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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsgegner wurde durch ein Gericht in Olsztyn (PL) verurteilt, an den Antragssteller monatlich 300 Zloty Unterhalt ab dem 17.06.1999 zu zahlen. Damit wurde ein früheres Urteil desselben Gerichts, das auf 200 Zloty lautete, abgeändert. Dieses abzuändernde Urteil war durch das Landgericht Arnsberg (DE) für vollstreckbar erklärt worden. Auch die Erhöhung um 100 Zloty wurde mit der Vollstreckbarerklärung versehen.
Das Oberlandesgericht Hamm (DE) entscheidet, dass die Beschwerde in der Sache keinen Erfolg habe. Die Vollstreckbarerklärung sei gemäß der Art. 4 ff. Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen vom 02.10.1973 zu Recht erfolgt. Zwar sei dem Antragsgegner das Urteil nicht zugestellt worden, der Nachweis der Urteilszustellung sei jedoch gemäß Art. 17 keine Voraussetzung für eine Vollstreckbarerklärung nach dem Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen. Darin läge auch kein Verstoß gegen Art. 5 Nr. 1 Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit der Rechtsprechung zu Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ und Art. 42 Abs. 2 EuGVO, die die erstmalige Zustellung des Titels zusammen mit der Vollstreckbarerklärung zuließen.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Die Beschwerde ist nach Art.13 Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen vom 2.10.1973 – HUVÜ -(BGBl. 1986 II 826)iVm § 11 Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz vom 19.2.2001 – AVAG – (BGBl. I 288) zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Vollstreckbarerklärung liegt ein Urteil des Kreisgerichts Olsztyn vom 3.2.2000 zugrunde, mit dem der Antragsgegner verurteilt worden ist, in Abänderung eines Urteils desselben Gerichts vom 26.8.1996 an Stelle bisher als Unterhalt für den Antragsteller geschuldeter 200 Zloty ab 17.6.1999 monatlich 300 Zloty zu zahlen. Das abzuändernde Urteil vom 26.8.1996 ist vom Landgericht Arnsberg ebenfalls mit Beschluß vom 2.9.2004, den der Antragsgegner nicht angefochten hat, für vollstreckbar erklärt worden. Es geht also im vorliegenden Fall nur um eine Erhöhung um 100 Zloty seit dem 17.6.1999, und zwar unter Anrechnung auf diesen Titel gezahlter 4.304 Zloty. Daraus ergibt sich der lediglich an dem Mehrbetrag von 100 Zloty zu orientierende niedrige Gegenstandswert.
II. 1. Die Vollstreckbarerklärung ist nach Maßgabe der Art. 4 ff HUVÜ zu Recht erfolgt. Das polnische Gericht war international zuständig. Das Urteil ist gemäß richterlichem Vermerk rechtskräftig. Dem steht nicht entgegen, daß dem Antragsgegner das Urteil nicht zugestellt worden ist. Der Nachweis der Urteilszustellung als Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung wird vom HUVÜ nicht verlangt (vgl. Art. 17). Das berührt auch nicht den deutschen Ordre public iSv Art. 5 Nr. 1 HUVÜ, wie sich vergleichsweise aus der Rechtsprechung zu Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ und aus Art. 42 II EuGVVO ergibt, die die erstmalige Zustellung des Titels zusammen mit der Vollstreckbarerklärung zulassen. Art. 42 II EuGVÜ ist identisch mit Art. 42 II Luganer Übereinkommen vom 16.9.1988, das ebenfalls der Vollstreckbarerklärung dieses Urteils zugrunde gelegt werden kann. Das polnische Gericht hat möglicherweise in der nach polnischem Recht zulässigen Weise verfahren, daß es wegen unterlassener Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland alle weiteren für den Antragsgegner bestimmten Schriftstücke bei Gericht hinterlegt hat. Darauf ist der Antragsgegner entgegen sonstiger Praxis der polnischen Gerichte zwar nicht ausdrücklich hingewiesen worden, aber das war auch nach § 174 II ZPO aF nicht erforderlich, kann also nicht in offensichtlichem Widerspruch zum deutschen Ordre public stehen. Dem Antragsgegner war dadurch nicht die Möglichkeit genommen, gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen, sondern er war nur der Beschwerlichkeit ausgesetzt, sich selbst über den Fortgang des Verfahrens zu informieren. Art. 6 HUVÜ ist nicht einschlägig, weil keine Versäumnisentscheidung vorliegt und der Antragsgegner sich nach rechtzeitiger Zustellung der Klage durch Korrespondenz mit dem Gericht auf das Verfahren eingelassen hat.
