Kläger ist die ..., eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Der in Italien ansässige Beklagte betreibt ein Bauunternehmen und führte mindestens in den Monaten März bis Mai 1997 baugewerbliche Arbeiten auf mehreren Baustellen in der Bundesrepublik Deutschland durch, wo er zu diesem Zwecke gewerbliche Arbeitnehmer aus Italien beschäftigte. Nach § 8 Ziff. 11.1 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe, § 56 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) i.d. Fassung vom 18. Dezember 1996 sind die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen im Urlaubskassenverfahren dem Kläger übertragen. § 59 VTV regelt Meldepflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Kläger hinsichtlich seines Unternehmens sowie der von ihm in die Bundesrepublik Deutschland entsandten Arbeitnehmer.
Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagtenseite insoweit auf Auskunftserteilung in Anspruch.
Der Kläger beantragt, den im Termin vom 07. Oktober 1997 trotz Ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienenen Beklagten im Wege des Versäumnisurteils zu verurteilen,
I. dem Kläger Auskunft zu erteilen über
1. Name, Rechtsform und gesetzliche Vertreter,
2. Anschrift, Telefon- und Telefaxnummer am Betriebssitz,
3. inländische und ausländische Bankverbindung,
4. Steuernummer
des von ihm betriebenen Unternehmens,
II. dem Kläger hinsichtlich jedes einzelnen gewerblichen Arbeitnehmers, den er seit 01.01.1997 in die Bundesrepublik Deutschland entsandt hat, auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular folgende Auskünfte zu erteilen:
1. Name, Vorname, Geburtsdatum und Heimatadresse,
2. inländische und ausländische Bankverbindung,
3. Ort der Baustelle, auf der er eingesetzt wird/wurde,
4. Art der Tätigkeit,
5. Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland,
6. Einzugsstellen und deren Adressen, an welche die lohnbezogenen Beiträge zu den Systemen der sozialen Sicherheit abgeführt werden,
7. Nummern, unter denen der Arbeitnehmer bei den unter Ziff. 6. genannten Stellen geführt wird,
8. Finanzamt und dessen Adresse, an welches die Lohnsteuer abgeführt wird,
9. Steuernummer,
III. dem Kläger auf dem hierfür vorgeschriebenen Formular Auskunft zu erteilen über
1. Name, Vorname und Geburtsdatum,
2. Höhe des monatlichen Bruttolohnes in deutscher Währung jedes einzelnen von ihm in den Monaten Februar, März, April und Mai 1997 in die Bundesrepublik Deutschland entsandten gewerblichen Arbeitnehmers sowie über die Höhe des in den Monaten Februar, März, April und Mai 1997 jeweils fällig gewordenen und an den Kläger abzuführenden Urlaubskassenbeitrages,
IV. für den Fall, daß er diese Auskunftspflichten innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 3.380,‑ DM zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig. Das Arbeitsgericht Wiesbaden ist für den Rechtsstreit international nicht zuständig.
Dies ergibt sich aus dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27.09.1968, dem sog. Brüsseler Abkommen (ursprüngliche Fassung BGBl 1972 II Seite 773).
Dieses Abkommen ist auf den vorliegenden Fall anwendbar.
Sachlich anwendbar ist das Abkommen nach Art. 1 in „Zivil- und Handelssachen, ohne daß es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt.“ Für die Einordnung als Zivil- und Handelssache sind materiell-rechtliche Kriterien maßgebend. Das Brüsseler Abkommen beschränkt sich daher nicht auf Klagen vor den (ordentlichen) Zivilgerichten. Es gilt auch für Verfahren vor sonstigen Gerichten, etwa Arbeits-, Straf- oder Verwaltungsgerichte sofern Gegenstand der Klage eine Zivil- oder Handelssache ist. Unbestritten sind arbeitsrechtliche Streitigkeiten eine Zivil- oder Handelssache in diesem Sinne (EuGH IPRax 83, 173; LAG München IPRax 92, 97; Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl. 1997 Anhang I, Art. 1 GVÜ Randziffer 4; Baumbach/Albers, ZPO, 54. Aufl. 1996, AnerkVollstrAbk, Art. 1 EuGVÜ Randziffer 1 mwN; MüKO ZPO 1992/Gottwald, Art. 1 IZPR Randziffer 24; Kretz, AEntG, 1996, Teil C Randziffer 101). Das Brüsseler Abkommen ist im vorliegenden Fall auch zeitlich anwendbar. Dies ist der Fall, wenn die Klage zeitlich nach Inkrafttreten des Brüsseler Abkommens erhoben worden ist. Hieran gibt es hier keine Zweifel:
Das Brüsseler Abkommen ist im Laufe der letzten Jahrzehnte sukzessive zwischen Deutschland und folgenden Staaten in Kraft gesetzt: Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Großbritannien, Irland, Dänemark, Griechenland, Spanien, Portugal. Ein letztes Beitrittsabkommen vom 29.11.1996 betrifft den Beitritt von Finnland, Österreich und Schweden. Es ist derzeit noch nicht in Kraft (vgl. im einzelnen und zu den im Detail unterschiedlichen Fassungen Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 1997, Einleitung, Randziffer 4 ff.).
