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Zusammenfassung der Entscheidung Die deutsche Klägerin hatte mit der Beklagten, einer Reederei mit Sitz in Äthiopien, einen Beförderungsvertrag geschlossen. Die Konnossemente enthielten eine Gerichtsstandsvereinbarung, welche bestimmte, dass alle Klagen unter diesem Beförderungsvertrag vor das äthiopische Gericht gebracht werden müssen und andere Gerichte darüber nur auf Antrag des Reeders oder mit seiner Zustimmung entscheiden dürfen. Die Klägerin hatte einen dinglichen Arrest gegen die Beklagte beantragt, da sie gegen diese einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher Falschausstellung eines Konnossementes habe. Gegen die Aufhebung dieses dinglichen Arrestes durch das Landgericht Hamburg (DE) wendet sich die Klägerin.
Das Oberlandesgericht Hamburg (DE) bejaht die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg (DE) für die Entscheidung über das Arrestgesuch. Zwar hätten die Parteien mit der Gerichtsstandsklausel die äthiopischen Gerichte als zur Entscheidung ausschließlich zuständig vereinbart. Diese Vereinbarung erfasse auch Ansprüche aus der Ausstellung unrichtiger Konnossemente, sowie Ansprüche aus unerlaubter Handlung, soweit der streitige Sachverhalt sowohl eine Vertragsverletzung als auch eine unerlaubte Handlung beinhalte. Die Gerichtsstandsvereinbarung solle hingegen nicht auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Falschausstellung des Konnossementes erfassen. Die Gerichtsstandsklausel sei als allgemeine Geschäftsbedingung einschränkend und gegen die Beklagte als Verwenderin der Konnossemente auszulegen. Auch wenn die Parteien bei Vertragsabschluss an unerlaubte Handlungen bei Vertragsdurchführung gedacht hätten, so hätten sie den Fall, dass der Verfrachter bereits bei der Konnossementsausstellung einen Betrug zum Nachteil des Ladungsempfängers begeht, gewiss nicht regeln wollen. Die Berufung der Beklagten darauf, dass auch für diesen Fall ein Gerichtsstand in Äthiopien ausschließlich vereinbart worden sei, scheitere am Einwand der unzulässigen Rechtsausübung.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Mit Recht hat nämlich das Landgericht den mit Beschluß des Senats vom 19. August 1980 angeordneten dinglichen Arrest deswegen aufgehoben, weil ein Arrestgrund(§ 917 ZPO) nicht gegeben ist:
1. Das Landgericht Hamburg war als Gericht der Hauptsache (§ 919 ZPO) zur Entscheidung über das Arrestgesuch zuständig. Trotz Klausel 30 der Konnossemente können nämlich Ansprüche wegen vorsätzlicher Falschausstellung von Konnossementen (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 27 StGB) vor den hamburgischen Gerichten eingeklagt werden.
Klausel 30 der Konnossemente (Anlagen 3 a und 3 b) bestimmt, daß alle Klagen unter diesem Beförderungsvertrag vor das äthiopische Gericht gebracht werden müssen und andere Gerichte darüber nur auf den Antrag des Reeders oder mit seiner Zustimmung entscheiden dürfen. Die Frachtvertragsparteien haben damit die äthiopischen Gerichte als zur Entscheidung ausschließlich zuständig vereinbart. Ihre Vereinbarung erfaßt auch Ansprüche aus der Ausstellung unrichtiger Konnossemente: Auch solche Klagen erwachsen nämlich „under this contract of carriage“, zumal der Verfrachter zur Konnossementsausstellung verpflichtet ist (vgl. für das deutsche Recht § 642 HGB).
Die vom Ablader mit dem Verfrachter abgeschlossene Gerichtsstandsvereinbarung bindet nach § 656 Abs. 1 HGB auch die Antragstellerin.
