I. In dem Streitfall zwischen der Klägerin mit Sitz in Bielefeld und der Beklagten mit Sitz in London ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II S. 774) (EuGVÜ) zu beurteilen. Intertemporal kann offenbleiben, ob dieses Übereinkommen im vorliegenden Fall in der Fassung des ersten Beitrittsübereinkommens vom 9. Oktober 1978 (BGBl. 1983 II S. 803) oder in der Fassung des zweiten Beitrittsübereinkommens vom 25. Oktober 1982 (BGBl. 1988 II S. 454) anzuwenden ist (vgl. Art. 34 Abs. 1 des Übereinkommens über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland vom 9. Oktober 1978 (BGBl. 1983 II S. 803) sowie Art. 12 Abs. 1 des Übereinkommens über den Beitritt der Republik Griechenland vom 25. Oktober 1982 (BGBl. 1988 II S. 454)), da diese beiden Fassungen inhaltlich identisch sind.
II. Auszulegen sind Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ und gegebenenfalls Art. 17 EuGVÜ.
III. Die Klägerin macht einen Werklohnanspruch aus einem grenzüberschreitenden Werklieferungsvertrag geltend.
Die Klägerin, eine GmbH, hat ihren Sitz in Bielefeld; die Beklagte, eine limited company englischen Rechts, hat ihren Sitz in London. Die Parteien schlossen am 6. Mai 1988 in London nach in englischer Sprache geführten Verhandlungen mündlich einen Vertrag über die Lieferung von Fenstern und Türen, die die Klägerin aus Materialien der Firma Sch. herzustellen hatte und die für einen Gebäudekomplex in London bestimmt waren; der Werklohn wurde in englischen Pfund vereinbart. Bei dem Vertrag handelt es sich um den ersten zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag.
Die Klägerin bestätigte den Vertragsschluß mit in Englisch verfaßtem Schreiben vom 9. Mai 1988. In diesem Schreiben heißt es unter anderem:
„We refer to our meeting on May 6th and confirm your order for the manufacturing of windows and doors for the Project „C...“, subject to our terms of sale and supply. ...“.
Diesem Schreiben waren erstmals die in Deutsch verfaßten Geschäftsbedingungen der Klägerin beigefügt. § 8 dieser Bedingungen lautet:
„§ 8 Gerichtsstand
Erfüllungsort und Gerichtsstand für sämtliche sich zwischen den Parteien aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Streitigkeiten ist, soweit der Käufer Vollkaufmann, juristische Person des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliches Sondervermögen ist, Bielefeld.“
Die Beklagte hat diesen Geschäftsbedingungen nicht widersprochen.
Im vorliegenden Rechtsstreit klagt die Klägerin einen Teil des Werklohns ein. Sie hat am 13. Dezember 1989 vor dem Landgericht Bielefeld ein Versäumnisurteil erwirkt, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 144.742,08 englische Pfund nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Einspruch eingelegt. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klageschrift sei ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Außerdem hat sie geltend gemacht, die deutschen Gerichte seien international nicht zuständig, hilfsweise hat sie zur Begründetheit vorgetragen.
Das Landgericht Bielefeld hat die Klage durch Zwischenurteil vom 9. Mai 1990 für zulässig erklärt. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und in der Berufungsinstanz erneut die mangelhafte Klagezustellung und die mangelnde internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt. Das Oberlandesgericht Hamm hat die (erneute) Zustellung der Klageschrift an die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten veranlaßt und die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 8. März 1991 zurückgewiesen. Es hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gestützt. Dieses Urteil ist auszugsweise in MDR 1992, 78 veröffentlicht und auch in juris dokumentiert. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte in erster Linie ihren Klageabweisungsantrag weiter.