Schließlich muß der/die Beklagte seinen/ihren Wohnsitz im Hoheitsbereich eines Vertragsstaates haben. Für Gesellschaften und juristische Personen steht deren Sitz dem Wohnsitz gleich (Art. 53 Abs. 1 Brüsseler Abkommen). Der Beklagte hat seinen Wohnsitz in Italien und damit im Hoheitsbereich eines Vertragsstaates.
Mit der Anwendbarkeit des Brüsseler Abkommens ist auch dessen ausschließliche Geltung festgestellt. Seine Zuständigkeitsregeln verdrängen die Bestimmungen der deutschen ZPO. In seinem Zuständigkeitsbereich darf deshalb zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nicht mehr auf die ZPO zurückgegriffen werden (MüKO ZPO 1992/Gottwald, Art. 2 IZPR Rn. 2, 7; Geimer/Schütze, aaO, Einleitung Rn. 21).
Nach Art. 20 Abs. 1 des Abkommens hat das Gericht die Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, auch wenn der Beklagte – wie hier – sich nicht auf das Verfahren einläßt.
Art. 2 des Brüsseler Abkommens bestimmt, daß Personen, die ihren Wohnsitz/Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen sind. Damit sind grundsätzlich die Gerichte des Staates, in dem das verklagte Unternehmen seinen Sitz hat, international zuständig.
Eine besondere Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden besteht nicht.
Nach Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden,
„wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;...“
Der Europäische Gerichtshof legt den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ autonom, d.h. aus dem Sinnzusammenhang des Brüsseler Abkommens aus (EuGH E 1993, 987; EuGH NJW 89, 1424; MüKO ZPO 1992/Gottwald, Art. 5 IZPR Randziffer 2; Zöller/Geimer, Art. 5 GVÜ Randziffer 6; Geimer/Schütze, aaO, Art. 5 Randziffer 18 ff.; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 5. Aufl. 1996, Art. 5 Randziffer 5, jeweils mwN). Abgelehnt wird damit eine Qualifikation nach der lex causae, also dem Recht des Staates, dessen Recht nach den Kollisionsnormen des Gerichtsstaates anwendbar ist, da diese Qualifikation einer Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregeln offensichtlich zuwiderlaufen würde. Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine Qualifikation nach der jeweiligen lex fori aus (MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO; Kropholler, aaO; mwN). Der Begriff der vertraglichen Ansprüche ist nach der autonomen Auslegung des EuGH weit auszulegen, er führt zu „praktikablen, wenn auch dogmatisch schwer begründbaren Ergebnissen“ (Zöller/Geimer, aaO). Entscheidend ist, daß „ein solcher Anspruch seinen Grund in der Nichteinhaltung einer Vertragspflicht findet“ (Geimer/Schütze, aaO, Randziffer 18 mwN). Der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 1 ist z.B. eröffnet für Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines Vertrages, über Schadenersatzansprüche wegen mißbräuchlicher Auflösung eines Handelsvertretervertrages, aber auch für Klagen, durch die ein Verein oder eine sonstige juristische Person gegen ihre Mitglieder Ansprüche auf Beitragsleistungen geltend macht, ebenso wie für Klagen aus Binnenbeziehungen in einer Aktiengesellschaft (Geimer/Schütze, aaO, Randziffern 19 bis 21 mwN; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Randziffer 4 mwN; Kropholler, aaO, Randziffer 6 mwN). Zweifelsfrei nicht unter Art. 5 Nr. 1 fallen Klagen aus sogenannten Quasi-Kontrakten, wie Geschäftsführung ohne Auftrag sowie Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, wobei für die Abgrenzung im einzelnen nach Auffassung des EuGH nicht die vom IPR des Erststaates bestimmte lex causae maßgeblich ist. Auch hier versucht der EuGH eine vertragsautonome Qualifikation. Nicht vertraglich sind danach z.B. Ansprüche aus unerlaubter Handlung aus Produkthaftung, wegen ungerechtfertigter Bereicherung oder auch Anfechtungsklagen nach dem Anfechtungsgesetz, weil diese Klage nicht aus einem Vertrag stammt (Geimer/Schütze, aaO, Randziffer 32).
Grundsätzlich scheidet Art. 5 Nr. 1 aus, wenn zwischen den Parteien keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen (EuGH JZ 95, 90; Baumbach/Albers, aaO, Art. 5 EuGVÜ Randziffer 1; Geimer/Schütze, aaO, Randziffer 33).
Zwischen den Parteien bestehen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen.
In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. Urteil vom 22.01.1997 – 10 AZR 908/94, S. 8) ist anerkannt, daß die Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes nicht durch rechtsgeschäftliches Handeln begründet wird. Voraussetzung ist vielmehr allein die Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten durch das Unternehmen.
