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Zusammenfassung der Entscheidung Die Klägerin, ansässig in Deutschland, gewährte der Beklagten ein Darlehen. Bei Vertragsschluss hatte die Beklagte unstreitig einen Wohnsitz in Deutschland und eine Wohnanschrift in Italien. Streitig ist, ob die Beklagte auch bei Klageerhebung auf Rückzahlung des Darlehens noch einen Wohnsitz in Deutschland hatte. Die Beklagte erwiderte die Klage mit Schriftsatz vom 04.07.1997, rügte die internationale Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts jedoch erst am 26.09.1997.
Das Oberlandesgericht Hamm (DE) bejaht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Diese ergebe sich nicht aus Art. 2 EuGVÜ, da die Klägerin einen deutschen Wohnsitz der Beklagten zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht ausreichend dargelegt habe. Das Vorliegen eines deutschen Wohnsitzes bestimme sich gemäß Art. 52 Abs. 1 EuGVÜ nach deutschem Recht. Hänge der Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nach dem insoweit maßgeblichen materiellen Recht vom Wohnsitz der Beklagten bei Vertragsschluss ab und habe diese einen Wohnsitz sowohl in Deutschland als auch in einem anderen Vertragsstaat, so erscheine es angemessen, der Klägerin hinsichtlich des Gerichtsstands ein Wahlrecht einzuräumen. Jedenfalls ergebe sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 18 EuGVÜ. Der EuGH verlange bei der Interpretation des Art. 18 EuGVÜ, dass Kläger und Gericht bei der ersten Einlassung des Beklagten erkennen können müssen, ob er die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts angreift. Die Zuständigkeitsrüge könne keinesfalls mehr nach Abgabe derjenigen Stellungnahme zur Hauptsache vorgebracht werden, die nach dem nationalen Prozessrecht als erstes Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen sei. Eine Klageerwiderung verliere ihre Funktion als erstes Verteidigungsvorbringen nicht dadurch, dass sie vor einem international unzuständigen deutschen Gericht abgegeben wurde. Damit habe die Beklagte die Rüge der internationalen Zuständigkeit verspätet erhoben.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend entschieden, daß die Regelung im notariellen Vertrag vom 26. September 1996 es der Klägerin verwehrt, die Beklagte noch wegen der streitigen Darlehensforderung in Anspruch zu nehmen.
II. 1. Verfehlt sind allerdings die Ausführungen des Landgerichts zur internationalen Zuständigkeit, die das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen hat. Die internationale Zuständigkeit kann sich jedenfalls nach deutschem Recht nicht allein daraus ergeben, daß die Klage unter der angegebenen Inlandsanschrift zugestellt und der Beklagten offenbar auch zugegangen ist. Die Beklagte hat substantiiert behauptet, bereits seit Jahren in Italien zu wohnen. Damit bestimmt sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach den Bestimmungen des EG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens vom 27.9.1968 (EuGVÜ). Sind die zuständigkeitsrelevanten Tatsachen – wie hier – streitig, ist es Sache des Klägers, sie darzulegen und zu beweisen (Schlosser, EuGVÜ/LÜ, Art. 19,20 Rn. 1).
2. Der allgemeine Gerichtsstand des Art.2 EuGVÜ setzt einen inländischen Wohnsitz voraus. Ob ein solcher gegeben ist, bestimmt sich gemäß Art.52 Abs. 1 EuGVÜ nach deutschem Recht, also nach § 7 BGB (vgl. BGH FamRZ 1994, 299). Die Beklagte müßte daher in Deutschland – zumindest auch – einen Lebensmittelpunkt haben oder jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung gehabt haben (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog). Dafür können die Angabe der Inlandsanschrift in verschiedenen Urkunden, die unter Mitwirkung der Beklagten zustandegekommen sind, wie z.B. der notarielle Vertrag vom 29.9.1996, und die Führung beim Einwohnermeldeamt zwar als Beweisanzeichen dienen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 506); sie führen aber nicht zu einer Beweislastumkehr. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist deutlich geworden, daß die Beklagte in der Tat zumindest ihren geschäftlichen Lebensmittelpunkt in Italien hat. Daß sie daneben noch einen Wohnsitz in Deutschland unterhält, ist von der Klägerin nicht hinreichend dargelegt worden.
