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Zusammenfassung der Entscheidung Die Beklagte hat in Italien eine Kette von Franchise-Geschäften aufgebaut. Der Kläger, wohnhaft in München (DE), schloss im Jahr 1992 einen Franchise-Vertrag mit der Beklagten zur Einrichtung und zum Betrieb eines Geschäfts in München (DE). In dem Vertrag wurde als Gerichtsstand Florenz (IT) vereinbart. Der Kläger hat inzwischen das Geschäft wieder aufgegeben. Er erhob in München (DE) Klage auf Feststellung, dass der Vertrag insgesamt unwirksam sei. Die Beklagte rügte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Der Kläger meint, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht gewerblich tätig gewesen sei und der Franchise-Vertrag aufgrund seiner langfristigen Bezugsverpflichtung funktionell einem Abzahlungsverkauf entspreche. Die Gerichtsstandsvereinbarung sei deshalb gemäß Art. 17 Abs. 3, 15 EuGVÜ unwirksam. Die Beklagte ist der Meinung, dass keine Verbrauchersache im Sinne des Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ vorliege. Aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung seien die Gerichte in Florenz ausschließlich zuständig.
Das Oberlandesgericht München (DE) legt dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor: 1. Ist ein Kläger auch dann als Verbraucher im Sinne der Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 EuGVÜ anzusehen, wenn die Klage einen Vertrag betrifft, welchen er zum Zwecke einer erst künftig aufzunehmenden gewerblichen Tätigkeit abgeschlossen hat? 2. Fällt ein Franchise-Vertrag, mit dem der Kläger während eines mehrjährigen Zeitraums verpflichtet wird, die zur Ausstattung und zum Betrieb eines Geschäfts erforderlichen Gegenstände und Waren bei dem Vertragspartner einzukaufen (ohne Teilzahlungsabrede), unter Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 EuGVÜ? 3. Ist das in einer Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 17 EuGVÜ bestimmte Gericht, auch dann ausschließlich zuständig, wenn mit der Klage unter anderem die Feststellung der Unwirksamkeit des die Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden Vertrags begehrt wird?
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
1. Die Beklagte hat in Italien 1987 eine Kette von Franchise-Geschäften aufgebaut, die auf den Verkauf von Produkten der Zahnhygiene spezialisiert sind. Der Kläger, italienischer Staatsangehöriger, schloß am 28. September 1992 in Florenz unter Angabe seiner … Anschrift … mit der Beklagten einen Franchise-Vertrag zum Zwecke der Einrichtung und des Betriebs eines Geschäfts in München. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger die Nutzung und das Ausschließlichkeitsrecht in Bezug auf die Marke … im Bereich eines bestimmten Verkaufsgebiets zu gestatten, die entsprechende Ware sowie das dazugehörige Verpackungsmaterial zu liefern, Unterstützung in verschiedenen Bereichen zu leisten, eine Einführungsschulung sowie Verkaufsförderungs- und Werbeaktivitäten durchzuführen und kein Verkaufsgeschäft in dem exklusiv eingeräumten Verkaufsgebiet zu eröffnen. Der Kläger verpflichtete sich, auf eigene Rechnung Geschäftsräume einzurichten, das Geschäft ausschließlich mit Produkten der Beklagten auszustatten, Informationen und Unterlagen bezüglich … geheim zu halten, einen Betrag in Höhe von 8 Millionen Lire als Kostenerstattung für die technisch-kaufmännische Unterstützung bei der Eröffnung des Verkaufsgeschäfts an die Beklagte zu zahlen sowie 3 % des jährlichen Verkaufsumsatzes an die Beklagte abzuführen. Der Vertrag wurde durch Ausfüllung und Unterzeichnung eines von der Beklagten allgemein verwendeten Formulars in italienischer Sprache abgeschlossen („atto privato“, Anlage K 2 zu Blatt 15 der Akten). Hierauf wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Der Kläger richtete das Geschäft ein, zahlte das Anfangsentgelt von 8 Millionen Lire und tätigte mehrere, nicht mehr bezahlte Einkäufe. Er hat das Geschäft inzwischen aufgegeben.