IV. Der Senat hält zum Erlaß seines Urteils die Beantwortung der eingangs gestellten Fragen zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ und gegebenenfalls von Art. 17 EuGVÜ für erforderlich. Zu klären ist allein, ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (BGHZ 44, 46 ff), auf eine dieser Vorschriften gestützt werden kann. Die – hier im übrigen nicht weiter interessierende – Sachurteilsvoraussetzung der ordnungsmäßigen Klageerhebung hat das Oberlandesgericht Hamm rechtsfehlerfrei bejaht.
V. Die Entscheidung des Senats hängt in erster Linie von der Auslegung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ab.
1. Nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder erfüllt worden wäre. Maßgebend ist hierbei diejenige Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet und die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1976 – Rs. 14/76 = Slg. 1976, 1497, 1508 f, 1510 f (De Bloos/Bouyer); EuGH, Urteil vom 15. Januar 1987 – Rs. 266/85 = Slg. 1987, 239, 254, 256 f (Shenavai/Kreischer), im vorliegenden Fall also die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung des Werklohns. Der Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach dem materiellen Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgebend ist (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1976 – Rs. 12/76 = Slg. 1976, 1473, 1486 f (Tessili/Dunlop); EuGH, Urteil vom 15. Januar 1987 – Rs. 266/85 = Slg. 1987, 239, 254 (Shenavai/Kreischer).
2. Das Oberlandesgericht Hamm ist nach seinen rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen im Streitfall zutreffend davon ausgegangen, daß der zwischen den Parteien geschlossene Werklieferungsvertrag dem Einheitlichen Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen vom 17. Juli 1973 (BGBl. 1973 I S. 856) (EKG) unterliegt und daß nach Art. 59 Abs. 1 Halbsatz 1 dieses Gesetzes Erfüllungsort für die Verpflichtung zur Werklohnzahlung der Sitz der Klägerin als Lieferantin in Bielefeld ist. Es hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ in Verbindung mit Art. 59 Abs. 1 Halbsatz 1 EKG gestützt.
3. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob die vom Gerichtshof aufgestellte Regel, nach der sich der Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nach dem vom Kollisionsrecht des Forums berufenen materiellen Recht bestimmt, auch für den Bereich des Einheitskaufrechts mit der Folge eines grundsätzlichen Kläger- und Verkäufergerichtsstands bei Kaufpreiszahlungsklagen gilt. Eine entsprechende Problematik stellt sich bei Werklohnzahlungsklagen aus Werklieferungsverträgen, die – wie der Vertrag im vorliegenden Fall – Einheitskaufrecht unterliegen.
a) Deutsche Gerichte haben den Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ verschiedentlich nach Einheitskaufrecht bestimmt und sind bei Kaufpreiszahlungsklagen über Art. 59 Abs. 1 Halbsatz 1 EKG zu einem Kläger- und Verkäufergerichtsstand gelangt (vgl. BGHZ 74, 136, 139 ff; OLG Bamberg NJW 1977, 505, 506; OLG Stuttgart RIW 1978, 545, 546; OLG Hamm RIW 1980, 662, 663 f; OLG Hamm RIW 1985, 406, 407; OLG Koblenz RIW 1986, 459, 460; LG Köln IPRax 1989, 290, 293; OLG Koblenz NJW 1989, 2699, 2700. Ablehnend dagegen: von Caemmerer, Festschrift für Mann S. 19; Dölle/von Caemmerer, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht Art. 59 EKG Rn. 20; Stoll, Festschrift für Ferid 1988 S. 501 f). Die vom Gerichtshof aufgestellte Regel, nach der sich der Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nach dem vom Kollisionsrecht des Forums berufenen materiellen Recht bestimmt, wird im Falle dieses Einheitsrechts, das nationales Kollisionsrecht ausschaltet (vgl. Art. 2 EKG), so verstanden, daß die einheitsrechtlichen Regelungen unmittelbar nach ihrem selbstbestimmten Geltungsbereich anzuwenden sind (Rehbinder, IPRax 1987, 289, 290; Duintjer Tebbens, IPRax 1985, 262, 264).
