kommentar/Gottwald, 1. Aufl., Art. 25 EuGVÜ, Rn. 8; Zöller/Geimer, 21. Aufl., § 32 AVAG, Rn. 1 -- jeweils mwN --). Damit wird deutlich, daß die Vervollständigung des Urteils gemäß § 32 AVAG eine die Anerkennung durch andere Vertragsstaaten erleichternde und damit die Vollstreckung lediglich vorbereitende Maßnahme ist. Letzteres ergibt sich im übrigen auch aus dem Sinn und Zweck der Gesamtheit der Regelungen im AVAG, welches bereits nach seiner Bezeichnung („Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen“) erkennbar nicht in die Entscheidungsgewalt des mit der Urteilsfindung befaßten Gerichts und auch nicht in das der Urteilsfindung vorausgehende Verfahren eingreifen will und soll.
Das Verfahren nach § 32 AVAG ist auch nicht etwa unterbrochen.
Das EuGVÜ und das AVAG enthalten keine Regelung zur Unterbrechung wegen Konkurseröffnung. Sie enthalten keine Regelung, die § 240 ZPO entspricht, obwohl ansonsten in einer Vielzahl von Bestimmungen auf die zivilprozessualen Regelungen Bezug genommen wird und obwohl die Möglichkeit eines Konkurses oder eines ähnlichen Verfahrens ausweislich Art. 1 II Ziffer 2 EuGVÜ vom Gesetzgeber ebenso vorausgesetzt worden ist wie die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens aus verschiedenen Gründen (vgl. insoweit Art. 20 II, 21 I, 22 II, 30 I, 38 I EuGVÜ). Es ist auch nicht etwa angezeigt, § 240 ZPO zur Schließung einer regelungsbedürftigen Lücke entsprechend anzuwenden. Dies folgt bereits aus den vorstehenden Darlegungen. Es wäre widersinnig, die Voraussetzungen einer Unterbrechung als gegeben anzusehen, wenn ein Verstoß gegen § 14 KO deswegen nicht zu befürchten ist, weil es um eine die Vollstreckung lediglich vorbereitende Maßnahme bzw. ein auf eine solche Maßnahme abzielendes Verfahren geht (vgl. mit ähnlicher Argumentation betreffend einen Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel nach § 3 AVAG OLG Saarbrücken aaO).
Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben. Das Landgericht war anzuweisen, den Antrag auf Vervollständigung nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen. Die Prüfung weiterer Veranlassung obliegt dem Landgericht.