Die Antragstellerin ist die in den Niederlanden ansässige Muttergesellschaft des U.-Konzerns. Die Antragsgegnerin ist die deutsche Tochtergesellschaft des weltweit tätigen …-Konzerns, dessen Muttergesellschaft in den USA ansässig ist. Die Parteien sind weltweit Wettbewerber auf dem Markt der Körperpflege- und Haushaltspflegeprodukte.
1. Die Antragstellerin ist Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents Nr. … betreffend Verpackungshüllen für Stückseifen (Anlage Ast 1 – im folgenden: Verfügungspatent). Das Verfügungspatent wurde am 30.06.1998 angemeldet; der Hinweis auf die Erteilung des Patents wurde am 09.01.2002 veröffentlicht. Die Antragstellerin hat am 24.01.2002 eine deutsche Übersetzung der Patentschrift beim deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und eine Gebühr nach dem Tarif entrichtet (Anlage Ast 3).
Das Verfügungspatent betrifft Verpackungshüllen für Stückseifen. Es spricht das Problem des Schimmelbefalls an, der einerseits durch das im Seifenstück vorhandene Wasser sowie feuchtwarme äußere Bedingungen andererseits durch die Schimmelanfälligkeit des Papiers als Verpackungsmaterial gefördert wird.
Nach dem Stand der Technik war es bekannt, haushaltsübliche Seifenriegel in Papier oder steiferen Kartons zu verpacken. Da Cellulose – Hauptbestandteil von Papier – ein ausgezeichnetes Nährmedium für Schimmel ist, ist die Verwendung eines Fungizids in der Seifenverpackung erforderlich, um Schimmelwuchs und damit ein Verderben zu verhindern. Der Einsatz von Fungiziden ist jedoch dadurch erschwert, daß einige Fungizide für den Menschen sehr toxisch sind; im übrigen werden Schimmelbakterien bei längerem Einsatz resistent, so daß etwa alle 7 Jahre das Fungizid zu ändern ist. Aufgabe der dem Verfügungspatent zugrundeliegenden Erfindung ist es, einen Seifenriegel so zu verpacken, daß ohne Anwendung von Fungiziden ein Schimmelwachstum vermieden wird.
Der Stand der Technik kennt zur Lösung dieses Problems (Schimmelbildung an Verpackungsmaterialien für Seifenriegel) Verpackungsmaterialien auf Papierbasis mit einer Beschichtung von fungizidhaltigem Kunststoff (Entgegenhaltung R 1). Der Stand der Technik kennt ferner Versteifungselemente auf Papierbasis mit einer Kunststoffbeschichtung auf der Innenseite (Entgegenhaltung R7 A). Wegen weiterer Einwendungen zum Stand der Technik wird auf Anlage AG 1 a verwiesen.
Erfindungsgemäße Aufgabe ist es, einen Seifenriegel so zu verpacken, daß ohne Anwendung von Fungiziden ein Schimmelwachstum vermieden wird. Diese Aufgabe wird patentgemäß dadurch gelöst, daß der Seifenriegel der Länge nach mit einem Versteifungselement umwickelt ist, das ein steifes Folienmaterial enthält, wobei zumindest die jeweiligen Außenflächen durch Kunststoffmaterial bereitgestellt werden. In einer besonderen Ausführungsform (Unteranspruch 5) besteht das gesamte Folienmaterial aus thermoplastischem Material. Dabei kann das Versteifungselement so auf die Länge des Riegels abgestellt sein, daß es eine Hülse ergibt, in der sich der Seifenriegel befindet.
Das Patent beansprucht Schutz für einen Seifenriegel, der ein seitlich des Riegels um mindestens eine Längsausdehnung des Riegels gewickeltes Versteifungselement aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß das Versteifungselement ein steifes Folienmaterial umfaßt, wobei zumindest die jeweiligen Außenflächen davon jeweils durch ein Kunststoffmaterial bereitgestellt werden (Hauptanspruch); wobei das gesamte Folienmaterial aus thermoplastischem Material ist (Unteranspruch 5), wobei das Versteifungselement mindestens die Längsausdehnung des Riegels vollständig umhüllt, so daß aus dem steifen Folienmaterial eine Hülse definiert wird (Unteranspruch 18).
2. Die Antragsgegnerin hat schon am 09.01.2002 gegen das Verfügungspatent Einspruch beim Europäischen Patentamt eingelegt (Anlage AG 1). Sie stützt ihn darauf, daß dem Gegenstand des Verfügungspatentes die Patentfähigkeit fehlt (Art. 100 a EPÜ), da es ihm gegenüber dem dort neu vorgelegten Stand der Technik an der Neuheit (Art. 52 Abs. 1, 54 EPÜ) fehle. Sie verweist dazu auf eine eigene PCP-Anmeldung vom 28.04.1994 (Einwendung R 1); sie trägt dazu vor, daß diese alle Merkmale des Verfügungspatents neuheitsschädlich vorwegnehme. Sie verweist ferner auf ein US-Patent Nr. ... (Einwendung R 2) aus dem Jahre 1983. Sie begründet ihren Einspruch ferner damit, daß es bei dem Verfügungspatent an dem erfinderischen Schritt fehle (Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ). Sie verweist dazu auf einen Seifenriegel indischer Produktion „…“ (Anlage R 7b zu Anlage AG 1) mit einem Versteifungselement aus Pappe, welches auf seiner dem Seifenriegel zugewandten Innenseite zur Verhinderung von Schimmelbefall mit Polyethylen beschichtet war. Sie verweist mit der Einspruchsschrift darauf, daß dem Fachmann seit langem bekannt gewesen sei, das bestimmte Plastikmaterialien im hohen Maße resistent gegen Schimmelbefall und deshalb besonders geeignet seien, bei der Verpackung von Seifen verwendet zu werden (Entgegenhaltungen R5 u. R6). Wegen der weiteren Einzelheiten von Entgegenhaltungen wird auf Anlage AG 1 verwiesen.
3. Die Antragsgegnerin vertreibt auf dem italienischen Markt einen Seifenriegel, dessen Verpackung mit einem Versteifungselement – so im wesentlichen unstreitig – die Merkmale des Anspruchs 1., 5. und 8. des Verfügungspatents identisch erfüllt (Anlage Ast 6). Dieser Seifenriegel wird von der Antragsgegnerin noch nicht vertrieben; er trägt jedoch alle deutschsprachigen Kennzeichen, die einen Vertrieb in Deutschland ermöglichen. Die Antragsgegnerin räumt ein, daß ein Vertrieb in Deutschland beabsichtigt sei.
4. Die Antragsgegnerin hat gemeinsam mit anderen Gesellschaften des C.-P.-Konzerns unter dem 08.01.2002 beim zuständigen Gericht in Mailand/Italien eine negative Feststellungsklage u.a. gegen die Antragstellerin eingereicht – mit dem Antrag festzustellen, daß die Seife „P. N.“ oder vergleichbare C.-P.-Seifen das Verfügungspatent EP ... nicht verletzen (Anlage Ast 5). Dieser Klagschrift war ein verpackter Seifenriegel bzw. ein Foto davon eingereicht, wie er im vorliegenden Verfügungsverfahren als Anlage Ast 6 von der Antragstellerin vorgelegt ist.
5. Die Antragstellerin begehrt, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes der Antragsgegnerin untersagen zu lassen, den streitgegenständlichen Seifenriegel, wie er schon heute in Italien von der Antragsgegnerin vertrieben wird, in Deutschland zu vertreiben. Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen. Sie hält unter Hinweis auf Art. 21 EuGVÜ das Landgericht Hamburg wegen der vor dem Gericht in Mailand erhobenen negativen Feststellungsklage für unzuständig; im übrigen fehle es vor dem Hintergrund des Einspruchsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt wegen der Zweifelhaftigkeit der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatentes am Verfügungsgrund. Schließlich fehle es an einem Verfügungsanspruch.