Ob Tarifverträge als Kollektivverträge überhaupt zuständigkeitsbegründende Verträge im Sinne der autonomen Interpretation des EuGH sein können, kann hier dahinstehen. Auch bei weitester Auslegung des Vertragsbegriffs im Sinne der Rechtsprechung des EuGH muß zur Kenntnis genommen werden, daß der Kläger und der verklagte ausländische Bauarbeitgeber weder mittelbar über einen Arbeitgeberverband noch gar unmittelbar am Zustandekommen der fraglichen Tarifverträge beteiligt waren, aus denen jetzt Ansprüche hergeleitet werden. Zwischen dem Kläger und dem verklagten Bauarbeitgeber dürfte es in der Regel (abgesehen von eventuellem außergerichtlichem Briefverkehr) überhaupt keinen rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Kontakt gegeben haben, der als Anknüpfungspunkt für einen vertraglichen Anspruch im Sinne des Art. 5 Nr. 1 dienen könnte. Die tarifvertraglichen Regelungen über Urlaub und Lohn finden nur über die Erstreckungsregelung des § 1 AEntG in Verbindung mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der auf dem AEntG fußenden Tarifverträge auf diese Anwendung. Diese Form der rechtlichen Verpflichtung ist eher einem gesetzlichen Schuldverhältnis nachgebildet. Ein Bezug zu wie auch immer gearteten vertraglichen Ansprüchen fehlt (ebenso Kretz, AEntG 1996, Teil C Randziffer 112; BAG vom 22.01.1997, 10AZR 908/94).
Dagegen meinen Koberski/Sahl/Hold (AEntG 1997, § 1 Randziffer 269), es handele sich bei den sich aus den einschlägigen Tarifverträgen der Bauwirtschaft für die Arbeitgeber ergebenden Beitragspflichten um vertragliche Pflichten im Sinne des Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens, da es sich bei diesen Verpflichtungen letztlich nicht um eine staatliche Regelung handele, sondern um eine inhaltlich auf dem Verhandlungsgleichgewicht beruhende und unter Beachtung unternehmerischer Interessen zustandegekommenen Regelung. Dies rechtfertige es auch, die daraus auch für Außenseiter folgende Verpflichtung als vertragliche Verpflichtung im Sinne des Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens aufzufassen. Dieser Ansicht muß zunächst entgegengehalten werden, daß nicht jede nicht-staatliche Regelung eine vertragliche Regelung ist und daß die Berücksichtigung von Verhandlungsgleichgewichten und unternehmerischen Interessen nicht regelmäßig und automatisch vertragliche Pflichten begründet. Außerdem kann die Behauptung, die einschlägigen allgemeinverbindlichen Tarifverträge der Bauwirtschaft beruhten auf einem Verhandlungsgleichgewicht und berücksichtigten unternehmerische Interessen, in dieser Allgemeinheit nicht nachvollzogen werden. Zumindest in Bezug auf die Interessen der ausländischen Bauunternehmen trifft dies nicht zu.
Selbst wenn die klägerischen Begehren entgegen der hier vertretenen Ansicht vertraglicher Natur wären, wäre das Arbeitsgericht Wiesbaden gleichwohl nicht nach Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens international zuständig, denn der Erfüllungsort für die unterstellt vertraglichen Ansprüche des Klägers läge regelmäßig im Ausland.
Aus der Formulierung des Art. 5 Nr. 1 „vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ wird deutlich, daß es zur Begründung der Zuständigkeit jeweils auf die streitige Verpflichtung ankommt. Anknüpfungspunkt ist die Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet, nicht etwa irgendeine Verpflichtung oder die vertragscharakteristische Leistung. Art. 5 Nr. 1 eröffnet eine Zuständigkeit nur dann, wenn die konkrete streitgegenständliche Verbindlichkeit im Gerichtsstaat zu erfüllen ist oder erfüllt wurde.
Zur Ermittlung des Erfüllungsortes stellt der EuGH auf eine Qualifikation lege causae ab (EuGH NJW 77, 791; EuGH NJW 95, 183; BGH NJW 91, 3095; Geimer/Schütze, aaO, Art. 5 Randziffer 63; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Randziffer 13; Kropholler, aaO, Art. 16 Randziffer 16 mwN). Der Ort, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre, ist demnach nach dem Recht zu bestimmen, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist.
Das deutsche internationale Privatrecht wird, vertragliche Schuldverhältnisse betreffend, durch die §§ 27 ff. EGBGB bestimmt.
Nach § 27 EGBGB unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Diese Vorschrift kommt im vorliegenden Zusammenhang offenkundig nicht zur Anwendung. Der Kläger hat mit dem verklagten baugewerblichen Unternehmen im Ausland regelmäßig keine Absprache über das anwendbare Recht getroffen.
