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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsteller begehrt die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu einem niederländischen Versäumnisurteil, das die während der Ehe erworbenen Güter zwischen ihm und seiner Ehefrau aufgeteilt hatte. Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des Landgerichts München II (DE) hatte mit Beschluss vom 8.2.1999 angeordnet, dass der Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.
Das OLG München (DE) verwirft die Beschwerde, weil der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nach dem deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag vom 30.8.1962 begründet sei. Dieser Vertrag werde zwar grundsätzlich durch das vorrangige EuGVÜ verdrängt, Art. 55 EuGVÜ. Das EuGVÜ sei jedoch vorliegend gem. seinem Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 nicht anzuwenden, weil es sich um eine güterrechtliche Streitigkeit im Sinne dieser Vorschrift handle. Unter den autonom auszulegenden Begriff „eheliche Güterstände“ fielen alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten, die sich unmittelbar aus der Ehe oder ihrer Auflösung ergeben. Hierzu gehöre auch die Verteilung der Ehewohnung und des Hausrats. Es handle sich auch nicht um eine Unterhaltssache, auf die das EuGVÜ anzuwenden wäre, denn der Zweck der Leistungen liege in der Verteilung der Güter und nicht in der Abfindung von Unterhaltsansprüchen. Für die vom EuGVÜ nicht erfassten Sachverhalte gälten die bilateralen Vollstreckungsverträge zwischen den Vertragsstaaten aber nach Art. 56 EuGVÜ weiter.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Der Antragsteller begehrt die Erteilung der Vollstreckungsklausel für ein niederländisches Versäumnisurteil.
Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des Landgerichts München II hat ohne Anhörung der Antragsgegnerin mit Beschluß vom 8.2.1999 angeordnet, daß der Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist.
Gegen diesen Beschluß hat die Antragsgegnerin am 10.3.1999 Beschwerde zum Oberlandesgericht München eingelegt, mit der sie die fehlende Rechtsgrundlage für diesen Beschluß rügt und gleichzeitig beantragt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
Gegen den angefochtenen Beschluß findet nicht die befristete Beschwerde zum Oberlandesgericht nach §§ 11 ff AVAG, sondern der befristete Widerspruch zum Landgericht nach § 9 des Ausführungsgesetzes zum deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag statt.
1. Die befristete Beschwerde nach § 11 AVAG findet nur in denjenigen Fällen statt, in denen das AVAG anzuwenden ist. Der Anwendungsbereich des AVAG wird durch dessen § 35 bestimmt.
a) Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des Landgerichts München II hat zwar keine Rechtsgrundlage für den Erlaß seiner Entscheidung benannt, gleichwohl ist davon auszugehen, daß er seinen Beschluß auf den deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag vom 30.8.1962 (BGBl. 1965 II, S. 27) iVm dem hierzu erlassenen Ausführungsgesetz vom 15.1.1965 (BGBl. 1965 I S. 17) gestützt hat. Denn nach Art. 8, 9 des Vertrags, §§ 1, 3, 5 Ausführungsgesetz ordnet der Vorsitzende ohne Anhörung des Schuldners bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erteilung der Vollstreckungsklausel an.
b) Die beantragte Erteilung der Vollstreckungsklausel beurteilt sich auch nach dem deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag, auf den das AVAG nicht anzuwenden ist.
Das an sich vorrangige EuGVÜ, auf das das AVAG gem. § 35 I Nr. 1 AVAG anzuwenden wäre, ist gem. Art. 1 II EuGVÜ nicht anzuwenden, weil vorliegend eine güterrechtliche Streitigkeit i.S. dieser Vorschrift vorliegt.
Unter den autonom auszulegenden Begriff „eheliche Güterstände“ fallen alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten, die sich unmittelbar aus der Ehe oder ihrer Auflösung ergeben (Thomas-Putzo/Hüßtege, ZPO, 21. Aufl., Art. 1 EuGVÜ Rn. 5). Hierzu gehören auch die Verteilung der Ehewohnung und des Hausrats.
Eine güterrechtliche Streitigkeit und keine Unterhaltsstreitigkeit, auf die das EuGVÜ anzuwenden wäre, liegt hier vor, weil der Zweck der Leistungen, die hier vorgenommen werden sollen, in der Verteilung der Güter liegt und nicht in der Abfindung von Unterhaltsansprüchen (EuGH EuZW 1997, 242).
Somit sind für die Vollstreckbarerklärung die bilateralen Verträge oder die autonomen Vorschriften der deutschen ZPO anzuwenden.
Vorliegend ist der deutsch-niederländische Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag anzuwenden.
Die Anwendbarkeit des deutsch- niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrags ist nicht ausgeschlossen.
aa) Art. 56 EuGVÜ stellt ausdrücklich klar, daß der deutsch-niederländische Vertrag (vgl. Art. 55 EuGVÜ) für die vom EuGVÜ nicht erfaßten Sachverhalte weiter gilt.
bb) Art. 1 III lit. b) des deutsch- niederländischen Vertrags nimmt nur Ehe- und Familienstandssachen vom Anwendungsbereich des Vertrags aus.
Hierbei handelt es sich um Statussachen wie die Eheschließung, Scheidung, Abstammung, Vaterschaft, Volljährigkeit, Entmündigung, Adoption, Vormundschaft, Pflegschaft, Betreuung (vgl. Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, 1971, Bd. II, S. 288 zum gleichlautenden deutsch-belgischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag).
Eine Statutssache liegt hier jedoch eindeutig nicht vor, so daß das niederländische Urteil grundsätzlich gem. Art. 1, 6 des Vertrags anzuerkennen und mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist, wenn kein Anerkennungshindernis nach Art. 2 ff besteht.
2. Nachdem der Vorsitzende entschieden hat, findet gegen seine Entscheidung der befristete Widerspruch gem. § 9 Ausführungsgesetz zum deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag statt. Über den Widerspruch entscheidet gem. § 10 I des Ausführungsgesetzes das Landgericht, also die zuständige Kammer. Diese ist gem. § 10 II des Ausführungsgesetzes auch für einstweilige Anordnungen gem. § 769 ZPO zuständig.
Eine Beschwerde findet nur statt, wenn der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel abgelehnt wird (§ 6 des Ausführungsgesetzes).
Da somit die Beschwerde zum Oberlandesgericht unzulässig ist, ist diese zu verwerfen.
Die Akten werden jedoch noch der zuständigen Kammer zur Prüfung übersandt, ob ein Widerspruch gem. § 9 des Ausführungsgesetzes fristgerecht innerhalb der Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Titels eingelegt worden ist. Hierbei wird zu prüfen sein, ob die für den Lauf der Widerspruchsfrist erforderliche Zustellung des mit der Vollstreckungsklausel versehenen Schuldtitels erfolgt ist (§ 9 II S. 2 Ausführungsgesetz). Von der Urkundsbeamtin wurde bisher fälschlicherweise nur eine Vollstreckungsklausel nach § 3 AVAG erteilt, jedoch nicht eine solche nach § 7 Ausführungsgesetz zum deutsch-niederländischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag.