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Zusammenfassung der Entscheidung Die Gläubigerin erwirkte vor dem Tribunale Ordinario Turin (IT) einen Titel, wonach die Sicherungsbeschlagnahme über alle beweglichen und unbeweglichen Güter sowie alle eventuell auch bei Dritten bestehenden Darlehen der Schuldnerin bis zum Höchstbetrag von 33 Mio. Euro gewährt wurde. Das Landgericht Bonn (DE) versah diesen Titel mit der Vollstreckungsklausel, zunächst begrenzt auf den Bezirk des Landgerichts Bonn (DE), später für das gesamte Bundesgebiet. Hierauf pfändete der Rechtspfleger beim Amtsgericht Bonn (DE) angebliche Ansprüche der Schuldnerin gegen die Deutsche Telekom AG. Dagegen legte die Schuldnerin Erinnerung zum Amtsgericht Bonn (DE) ein. Gegen die Zurückweisung wendete sie sich mit der sofortigen Beschwerde.
Das Landgericht Bonn (DE) entscheidet, dass die sofortige Beschwerde in der Sache ohne Erfolg bleibe. Der Zustellung der Vollstreckungsklausel vor Erlass des Pfändungsbeschlusses habe es nicht bedurft. Dies folge aus Art. 41 und 47 EuGVO, die von der Maxime des Überraschungseffektes bestimmt würde. Damit solle gewährleistet werden, dass dem Schuldner nicht die Zeit bleibe, sein Vermögen dem Zugriff zu entziehen. Die Rechte des Schuldners würden durch Art. 43 Abs. 3 EuGVO gewahrt.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Mit Beschluß vom 12. September 2002 hat der Rechtspfleger beim Amtsgericht Bonn die angeblichen Ansprüche der Schuldnerin und der weiteren am Beschwerdeverfahren nicht beteiligten Schuldnerin zu 2) bis zu einem Höchstbetrag von 33 Millionen € gegen die U AG in Bonn in Vollziehung eines Beschlusses des V vom 12. August 2002 pfänden lassen. Die hiergegen eingelegte Erinnerung der Schuldnerin hat das Amtsgericht Bonn mit dem angefochtenen Beschluß vom 09. Dezember 2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.
Die gemäß § 793 ZPO an sich statthafte sofortige Beschwerde begegnet keinen formellen Bedenken. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt, § 569 ZPO und damit zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind entgegen dem Vorbringen der Schuldnerin im Beschwerdeverfahren gegeben.
Die Gläubigerin hat vor dem “ V ” (ordentliches Gericht V ) am 12. August 2002 Verfahren Nr. ##/### R.G./R. u.a. auch gegen die Schuldnerin einen Titel erwirkt, wonach die Sicherungsbeschlagnahme zugunsten der Gläubigerin über alle beweglichen und unbeweglichen Güter sowie alle eventuell auch bei Dritten bestehenden Darlehen der Schuldnerin bis zum Höchstbetrag von 33 Millionen € für Kapital, Zinsen und Gebühren gewährt wurde. Mit Beschluß vom 12. September 2002 – 1 O 377/02 hat das Landgericht Bonn angeordnet, daß dieser Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist, Art. 38 ff. EuGVVO i.V.m. §§ 3, 8 Abs. 1 AVAG n.F.. Die in diesem Beschluß zunächst ausgesprochene örtliche Begrenzung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland auf dem Bezirk des Landgerichts C ist mit Beschluß des gleichen Gerichts vom 16. September 2002 – 1 O 377/02 aufgehoben worden, so daß nunmehr Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Gläubigerin gegen die Schuldnerin aufgrund des oben genannten Titels des Ordentlichen Gerichts V vom 12. August 2002 im gesamten Bundesgebiet zulässig sind. Die Titel haben der erkennenden Kammer vorgelegen.
Der Gläubigerin ist darin zuzugeben, daß es im vorliegenden Fall der Zustellung der Vollstreckungsklausel vor Erlaß des Pfändungsbeschlusses nicht bedurfte. Dies folgt aus den Art. 41 und 47 EuGVVO. Danach wird die EG-Verordnung Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 (EuGVVO) u.a. ausdrücklich von der Maxime des “Überraschungseffektes”, wie er durch Art. 41 EuGVVO statuiert ist, bestimmt. Dem Schuldner soll demnach nicht Zeit bleiben, sein Vermögen im Zweitstaat dem Vollstreckungszugriff zu entziehen. Die Rechte des Schuldners sind insoweit durch Art. 43 Abs. 3 EuGVVO gewahrt (vgl. LG Stuttgart, IPRax 89, 41f.). Das Recht des Gläubigers auf Maßnahmen im Rahmen einer Sicherungszwangsvollstreckung wie vorliegend folgt ipso jure aus der Klauselerteilung. Es kann entgegen der Meinung der Schuldnerin durch das nationale Recht nicht eingeschränkt werden (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 23. Aufl., Anh. I Rdn. 1 zu Art. 47). Im übrigen übersieht die Schuldnerin, daß auch dem deutschen Verfahrensrecht Vollstreckungsmaßnahmen vor Zustellung des Titels bekannt sind. So ist gemäß § 929 Abs. 3 ZPO die Vollziehung des Arrestbefehls vor dessen Zustellung an den Schuldner zulässig.
Soweit sich die Schuldnerin darauf beruft, die Gläubigerin sei durch die eingeleitete Vollstreckungsmaßnahme übersichert, weshalb die Pfändung aufgehoben werden müßte, geht ihr Vortrag ins Leere. Die Kammer schließt sich zunächst den Gründen der angefochtenen Entscheidung an, wonach eine Überpfändung nicht vorliegt. Sie teilt damit die Auffassung, daß eine Überpfändung gemäß § 803 ZPO nur dann vorläge, wenn die Gläubigerin in der Bundesrepublik Deutschland Vermögen der Schuldnerin gepfändet hätte, das zu einer Sicherung der hier zu vollstreckenden Titelforderung ausreichen würde. Dies ist erkennbar nicht der Fall. Darüber hinaus hat die Gläubigerin eine angebliche Forderung der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin gepfändet. Über die Werthaltigkeit einer solchen Forderungspfändung ist nichts bekannt. Insoweit liegt widersprüchliches Vorbringen der Parteien vor. Nach Vortrag der Gläubigerin will die Drittschuldnerin noch eine Forderung gegen die Schuldnerin besitzen.
Aus allem folgt, daß die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zu verwerfen war.
Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F.), weil die Rechtssage keine grundsätzliche Bedeutung hat und ein Anlaß zur Rechtsfortbildung oder die Notwendigkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht besteht.
Beschwerdewert: bis 900,00 € (geschätzter Wert der gepfändeten Forderung).