Auch die Gerichte anderer Vertragsstaaten des EuGVÜ haben den Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ mehrfach nach Einheitskaufrecht bestimmt (vgl. z.B. Cass. civ., Entscheidung vom 9. Mai 1983, n. 3146, Giur. it. 1984, 116 m. Anm. Jayme, IPRax 1985, 303; Cass. civ., Entscheidung vom 17. März 1989, n. 1332, Giur. it. 1990, 120 m. Anm. Bruggi; Hof van Geroep Antwerpen, Urteil vom 26. Dezember 1979, zitiert nach Nachschlagewerk der Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht, Serie D, I – 5.1.2. – B 30; weitere Nachweise bei Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 3. Aufl. Art. 5 EuGVÜ Rn. 15 Fn. 45).
b) Eine verbreitete Meinung erachtet hingegen das Ergebnis eines grundsätzlichen Kläger- und Verkäufergerichtsstands, zu dem man im Bereich des Einheitskaufrechts über eine Verknüpfung von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ und Art. 59 Abs. 1 Halbsatz 1 EKG bei Kaufpreiszahlungsklagen gelangt, wegen der Bevorzugung des Verkäufers als unbefriedigend und als mit den Wertungen des EuGVÜ unverträglich (Jayme, Special jurisdiction under Article 5 of the Convention – Part I: The role of Article 5 in the scheme of the Convention – Jurisdiction in matters relating to contract, Seminar on the Brussels Convention, 11./12. März 1991 S. 6 f, zur Veröffentlichung vorgesehen; Schwenzer, IPRax 1989, 274, 275; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht Rn. 272; Schack, IPRax 1986, 82, 84; LG Köln IPRax 1989, 290, 293). Gegen die Verknüpfung von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ und Art. 59 Abs. 1 Halbsatz 1 EKG wird insbesondere eingewandt, damit werde die Maxime „actor sequitur forum rei“ als grundlegendes Postulat prozessualer Fairneß für einen zentralen Bereich internationalen Handels außer Kraft gesetzt (Schwenzer, IPRax 1989, 274, 275).
Stattdessen wird im Schrifttum verschiedentlich eine vertragsautonome Bestimmung des Erfüllungsorts gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ befürwortet, die – bei im einzelnen unterschiedlichen Lösungsvorschlägen – im Bereich des Einheitskaufrechts auf die Ablehnung eines grundsätzlichen Kläger- und Verkäufergerichtsstands hinausläuft (vgl. Schack, Der Erfüllungsort im deutschen, ausländischen und internationalen Zivilprozeßrecht Rn. 344-353, insbesondere 352; Schack, IPRax 1986, 82, 84; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht Rn. 271-273; Schwenzer, IPRax 1989, 274, 276; Jayme aaO S. 7 f; gegen eine vertragsautonome Bestimmung des Erfüllungsorts gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ; Zöller/Geimer, ZPO 17. Aufl. Art. 5 EuGVÜ Rn. 1; Stoll, Festschrift für Ferid 1988 S. 502; Spellenberg ZZP 91 (1978), 38, 61 f; Schlosser, Gedächtnisschrift für Bruns S. 57; Schlosser NJW 1977, 457, 460).
c) Die Frage, ob Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ im Bereich des Einheitskaufrechts bei Kaufpreis- und Werklohnzahlungsklagen einen generellen Klägergerichtsstand begründet, bleibt auch in Zukunft – nach der Ablösung des Haager Einheitlichen Kaufrechts durch das UN-Kaufrecht – bedeutsam, da Art. 57 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (BGBl. 1989 II S. 588) eine inhaltliche mit Art. 59 EKG übereinstimmende Regelung enthält (vgl. Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht S. 73; von Caemmerer/Schlechtriem/Hager, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht Art. 57 Rn. 10 f; Herber/Czerwenka, Internationales Kaufrecht Art. 57 Rn. 12 f; Soergel/Lüderitz, BGB 12. Aufl. Art. 57 UN-KaufAbk Rn. 8; Reinhart, UN-Kaufrecht Art. 57 Rn. 4; Schwenzer, NJW 1990, 602, 606; Münchener Kommentar/Martiny, 2. Aufl. Art. 28 EGBGB Anh. II Rn. 10).