Gemäß § 28 EGBGB besteht der Grundsatz der objektiven Schwerpunkt Anknüpfung. Falls die Parteien das anzuwendende Recht nicht nach Art. 27 EGBGB vereinbart haben, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Läßt sich jedoch ein Teil des Vertrages von dem Rest des Vertrages trennen und weist dieser Teil eine engere Verbindung mit einem anderen Staat auf, so kann auf ihn ausnahmsweise das Recht dieses anderen Staates angewandt werden. Gemäß Art. 28 Abs. 2 EGBGB wird vermutet, daß der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder, wenn es sich um eine Gesellschaft, einen Verein oder eine juristische Person handelt, ihre Hauptverwaltung hat. Ist der Vertrag jedoch in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Partei geschlossen worden, so wird vermutet, daß er die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem sich deren Hauptniederlassung befindet oder in dem, wenn die Leistung nach dem Vertrag von einer anderen als der Hauptniederlassung zu erbringen ist, sich die andere Niederlassung befindet. Dieser Absatz ist jedoch nicht anzuwenden, wenn sich die charakteristische Leistung nicht bestimmen läßt.
Die Ansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten weisen die engsten Verbindungen zu Deutschland auf. Es käme daher, die vertragliche Natur der klägerischen Ansprüche unterstellt, deutsches Recht zur Anwendung.
Die Ansprüche des Klägers beruhen nämlich über das AEntG auf deutschen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Diese sind gerade dafür gemacht, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Bauunternehmen gegenüber ausländischen zu verbessern. Ausländische Bauunternehmen werden nur deshalb vom Kläger zu Beitragszahlungen herangezogen, weil sie in Deutschland aktiv werden. Die Tätigkeit dieser Unternehmen in ihrem Heimatland oder in anderen Ländern ist für die Verpflichtung aus den zitierten Tarifverträgen ohne Belang. Dies ergibt sich deutlich aus § 1 Abs. 4 AEntG, in dem für die Zuordnung zum betrieblichen Geltungsbereich der fraglichen Tarifverträge allein die von dem ausländischen Arbeitgeber in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit als Betrieb gelten. Damit ist auch die Vermutung entkräftet, mit der Art. 28 Abs. 2 EGBGB arbeitet. Im vorliegenden Fall sollen die Verpflichtungen der ausländischen baugewerblichen Unternehmer gerade keine besondere Verbindung zu ihrem Heimatland haben. Dem AEntG ist es gleichgültig, aus welchem Land die baugewerblichen Unternehmer kommen, die ihre Leistung auf dem deutschen Markt anbieten. § 57 Abs. 3 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12.11.1986 in der Fassung vom 18.12.1996 (VTV) will dementsprechend das Urlaubskassenverfahren auch deutschem Recht unterstellen.
Dieses Ergebnis wird gestützt durch die folgenden Erwägungen zu Art. 34 EGBGB. Danach berühren die zitierten Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts nicht die Anwendung der Bestimmungen des deutschen Rechts, die ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht den Sachverhalt zwingend regeln. Diese Vorschrift gilt für jede Art von schuldrechtlichen Verträgen. Anerkannt ist auch, daß Art. 34 EGBGB im arbeitsrechtlichen Zusammenhang nicht nur Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitnehmers ist. Vielmehr geht es auch um Regeln, die in erster Linie der Durchsetzung öffentlicher Interessen staats- oder wirtschaftspolitischer Art dienen. Art. 34 EGBGB greift daher immer dann ein, wenn ordnungspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Geltung einer bestimmten zwingenden Vorschrift unabhängig vom Vertragsstatut erfordern (Kretz, aaO, Teil B Randziffer 7 mwN).
Im einzelnen ist es umstritten, welche deutschen Vorschriften zwingenden Charakter im Sinne des internationalen Privatrechts haben. Der Streit kann hier jedoch dahinstehen. Zur Untermauerung des oben gefundenen Ergebnisses reicht es aus festzustellen, daß das (deutsche) AEntG selbst festlegt, daß den in § 1 AEntG genannten Arbeitsbedingungen zwingender Charakter im Sinne des Art. 34 EGBGB zukommen soll (vgl. Kretz, aaO, Teil B Randziffer 10; Arbeitnehmerentsendegesetz, Gesetzestext und Materialien, S. 32).
Die lex causae, nach der gemäß der Rechtsprechung des EuGH für die Bestimmung des zuständigkeitsbegründenden Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens abzustellen wäre, ergäbe im vorliegenden Fall also die Anwendung deutschen Rechts, konkret des § 269 Abs. 1 BGB. Danach liegt der Erfüllungsort grundsätzlich am Wohnsitz/Sitz des Schuldners, mithin im vorliegenden Zusammenhang regelmäßig im Ausland.
Es gibt auch keine wirksamen Vereinbarungen der Parteien über einen Erfüllungsort in Deutschland.
