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Zusammenfassung der Entscheidung Der in Deutschland wohnhafte Kläger verfolgt gegen die Beklagte, eine niederländische Gesellschaft, Ansprüche aus einem Kooperationsvertrag. Dieser Vertrag enthält folgende Vereinbarung: "Erfüllungsort ist A. (DE)". Im Bezirk des für diesen Erfüllungsort zuständigen Gerichts hat der Kläger auch seinen Wohnsitz. Weiter befindet sich in dem Vertrag eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts. Der Kläger ist eine natürliche Person und kein Kaufmann.
Das Oberlandesgericht Köln (DE) bejaht die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts, in dessen Bezirk der vereinbarte Erfüllungsort liegt. Bei der Erfüllungsortsvereinbarung handle es sich nicht um eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art. 17 EuGVÜ. Auch wenn darin nach dem Willen der Parteien zugleich eine Regelung des Gerichtsstands zu finden sein sollte, fehle es jedenfalls an der erforderlichen Form. Die zuständigkeitsbegründende Wirkung eines vertraglich vereinbarten Erfüllungsorts ergebe sich allein aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Die Anforderungen an eine wirksame Erfüllungsortsvereinbarung richteten sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich sei. Zwar begründe nach § 28 Abs. 2 der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) eine Erfüllungsortsvereinbarung die Zuständigkeit nur, wenn die Parteien Vollkaufleute seien, was für den Kläger nicht zutreffe. § 29 ZPO werde aber durch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, der keine solche Begrenzung enthält, verdrängt.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Das Landgericht hat dem in R wohnhaften Antragsteller die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung gegen die in M./Niederlande ansässige, im Handelsregister der Industrie- und Handelskammer M.-L. eingetragene Antragsgegnerin im Ergebnis zu Unrecht deswegen versagt, weil für die beabsichtigte Vertragsklage unbeschadet der vom Antragsteller als zuständigkeitsbegründend angesehenen Vereinbarung in § 4 Nr. 3 S. 4 des Zusammenarbeitsvertrages vom 14. Mai 1991 („Erfüllungsort ist A.“) kein inländischer Gerichtsstand gegeben sei.
1. Entgegen der mit der Beschwerde vertretenen Auffassung besteht allerdings kein Zweifel daran, daß es sich bei der genannten Erfüllungsortsvereinbarung nicht um eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung iSd Art. 17 EuGVÜ handelt. Das gilt auch dann, wenn man entsprechend der vom Beschwerdeführer durch die Benennung von Zeugen unter Beweis gestellten Behauptung (Schriftsatz vom 10. Mai 1995) davon ausgeht, daß nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien in der Erfüllungsortsvereinbarung zugleich die Regelung des Gerichtsstandes ihren Niederschlag finden sollte. Darin kann dann zwar eine mündliche Gerichtsstandsvereinbarung gesehen werden, die jedoch mangels der nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 EuGVÜ erforderlichen schriftlichen Bestätigung unwirksam ist.
2. Fraglich kann allein die Gerichtsstandswirkung der Erfüllungsortsvereinbarung sein.
a) Anerkanntermaßen kann sich auch aus einem vertraglich vereinbarten Erfüllungsort die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergeben; im Geltungsbereich des EuGVÜ richtet sich diese zuständigkeitsbegründende Wirkung grundsätzlich allein nach dessen Art. 5 Nr. 1 (vgl. EuGH vom 17.1.1980 – RS 56/79 -, WM 1980, 720 = IPRax 1981, 89). In jener Entscheidung stellt der EuGH maßgeblich darauf ab, „daß die Zuständigkeit des Gerichts des Erfüllungsortes nach Artikel 5 Nr. 1 und die des gewählten Gerichts nach Artikel 17 auf verschiedenen Konzeptionen beruhen“. Die Anforderungen an eine wirksame Erfüllungsortsvereinbarung richten sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts für die in Rede stehende Verpflichtung maßgeblich ist (vgl. EuGH, NJW 1977,491; NJW 1987,1131; NJW 1995, 183). Das ist hier gemäß Art. 27 EGBGB das deutsche Recht, welches nach der in § 4 Nr. 3 S. 1 des Vertrages getroffenen Rechtswahl der Parteien für das Vertragsverhältnis – und damit mangels anderweitiger Bestimmung auch für die Erfüllungsortsvereinbarung – gelten soll. Grundsätzlich begründet danach eine Vereinbarung über den Erfüllungsort die Zuständigkeit nur, wenn die Vertragsparteien Vollkaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind (§ 29 Abs. 2 ZPO). Da der Kläger nicht zu diesem Kreis gemäß § 38 Abs. 1 ZPO prorogationsbefugter Parteien gehört, die zuständigkeitsbegründende Wirkung einer Erfüllungsortsvereinbarung gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ aber an eine nach dem anwendbaren innerstaatlichen Recht wirksame Vereinbarung anknüpft, erscheint es bei vordergründiger Betrachtung folgerichtig, daß das Landgericht es für die vertraglichen Ansprüche, welche der Antragsteller verfolgen will, bei dem gesetzlichen Leistungsort belassen will, den es am Sitz der Antragsgegnerin ausgemacht hat.