6. Die Antragstellerin trägt vor:
– Das Landgericht Hamburg sei zur Entscheidung über den Verfügungsantrag zuständig. Denn nach Art. 24 EuGVÜ sei der Erlaß einer einstweiligen Verfügung durch Gerichte eines Vertragsstaates selbst dann zulässig, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache nach dem EuGVÜ das Gericht eines anderen Vertragsstaates zuständig wäre. Nach absolut herrschender Meinung finde Art. 21 EuGVÜ (Verbot der doppelten Rechtshängigkeit) auf diesen Fall keine Anwendung.
– Auch sei ein Verfügungsgrund gegeben. An der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatentes könne kein Zweifel bestehen. Die Entgegenhaltungen aus der Einspruchsbegründung der Antragsgegnerin beim Europäischen Patentamt lägen durchweg neben dem Verfügungspatent und den darin gewährten Patentansprüchen, seien zum Teil auch schon Gegenstand des Prüfungsverfahrens gewesen. Auch eine Abwägung der beiderseitigen Interessen könne nicht dazu führen, daß die Dringlichkeit zu verneinen sei.
– Die Verwirklichung der Merkmale der Ansprüche 1., 5. und 18. des Verfügungspatentes durch die angegriffene Ausführungsform sei unstreitig.
Die Antragstellerin beantragt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Verfügung es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, einen Seifenriegel, der ein seitlich des Riegels um mindestens eine Längsausdehnung des Riegels gewickeltes Versteifungselement aufweist, wobei das Versteifungselement ein steifes Folienmaterial umfaßt und zumindest die jeweiligen Außenflächen des Versteifungselements jeweils durch ein Kunststoffmaterial bereitgestellt werden, wobei das Versteifungselement mindestens die Längsausdehnung des Riegels vollständig umhüllt, so daß aus dem steifen Folienmaterial eine Hülse definiert wird, und wobei das gesamte Folienmaterial aus thermoplastischem Material ist, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
– Sie ist der Auffassung, daß das angerufene Gericht gemäß Art. 21 EuGVÜ unzuständig sei, da bereits eine Klage wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien vor dem zuständigen Gericht in Mailand anhängig sei. Liege ein Fall anderweitiger Rechtshängigkeit im Sinne des Art. 21 EuGVÜ, sei auch für den Erlaß von Eilmaßnahmen vor dem angerufenen Gericht gemäß Art. 24 EuGVÜ kein Raum mehr; eine abweichende Auslegung würde dem Art. 21 EuGVÜ seiner praktischen Wirksamkeit berauben. Jede andere Auslegung würde darüber hinaus mit den verbindlichen Vorgaben des TRIPS-Abkommens (Art. 50 Abs. 6) kollidieren; das Eilverfahren müsse zwingend dem Hauptsacheverfahren folgen, es stelle lediglich einen Abschnitt des Hauptsacheverfahrens dar.
– Es fehle darüber hinaus am Verfügungsgrund. In Patentverletzungssachen sei die Dringlichkeit von Unterlassungsverfügungen stets unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und der unvollkommenen Möglichkeiten eines späteren Schadensausgleichs besonders sorgfältig zu prüfen; dabei sei besondere Zurückhaltung geboten, weil im Rahmen einer vorläufigen Prüfung häufig eine ausreichende Klärung der maßgebenden Fragen, insbesondere eine zuverlässige Ermittlung des vorbekannten Standes der Technik, nicht möglich sei. Im Streitfall sei das Verfügungspatent, wie es sich schon aus der Einspruchsschrift im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt ergebe, außerordentlich zweifelhaft, so daß schon deshalb der Streit für ein Eilverfahren ungeeignet sei. Es fehle dem Verfügungspatent sowohl an der Neuheit als auch am erfinderischen Schritt, so daß es im Einspruchsverfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgehoben werde. Wegen der Einzelheiten verweist die Antragsgegnerin auf die Einspruchsschrift und die dortigen Entgegenhaltungen (Anlage AG 1 u. 1 a), insbesondere auf die Entgegenhaltungen R 1 und R 2. Schließlich ergebe die im Rahmen des Verfügungsgrundes vorzunehmende Interessenabwägung, daß ein Verfügungsgrund zu verneinen sei. Ihr, der Antragsgegnerin, drohe ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden, da das begehrte Verfügungsverbot einem vollständigen Vertriebsverbot für die angegriffene Ausführungsform in Deutschland gleichkomme. Auch ein möglicher Schadensausgleich gemäß § 945 ZPO sei wegen des regelmäßig schwierigen Nachweises des konkret entstandenen Schadens nicht ausreichend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung, wie tenoriert, ist zulässig und begründet. Der Unterlassungsanspruch findet seine rechtliche Grundlage in Art. 64 des Europäischen Patentübereinkommens vom 05.10.1973 in Verbindung mit § 139 Abs. 1 PatG. Nach Art. 64 Abs. 1 des Europäischen Patentübereinkommens gewährt das Europäische Patent seinem Inhaber von dem Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf seine Erteilung an in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt ist, dieselben Rechte, die ihm ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent gewähren würde. Die Antragstellerin hat am 24.01.2002 eine deutsche Übersetzung der Patentschrift beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und eine Gebühr nach dem Tarif entrichtet (Anlage AST 3). Nach § 139 Abs. 1 PatG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine patentierte Erfindung unbefugt benutzt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
I. Das Landgericht Hamburg ist – auch vor dem Hintergrund der in Mailand erhobenen negativen Feststellungsklage – international zuständig.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg ergibt sich aus Art. 2 EuGVÜ. Danach sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Die Antragsgegnerin hatte ihren Geschäftssitz in Hamburg.
Der Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg im Eilverfahren steht nicht entgegen, dass vor dem zuständigen Gericht in Mailand Hauptsacheklage erhoben war.
Allerdings erklärt sich, wenn bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen den selben Parteien anhängig gemacht werden, nach § 21 Satz 2 EuGVÜ das später angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichtes für unzuständig. Zwischen den Parteien ist auch nicht streitig, dass die vor dem Gericht in Mailand erhobene negative Feststellungsklage denselben Anspruch im Sinne des Art. 21 EuGVÜ zum Gegenstand hat; denn sie hat u.a. den deutschen Anteil des Verfügungspatents und die von der Antragstellerin angegriffene Ausführungsform zum Gegenstand. Im Rahmen des Art. 21 EuGVÜ sind negative Feststellungsklage und Leistungsklage gleichwertige Klagearten (Zöller-Geimer, ZPO, 22. Aufl., Anhang I. Art. 21 EuGVÜ Rn. 16 mwN). Das EuGVÜ geht von der Gleichrangigkeit von negativer Feststellungsklage und Leistungsklage aus; die Leistungsklage genießt – anders als nach deutschem Prozessecht – keinen Vorrang (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 21 Rn. 31f.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Art. 21 Rn. 7f; EuGH NJW 1989, 665 „Gubisch/Palumbo“; EuGH JZ 1996, 616 „Tatry/Maciej Rataj“; BGH NJW 1995, 1758; BGH 1997, 870). Das bedeutet jedoch zunächst nur, dass das Landgericht Hamburg für eine vor ihm erhobene Leistungsklage international unzuständig wäre.
