Die deutsche Kl. bestellte mit Schreiben vom 29.4.1971 bei der italienischen Bekl. unter Hinweis auf ihre eigenen Einkaufsbedingungen Damen- Skianzüge. Gemäß Nr. 7 dieser Einkaufsbedingungen sollte Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis Hanau am Main sein. Die Bekl. fertigte die Anzüge und übersandte sie der Kl. Unter dem 31.7.1971 erstellte die Bekl. eine Rechnung, auf deren Rückseite die Allgemeinen Verkaufsbedingungen der Bekl. abgedruckt waren. Deren Nr. 14 bestimmte Como in Italien als Gerichtsstand. Die Kl. behauptet, die Anzüge seien mangelhaft, und macht gegen die Bekl. Gewährleistungsansprüche geltend. Die Parteien streiten über die Zuständigkeit des LG Hanau. Das LG Hanau hat sich für zuständig gehalten. Das von der Bekl. Hiergegen angerufene OLG hat den Rechtsstreit ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof um Auslegung des Art. 5 Nr. 1 GVÜ ersucht .
Aus den Gründen:
Gemäß Art. 2 des Gesetzes zu dem Protokoll vom 3.6.1971 betreffend die Auslegung des EG- Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens vom 27.9.1968 (GVÜ) durch den Gerichtshof vom 7.8.1972 (BGBl. II 845) und gemäß Art. 2 Nr. 2 und Art. 3 II des Protokolls betreffend die Auslegung des GVÜ (BGBl. 1972 II 846) war die Auslegung des Begriffs „Ort, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ in Art. 5 Nr. 1 (BGBl. 1972 II 774) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu überlassen.
Die Frage, welches Gericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites zuständig ist, ist nach dem genannten Übereinkommen zu beurteilen. Dieses ist am 1.2.1973 in Kraft getreten und gilt für alle danach bei Gericht anhängig gewordenen Rechtsstreitigkeiten, Art. 54 GVÜ.
Der Senat neigt zu der Auffassung, dass ein Gerichtsstand zwischen den Parteien nicht wirksam vereinbart worden ist. Nach Art. 17 GVÜ kann eine Vereinbarung über die Zuständigkeit nur durch eine schriftliche oder durch eine mündliche, schriftlich bestätigte Vereinbarung getroffen werden. Eine schriftliche Vereinbarung über den Gerichtsstand ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Das Angebot zum Abschluss eines Vertrages liegt in dem Auftragsschreiben der Kl. vom 29.4.1971. Dieses stellt eine einseitige Erklärung dar, die von der Bekl. angenommen werden musste. Eine solche Annahme ist nicht schriftlich erfolgt, und wenn schriftlich, dann allenfalls mit der Rechnung vom 31.7.1971. In dieser Rechnung nimmt die Bekl. aber auf ihre Verkaufsbedingungen Bezug, die den Gerichtsstand Como fordern. Zwar würde die Bezugnahme auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der einen Partei der Wirksamkeit einer schriftlichen oder schriftlich bestätigten Vereinbarung des Gerichtsstandes nicht entgegenstehen, jedoch müsste dann auch die Willensrichtung des Gegners erkennbar auf die Vereinbarung des Gerichtstandes gerichtet sein (vgl. Samtleben, NJW 1974, 1590, 1592). Die Bekl. hat aber durch die Übersendung ihrer Verkaufsbedingungen gerade zum Ausdruck gebracht, dass sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kl. nicht anerkennen wolle (vgl. hierzu auch OLG Hamburg, Urt. vom 11.9.1974, RIW 1975, 498ff. ). Das LG Hanau könnte deshalb nur dann zuständig sein, wenn es „Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ im Sinne von Art. 5 GVÜ wäre. Der Senat neigt hier mit Samtleben (NJW 1974, 1590, 1591 Abschnitt 3a) zu der Auffassung, dass dieser Begriff einheitlich auszulegen ist, wobei Definitionen, die der Begriff Erfüllungsort in nationalen Rechten erfahren hat, nur unter rechtsvergleichenden Aspekten berücksichtigt werden sollten.
Der Senat neigt weiterhin zu der Auffassung, dass der Begriff des Erfüllungsortes für die Verpflichtungen jeder Vertragspartei ein einheitlicher sein sollte und dass nicht, wie im deutschen Recht, der Erfüllungsort für die Erbringung der Leistung ein anderer sein kann als für die Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen. Der Senat schließt dies aus der Formulierung von Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens, wonach zuständig auch das Gericht eines Ortes sein kann, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist. Wenn aber die Verpflichtung aus einem Vertrag bereits erfüllt worden ist, so kann es zu Rechtsstreitigkeiten hierüber nur kommen, wenn diese Erfüllung mangelhaft war, wenn also der Käufer einer Sache Gewährleistungsansprüche aus einer mangelhaften Lieferung geltend machen will, wie hier die Kl. gegen die Bekl.
Schließlich neigt der Senat zu der Auffassung, dass Ort der Erfüllung der Verpflichtung des Verkäufers dessen Wohnsitz ist. Dies entspricht nicht nur dem deutschen Recht (§269 BGB), sondern auch internationalen Gepflogenheiten, wonach mangels anderer Vereinbarungen der Verkäufer verpflichtet ist, die Ware fob (free on board) zu liefern. Auch im vorliegenden Fall haben die Parteien keine anderen Vereinbarungen getroffen, vielmehr hat die Kl. der Bekl. sogar noch die Spedition benannt, mit der sie die Ware versenden möge.
Möglich wäre allerdings auch eine Auslegung des Begriffs Erfüllungsort in Art. 5 Nr. 1 GVÜ nach jeweiligem nationalen Recht, wobei dann wieder zu entscheiden wäre, ob das materielle nationale Recht Anwendung finden soll oder das Kollisionsrecht, also das IPR, das am Ort des angerufenen Gerichts gilt. Diese Auslegung dürfte allerdings der erstrebten Vereinheitlichung des europäischen Rechts widersprechen.“