-
Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Beklagte bestellte bei dem Kläger, ansässig in Italien, Waren. Dabei verwendeten die Parteien ein Auftragsformular des Klägers, das am unteren Rand eine punktierte Linie für eine Unterschrift vorsieht, mit der die Annahme der Bestellung und der rückseitig abgedruckten Verkaufsbedingen (AGB) erklärt werde. In den AGB befindet sich eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte am Sitz der Lieferfirma. Der Kläger füllte dieses Formular aus ohne zu unterschreiben; der anwesende Vertreter der Beklagten unterzeichnete das Formular - jedoch über der punktierten Linie. Der Kläger fordert vor deutschen Gerichten Zahlung des Kaufpreises. Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, zuständig seien die italienischen Gerichte.
Das Oberlandesgericht München (DE) bejaht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da ein anderweitiger Gerichtsstand von den Parteien nicht wirksam vereinbart worden sei. Die Wirksamkeit der Vereinbarung richte sich allein nach Art. 17 EuGVÜ, der dem § 38 der deutschen Zivilprozessordnung auch dann vorgehe, wenn beide Parteien Vollkaufleute seien. Die von Art. 17 EuGVÜ geforderte Form sei nicht gewahrt worden. Eine mündliche Vereinbarung sei nicht schriftlich bestätigt worden. Die Formerfordernissen des Art. 17 EuGVÜ seien nur dann gewahrt, wenn die schriftliche Bestätigung durch den Verkäufer, der dessen AGB beigefügt sind, vom Käufer schriftlich angenommen worden sei. Das Auftragsformular entbehre jedoch die Unterschrift des Klägers. Dieser Urkunde lasse sich damit nicht entnehmen, dass sich die Parteien über die Frage des Gerichtsstandes ausdrücklich geeinigt hätten. Ausnahmsweise könne es genügen, wenn die schriftliche Bestätigung nur von einer Partei unterzeichnet sei, dies müsse dann aber die Partei sein, der die Gerichtsstandsvereinbarung entgegengehalten werde. Hier werde die Vereinbarung aber von der Beklagten dem Kläger, dessen Unterschrift nicht vorliege, entgegengehalten.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die zulässige (§§ 511 ff ZPO) Berufung ist unbegründet.
1. Die Berufung gegen Zwischenurteile über die Zulässigkeit der Klage ist statthaft (§§ 511, 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO). § 512 a ZPO steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, da die Frage der internationalen Zuständigkeit nicht unter diese Bestimmung fällt (vgl. Thomas-Putzo, 11. Aufl., Anm. 1 zu § 512 a mwN).
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angegangene Gericht ist gemäß §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig, da ein anderweitiger Gerichtsstand von den Parteien nicht wirksam vereinbart worden ist.
a) Die Wirksamkeit der in Ziffer 13 der Verkaufsbedingungen des Klägers vorgesehenen Gerichtstandsvereinbarung beurteilt sich ausschließlich nach Art. 17 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) vom 27. September 1968 (BGBl 1972 11, 774). Das Übereinkommen ist durch Bundesgesetz vom 24. Juli 1972 (BGBl 11 773) ratifiziert worden und am 1.2.1973 in Kraft getreten.
b) Das Abkommen ist im vorliegenden Fall anwendbar, da beide Parteien ihren Sitz im Gebiet eines jeweils anderen Vertragsstaates haben (Art. 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 EuGVÜ) und Gegenstand des Rechtsstreits eine Handelssache im Sinne des Art. 1 EuGVÜ ist.