Art. 24 EuGVÜ sieht demgegenüber vor, dass die in dem Recht eines Vertragsstaates vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden können, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Vertragsstaates aufgrund des GVÜ zuständig ist. Danach bleibt das Landgericht Hamburg zur Entscheidung über den von der Antragstellerin geltend gemachten Verfügungsantrag zuständig. Der Einwand der Antragsgegnerin, die Grundregel des Art. 21 EuGVÜ gehe der besonderen Regelung für einstweilige Maßnahmen des Art. 24 EuGVÜ vor, für den Erlass von Eilmaßnahmen gemäß Art. 24 EuGVÜ sei kein Raum mehr, wenn schon ein Fall der anderweitigen Rechtshängigkeit im Sinne des Art. 21 EuGVÜ vorliege, greift nicht. Dem steht zunächst der eindeutige Wortlaut der Regelung des Art. 24 EuGVÜ entgegen. Aber auch die Auffassung, eine abweichende Interpretation des Art. 24 EuGVÜ würde den Art. 21 EUGVÜ seiner praktischen Wirksamkeit berauben, vermag nicht zu überzeugen. Es ist Zweck des Art. 21 EuGVÜ, Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten und daraus möglicherweise resultierenden gegensätzlichen Entscheidungen zu verhindern und von vornherein auszuschließen, dass ein zugunsten einer Partei in einem fremden Vertragsstaat ergangenes Urteil nach Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ nicht anerkannt würde, weil es mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Staat ergangen ist, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird (EuGH NJW 1989, 665 „Bubisch/Palumbo“); insoweit sucht Art. 21 EuGVÜ zu unterbinden, dass verschiedene Gerichte in verschiedenen Vertragsstaaten über dieselbe Sache verhandeln und zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangen. Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes stehen diesem Gesetzeszweck nicht entgegen, weil Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz den späteren Entscheidungen im Hauptsacheverfahren folgen; es geht zunächst nur um vorläufige Regelungen, die Gefahr miteinander unvereinbarer Entscheidungen stellt sich nicht. Darüber hinaus bietet Art. 24 EuGVÜ einen angemessenen Interessenausgleich gerade vor dem Hintergrund, dass im Rahmen des Art. 21 EuGVÜ Leistungsklage und negative Feststellungsklage gleich behandelt werden. Denn der mutmaßliche Verletzer könnte durch die Wahl des Gerichtsstandes mittels einer negativen Feststellungsklage gerade in solchen Vertragsstaaten, deren Gerichte erfahrungsgemäß vergleichsweise viel Zeit auf dem Wege zu einer Entscheidung benötigen, den Rechtsschutz des Rechtsinhabers über lange Zeit blockieren; spätere Schadensersatzforderungen können erfahrungsgemäß nur einen ungenügenden Ausgleich verschaffen. Insoweit entspricht es einem angemessenen Interessenausgleich, dass der Rechtsinhaber mit den Mitteln eines vorläufigen Rechtsschutzes seinen Rechten Geltung verschafft. Entgegen der Antragsgegnerin vermag das Gericht auch nicht zu erkennen, dass dieses Verständnis des Art. 24 EuGVÜ – entsprechend seinem ausdrücklichen Wortlaut – mit den Vorgaben des Art. 50 Abs. 6 des TRIPS-Abkommens kollidieren würde. Die genannte Regelung sieht vor, dass einstweilige Maßnahmen auf Antrag des Antragsgegners aufzuheben sind, wenn das Hauptsacheverfahren nicht innerhalb einer angemessenen Frist eingeleitet wird. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass diese Regelung der ausgeführten Auslegung des Art. 24 GVÜ – noch dazu entsprechend seinem ausdrücklichen Wortlaut – entgegenstehen könnte.
II. Der Verfügungsanspruch ist begründet. Er findet seine Rechtsgrundlage in § 139 PatG. Danach kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine patentierte Erfindung widerrechtlich benutzt.
Die Antragstellerin ist Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patentes Nr. ... betreffend Verpackungshüllen für Stückseifen. Danach ist geschützt ein Seifenriegel, der ein seitlich des Riegels um mindestens eine Längsausdehnung des Riegels gewickeltes Versteifungselement aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß das Versteifungselement ein steifes Folienmaterial umfasst, wobei zumindest die jeweiligen Außenflächen davon jeweils durch ein Kunststoffmaterial bereitgestellt werden (Hauptanspruch), wobei das gesamte Folienmaterial aus thermoplastischem Material ist (Unteranspruch 5), wobei das Versteifungselement mindestens die Längsausdehnung des Riegels vollständig umhüllt, so daß aus dem steifen Folienmaterial eine Hülse definiert wird (Unteranspruch 18). Die angegriffene Verletzungsform macht wortlautgemäß von den Patentansprüchen Gebrauch.
