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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Antragstellerin hat beantragt, ihr für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt gegen ihren deutschen Ehemann vor einem deutschen Gericht Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Beide Parteien haben ihren Wohnsitz in Teneriffa (ES). Vor dem Amtsgericht Schöneberg (DE) ist ein Verfahren zwecks Scheidung der Ehe zwischen den Parteien anhängig.
Das Kammergericht Berlin (DE) ist der Auffassung, dass der Antragstellerin zu Recht Prozesskostenhilfe versagt wurde. Für die beabsichtigte Klage auf Trennungsunterhalt mangele es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Das Gericht führt aus, dass Unterhaltsstreitigkeiten nicht als Streitigkeiten aus „ehelichen Güterständen" i.S.v. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 EuGVÜ zu qualifizieren seien, so dass sie in den sachlichen Anwendungsbereich des EuGVÜ fielen. Eine deutsche internationale Zuständigkeit nach dem EuGVÜ, welches der nationalen Kompetenzordnung vorgehe, sei jedoch nicht begründet. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich nicht aus Art. 5 Nr. 2 (2. Alt.) EuGVÜ, weil es sich bei der beabsichtigten Klage auf Trennungsunterhalt nicht um eine Unterhaltssache handele, über die im Zusammenhang mit der Scheidung zu entscheiden sei; die Antragstellerin begehre Trennungsunterhalt für die Zeit bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe. Zwischen der Klage auf Trennungsunterhalt und dem Antrag auf Scheidung bestehe somit kein Entscheidungsverbund i.S.v. Art. 5 Nr. 2 (2. Alt.) EuGVÜ. Schließlich bestehe für die Trennungsunterhaltsklage auch keine sog. internationale Annexzuständigkeit. Obwohl das Amtsgericht Schöneberg (DE) nach deutschem Recht für das Scheidungsverfahren der Parteien zuständig sei, mangele es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage auf Trennungsunterhalt.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die deutsche Antragstellerin und der deutsche Antragsgegner sind miteinander verheiratet. Beide leben auf Teneriffa. Der Antragsgegner hält sich derzeit zur Behandlung einer schweren Herzerkrankung in Deutschland auf. Das Verfahren zwecks Scheidung der Ehe der getrenntlebenden Parteien wird vor dem Amtsgericht Schöneberg... geführt.
Mit an das Amtsgericht Schöneberg adressierten Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 5. März 1997 hat die Antragstellerin beantragt, ihr für eine beabsichtigte Klage gegen ihren Ehemann auf Zahlung von Trennungsunterhalt Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Das Amtsgericht hat dieses Gesuch durch Beschluß vom 3. September 1997 zurückgewiesen, denn die beabsichtigte Klage sei nicht aussichtsreich. Die deutschen Gerichte seien für die Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt nicht international zuständig.
II. Die gegen die Versagung von Prozeßkostenhilfe gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 2.Oktober 1997, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, ist nach den §§ 127 Abs. 2. Satz 2, 569 ZPO zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat der Klägerin aus zutreffenden Gründen nach § 114 ZPO Prozeßkostenhilfe versagt. In Zivilprozessen mit Auslandsbezug – wie hier – ist die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende internationale Entscheidungszuständigkeit der deutschen Gerichte vorrangig nach den einschlägigen internationalen Abkommen und den bilateralen Verträgen zu beurteilen (BGH, NJW 1997, 397, 398 = WM 1996, 2294, 2296 = MDR 1997,1 288, 289). Ob für die beabsichtigte Klage auf Trennungsunterhalt die deutschen Gerichte international zuständig sind, ist nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27. September 1968 zu beurteilen, das in der Fassung des 3. Beitrittsabkommens vom 26. Mai 1989 für die Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zu Spanien seit dem l. Dezember 1994 in Kraft ist (BGBl 1994 II, S. 3707).
Die Bestimmungen des EuGVÜ gehen als staatsvertragliche Regelungen der innerstaatlichen Kompetenzordnung vor, sie ersetzen in ihrem Anwendungsbereich die Zuständigkeitsordnung der deutschen ZPO (Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 5. Aufl. Rn. 15 f vor Art. 2 EuGVÜ; Thomas/Putzo, 20. Aufl., EuGVÜ, Vorbem. 2; Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl., § 606 a Rn. 19, 21; Zöller/Geimer, aaO § 621 Rn. 77). Die deutschen Gerichte können daher nicht das nationale Recht heranziehen und eine nach dem EuGVÜ fehlende Zuständigkeit durch Anwendung des deutschen Prozeßrechts ergänzen (Kropholler, aaO, mwN). Unterhaltsstreitigkeiten fallen in der sachlichen Anwendungsbereich des EuGVÜ; sie zählen nicht zu den Streitigkeiten aus „ehelichen Güterständen“, auf die nach seinem Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 das EuGVÜ keine Anwendung findet (Hausmann, FamRZ 1980, 418, 419; Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl., § 606 a Rn. 21; Anhang I Art. 1 EuGVÜ Rn. 9).