d) Der Gerichtshof hat noch nicht entschieden, wie der Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ im Falle von Einheitsrecht, das nationales Kollisionsrecht ausschaltet, zu bestimmen ist. Bei den bisher vom Gerichtshof behandelten Fällen wurde der Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nicht nach Einheitsrecht, sondern nach dem jeweils vom Kollisionsrecht des Forums berufenen nicht vereinheitlichten materiellen Recht bestimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1976 – Rs. 12/76 = Slg. 1976, 1473, 1481, 1486 f (Tessili/Dunlop); EuGH, Urteil vom 15. Januar 1987 – Rs. 266/85 = Slg. 1987, 239, 240, 254 (Shenavai/Kreischer). Ob die vom Gerichtshof aufgestellte Regel, nach der sich der Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ nach dem vom Kollisionsrecht des Forums berufenen materiellen Recht bestimmt, auch für den Bereich des Einheitskaufrechts mit der Folge eines generellen Klägergerichtsstands bei Kaufpreis- und Werklohnzahlungsklagen gilt, erscheint im Hinblick auf die unterschiedlichen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Schrifttum zweifelhaft. Der Senat hält daher die Beantwortung der eingangs gestellten Fragen Nr. 1. a) und – gegebenenfalls – Nr. 1. b) zum Erlaß seines Urteils für erforderlich.
VI. Für den Fall, daß nach den Antworten auf die Fragen Nr. 1 a) und b) die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht auf Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gestützt werden kann, kommt es für die Entscheidung des Senats in mehrfacher Hinsicht auf die Auslegung des Art. 17 EuGVÜ an. Die Entscheidung des Senats hängt dann zunächst von der Auslegung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Fall 3 EuGVÜ ab.
1. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EuGVÜ in der hier maßgebenden Fassung des ersten Beitrittsübereinkommens vom 9. Oktober 1978 (BGBl. 1983 II S. 803), die mit derjenigen des zweiten Beitrittsübereinkommens vom 25. Oktober 1982 (BGBl. 1988 II S. 454) übereinstimmt, muß eine Gerichtsstandsvereinbarung schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung oder im internationalen Handelsverkehr in einer Form geschlossen werden, die den internationalen Handelsbräuchen entspricht, die den Parteien bekannt sind oder die als ihnen bekannt angesehen werden müssen. Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsklauseln nach Art. 17 EuGVÜ sind nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eng auszulegen, da diese Vorschrift gewährleisten soll, daß die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht und klar und deutlich zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 11. Juni 1985 – Rs. 221/84 = Slg. 1985, 2699, 2708 mwN (Berghoefer/ASA); EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – Rs. 24/76 = Slg. 1976, 1831, 1841 (Colzani/RÜWA)).
2. Nach dem unstreitigen Sachverhalt im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihrem Schreiben vom 9. Mai 1988, mit dem sie den mündlichen Vertragsschluß vom 6. Mai 1988 bestätigte, erstmals ihre Geschäftsbedingungen beigefügt, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten. Die Beklagte hat dieser Gerichtsstandsklausel nicht widersprochen. Sie hat sich darauf berufen, daß das Schweigen auf ein solches Schreiben nach dem Wohnsitzrecht des Empfängers zu beurteilen sei. Nach englischem Recht besteht grundsätzlich kein Handelsbrauch, daß Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben, dem erstmals Allgemeine Geschäftsbedingungen beigefügt sind, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten, als Einverständnis mit der Gerichtsstandsklausel anzusehen sei (vgl. Ebenroth, ZVglRWiss 77 (1978), 161, 164 ff; Thieme/Mitscherlich RIW 1974, 173, 180; Schwenzer, IPRax 1988, 86, 88; ferner Chitty on Contracts Bd. I 26. Aufl. Rn. 81 ff).
