-
Zusammenfassung der Entscheidung Der deutsche Kläger hat in Frankreich einen Verkehrsunfall erlitten, für den er einen in Frankreich ansässigen Fahrer verantwortlich macht. Er klagt nunmehr gegen den französischen Haftpflichtversicherer dieses Fahrers vor einem deutschen Gericht.
Das Landgericht Saarbrücken (DE) findet, dass die deutschen Gerichte nicht international zuständig seien, weil die speziellen Zuständigkeitsvorschriften des EuGVÜ für Versicherungssachen keinen Gerichtsstand in Deutschland begründeten. Art. 8 Abs. 1 EuGVÜ greife nicht ein, weil sowohl die Beklagte als auch ihr Versicherungsnehmer ihren Sitz bzw. Wohnsitz in Frankreich hätten. Das Gericht führt aus, dass der vom Kläger vertretenen weiten Auslegung dieser Vorschrift, wonach diese dahin zu verstehen sei, dass der Versicherer auch vor dem Gericht verklagt werden könne, in dessen Bezirk der Verletzte seinen Wohnsitz habe, nicht zu folgen sei. Die Berufung des Klägers auf Art. 10 Abs. 2, 3 EuGVÜ sei nicht überzeugend, weil Art. 10 Abs. 2 keine Anspruchsgrundlage gegen den Versicherer enthalte und Art. 10 Abs. 3 nur einen zusätzlichen Gerichtsstand gegen den Versicherungsnehmer oder den Versicherten begründe. Schließlich könne sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch nicht auf Art. 9 EuGVÜ stützen, weil das „schädigende Ereignis“ i.S. dieser Vorschrift – hier der Verkehrsunfall – in Frankreich stattgefunden habe.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die Beklagte ist eine Versicherungsgesellschaft, die ihren Sitz in P. hat. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz wegen eines angeblich von dem Versicherungsnehmer der Beklagten am 8.10.1974 verschuldeten Verkehrsunfalls in Anspruch. Der Unfall ereignete sich in .... Der Versicherungsnehmer der Beklagten ist nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ansässig.
Mit Zahlungsbefehl vom 15.10.1975 des Amtsgerichts St Ingbert hat der Kläger von der Beklagten Zahlung eines Betrags von 16.179,30 DM nebst 16 % Zinsen seit dem 6.11.1974 verlangt. Die Beklagte hat am 5.11.1975 einen Betrag in Höhe von 12.221,98 DM gezahlt. Der Kläger hat insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt, die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt.
Der Kläger meint, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nach dem Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen und Handelssachen zuständig. Art. 8 und 10 des genannten Übereinkommens könnten nur dahingehend ausgelegt werden, daß der Verletzte an seinem eigenen Wohnsitz Klage gegen den Versicherer erheben könne.
Er hat beantragt, über die Zuständigkeit vorab zu entscheiden und hat weiter vorgetragen, ihm stehe unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlung noch folgende Forderung zu:
1. Fahrzeugschaden 3.112,‑ DM
2. Mehrwertsteuer für Ersatzfahrzeug 342,32 DM
3. Nutzungsentgang 434,‑ DM
4. Abmeldekosten und Anmeldekosten 69,‑ DM
= 3.957,32 DM
Er beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.957,32 DM nebst 16 % Zinsen aus 16.179,30 DM seit dem 6.11.1974 abzüglich am 5.11.1975 gezahlter 12.221,98 DM zu zahlen,
2. festzustellen, daß die Hauptsache in Höhe von 12.221,98 DM erledigt ist.
Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise Vollstreckungsschutz.
Sie vertritt die Ansicht, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sei nicht begründet.
Sie bestreitet hilfsweise, daß der Kläger Eigentümer des geschädigten Pkw gewesen sei. Dieser sei vielmehr auf die Fa. GmbH zugelassen gewesen. Sie bestreitet darüber hinaus die Höhe des geltend gemachten Anspruchs.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig und war daher abzuweisen.