3. In Betracht kommt jedoch der Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes nach Art.5 Nr. 1 EuGVÜ. Er setzt voraus, daß die Beklagte bei Abschluß des Darlehensvertrages am 16.12.1991 über einen Wohnsitz in Deutschland verfügte. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bestimmt sich der Erfüllungsort im Sinne des Art.5 Nr. 1 EuGVÜ nach dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht (Thomas/Putzo/Hüßtege, 21. Aufl., EuGVÜ Art.5 Rn. 3 m.Nw.) und das ist für Darlehensverträge gemäß Art.28 Abs. 2 EGBGB das am Verwaltungssitz der Klägerin als Darlehensgeberin geltende Recht (vgl. Palandt/Heldrich, EGBGB Art.28 Rn. 12). § 269 BGB stellt mangels abweichender Vereinbarung oder sonstiger Umstände auf den Wohnsitz des Schuldners bei Entstehung des Schuldverhältnisses ab. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, seinerzeit auch noch einen Wohnsitz in Deutschland unter der im Darlehensvertrag angegebenen Anschrift unterhalten zu haben. Sie hat aber auch unwiderlegt Wohnanschriften in Italien seit 1982 angegeben. Wie eine durch mehrere Schuldnerwohnsitze bedingte Mehrheit von Erfüllungsorten zuständigkeitsrechtlich zu behandeln ist, ist streitig. Materiellrechtlich wird insoweit dem Schuldner ein Wahlrecht eingeräumt (MünchKomm-Keller, § 269 Rn. 49; Palandt/Heinrichs, § 269 Rn. 16), was jedoch den zuständigkeitsrechtlichen Interessen nicht gerecht wird (vgl. Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Privat- und Zivilprozeßrecht, 1985, Rn. 108). Es erscheint angemessener, das Wahlrecht dem Kläger zu belassen, wie es bei anderweitig begründeter konkurrierender Zuständigkeit sowohl der Regelung in § 35 ZPO entspricht als auch für das EuGVÜ vertreten wird (Geimer/Schütze, Europ. Zivilverfahrensrecht, 1997, Art.2 Rn. 49 u. 109).
Die Frage kann letztlich offen bleiben, denn die internationale Zuständigkeit ergibt sich jedenfalls aus Art. 18 EuGVÜ wegen rügeloser Einlassung der Beklagten bzw. wegen verspäteter Zuständigkeitsrüge. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 4.7.1997 auf die Klage erwidert, jedoch erst mit Schriftsatz vom 26.9.1997 die Zuständigkeit gerügt Es kann dahinstehen, ob die zuständigkeitsbegründende Einlassung noch auf Verspätung nach Maßgabe der §§ 282 Abs. 3, 296 Abs. 3 ZPO gestützt werden kann (so die bislang hM, vgl. OLG Düsseldorf, RIW 1990,689; OLG Frankfurt, RIW 1993,933; Leipold, IPRax 1982,222,224; MünchKomm-Gottwald, Schußanhang B. 1., EuGVÜ Art. 18 Rn. 7; Schack, Internat. Zivilverfahrensrecht, 2.Aufl., Rn. 488; aA OLG L3, NJW 1988,2182, Kropholler, Europ. Zivilprozeßrecht, 5. Aufl., Art. 18 Rn. 1), nachdem der BGH zu § 39 ZPO entschieden hat, die Rüge der internationalen Unzuständigkeit könne noch in der mündlichen Verhandlung erhoben werden (BGHZ 134, 127 = NJW 1997,397; vgl. Anm. Pfeiffer, ZZP 1997,370). Vorrangig ist die Interpretation des Art. 18 EuGVÜ durch den EuGH, der offensichtlich eine frühzeitige Klärung der Zuständigkeitsfrage verlangt, wenn er im Anschluß an die Zulassung der gleichzeitigen hilfsweisen Einlassung zur Hauptsache feststellt, Kläger und Gericht müßten schon bei der ersten Einlassung des Beklagten erkennen können, daß sie sich gegen die Zuständigkeit des Gerichts richtet (Amtl. Slg. 1981, 1671 = IPRax 1982,234,237). Der EuGH meint zwar im folgenden, auf die Unterschiede der nationalen Verfahrensordnungen zu den an eine Einlassung zu stellenden Anforderungen Rücksicht nehmen zu müssen, begrenzt das aber dahingehend, daß die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, soweit sie nicht vor jedem Vortrag zur Hauptsache vorgebracht wird, keinesfalls mehr nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben werden könne, die nach dem innerstaatlichen Prozeßrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist. Eine Klageerwiderung verliert ihre Funktion als erstes Verteidigungsvorbringen aber nicht dadurch, daß sie vor einem international unzuständigen deutschen Gericht und ggf. auf dessen Aufforderung hin abgegeben worden ist.