Der Antragsgegnerin ist grundsätzlich darin beizupflichten, daß der in Klausel 30 der Konnossemente vereinbarte Gerichtsstand auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung ergreift, soweit der vorgetragene Sachverhalt sowohl eine Vertragsverletzung als auch eine unerlaubte Handlung beinhaltet (vgl. BGH in NJW 1965 S. 300 für eine Schiedsabrede). Der Verfrachter will, für den Befrachter erkennbar, mit der Vereinbarung erreichen, daß alle aus dem Frachtvertrag herrührenden Klagen vor seinen Heimatgerichten verhandelt werden, auch soweit sie Sachverhalte betreffen, die sich auch als unerlaubte Handlung rechtlich einordnen lassen (Senatsurteil vom 25. Mai 1978, 6 U 181/77).
Die Gerichtsstandsvereinbarung in Klausel 30 der Konnossemente soll hingegen nicht auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Falschausstellung des Konnossementes erfassen. Denn redliche Frachtvertragsparteien fassen einen derartigen Fall, der einen Betrug zum Nachteil des Konnossementsempfängers beinhaltet, von vornherein gar nicht ins Auge. Die Gerichtsstandsklausel in Nr. 30 der Konnossemente ist als eine allgemeine Geschäftsbedingung einschränkend und gegen die Antragsgegnerin als die Verwenderin der Konnossemente auszulegen. Wohl mögen die Frachtvertragsparteien beim Vertragsabschluß an den Fall gedacht haben, daß bei der Durchführung des Vertrages unerlaubte Handlungen, z. B. in Form von Ladungsbeschädigungen, begangen werden, und zwar möglicherweise auch vorsätzliche. Den Fall aber, daß der Verfrachter schon bei der Konnossementsausstellung einen Betrug zum Nachteil des Ladungsempfängers begeht, haben sie gewiß nicht regeln wollen, das erschiene ganz ungewöhnlich und verstieße geradezu gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (§§ 133,157, 138 Abs. 1 BGB). Jedenfalls scheitert die Berufung der Antragsgegnerin darauf, daß auch für die vorsätzliche Falschausstellung der Konnossemente ein Gerichtsstand in Äthiopien ausschließlich vereinbart worden sei, am Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB): Zweck staatlicher Gerichte kann es nicht sein, „der ungerechten oder gewissenlos geführten Sache zum Siege zu verhelfen“ (Baumbach-Lauterbach-Hartmann, 38. Aufl., in Einleitung III 6 A).
2. Die Antragstellerin hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 93.101,94 DM glaubhaft gemacht (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 27 StGB).
Zwar ist nach Klausel 29 der Konnossemente äthiopisches Recht anzuwenden. Die Parteien, insbesondere die Antragsgegnerin, wenden sich aber nicht gegen die Annahme des Landgerichts, daß die äthiopischen Vorschriften den deutschen Deliktstatbeständen gleichen.
Aufgrund der Anlage 2 c, deren Inhalt die Antragsgegnerin nicht entgegentritt, erscheint es glaubhaft, daß die beiden Kaffeepartien vollständig erst im Juli 1980 verladen, am 30. Juni 1980 nämlich nur je eine Schlinge an Bord abgesetzt wurden. Es ist auch anzunehmen, daß der die Konnossemente unterzeichnende Herr D. davon wußte, daß vor dem 3. (bzw. dem 5., siehe Anlage Bf. 3 in 6 U 183/80) Juli 1980 keine Güter in das Schiff eingeladen wurden, mag sein Büro auch in A… A… belegen gewesen sein und mag er die Daten der Anlagen 3 a und 3 b lediglich von der örtlichen Agentin entgegengenommen haben.
Die Antragstellerin verlor ihren Schadensersatzanspruch nicht dadurch, daß sie die Ware in Deutschland verkaufte. Denn unstreitig hatte sie zuvor die Andienung der Konnossemente ihrer Verkäuferin gegenüber zurückgewiesen. Wenn sie zur Minderung ihres Schadens den Kaffee anschließend bestmöglich verwertete, ohne das Ergebnis eines Rechtsstreits mit ihrer Verkäuferin abzuwarten, so war das nicht zu beanstanden.