2. Der Kläger vertritt die Auffassung, der Franchise-Vertrag sei aus mehreren Gründen insgesamt unwirksam, u. a. als sittenwidriger Knebelungsvertrag nach § 138 BGB und wegen mehr als zweijähriger Bindung gem. §§ 11 Nr. 12 a, 6 AGBG. Zugleich hat der Kläger in der Klageschrift vom 14. Juni 1993 den Widerruf des Vertrages nach dem Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) erklärt sowie die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums gem. § 119 BGB und wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB. Auch die aufgrund des Franchise-Vertrages nachfolgend abgeschlossenen Kaufverträge sieht der Kläger als unwirksam an.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger it. 8 Millionen zuzüglich 12 % Zinsen hieraus seit Klagezustellung (27. Dezember 1993) zu bezahlen, und
2. festzustellen, daß der Franchise-Vertrag der Parteien vom 28. September 1992 unwirksam ist mit der Folge, daß die aufgrund des Franchise-Vertrages abgeschlossenen Kaufverträge zwischen den Parteien ebenfalls unwirksam sind.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie rügt vorab die internationale und die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Landgerichts München I. Aufgrund der von den Parteien geschlossenen Gerichtsstandvereinbarung sei Florenz der ausschließliche Gerichtsstand.
Der Kläger nimmt das Landgericht München I als Gericht des Erfüllungsortes im Sinne des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in Anspruch. Die im Franchise-Vertrag vereinbarte Gerichtsstandklausel zu Gunsten der Gerichte in Florenz habe für die vorliegende negative Feststellungsklage keine Derogationswirkung, da mit der Klage die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages, also einschließlich der Gerichtsstandvereinbarung verfolgt werde. Zudem stünden der Gerichtsstandsvereinbarung Art. 13 Abs. 1 Nr. 1, Art. 14 Abs. 1 EuGVÜ entgegen, so daß die Gerichtsstandvereinbarung gem. Art. 17 Abs. 3 i.V.m. Art. 15 EuGVÜ unbeachtlich sei. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Franchise-Vertrages sei der Kläger noch nicht gewerblich tätig gewesen, also als Verbraucher im Sinne Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ anzusehen. Dies ergebe sich aus einer zweckorientierten Auslegung des Wortlauts von Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ mit Rücksicht auf den durch den EGV vorgezeichneten Zweck hohen Schutzes privater Endverbraucher. Der Franchise-Vertrag sei auch in ebensolcher Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 EuGVÜ unter den dort wörtlichen Begriff des „Kaufs auf Teilzahlung“ einzustufen, da der hier streit gegenständliche Franchise-Vertrag aufgrund seiner langfristigen Bezugsverpflichtung funktionell einem Abzahlungsverkauf entspreche.
Die Beklagte tritt diesen Ausführungen als rechtsirrig entgegen.
3. Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 19. Juli 1994 die Klage als unzulässig abgewiesen, da es international unzuständig sei.
Es erachtet die Gerichtsstandsvereinbarung im Franchise-Vertrag für wirksam und gem. Art. 17 EuGVÜ die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte in Florenz gegeben, und zwar auch für den Streit über die vom Kläger verfolgte Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages. Eine Verbrauchersache liege nicht vor, so daß Art. 13 EuGVÜ der Gerichtsstandsvereinbarung nicht entgegenstehe. Schon nach dem Wortlaut, aber auch nachdem Sinn Von Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ werde ein Vertrag, mit dem eine berufliche oder gewerbliche Existenz aufgebaut werden solle, als Vertrag anzusehen sei, der bereits zum Zwecke der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zu rechnen sei. Die anderen Ergebnisse in Anwendung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes seien zur Auslegung von Art. 13 EuGVÜ, welche vertragsautonom vorzunehmen sei, nicht heranzuziehen. Darüber hinaus fehle es auch an weiteren Voraussetzungen einer Verbrauchersache.
4. Der Kläger verfolgt mit der in zulässiger Weise eingelegten und begründeten Berufung die mit der Klage verfolgten Ziele weiter und erachtet nach wie vor die im Franchise-Vertrag enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung aus den von ihm dargelegten Gründen für unwirksam. Die Beklagte hingegen schließt sich dem angegriffenen Urteil des Landgerichts an. Beide Parteien haben ihre Ausführungen zur internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts im wesentlichen wiederholt und in Einzelheiten vertieft. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
5. Der Senat macht von dem im Luxemburger Protokoll vom 03.06.1991 i.V.m. Art. 177 EWGV eingeräumten Ermessen Gebrauch, die genannten drei entscheidungswesentlichen Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen, um die vertragsautonome, einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Die vorgelegten Fragen sind, soweit ersichtlich, vom EuGH bislang nicht schon entschieden.