b) Das greift jedoch zu kurz. Der angefochtene Beschluß befaßt sich nicht mit der Frage, ob im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ die Begrenzung des Personenkreises, der nach § 29 Abs. 2 ZPO Erfüllungsortsvereinbarungen mit Gerichtsstandswirkung treffen kann, nicht unbeachtlich ist (auch das OLG Düsseldorf, IPRax 1991, 327, 328 problematisiert diese Frage nicht). Das EuGVÜ kennt nämlich keine dem § 29 Abs. 2 ZPO entsprechende Sonderregelung. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ erlaubt vielmehr eine Erfüllungsortsvereinbarung auch zur Gerichtsstandsbegründung, wie der EuGH im Urteil vom 17.1.1980 – RS 56/79 – (aaO) festgestellt hat. Da § 29 Abs. 2 ZPO die Wirksamkeit der Erfüllungsortsvereinbarung nicht prorogationsbefugter Vertragsparteien unberührt läßt und ihr nur die Zuständigkeitswirkung versagt, erscheint es zutreffend, die Erfüllungsortsvereinbarung insoweit allein nach dem vorrangigen Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ zu beurteilen, der eine entsprechende Schranke nicht enthält (so z.B. Kropholler, Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I (1982), Kap III, Rn. 357; ferner: Spellenberg, IPRax 1981, 75, 79: „Wenn dagegen das Gesetz wie z.B. § 29 ZPO solchen Vereinbarungen nur die Zuständigkeitswirkungen versagt, geht das EuGVÜ dem nationalen Recht vor. § 29 ZPO wird durch Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ verdrängt und es entsteht ein Gerichtsstand des vereinbarten Leistungsortes“; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 309: „§ 29 II ZPO ist deutlicher Ausdruck dafür, daß das deutsche Recht die gerichtsstandsbegründende Wirkung der Erfüllungsortsvereinbarung nicht als bloße Rechtsfolgewirkung sieht, sondern die damit verbundene rechtsgeschäftliche Beeinflussung prozessualer Verhältnisse isoliert bewertet. Eben dies im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nicht zu tun, ist Grundaussage der Entscheidung des EuGH“).
c) Im Übrigen wird auch im autonomen deutschen internationalen Zivilprozeßrecht § 29 Abs. 2 ZPO durchweg einschränkend ausgelegt (z.B. OLG Nürnberg, NJW 1985, 1296, 1298; Kartzke, ZfBR 1994, 1, 3 mwN). Teilweise wird bereits angenommen, diese auf § 4 HGB Bezug nehmende Vorschrift sei allein auf den inländischen Rechtsverkehr zugeschnitten und deshalb international nicht anwendbar. Nach vorherrschender, auch vom Senat geteilter Ansicht können Erfüllungsortsvereinbarungen die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte jedenfalls dann begründen, wenn sie zwar nicht von den in § 29 Abs. 2 ZPO genannten Parteien abgeschlossen werden, jedoch die Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 ZPO erfüllt sind und mithin eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung zulässig wäre. Die Vorschrift des § 29 Abs. 2 ZPO knüpft die zuständigkeitsbegründende Wirkung der Erfüllungsortsvereinbarung an dieselben Voraussetzungen an, die § 38 Abs. 1 ZPO für die allgemeine Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen aufstellt. Damit soll lediglich eine Umgehung des grundsätzlichen Prorogationsverbotes des § 38 ZPO durch Erfüllungsortsvereinbarungen verhindert werden. Wenn aber ohnehin die Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 ZPO, dessen Fassung dem Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ nachgebildet ist, erfüllt und damit eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung zulässig wäre, besteht in der Tat für eine solche „flankierende Maßnahme“ kein Bedürfnis, so daß § 29 Abs. 2 ZPO in diesen Fällen nicht anzuwenden ist (OLG Nürnberg, aaO; Kartzke, aaO). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn die Antragsgegnerin hat keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland. Die Erfüllungsortsvereinbarung ist schriftlich abgeschlossen worden. Bei dem für diesen Erfüllungsort international und örtlich zuständigen Gericht hat der Antragsteller auch seinen allgemeinen Gerichtsstand.
Nach alledem kann die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung des Antragstellers nicht von vornherein wegen vermeintlich fehlender internationaler Zuständigkeit des angerufenen Gerichts verneint werden.