3. Dem Erfordernis der Schriftlichkeit nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 EuGVÜ ist im vorliegenden Fall nicht genügt. Diesem Erfordernis ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Gerichtsstandsklausel nur dann genügt, wenn ein von beiden Parteien unterzeichneter Vertragstext ausdrücklich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – Rs. 24/76 = Slg. 1976, 1831, 1843 (Colzani/RÜWA)). Auch die Formerfordernisse des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 EuGVÜ sind im vorliegenden Fall nicht eingehalten. Diesen Formerfordernissen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Falle eines mündlich geschlossenen Vertrags nur dann genügt, wenn die schriftliche Bestätigung durch den Verkäufer, der dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten, beigefügt sind, vom Käufer schriftlich angenommen worden ist (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – Rs. 25/76 = Slg. 1976, 1851, 1862 (Segoura/Bonakdarian)). Der Umstand, daß der Käufer einer einseitigen Bestätigung durch die andere Vertragspartei nicht widerspricht, ist hinsichtlich der Gerichtsstandsklausel nicht als Annahme anzusehen, es sei denn, der mündlich geschlossene Vertrag füge sich – was hier nicht der Fall war – in laufende Geschäftsbeziehungen ein, die zwischen den Parteien auf der Grundlage der eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1976 – Rs. 25/76 = Slg. 1976, 1851, 1863 (Segoura/Bonakdarian)).
4. Es kommt daher im vorliegenden Fall auf die Auslegung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Fall 3 EuGVÜ in der Fassung von 1978 an.
a) Die Tragweite dieser Sonderregel für den internationalen Handel ist ungeklärt (Jayme/Kohler, IPRax 1991, 361, 366; Kohler, EuZW 1991, 303, 305; Huet, Clunet 1990, 153, 158; Deli, Riv. dir. int. priv. proc. 1989, 27, 28 ff, 54). Fraglich ist, ob diese Bestimmung über ihren Wortlaut hinaus nicht nur die Form, sondern auch die materiellen Voraussetzungen des Zustandekommens von Gerichtsstandsvereinbarungen erfaßt (Jayme/Kohler, IPRax 1991, 361, 366; Roth, ZZP 93 (1980), 156, 162 f; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 288 ff). Fraglich ist ferner, wie die konkretisierungsbedürftigen Begriffe des internationalen Handelsverkehrs und der internationalen Handelsbräuche sowie die subjektiven Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift auszulegen sind (vgl. Kohler, IPRax 1987, 201, 204; Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 288 ff, 291; Schmidt RIW 1992, 173, 177).
b) Im Einklang mit dem Willen der Verfasser soll nach überwiegender Ansicht unter der Geltung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Fall 3 EuGVÜ in der Fassung von 1978 eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung grundsätzlich auch durch Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zustande kommen können (OLG Köln NJW 1988, 2182; LG Essen RIW 1992, 227, 228 f; LG Münster, RIW 1992, 230; Schmidt, RIW 1992, 173, 177; Kropholler/Pfeifer, Festschrift für Nagel S. 157, 162; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 3. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 42; Reithmann/Hausmann, Internationales Vertragsrecht 4. Aufl. Rn. 1203; Jung, Vereinbarungen über die Internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO S. 170 ff; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht Rn. 470; Kaye, Civil Jurisdiction and Enforcement of Foreign Judgments S. 1062; Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 2. Aufl. § 2 Anh. Rn. 92; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 6. Aufl. Anh. § 2 Rn. 33; zweifelnd Kohler, IPRax 1983, 265, 270 sowie Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 14. Aufl. § 20 VI 3; vgl. auch LG Köln IPRax 1989, 290, 291; Cour d'appel Paris, Entscheidung vom 30. November 1988, Recueil Dalloz Sirey 1989, Inf. rap. 11; Cour d'appel Paris, Entscheidung vom 14. Dezember 1988, Recueil Dalloz Sirey 1989, Inf. rap. 52).