Es handelt sieh um einen Seifenriegel, der ein seitlich des Riegels um mindestens einer Längsausdehnung des Riegels gewickeltes Versteifungselement ausweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Versteifungselement ein steifes Folienmaterial umfasst, wobei zumindest die jeweiligen Außenflächen davon jeweils durch ein Kunststoffmaterial bereitgestellt werden (Hauptanspruch). Wenngleich der Antragsgegnerin einzuräumen ist, dass der Anspruch – zumal im kennzeichnenden Teil – unklar formuliert ist, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass die angegriffene Verletzungsform diese Voraussetzung erfüllt. Es handelt sich um ein Versteifungselement aus steifem Folienmaterial, wobei zumindest die jeweiligen Außenflächen davon jeweils durch ein Kunststoffmaterial bereitgestellt werden. Wenngleich das Versteifungselement der angegriffenen Ausführungsform vollständig aus Kunststoffmaterial besteht, so ist gleichwohl die Voraussetzung im Hauptanspruch erfüllt, dass zumindest die jeweiligen Außenflächen davon aus Kunststoffmaterial bestehen.
Dass das Versteifungselement der angegriffenen Ausführungsform vollständig („das gesamte Folienmaterial“) aus Kunststoff besteht, noch dazu aus thermoplastischem Material, erfüllt den Unteranspruch 5.
Schließlich umhüllt das Versteifungselement mindestens die Längsausdehnung des Seifenriegels (Unteranspruch 18); wenngleich der Antragsgegnerin einzuräumen ist, dass auch diese Formulierung an Klarheit zu wünschen übrig lässt, so ergibt sich gleichwohl, dass damit die Bildung einer Hülse gemeint ist, die der Länge nach zumindest so groß ist wie der Seifenriegel.
Aus alledem ergibt sich mithin, dass der streitgegenständliche Seifenriegel bzw. dessen Verpackungselement das Verfügungspatent im Wortlaut verletzt.
Unstreitig ist eine Erstbegehungsgefahr begründet. Zwar vertreibt die Antragsgegnerin den Seifenriegel in der streitgegenständlichen Verpackung noch nicht in Deutschland. Das von der Antragstellerin vorgelegte Stück, das bisher in Italien vertrieben wird, zeigt auf seiner Verpackung bereits für den Vertrieb in Deutschland vorgesehenen Kennzeichnungen. Im übrigen hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt, dass über kurz oder lang mit dem Vertrieb der Seife auch in Deutschland zu rechnen sei.
III. Ein Verfügungsgrund (Dringlichkeit) ist gegeben.
Der Verfügungsgrund ergibt sich allerdings noch nicht ohne weiteres daraus, dass (glaubhaft gemachte) Schutzrechtsverletzungen gegenwärtig vorgenommen werden oder in naher Zukunft drohen und eine schutzrechtsverletzende Tätigkeit bis zum Erlass eines Urteils in der Hauptsache nicht anders wirksam unterbunden werden kann. In Anbetracht der regelmäßig einschneidenden Folgen einer Unterlassungsverfügung in Patentverletzungssachen ist gemäß § 940 ZPO stets sorgfältig unter Abwägung der beiderseitigen Interessen und der unvollkommenen Möglichkeiten eines späteren Schadensausgleichs zu prüfen, ob die begehrte Maßnahme zur Abwicklung wesentlicher Nachteile wirklich notwendig und angemessen erscheint (OLG Düsseldorf GRUR 1983, 79/80 „einstweilige Verfügung in Patentsachen“; Benkard-Rogge, Patentgesetz, 9. Aufl. 1993, § 139 Rn. 154a mwN). Es ist besondere Zurückhaltung geboten, weil im Rahmen einer vorläufigen Prüfung häufig eine ausreichende Klärung der maßgebenden Fragen, insbesondere eine zuverlässige Ermittlung des vorbekannten Standes der Technik nicht möglich sein wird. Es ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob unter Abwägung der beiderseitigen Belange und der unvollkommenen Möglichkeiten eines späteren Schadensausgleichs nach § 139 Abs. 2 PatG einerseits und § 945 ZPO andererseits angesichts der im Verfügungsverfahren nur beschränkt möglichen Aufklärung der Sach- und Rechtslage die konkret begehrte Maßnahme zur Abwendung „wesentlicher Nachteile“ wirklich notwendig und angemessen erscheint. Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen ist insbesondere zu berücksichtigen, in welchem Umfang Sach- und Rechtslage eindeutig geklärt erscheint; die Schutzrechtslage und Verletzungsfrage müssen eine ausreichende Klärung in summarischer Prüfung zulassen. Andererseits ist es durchaus nicht zwingendes Erfordernis, dass das Verfügungspatent bereits ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden haben muss (vgl. Meier-Beck GRUR 1988, 861/863). Ist, wie im vorliegenden Fall, ein Einspruch gegen das Verfügungspatent anhängig, so muss das Verletzungsgericht letztlich eine Prognose treffen, ob so durchgreifende Zweifel bestehen, dass das Einspruchsverfahren aller Wahrscheinlichkeit nach zum Widerruf des Patents führen würde. Dabei besteht eine Wechselwirkung mit dem Verletzungstatbestand. Je eindeutiger die Verletzungsfrage zu bejahen ist, umso größer müssen die Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents sein, und umgekehrt (Rogge, Festschrift von Gamm, 461/471; OLG Düsseldorf GRUR 1983, 79; OLG Karlsruhe GRUR 1988, 900). Je größer der Grad der Sicherheit ist, desto eher können die dem Antragsgegner bei Erlass der einstweiligen Verfügung drohenden Nachteile als gerechtfertigt angesehen und in Kauf genommen werden. Im übrigen ist aber auch zu berücksichtigen, ob der Rechteinhaber im Klageverfahren voraussichtlich nicht in angemessener Zeit Rechtsschutz erhalten kann; es liegt auf der Hand, dass das Interesse des Rechteinhabers an einem vorläufigen Unterlassungsgebot umso größer ist, desto länger er auf einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren warten muss (so zu Recht LG Düsseldorf GRUR 2000, 692 „NMR-Kontrastmittel“).
Schon der letztere rechtliche Gesichtspunkt weist den Weg, dass im Streitfall die Dringlichkeit zu bejahen ist. Die Antragsgegnerin hat in Italien Hauptsacheklage in Form einer negativen Feststellungsklage erhoben, die u.a. den deutschen Anteil des Verfügungspatentes zum Gegenstand hat. Denn es ist gerichtsbekannt, dass die Verfahrensdauer von vor italienischen Gerichten geführten Rechtsstreitigkeiten vergleichsweise lang ist. Im übrigen darf nicht verkannt werden, dass mit der Erhebung der negativen Feststellungsklage der Kläger Gestaltungsmöglichkeiten hat, das Verfahren in die Länge zu ziehen, wenn der Rechteinhaber nicht seinerseits Leistungsklage erhebt.
Nach Auffassung der Kammer läßt die Schutzrechtslage und Verletzungsfrage eine ausreichende Klärung im summarischen Verfahren zu. Je größer der Grad der Sicherheit ist, desto eher können die dem Antragsgegner bei Erlass der einstweiligen Verfügung drohenden Nachteile als gerechtfertigt angesehen und in Kauf genommen werden. Auszugehen ist zunächst davon, dass das Verfügungspatent als Europäisches Patent jüngst erteilt worden ist. Insoweit spricht eine Vermutung zugunsten der Neuheit und des erfinderischen Schrittes der patentgemäßen Erfindung. Auch die Entgegenhaltungen der Antragsgegnerin führen nicht zu einer anderen Sicht. Dass aufgrund der im u.a. von der Antragsgegnerin angestrengten Einspruchsverfahrens Entgegenhaltungen der Widerruf des Patents bereits kurzfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit bevorsteht, hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft machen können. Jedenfalls vor dem Hintergrund ihrer Entgegenhaltungen im vorliegenden Verfahren scheint dies eher dem Wunschdenken der Antragsgegnerin zu entsprechen. Ob das Patent im vollen Umfang Bestand behält, kann dahingestellt bleiben. Die Kammer hat jedoch keinen Zweifel daran, dass das Patent in einem auf den Hauptanspruch kombiniert mit den Unteransprüchen 5 und 18 beschränkten Umfang Bestand haben wird.