Solche Vereinbarungen über den Erfüllungsort können auch eine Zuständigkeit im Sinne von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens begründen. Dabei kommt es nur darauf an, ob die maßgebliche lex causae solche Vereinbarungen zuläßt. Auf die für Gerichtsstandsvereinbarungen in Art. 17 des Brüsseler Abkommens vorgeschriebene Form kommt es dabei nicht an (EuGH, IPRax 1981, 89; Geimer/Schütze, aaO, Art. 5 Randziffer 81; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Randziffer 15; Kropholler, aaO, Art. 5 Randziffer 22 mwN). Wie oben festgestellt, verweist das deutsche IPR auf das deutsche Recht als lex causae. Aus § 269 Abs. 1 BGB folgt, daß der Leistungsort in erster Linie der Bestimmung der Parteien unterliegt. Erforderlich ist eine Vereinbarung der Parteien, die ausdrücklich oder stillschweigend getroffen werden kann. Im vorliegenden Fall ist eine unmittelbare Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem verklagten ausländischen Bauunternehmen nicht zu finden. Bei dem für allgemeinverbindlich erklärten § 57 des VTV vom 12.11.1986 in der Fassung des Tarifvertrages vom 18.12.1996 handelt es sich auch nicht um eine Vereinbarung über den Erfüllungsort. Dort heißt es zwar:
Erfüllungsort und Gerichtsstand für Ansprüche der ULAK gegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie für deren Ansprüche gegen die ULAK ist Wiesbaden.
Diese Vereinbarung ist jedoch von den Tarifvertragsparteien der deutschen Bauwirtschaft geschlossen worden. Sie ist somit keine Vereinbarung der Prozeßparteien im Sinne von § 269 Abs. 1 BGB. Ihre Erstreckung auf Streitigkeiten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Baugewerbes sowie des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 48 Abs. 2 ArbGG. Dort ist festgehalten, daß die Tarifvertragsparteien im Tarifvertrag die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts festlegen können für u.a. bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Arbeitnehmern oder Arbeitgebern. Bereits der Text dieser Vorschrift zeigt, daß die Tarif Vertragsparteien in Tarifverträgen nur über die örtliche Zuständigkeit und damit den Gerichtsstand befinden können, nicht aber über den Erfüllungsort. Dies ergibt sich zusätzlich auch aus dem letzten Satz des § 48 Abs. 2 ArbGG, wenn dort festgehalten ist, daß die in § 38 Abs. 2 und 3 der ZPO vorgesehenen Beschränkungen keine Anwendung finden. Auch in § 38 Abs. 2 und 3 ist ausschließlich von Gerichtsstandsvereinbarungen, nicht aber von Vereinbarungen über den Erfüllungsort die Rede. Andere „Ermächtigungsgrundlagen“ für Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien in Bezug auf den Erfüllungsort für tarifvertragliche Leistungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder gemeinsamen Einrichtungen und diesen sind nicht ersichtlich. Das bedeutet, daß § 57 VTV insoweit unwirksam ist, als er Wiesbaden auch als Erfüllungsort von Ansprüchen des Klägers gegenüber Arbeitgebern der Bauwirtschaft wie auch von Ansprüchen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Bauwirtschaft gegen den Kläger vorsieht. Die Erwähnung des Erfüllungsortes in der zitierten Tarifklausel muß als redaktionelle Nachlässigkeit betrachtet werden. Vielfach hat die Vereinbarung eines Erfüllungsortes nur den Zweck, den Gerichtsstand zu bestimmen. Derart „abstrakte“ Erfüllungsortvereinbarungen sind für den Leistungsort im Sinne des § 269 ohne Bedeutung (BGH WM 95, 859; Palandt, BGB, 56. Aufl. 1997, § 269 Randziffer 9; Kropholler, aaO, Art. 5 Randziffer 23 unter Verweis auf eine dem EuGH z. Zt. vorliegende Sache, Az. 106/95, Vorlage durch BGH, u.a. in RIW 95, 410).
Somit bleibt im Rahmen der angestellten Hilfserwägung festzuhalten, daß auch bei unterstellt vertraglicher Natur des klägerischen Begehrens eine internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts nicht begründet wäre.
Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden ergibt sich auch nicht aus Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Abkommens. Danach kann eine Person in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden,
„wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“.
Den Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne dieser Vorschrift bestimmt der EuGH vertragsautonom, d.h. losgelöst von nationalen Definitionen und auch unabhängig von der lex fori des Gerichtsstaates oder der lex causae. Der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Abkommens bezieht sich auf alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Abkommens anknüpfen (EuGH NJW 88, 3088; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Rn. 26; Geimer/ Schütze, aaO, Art. 5 Rn. 146 mwN; Baumbach/Albers, aaO, Art. 5 EuGVÜ Randziffer 1; Kropholler, aaO, Art. 5 Randziffer 49). Der Begriff der unerlaubten Handlung ist weit auszulegen (BGH NJW 88, 1467; BGH NJW 85, 561). Weder rechtswidrige noch schuldhafte Verstöße sind notwendig. Hierauf weist schon die Wendung in Art. 5 Nr. 3 hin, wonach Handlungen ausreichen, „die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt“ sind. In Betracht kommen alle Eingriffe in subjektive Rechte, rechtliche Interessen und Vermögenspositionen, wie z.B. bei unlauterem Wettbewerb (BGH NJW 88, 1466; OLG München NJW-RR 94, 190), Schäden aufgrund fehlerhafter Produkte, Schäden aufgrund von Kartellverstößen und auch Haftungsklagen wegen Verletzung von Schutzgesetzen, z.B. lebensmittelrechtlicher Vorschriften (BGH NJW 87, 592), ebenso Klagen, die einen allgemeinen Vermögensschaden geltend machen, z.B. nach § 826 BGB (Kiethe, NJW 94, 222 und allgemein zum Anwendungsbereich des Art. 5. Nr. 3 Geimer/Schütze, aaO, Art,. 5 Randziffer 147 ff. mwN und Kropholler, aaO, Art. 5 Randziffer 50 ff.).