c) Nach verbreiteter Ansicht soll eine solche Vereinbarung allerdings nur zulässig sein, wenn der Empfänger nach seinem Wohnsitzrecht damit rechnen mußte, daß sein Schweigen als Einverständnis mit einer in einem Bestätigungsschreiben enthaltenen Gerichtsstandsklausel angesehen wird (OLG Köln NJW 1988, 2182, 2183; OLG Düsseldorf RIW 1990, 577, 579; Reithmann/Hausmann, Internationales Vertragsrecht 4. Aufl. Rn. 1203; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 3. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 42; differenzierend Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 2. Aufl. § 2 Anh. Rn. 92). Nach anderer Ansicht sind die zuständigkeitsrechtlichen Wirkungen des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben hingegen nach europäischem Einheitsrecht zu beurteilen (Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I, 1. Halbband S. 480 f; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozeßrecht S. 56).
d) Der Gerichtshof, dem die Klärung der hier eventuell entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Fall 3 EuGVÜ obliegt, hat zu dieser Vorschrift noch keine Entscheidung gefällt. Der Senat hält daher hilfsweise die Beantwortung der eingangs gestellten Frage Nr. 2 a) zum Erlaß seines Urteils für erforderlich.
VII. Für den Fall, daß der Gerichtshof die Frage Nr. 2. a) bejaht, kommt es für die Entscheidung des Senats auf die weitere eingangs gestellte Frage Nr. 2. b) zum Sprachrisiko im Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVÜ bei der Verwendung von fremdsprachigen, eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen an.
1. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamm ist im Streitfall davon auszugehen, daß Verhandlungs- und Vertragssprache Englisch war, während die Geschäftsbedingungen der Klägerin einschließlich der Gerichtsstandsklausel in Deutsch verfaßt waren. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß die Beklagte des Deutschen mächtig sei. Die Beklagte hat sich darauf berufen, daß die Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht in der Verhandlungssprache verfaßt waren.
2. In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob Art. 17 EuGVÜ grundsätzlich einen gesonderten Hinweis in der Verhandlungs- und Vertragssprache auf eine in fremdsprachigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsklausel verlangt (implizit verneinend BGH, Beschluß vom 31. Oktober 1989 – VIII ZR 330/88 = IPRax 1991, 326 im Falle einer schriftlichen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 EuGVÜ; ebenso LG Münster RIW 1992, 230, 231 bei ständiger Geschäftsbeziehung; bejahend Kohler, IPRax 1991, 299, 301; ebenso wohl Trib. comm. Verviers, Entscheidung vom 8. März 1984 iS Hanlet & Fils ./. Bel Flor Teppichboden GmbH & Co. KG, zitiert nach Kohler aaO 302 Fn. 22).
3. Die Frage, ob im Anwendungsbereich von Art. 17 EuGVÜ eine Regelung des Sprachrisikos bei der Verwendung von fremdsprachigen, eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen erforderlich ist und welche Grundsätze hierbei gegebenenfalls heranzuziehen sind, ist ungeklärt (Kohler, IPRax 1991, 299, 302). Der Senat hält daher weiter hilfsweise die Beantwortung der eingangs gestellten Frage Nr. 2. b) zum Erlaß seines Urteils für erforderlich.
VIII. Für den Fall, daß der Gerichtshof die Fragen Nr. 2. a) und b) bejaht, kommt es für die Entscheidung des Senats auf die weitere eingangs gestellte Frage Nr. 3 zum Vorrang des Art. 17 EuGVÜ bei vorformulierten Gerichtsstandsklauseln vor nationalen Einbeziehungsvorschriften an.
1. In dieser Variante genügt die in den Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltene Gerichtsstandsklausel den Erfordernissen des Art. 17 EuGVÜ. Hingegen sind die Geschäftsbedingungen der Klägerin einschließlich der Gerichtsstandsklausel in Anwendung des deutschen Rechts durch Schweigen auf das Bestätigungsschreiben nicht Vertragsbestandteil geworden, wobei hier offenbleiben kann, ob dieses Ergebnis unter Anwendung des Einheitlichen Gesetzes über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen vom 17. Juli 1973 (BGBl. 1973 I S. 868) (EAG) oder nach den Regeln des autonomen deutschen Kollisionsrechts (Art. 27 ff, 31 Abs. 2 EGBGB) zu begründen ist.
2. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist umstritten, ob vorformulierte Gerichtsstandsklauseln, die den Erfordernissen einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ genügen, zusätzlich einer Einbeziehungskontrolle nach nationalem Recht zu unterwerfen sind (vgl. Rauscher, ZZP 104 (1991), 271, 295 ff).
a) Nach einer Ansicht ist die Frage, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten, überhaupt Bestandteil des Vertrags geworden sind, unbeschadet des Art. 17 EuGVÜ zusätzlich nach den vom Kollisionsrecht des Forums berufenen Einbeziehungsvorschriften zu prüfen (vgl. OLG Düsseldorf RIW 1990, 577, 579; OLG Koblenz RIW 1987, 144, 146; Stein/Jonas/Leipold, Kommentar zur Zivilprozeßordnung 20. Aufl. § 38 Rn. 28; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht Rn. 472; implizit auch BGH, Urteil vom 16. Januar 1981 – I ZR 84/78 = WM 1981, 789, 790 f). Insoweit soll der Rückgriff auf nationales Recht neben Art. 17 EuGVÜ zulässig und notwendig sein (Stein/Jonas/Leipold aaO § 38 Rn. 28 Fn. 49; Grunsky, RIW 1977, 1, 6).
b) Nach anderer Ansicht beurteilt sich die Frage, ob eine vorformulierte Gerichtsstandsklausel wirksam vereinbart ist, hingegen ausschließlich nach Art. 17 EuGVÜ (Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 2. Aufl. § 2 Anh. Rn. 94; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I, 1. Halbband S. 485). Für eine zusätzliche Einbeziehungskontrolle von vorformulierten Gerichtsstandsklauseln nach nationalem Recht ist daneben kein Raum (so: Schmidt, RIW 1992, 173, 175; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 3. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 17; Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 2. Aufl. § 2 Anh. Rn. 94; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 6. Aufl. Anh. § 2 Rn. 26; Staudinger/Schlosser, BGB 12. Aufl. § 12 AGBG Rn. 6; Grüter, DB 1978, 381, 384; Zöller/Geimer, ZPO 17. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 12; implizit auch BGH, Urteil vom 4. Mai 1977 – VIII ZR 14/75 = WM 1977, 795 und BGH, Beschluß vom 31. Oktober 1989 – VIII ZR 330/88 = IPRax 1991, 326; ferner LG Essen RIW 1992, 227, 229).
3. Diese Frage hat der Gerichtshof noch nicht entschieden. Bisher hat der Gerichtshof lediglich entschieden, daß es den Vertragsstaaten nicht frei steht, zusätzlich zu den Formvorschriften des Übereinkommens Formerfordernisse festzulegen (EuGH, Urteil vom 24. Juni 1981 – Rs. 150/80 = Slg. 1981, 1671, 1688 (Elefanten Schuh/Jacqmain)). Der Senat hält daher weiter hilfsweise die Beantwortung der eingangs gestellten Frage Nr. 3 zum Erlaß seines Urteils für erforderlich.