2. Soweit der Antragsgegner geltend macht, er sei zur Zahlung des titulierten Betrages nicht leistungsfähig, ist das ein Umstand, der gemäß Art. 12 HUVÜ im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nicht berücksichtigt werden kann. Der Antragsgegner ist insoweit auf eine Abänderungsklage zu verweisen. Das gilt auch dann, wenn das Urteilsgericht sein Vorbringen nicht zutreffend gewürdigt hat. Daß es dieses überhaupt nicht berücksichtigt und damit möglicherweise das rechtliche Gehör des Beklagten verletzt hat, kann nicht festgestellt werden. Das wäre im Übrigen zunächst vom Antragsgegner in einem Rechtsmittelverfahren vor dem zuständigen polnischem Gericht zu klären gewesen. Soweit der Antragsgegner sich auf Erfüllung beruft, kann das allenfalls für die Zeit nach Erlaß des Urteils geltend gemacht werden (vgl. § 12 AVAG). Im Übrigen hat der Antragsgegner Zahlungen auf diesen Titel in Höhe von 4.304 Zloty anerkannt. Der Antragsgegner hat trotz ausdrücklichen Hinweises keine weitergehende Erfüllung geltend gemacht.
3. Der Vollstreckbarerklärung steht auch die Zahlungsaufforderung der polnischen Sozialversicherungsanstalt ZUS (Bl. 36/40 der Akten) nicht entgegen, in der der Antragsgegner zur Erstattung der Leistungen des ZUS für den Antragsteller nach Maßgabe des Urteils vom 3.2.2000 seit 1.6.2001 aufgefordert worden ist. Das berührt nicht die Stellung des Antragstellers, vertreten durch seine Mutter, als Titelgläubiger. Sie beurteilt sich nach polnischem Recht als Unterhaltstatut im Sinne von Art.18 EGBGB (vgl. Göppinger/Wax/Linke, Unterhaltsrecht, Rn. 3287). Nach der vom Bundesjustizministerium überreichten Auskunft des polnischen Justizministeriums vom 4.4.2001 ist mit den Leistungen des ZUS kein Forderungsübergang verbunden. Der Unterhaltsschuldner ist zwar zur ausschließlichen Zahlung an die ZUS verpflichtet und wird durch Zahlungen an den Unterhaltsgläubiger nicht von seiner Pflicht zur Erstattung der öffentlichen Leistungen befreit, aber der Gläubiger ist seinerseits zur Auskehr der Zahlungen an die ZUS verpflichtet (vgl. auch OLG Nürnberg vom 7.8.2002 – 3 W 21/02). Dasselbe gilt für Beitreibungen im Wege der Zwangsvollstreckung. Wird wegen Beträgen vollstreckt, die der Schuldner schon an die ZUS gezahlt hat, muß der Schuldner ggf. Vollstreckungsgegenklage erheben. Im vorliegenden Fall beträfe das nach den eingereichten Unterlagen allein die Zahlung für die Monate Juni und Juli 2001 in Höhe von 280 DM. Es ist aber nicht ersichtlich, daß sie nicht in dem Betrag enthalten sind, den der Antragsteller von vornherein zum Abzug gebracht hat.