Die Antragsgegnerin stützt den Einwand fehlender Neuheit insbesondere auf die im Einspruchsverfahren vorgelegten Druckschriften R1 und R2. Bei der Druckschrift R1 handelt es sich um eine PCT-Anmeldung der Antragstellerin, die am 28.04.1994 veröffentlicht worden ist. Es offenbart eine Seifenverpackung, bei der ein Seifenriegel mit einer Umwicklung aus einem Cellulosematerial umgeben ist, auf die ein- oder beidseitig ein Fungizid in einem Polymerlatex aufgebracht ist, um Schimmelwachstum zu verhindern. Darüber hinaus kann ein Versteifungselement zwischen der Umwicklung und dem Seifenriegel vorgesehen sein, ebenfalls eine fungizide Beschichtung trägt. Ein Polymerlatex bildet auf einem fasrigen Cellulosematerial keine geschlossene Schicht, sondern hinterlässt Poren. Damit sind nicht die Merkmale der streitgegenständlichen Erfindung offenbart.
Die Antragsgegnerin beruft sich als neuheitsschädlich auf das von ihr vorgelegte Seifertstück indischer Produktion „P. N.“ (Anlage R 7b zu Anlage AG 1). Insoweit mag der Einwand fehlender Neuheit gegenüber dem Hauptanspruch durchaus greifen. Die Voraussetzungen „Seifenriegel, der ein seitlich des Riegels um mindestens eine Längsausdehnung des Riegels gewickeltes Versteifungselement aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß das Versteifungselement ein steifes Folienmaterial umfaßt, wobei zumindest die jeweiligen Außenflächen davon jeweils durch ein Kunststoffmaterial bereitgestellt werden“, dürfte damit vorweggenommen sein. Wie oben ausgeführt, sieht die Kammer durchaus, daß im Einspruchsverfahren das Verfügungspatent möglicherweise nicht vollen Umfangs Bestand haben wird; gleichermaßen ist schon ausgeführt, daß die Kammer jedoch keinen Zweifel daran hat, dass das Patent in einem auf den Hauptanspruch kombiniert mit den Unteransprüchen 5 und 18 beschränkten Umfang Bestand haben wird. Die Entgegenhaltung „Seifenstück indischer Produktion P. N.“ nimmt insoweit nicht den insoweit beschränkten Patentanspruch („das gesamte Folienmaterial aus thermoplastischern Material“ – Unteranspruch 5), als neuheitsschädlich vorweg. Daß, wie die Antragsgegnerin meint, auch diese Merkmalskombination mangels Neuheit wie mangels erfinderischen Schritts dem Widerruf verfallen werde, vermag die Kammer nicht zu sehen. Erfindungsgemäße Aufgabe ist es, einen Seifenriegel so zu verpacken, daß ohne Anwendung von Fungiziden ein Schimmelwachstum vermieden wird. Die patentgemäße Lösung mittels eines Versteifungselement, das mindestens die Längsausdehnung des Riegels vollständig umhüllt und bei der das gesamte Folienmaterial aus thermoplastischem Material ist, ist neu; jedenfalls hat die Antragsgegnerin dazu nichts Neuheitsschädliches vorgetragen.
Ebensowenig vermag die Kammer zu erkennen, daß diese Merkmalskombination wegen mangelnder Ausführbarkeit zu widerrufen sein könnte. Denn dass es thermoplastisches Folienmaterial gibt, das gegen Schimmelwachstum resistent ist, wird auch von der Antragsgegnerin nicht bestritten. Daß, wie die Antragsgegnerin vorträgt, es eine Vielzahl von Kunststoffmaterialien gibt, die nicht vollständig schimmelresistent sind, steht der Ausführbarkeit nicht im Wege.
Die Antragsgegnerin beruft sich als neuheitsschädlich auf das US-Patent ... aus dem Jahre 1983. Dort geht es jedoch lediglich um ein steifes Behältnis nach Art einer Schachtel, welches mit einer äußeren Einwicklung umgeben ist. Es handelt sich nicht um ein Versteifungselement, das um den Seifenriegel gewickelt ist.
Nach alledem ist dem Verfügungsantrag stattzugeben.