Für den geltend gemachten Anspruch ist das angerufene Gericht nicht zuständig. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht aus Art. 7 ff. des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen und Handelssachen vom 24.7.1972 (BGBl II S 773 ff.). Das Übereinkommen, das eine Regelung der internationalen Zuständigkeit mit Wirkung für den deutschen Richter im Erkenntnisverfahren bringt, sieht in Art. 7 ff. ua vor, daß in Versicherungssachen, zu denen nach Art. 9 auch gegen einen Versicherer geltend gemachten Schadensersatzansprüche gehören, der Versicherer entweder vor den Gerichten des Staates, in dem er seinen Wohnsitz hat oder vor dem Gericht, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat verklagt werden kann (Art. 8 Abs. 1). Nach Art. 9 kann der Versicherer außerdem vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden. Art. 10 Abs. 1 schließlich sieht vor, daß der Versicherer unter Umständen auch vor das Gericht, vor dem die Klage des Geschädigten gegen den Versicherten anhängig ist, geladen werden kann.
Aus diesen Vorschriften ergibt sich keine Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Die Beklagte hat ihren Wohnsitz in P., so daß davon ausgehend nach Art. 8 Abs. 1 die Zuständigkeit der französischen Gerichte begründet wäre. Der Versicherungsnehmer der Beklagten hat seinen Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, so daß auch insoweit nach Art. 8 Abs. 1 eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht begründet ist. Das schädigende Ereignis, der Verkehrsunfall vom 8.10.1974, hat in S. stattgefunden, so daß auch von daher die Zuständigkeit der französischen Gerichte begründet wäre. Eine Klage gegen den Versicherten ist nicht anhängig. Der Auslegung des Klägers, Art. 8 Abs. 1 des Übereinkommens sei dahin zu verstehen, daß der Versicherer vor dem Gericht verklagt werden könne, in dessen Bezirk der Verletzte seinen Wohnsitz hat, ist nicht zu folgen. Soweit sich der Kläger zur Begründung seiner Meinung auf den Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 beruft, ist seine Argumentation nicht überzeugend. Art. 10 Abs. 2 des Übereinkommens enthält keine Anspruchsgrundlage gegen den Versicherer, sondern enthält lediglich eine Bezugnahme auf das nationale Recht. Die Vorschrift enthält daher nur die Regelung, daß Klagen eines Geschädigten gegen den Versicherer sonstigen Klagen in Versicherungssachen hinsichtlich des Gerichtsstandes gleichzustellen sind.
Auch Art. 10 Abs. 3 des Übereinkommens spricht nicht für die von dem Kläger vertretene Auslegung. Art. 10 Abs. 3 sagt aus, daß für eine Klage gegen den Versicherungsnehmer oder den Versicherten auch das Gericht zuständig ist, das für eine unmittelbare Klage gegen den Versicherer zuständig ist, sofern das maßgebliche Recht eine Streitverkündung gegen diese Personen vorsieht. Durch diese Vorschrift wird also ein zusätzlicher Gerichtsstand für Klagen gegen den Versicherungsnehmer oder den Versicherten geschaffen. Ohne diese Regelung wären nämlich für Klagen gegen diese Personen nur die Gerichte des Wohnsitzes (Art. 2) bzw des schädigenden Ereignisses (Art. 5 Nr. 3) zuständig. Durch Art. 10 Abs. 3 ist dagegen geregelt, daß Versicherungsnehmer oder Versicherter auch vor dem Gericht, in dessen Bezirk der Versicherer seinen Wohnsitz hat, verklagt werden können.
Die Tatsache, daß nach der Präambel des Übereinkommens der Rechtsschutz der in der Europäischen Gemeinschaft ansässigen Personen gestärkt werden soll, vermag nicht dazu zu führen, abweichend von dem klaren Wortlaut des Übereinkommens eine Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Verletzten zu begründen.
Die Klage war daher abzuweisen.