Die Grenze bilden vertragliche Beziehungen. Zur Abgrenzung stellt der EuGH darauf ab, ob die Pflichten, aus deren Verletzung der deliktische Schadenersatzanspruch hergeleitet wird, in einem so engen Zusammenhang mit einem Vertrag stehen, daß dieses vertragliche Element ganz im Vordergrund steht und auch den Charakter des deliktischen Rechtsverhältnisses ganz entscheidend prägt. In solchen Fällen ist Art. 5 Nr. 3 unanwendbar (EuGH NJW 88, 3088).
Wollte man sich der o.a. Hilfserwägung anschließen, wonach das Begehren des Klägers vertraglicher Natur wäre, könnte allein deshalb hier das Vorliegen eines deliktischen Gerichtsstandes abgelehnt werden.
Aber auch die vom Gericht vertretene Ansicht, daß das Begehren des Klägers nicht in einem Vertrag wurzelt, führt nicht zur Begründung eines internationalen deliktischen Gerichtsstandes.
Die Nichterfüllung der tarifvertraglichen Verpflichtungen durch ausländische baugewerbliche Unternehmer ist nämlich keine unerlaubte Handlung oder eine solche, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht. Das Arbeitnehmerentsendegesetz entfaltet insoweit insbesondere keine Schutzwirkung zugunsten des Klägers und ist damit kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
Den Schutz eines anderen bezweckt eine Rechtsnorm, wenn sie, sei es auch nur neben dem Schutz der Allgemeinheit, gerade dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen Verletzung eines Rechtsguts zu schützen (vgl. Palandt, aaO, § 823 Randziffer 141 mwN). Zwar begehen gemäß § 5 AEntG ausländische baugewerbliche Arbeitgeber, die ihren Verpflichtungen nach dem AEntG nicht nachkommen, eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbußen bis zu 30.000,‑ DM bzw. 100.000,00 DM (§ 5 Abs. 3 AEntG) geahndet werden kann. Diesen Gedanken nehmen die Kommentierungen von Kretz (aaO, Teil C Ziffer 106) und von Koberski/Sahl/Hold (aaO, § 1 Randziffer 267) in Anknüpfung an Däubler (DB 95, 730) auf. Sie vertreten die Auffassung, das AEntG und die es ausführenden allgemeinverbindlichen Tarifverträge dienten auch dazu, die Arbeitsbedingungen der ins Bundesgebiet entsandten ausländischen Arbeitnehmer zu sichern. Diese könnten sich bei Nichterfüllung ihrer Ansprüche nach dem AEntG somit auf Art. 5 Nr. 3 des Brüsseler Abkommens berufen und ihren Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland verklagen. Diese Autoren sehen das AEntG und die es ausführenden Tarifverträge aber nur als Schutzgesetz zugunsten der entsandten ausländischen Arbeitnehmer. Eine Schutzwirkung zugunsten des Klägers für die hier fraglichen Auskunfts- und Beitragsklagen wird nicht behauptet.
Sie ergibt sich auch nicht aus der Schutzrichtung der Regelungen des AEntG. Diese kann der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien entnommen werden. Aus ihnen geht deutlich hervor, daß das AEntG jedenfalls nicht zum Schutz des Klägers vor Vermögensschäden gemacht wurde. Es erscheint sogar zweifelhaft, ob das AEntG die ausländischen Arbeitnehmer so im Blick hatte, wie dies Kretz und Koberski/Sahl/Hold behaupten (zweifelnd ebenfalls Hickl, NZA 97, 517).