3. Es fehlt aber an einem Arrestgrund im Sinne von § 917 ZPO:
a) § 917 Abs. 1 ZPO greift nicht ein, auch wenn man zugrunde legt, daß die Antragsgegnerin durch Falschausstellung der Konnossemente eine vorsätzliche Straftat beging. Diese Tat – Beihilfe zum Betrug – berechtigt allein nicht zu dem Schluß, sie werde auch die Vollstreckung vereiteln.
b) Das Urteil müßte auch nicht im Ausland vollstreckt werden (§ 917 Abs. 2 ZPO).
Die Antragsgegnerin hat mit den Anlagen C, EV 1 – 4 sowie den Angaben des Zeugen V. mindestens glaubhaft gemacht, daß sie ständig wiederkehrend Forderungen auf Auskehrung eingegangener Frachten gegen ihre Hamburger Agentin innehat (§§ 675, 667 BGB). Die Frachteinnahmen betragen nach den Angaben des Zeugen etwa 125.000 US$ pro auslaufendes Schiff. Aus Anlage EV 1 geht hervor, daß von Hamburg aus etwa alle 3 – 4 Wochen ein Schiff ausläuft. Daher wird es der Antragstellerin möglich sein, in Forderungen der Antragsgegnerin gegen die Agentin zu vollstrecken und sich so binnen verhältnismäßig kurzer Zeit Befriedigung für ihre Forderung zu verschaffen.
Wie bereits das Landgericht richtig ausgeführt hat, ist es ganz unwahrscheinlich, daß die Antragsgegnerin ihre Schiffsabfahrten von Hamburg und Bremen mit Rücksicht auf die Forderung der Antragstellerin von ca. 90.000 DM einstellen oder daß sie in Zukunft Frachtverträge nur noch mit dem Inhalt abschließen werde, daß die Fracht am Empfangsort und damit in äthiopischer Währung zu zahlen ist. Denn die Antragsgegnerin wird als Staatsreederei eines Entwicklungslandes auf in US$ ausgedruckte Frachteinnahmen (s. dazu die Anlage EV 2) erheblichen Wert legen. Daß sie ihren Kaffee künftig nicht mehr nach Hamburg und Bremen verschiffen könnte, mutmaßt die Antragstellerin im Schriftsatz vom 20. Oktober 1980 auf Seite 9 (BI. 120) lediglich. Würde die Antragsgegnerin ihre 1961 und 1966 gebauten Schiffe schon alsbald stillegen müssen, wofür übrigens auch kein konkreter Anhalt besteht, könnte und würde sie, wie sie es schon jetzt teilweise handhabt, den Schiffsbetrieb mit gecharterten Schiffen weiterführen. Davon abgesehen plant die Antragsgegnerin, wie die Anlage E zeigt, die Vergabe von fünf Schiffsneubauten.
Nach Ansicht des Senats ist somit gewährleistet, daß für die Antragsgegnerin nennenswerte Forderungen in der Bundesrepublik Deutschland anfallen und somit der Antragstellerin eine ausreichende Befriedigungsmöglichkeit zur Verfügung steht und stehen wird. Es ist dabei nicht zu verlangen, daß die Agentin aus dem Frachtinkasso ständig beträchtliche Guthaben für die Antragsgegnerin bereithält. Entscheidend ist vielmehr allein, daß sie ein erhebliches Inkasso überhaupt vornimmt, mag sie nun die eingenommenen Gelder alsbald an die Antragsgegnerin nach Äthiopien weiterleiten oder nicht: Auch wenn die Frachteinnahmen bei der Agentin nur durchlaufen, entstehen allein dadurch Forderungen der Antragsgegnerin, in welche die Antragstellerin vollstrecken kann.
Da somit die Antragstellerin bereits aus ständig anfallenden Forderungen auf Herausgabe der Frachteinnahmen gegen die Hamburger Agentin Befriedigung für ihre Ansprüche erlangen kann, kommt es nicht darauf an, ob der Antragsgegnerin gehörende Schiffe regelmäßig Hamburg oder andere deutsche Häfen anlaufen.