c) Die Vorschrift des Art. 17 EuGVÜ geht als lex specialis dem durch die Gerichtstandsnovelle vom 31. März 1974 (BGBl I 753) neu gefaßten und am 1. April 1974 in Kraft getretenen § 38 ZPO vor. Dies gilt nach nunmehr ganz überwiegender Meinung nicht nur für § 38 Abs. 2 ZPO (vgl. dazu Thomas-Putzo, 10. Aufl., Anm. 2b bb) zu § 38 ZPO m.w.N.), sondern auch für § 38 Abs. 1 ZPO, der unter Vollkaufleuten eine formfreie Gerichtstandsvereinbarung zuläßt. Zwar wurde insofern auch die Auffassung vertreten, daß die internationale Prorogation nach § 38 Abs. 1 ZPO zu beurteilen sei, wenn beide Parteien Vollkaufleute sind, da das EuGVÜ für diesen Fall keine besondere Regelung getroffen habe (vgl. etwa Wirth, NJW 1978, 460/461; ebenso früher Thomas- Putzo, 9. Aufl., Anm. 2 a zu § 38 ZPO). Nach der jetzt wohl überwiegenden Meinung, der sich auch der Senat anschließt, betrifft Art. 17 EuGVÜ auch die Prorogation unter Vollkaufleuten und geht damit § 38 Abs. 1 ZPO als Spezialgesetz vor (vgl. OLG Bamberg, NJW 1977, 505; OLG Frankfurt, NJW 1977, 506; LG Siegen, NJW 1978, 2456; Stein-Jonas-Leipold, Rn. 12 zu § 38 ZPO; Jauernig, ZPR, 18. Aufl., § 11 II; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, 39. Aufl., Schlußanhang V C 1, Anm. zu § 17 EuGVÜ; Thomas-Putzo, seit 10. Aufl., Anm. 2.a zu § 38 ZPO; Samtleben, NJW 1974, 1590; derselbe NJW 1975, 1606). Denn das Übereinkommen stellt nicht darauf ab, welche Personen die Gerichtstandsvereinbarung abschließen. Auch Art. 17 EuGVÜ betrifft Kaufleute und- Nichtkaufleute in gleicher Weise und ist gerade für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr der Kaufleute in den Vertragsstaaten von besonderer Bedeutung. Eine andere Auslegung, die die Neufassung des § 38 Abs. 1 ZPO dem Art. 17 EuGVÜ vorgehen ließe, würde gegen den Zweck des EuGVÜ, eine klare und in den Vertragsstaaten einheitliche Rechtslage herbeizuführen, verstoßen (vgl. Stein-Jonas-Leipold, aaO). Sie würde außerdem dem Gesetzgeber unzutreffend unterstellen, er habe gegen internationales Recht verstoßen und Art. 17 EuGVÜ für Vollkaufleute insoweit außer Kraft gesetzt.
d) Die von Art. 17 EuGVÜ für die Gerichtstandsvereinbarung geforderte Schriftform ist in vorliegendem Fall nicht gewahrt. Art. 17 EuGVÜ verlangt für die Gerichtstandsvereinbarung unabhängig davon, ob die Parteien Vollkaufleute sind oder nicht, die Einhaltung der Schriftform. Eine mündliche Vereinbarung muß schriftlich bestätigt werden (Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ).
aa) Da für die Form der in Ziffer 13 vorgesehenen Gerichtstandsvereinbarung ausschließlich Art. 17 EuGVÜ maßgeblich ist, ist es entgegen der Auffassung der Beklagten ohne Bedeutung, ob zwischen den Parteien die übrigen Verkaufsbedingungen einschließlich der vereinbarten Rechtswahl in Ziffer 12 (italienisches Recht) rechtswirksam Vertragsinhalt geworden sind. Dies kann sich aus anderen Gesichtspunkten ergeben, ist aber für die hier zu treffende Entscheidung, die sich auf die Wirksamkeit der ausschließlich nach Art. 17 EuGVÜ zu beurteilenden Gerichtstandsvereinbarung zu beschränken hat, ohne Belang.
bb) Die Voraussetzungen, die § 126 Abs. 2 BGB für die gesetzliche Schriftform eines Vertrages aufstellt sind im vorliegenden Fall eindeutig nicht erfüllt. Auch dem Vortrag der Beklagten, durch ihre Unterzeichnung des Auftragsformulars sei eine mündliche Gerichtstandsvereinbarung entsprechend Art. 17 EuGVÜ schriftlich bestätigt worden, kann nicht gefolgt werden.
Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Voraussetzungen einer entsprechenden mündlichen Gerichtstandsvereinbarung ausreichend dargetan hat. Dahingestellt bleiben kann auch, ob die Unterschrift der Beklagten, die sich räumlich unter der Warenbestellung als solcher befindet, nicht aber auf der für die Bezugnahme auf die auf der Rückseite enthaltenen Gerichtstandsvereinbarung vorgesehenen Stelle, überhaupt diese Gerichtstandsvereinbarung räumlich abschließt (vgl. Palandt-Heinrichs, 39. Aufl., Anm. 3 a zu § 126 BGB) und sie damit als in die Willenserklärung der Beklagten mit einbezogen gesehen werden kann. Die gemäß Art. 17 EuGVÜ geforderte Schriftform ist bereits aus anderen Gründen nicht gewahrt. Die Rechtsprechung des EuGH (NJW 1977, 494: 495) hat zwar die grundsätzlich strengen Anforderungen an die schriftliche Gerichtstandsvereinbarung gemäß Art. 17 EuGVÜ im Hinblick auf bestimmte Gegebenheiten der internationalen Handelsbräuche und auf Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs (vgl. dazu auch Piltz, NJW 1979, 1071/1073) etwas modifiziert. Die Voraussetzungen der Entscheidung des EuGH vom 4. Dezember 1976 (NJW 1977, 495), auf die sich die Beklagte beruft, treffen hier jedoch nicht zu. Bei einem mündlich geschlossenen Vertrag, bei dem auch die Gerichtstandsvereinbarung mündlich vereinbart worden ist, ist auch nach dieser Entscheidung den Formerfordernissen des Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ nur dann genügt, wenn die schriftliche Bestätigung durch den Verkäufer, der dessen Vertragsbedingungen beigefügt sind, vom Käufer schriftlich angenommen worden ist (vgl. EuGH aaO). Dies ist hier nicht der Fall. Das Auftragsformular enthält lediglich die Unterschrift der Beklagten. Es stammt zwar vom Kläger und ist von diesem auch „schriftlich“ ausgefüllt, entbehrt jedoch seiner Unterschrift und erfüllt somit bereits die Voraussetzungen einer Unterzeichnung gemäß § 126 Abs. 1 BGB nicht. Damit läßt sich der Urkunde, die die mündliche Gerichtstandsvereinbarung nach Auffassung der Beklagten bestätigen soll, nicht entnehmen, daß sich die Parteien, über die bedeutsame Frage des Gerichtstandes ausdrücklich geeinigt haben. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Schutzzweck des Art. 17 EuGVÜ ist damit entsprochen, da diese Vorschrift sicherstellen will, daß eine Gerichtstandsvereinbarung von dem ausdrücklich manifestierten Willen beider Vertragspartner gedeckt ist. Auch die von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen (Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, in verschiedenen Urkunden niedergelegte Willenserklärungen der Parteien) setzen voraus, daß diesem Erfordernis Rechnung getragen ist. Es mag daher zwar ausnahmsweise ausreichen, daß die schriftliche Bestätigung einer mündlichen Abrede nur von einer der Parteien unterzeichnet wird (vgl. dazu die Nachweise zum Meinungsstand bei Wirth, NJW 1978, 460/463). Dies kann im Hinblick auf den Schutzzweck des Art. 17 EuGVÜ, den Beteiligten die besondere Bedeutung einer Gerichtsstandsvereinbarung durch besondere Formerfordernisse deutlich erkennbar zu machen, jedoch grundsätzlich nur eine einseitige schriftliche Bestätigung derjenigen Partei sein, der diese Gerichtstandsvereinbarung entgegengehalten werden soll (vgl. Wirth aaO). Im vorliegenden Fall beruft sich jedoch die Beklagte darauf, der Kläger könne sie nicht an ihrem Sitz, sondern müsse sie an seinem Sitz in Italien verklagen. Sie hält die Gerichtstandsvereinbarung damit dem Kläger entgegen, dessen unterschriftliche Bestätigung (§ 126 BGB) hier nicht vorliegt.
Der Umstand, daß eine Partei einer einseitigen Bestätigung durch die andere Vertragspartei nicht widerspricht, kann hinsichtlich der Gerichtsstandsklausel allenfalls dann als Annahme angesehen werden, wenn sich der mündlich geschlossene Vertrag in laufende Geschäftsbeziehungen einfügt, die zwischen den Parteien auf der Grundlage der eine Gerichtstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Partei bestehen (EuGH aaO, 495; BGH WM 81, 68).
Auf diese Möglichkeit, eine Ausnahme von der beiderseitigen schriftlichen Bestätigung dann zuzulassen, wenn im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen ein Vertrag mündlich abgeschlossen wird und diesem Vertrag – wie bereits bei früheren Verträgen – die Verkaufsbedingungen mit der Gerichtstandsvereinbarung zugrundeliegen soll, kann hier nicht zurückgegriffen werden. Zu diesen Voraussetzungen ist von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nichts vorgetragen worden.
e) Da eine wirksame Gerichtstandsabrede zwischen den Parteien nicht vorliegt, kommt es auf den Vortrag des Klägers, Ziffer 13 der Verkaufsbedingungen sei nach Treu und Glauben dahingehend auszulegen, daß er zwischen beiden Möglichkeiten wählen, die Beklagte ihn aber nur in Italien verklagen könne, nicht an. Eine Vereinbarung der Zuständigkeit verschiedener Gerichte für die Klage der einen oder der anderen Partei ist zwar auch nach Art. 17 EuGVÜ möglich (vgl. EuGH, NJW 1979, 2478). Für eine derartige Auslegung würde bei dem eindeutigen Wortlaut Ziffer 13 der Verkaufsbedingungen hier allerdings jeglicher Anhaltspunkt fehlen.