Ausgangsproblematik waren vielmehr die sozialen Spannungen, die im Bereich der Bauwirtschaft durch grenzüberschreitende Entsendungen von Arbeitnehmern und die dadurch entstandenen gespaltenen Arbeitsmärkte aufgetreten sind. Mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz sollte eine „unfaire“ Wettbewerbssituation abgemildert werden und eine Gefährdung der Tarifautonomie verhindert werden. Man ist davon ausgegangen, daß ausländische Billiganbieter von Bauarbeiten von der Infrastruktur und Kapitalausstattung am Ort der Dienstleistung profitieren, ohne sich an deren Finanzierung beteiligt zu haben. Dieser externe Effekt führe zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber inländischen Anbietern. Die Anwendung ausländischer Bestimmungen in einem gesamten Wirtschaftsbereich, das Entstehen von „Inseln ausländischen Arbeitsrechts“, sei zudem geeignet, die im europäischen Vergleich herausgehobene Befriedungsfunktion der Tarifautonomie zu untergraben. Mit dem Arbeitnehmerentsendegesetz sollten daher durch Annäherung der unterschiedlichen rechtlichen Wettbewerbsvoraussetzungen diejenigen ausländischen Arbeitgeber, die – und sei es nur vorübergehend – Arbeitnehmer auf deutsches Hoheitsgebiet entsenden, mit inländischen Arbeitgebern hinsichtlich der besonders wettbewerbsrelevanten Arbeitsbedingungen gleichgestellt werden (vgl. Lorentz, AEntG 1996, S. 17). In der Begründung zu § 1 Abs. 1 AEntG heißt es ausdrücklich: „Im Baubereich sind innerhalb des europäischen Binnenmarktes sehr erhebliche Unterschiede im Lohn-Niveau zu beobachten: Während in Griechenland die durchschnittliche Bau-Arbeitsstunde mit 2,5 ECU und in Portugal in 3,0 ECU zu entlohnen ist, beträgt der entsprechende Wert für die Bundesrepublik 10,97 ECU. Gerade in dieser Branche bewirken derartige Differenzen sowohl wegen des hohen Personalkostenanteils als auch der besonderen Mobilität bei der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen eine für deutsche Unternehmen deutlich schlechtere Ausgangsposition im Wettbewerb“ (vgl. ergänzend auch Koberski/Sahl/Hold, aaO, Einleitung, Randziffern 3 ff.). Die rechtliche und wirtschaftliche Situation des Klägers bleibt bei diesen Erwägungen unberücksichtigt.
Selbst wenn man das Arbeitnehmerentsendegesetz als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des Klägers ansehen wollte, entsteht dem Kläger durch die Nichtentrichtung der begehrten tariflichen Beiträge jedenfalls kein Schaden. Das Vorliegen eines Vermögensschadens beurteilt sich nach der sogenannten Differenzhypothese. Der Schaden besteht danach in der Differenz zwischen zwei Güterlagen: Der tatsächlichen durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten. Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde (BGHZ 27, 183; BGHZ 29, 196; BGH NJW 94, 2357; BAG NJW 85, 2545; Palandt, aaO, Vorbemerkung vor § 249, Randziffer 8). Hier wäre das die Ersatzpflicht begründende Ereignis die Nichtzahlung der Beiträge. Deren Zahlung würde das Vermögen des Klägers jedoch um diesen Betrag vergrößern. Der Ausgleich eines durch ein Schadensereignis entstandenen „Minus“ wäre damit nicht verbunden.
Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden ergibt sich auch nicht aus Art. 5 Nr. 5 des Brüsseler Abkommens. Danach ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem sich eine Zweigniederlassung, eine Niederlassung oder eine Agentur befindet, wenn es sich um Streitigkeiten aus deren Betrieb handelt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH wird dieser Gerichtsstand ebenfalls vertragsautonom bestimmt (EuGH E 78, 2183, 2191). Mit den Begriffen Niederlassung, Zweigniederlassung und Agentur knüpft das Brüsseler Abkommen an eine dauernde Außenstelle eines Stammhauses an, die auf Dauer geplant Mittelpunkt geschäftlicher Aktivitäten ist, eine eigene Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, daß von ihr aus Geschäfte mit Dritten betrieben werden können (EuGH E, aaO). Ein Auslandsbüro ohne jegliche selbständige Geschäftstätigkeit sowie eine Verkaufsstelle ohne Geschäftsführung sind daher nicht als Niederlassung anzusehen (MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 5 Randziffer 40).
Der Kläger behauptet jedoch selbst nicht, daß der Beklagte hier eine Niederlassung im Sinne von Art. 5 Nr. 5 des Brüsseler Abkommens unterhält.
Die internationale Zuständigkeit des erkennenden Gerichts kann auch nicht auf eine Zuständigkeitsvereinbarung gestützt werden, denn die Parteien, haben die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht wirksam vereinbart.
Art. 17 Abs. 1 des Brüsseler Abkommens bestimmt:
Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz in einem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, vereinbart, daß ein Gericht oder die Gerichte eines Vertragsstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Staates ausschließlich zuständig.
Eine der Voraussetzungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Brüsseler Abkommens ist damit, daß es sich um eine Vereinbarung „der Parteien“ handelt. Vereinbarung bedeutet damit wie üblich eine übereinstimmende Willensäußerung der Parteien. Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits haben keine Gerichtsstandsvereinbarung miteinander getroffen. Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien ergibt sich auch nicht daraus, daß in § 57 VTV die Tarifvertragsparteien des deutschen Baugewerbes wie o.a. – eine solche vereinbart haben.
Einvernehmen herrscht zwar darüber, daß Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten Dritter möglich sind (Geimer, NJW 85, 533; Hübner, IPRax 1984, 238 ff.; MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 17 Randziffer 33). Im vorliegenden Fall könnte man die tarifvertragliche Gerichtsstandsvereinbarung als eine solche zugunsten des Klägers interpretieren. Unübersehbar ist jedoch, daß sie regelmäßig auch zu Lasten des verklagten ausländischen Bauunternehmens wirkt. Einhelligkeit besteht aber auch darin, daß Zuständigkeitsvereinbarungen zu Lasten Dritter gemäß Art. 17 des Brüsseler Abkommens unzulässig sind. Ausdrücklich stellt Geimer in NJW 1985, 533 fest: „Ein Vertrag zu Lasten Dritter ist im Kompetenzrecht ausgeschlossen. Dies bedeutet: Diejenige Partei, deren Gerichtspflichtigkeit in concreto erweitert wird, muß der Zuständigkeitsvereinbarung beigetreten sein.“ (ebenso MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO; Kropholler, aaO, Art. 17 Randziffer 55; Baumbach/Albers, aaO, Art. 17 Randziffer 4; Zöller/Geimer, aaO, Randziffer 6 und Randziffer 19; anders für den Sonderfall Gerichtsstandsklausel in der Satzung einer AG: EuGH vom 10.03.1992, Az. 214/89, zit. nach Kropholler, aaO, Art. 17 Randziffer 24).
Die Gerichtsstandsvereinbarung in § 57 VTV ist damit im vorliegenden Zusammenhang unwirksam (so ausdrücklich MüKO ZPO 1992/Gottwald, aaO, Art. 17 Randziffer 44; Birk, RdA 1983, S. 151). Daran ändert auch § 48 Abs. 2 ArbGG nichts, der den Abschluß entsprechender Gerichtsstandsvereinbarungen für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (u. a.) aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu Arbeitnehmern oder Arbeitgebern zuläßt. Er wird von Art. 17 des Brüsseler Abkommens als dem höherrangigen Recht verdrängt.
Die internationale Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden ergibt sich letztlich auch nicht aus Art. 6 der Richtlinie 96/71/EG vom 16.12.1996. Diese Norm hat folgenden Inhalt:
Gerichtliche Zuständigkeit:
Zur Durchsetzung des Rechts auf die in Art. 3 gewährleisteten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen kann eine Klage in dem Mitgliedsstaat erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt ist oder war; dies berührt nicht die Möglichkeit, ggf. gemäß den geltenden internationalen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit in einem anderen Staat Klage zu erheben.
EG-Richtlinien sind ihrer Rechtsnatur nach grundsätzlich staatengerichtet. Adressat von EG-Richtlinien sind die Mitgliedsstaaten. Dies wird auch aus Art. 7 der zitierten Richtlinie deutlich. Dort heißt es:
Die Mitgliedsstaaten erlassen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens ab dem 16.12.1999 nachzukommen.
Von dieser „Staatengerichtetheit“ gibt es jedoch Ausnahmen. Es wird in der Literatur die Auffassung vertreten, daß EG-Bürger aus EG-Richtlinien unter Umständen dann Rechte und Pflichten gegeneinander herleiten können, wenn der nationale Gesetzgeber die Richtlinien nicht oder nicht vollständig umsetzt (Nachweise bei Bischof, Europarecht, 2. Aufl. 1996, Randziffer 118). Der EuGH hat die horizontale Wirkung der Richtlinien EG-Bürgern bisher stets abgelehnt. Nach seiner Ansicht sind Richtlinien gemäß Art. 189 EGV mit verbindlicher Wirkung nur gegen den Mitgliedsstaat und damit nicht gegen den Bürger gerichtet. Allerdings müßten die Gerichte als Träger öffentlicher Gewalt die Richtlinien bei der Auslegung des nationalen Rechts – sei es vor oder nach der Richtlinie erlassen – soweit wie möglich heranziehen, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (näheres bei Bischof, aaO, Randziffer 119 mwN). Voraussetzung einer solchen Berücksichtigung ist jedoch immer, daß der nationale Gesetzgeber die fragliche Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Im vorliegenden Fall ist dem nationalen Gesetzgeber eine Frist bis 16.12.1999 zur Umsetzung der oben zitierten Entsenderichtlinie durch Erlaß entsprechender Rechts- und Verwaltungsvorschriften gesetzt. Solche Vorschriften sind in Deutschland derzeit nicht erlassen. Auch das AEntG enthält zur Frage der internationalen bzw. örtlichen Zuständigkeit keine unmittelbare Regelung. Es erstreckt allein die sonst nur für Inländer geltenden Tarifverträge der Bauwirtschaft unter bestimmten Umständen auf ausländische Bauunternehmen und ausländische Bauarbeiter. In einem dieser Tarifverträge, nämlich dem VTV vom 12.11.1986, ist zwar, wie oben ausgeführt, als Gerichtsstand für Ansprüche des Klägers gegen Arbeitgeber Wiesbaden vereinbart. Diese Klausel ist jedoch, wie ebenfalls oben ausgeführt, wegen Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 1 des Brüsseler Abkommens unwirksam.