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die beabsichtigte Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt ergibt sich nicht aus Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ. Denn nach dieser Vorschrift sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Der Ehemann der Antragstellerin hat, was in der Beschwerdeschrift nochmals eingeräumt wird, seinen Wohnsitz auf Teneriffa, also in dem Vertragsstaat Spanien. Mithin sind für die beabsichtigte Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ die spanischen Gerichte international zuständig.
2. Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlaßt, weil der Ehemann der Antragstellerin von der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte eine Rente bezieht. Durch Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ wird klargestellt, daß im Anwendungsbereich des EuGVÜ die internationale Zuständigkeit nur auf das Übereinkommen und auch nicht ausnahmsweise auf den besonderen Gerichtsstand des im Inland belegenen Vermögens (§ 23 ZPO) gestützt werden kann.
3. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die beabsichtigte Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1, 5 Nr. 2 (1. Alternative) EuGVÜ, denn die Antragstellerin (Unterhaltsberechtigte) hat ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland.
4. Nach Art. 3 Abs. 1, 5 Nr. 2 (2. Alternative) EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn es sich um eine Unterhaltssache handelt, über die im Zusammenhang mit einem Verfahren in bezug auf den Personenstand zu entscheiden ist, vor dem nach seinem Recht für diese Verfahren zuständigen Gericht, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht lediglich auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien. Auch aus dieser Regelung ergibt sich nicht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die beabsichtigte Trennungsunterhaltsklage. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine Unterhaltssache, über die im Zusammenhang mit der Scheidung zu entscheiden ist. Zwischen einer Klage auf Trennungsunterhalt und dem Antrag auf Scheidung besteht, was die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung verkennt, kein Entscheidungsverbund im Sinne von § 623 ZPO. Denn über den Anspruch auf Trennungsunterhalt ist nicht für den Fall der Scheidung zu entscheiden. Vielmehr begehrt die Antragstellerin Trennungsunterhalt für die Zeit bis zur rechtskräftigen Scheidung ihrer Ehe. Eine andere Beurteilung der internationalen Gerichtszuständigkeit ergibt sich nicht aus § 621 Abs. 2 Satz 1 ZPO, der bestimmt, daß während der Anhängigkeit einer Ehesache unter den deutschen Gerichten für weitere Familiensachen das Gericht ausschließlich zuständig ist, bei dem die Ehesache im ersten Rechtszug anhängig ist oder war. Diese Regelung zwecks Konzentration von dieselben Parteien betreffenden Familiensachen bei einem Gericht begründet nicht die internationale Entscheidungszuständigkeit der deutschen Gerichte, sondern setzt voraus, daß eine sich aus anderen Normen ergebende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte besteht (Staudinger/Spellenberg, 12. Aufl. §§ 606 ff, 621 ZPO, Rn. 260, 262). Da aus den angeführten Gründen nach den maßgeblichen Vorschriften des EuGVÜ für die beabsichtigte Klage auf Trennungsunterhalt nicht die deutschen, sondern die spanischen Gerichte international zuständig sind, kann entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht aus § 606 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO, gemäß dem die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das Scheidungsverfahren der Parteien gegeben ist, eine sogenannte internationale Annexzuständigkeit für diese Unterhaltsklage hergeleitet werden.
5. Im vorliegenden Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren kann zugunsten der Antragstellerin auch nicht davon ausgegangen werden, daß sich im Hauptsacheverfahren ihr Ehemann auf die Trennungsunterhaltsklage vor dem Amtsgericht Schöneberg einlassen wird und hierdurch nach Art. 18 EuGVÜ die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Unterhaltsklage begründet werden wird. Dem Schriftsatz der Prozeßbevol1mächtigten des Ehemannes der Antragstellerin vom l. Juli 1997 ist zu entnehmen, daß der Ehemann in Hauptsacheverfahren die fehlende internationale Gerichtszuständigkeit rügen wird.