III. 1. Der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag vom 16.12.1991 richtet sich gegen die Beklagte persönlich. Das ergibt sich zunächst aus der eindeutigen Parteibezeichnung in der Vertragsurkunde. Daß insoweit eine falsa demonstratio vorläge, weil in Wirklichkeit die Firma F srl Darlehensnehmerin sein sollte, hat die Beklagte nicht hinreichend dargetan. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, daß mit der Darlehensvaluta ein repräsentatives Möbelstück für den Show-Raum der zukünftigen Fa. F bezahlt werden sollte und auch bezahlt worden ist, es sich also um ein unternehmensbezogenes Geschäft gehandelt hätte. Hinzu kommt nämlich, daß die Fa. F sich seinerzeit in einem nicht näher konkretisierten Gründungsstadium befand, was nach dem dafür maßgeblichen italienischen Recht zur Folge hatte, daß sie rechtlich noch nicht existent war (vgl. Behrens/Kronke, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung im internationalen und europäischen Recht, 2. Aufl., Rn. I 15). Es hätte also, wenn tatsächlich die Fa. F Darlehensnehmerin sein sollte, in der Folgezeit einer Schuldübernahme bedurft. Dazu ist es ausweislich der kontinuierlichen Führung des Darlehens unter dem Namen der Beklagten, wie sie mit der Bilanz zum 31.12.1995 belegt und von dem Zeugen L2 bestätigt worden ist, nie gekommen.
2. Die Klägerin kann die Forderung jedoch nicht mehr geltend machen, nachdem es zu der mit Vertrag vom 26.9.1996 beurkundeten Auseinandersetzung und Entflechtung der Firmen U und F sowie der Gesellschafter T2 und X gekommen ist. Das folgt allerdings nicht schon aus dem Wortlaut der Erledigungsklausel in § 2 des Vertrages, denn diese ist offensichtlich mißlungen. Die Formulierung ergibt für sich genommen keinen vernünftigen T4. Es erscheint zwar plausibel, daß sie so lauten sollte, wie ihr Verfasser, der Zeuge L2, angegeben hat, also bezogen auf die Gesellschaften. Das zwingt aber nicht zu der Annahme, daß die streitbefangene Darlehensforderung von der Auseinandersetzung unberührt sein sollte. Entscheidend ist, ob die Beklagte in der damaligen Situation die Klausel so verstehen durfte, daß auch diese Forderung von dem wechselseitigen Verzicht erfaßt sein sollte. Das ist nach der Überzeugung des Senats der Fall.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann davon ausgegangen werden, daß zumindest für den Zeugen T2 eine weitere Zusammenarbeit mit der Beklagten nicht mehr in Betracht kam. Nach den Angaben des Zeugen L2 war die Gesellschafterversammlung mit der Zielsetzung der Auseinandersetzung einberufen worden und der Zeuge Dr. T war von der Beklagten aus diesem Grunde hinzugezogen worden. Es ist unstreitig, daß zwischen den Beteiligten jedenfalls insoweit Übereinstimmung bestand, daß die Entflechtung der Firmen U und F zwangsläufig mit einem gewissen Forderungsverzicht zu Lasten der Klägerin einhergehen mußte. Ob dabei einzelne Forderungen angesprochen worden sind, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eher zu verneinen. Weder der Zeuge T2 noch der Zeuge Dr. T haben sich daran erinnern können. Soweit der Zeuge L2 bekundet hat, die auf den Namen der Beklagten laufenden Konten sollten bestehen bleiben, beruht dies offensichtlich auf seiner Schlußfolgerung, daß ein solcher Verzicht als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet werden könnte.
Gegen die Annahme, daß diese Forderungen tatsächlich offen bleiben sollten, spricht der Umstand, daß der Zeuge T2 gerade darüber verärgert war, daß er als Folge der Auseinandersetzung das Verrechnungskonto X ausgleichen mußte, über das ihre Kreditkartenabrechnungen liefen. Für den Zeugen Dr. T war es selbstverständlich, daß auch die persönlichen Konten der Beklagten in den Verzicht einbezogen sein sollten, weil es primär um die Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen T2 und der Beklagten ging. Vor diesem Hintergrund ist ihm auch nicht die Sinnwidrigkeit der Formulierung des § 2 des Vertrages aufgefallen, dessen wortgleiche Entwurfsfassung ihm von dem Zeugen L2 zugesandt worden war.
Entscheidend ist jedoch letztlich, daß die Darlehensforderung kurz vor der Gesellschafterversammlung streitig geworden war, wie sich aus dem Schreiben der Beklagten an den Zeugen T2 vom 30.7.1996 ergibt. Sollte die Forderung ungeachtet der beabsichtigten Auseinandersetzung und des umfassenden Verzichts seitens der Klägerin bestehen bleiben, hätte dies in irgendeiner Weise deutlich gemacht werden müssen. Dazu ist es nicht gekommen und offenbar hat niemand dazu eine Veranlassung gesehen. Dann aber ist es treuwidrig, wenn die Klägerin sich jetzt darauf beruft, diese Forderung sei von dem Verzicht ausgenommen gewesen, während sie den Verzicht auf Forderungen aus dem persönlichen Konto offensichtlich hinnimmt.