Die Parteien streiten über Seefrachtansprüche der Klägerin.
Beide Parteien betreiben das Seespeditions- und -frachtgeschäft, insbesondere bezüglich der Verschiffung von Kraftfahrzeugen nach Südamerika. Die Klägerin unterhält – jedenfalls zur Abwicklung solcher Transporte – in A./Belgien eine Niederlassung unter der Firma ODS O. Antwerpen O. B.V.B.A B., deren langjähriger Geschäftsführer ein Herr Martin H. war. Etwa seit 1995 unterhielt die Beklagte Geschäftsbeziehungen sowohl zur Klägerin als auch zu deren belgischer Tochtergesellschaft, wobei unter den Parteien streitig ist, mit welcher Gesellschaft die Beklagte die jeweiligen Seetransportverträge – von Z. oder A. zur Westküste von Südamerika – abschloss. Jedenfalls erhielt sie seit dem 30.01.1996 Preislisten über die Verschiffungen von ODS O., A. während die Rechnungen sämtlich von der Klägerin gestellt wurden und die Beklagte die Rechnungsbeträge – bis auf den ersten der hier streitgegenständlichen – auf das darin angegebene deutsche Bankkonto überwies. Die Rechnungen enthielten in der Fußleiste regelmäßig den Text:
„Wir arbeiten ausschließlich aufgrund der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) neueste Fassung. Sitz der Gesellschaft sowie Gerichtsstand und Erfüllungsort ist Hamburg.“
Wegen der Einzelheiten und der Zahl der vom der vom 30.01.1996 bis zum 11.08.2004 gestellten Rechnungen dieser Art – insgesamt ca. 40 – wird auf die Anlagen K 3 und K 4 und das Anlagenkonvolut K 9 Bezug genommen. In Einzelfällen stellte allerdings auch ODS O. A. eine Rechnung – ohne Hinweis auf die Geltung der ADSp – aus, gab jedoch – wiederum bis auf den ersten der beiden streitgegenständlichen Fälle – als Bankverbindung diejenige der Klägerin an.
Am 11.04.2004 führte die Klägerin einen Seetransport von Zeebrügge nach Iquique/Chile durch. Hierüber erhielt die Beklagte zunächst eine Rechnung vom 09.04.2004 über US$ 30.790,-, zahlbar auf das Commerzbank-Konto der Klägerin; später erhielt sie unter dem 13.04.2004 eine gleich hohe Rechnung von ODS O. Antwerpen, A. die sie auf deren belgisches Konto zahlen sollte (Anlage B 5). Dies tat die Beklagte. Der Rechnungsbetrag stellt den wesentlichen Teil der Klagforderung dar; hinsichtlich dessen ist die Anspruchsinhaberschaft der Klägerin streitig.
Über einen späteren gleichartigen Transport vom 09.08.2004 zahlte die Beklagte an die Klägerin auf deren Rechnung vom 11.08.2004 (Anlage K 4) alles bis auf einen Restbetrag von US$ 2.264,52. Dies ist der weitere Teil der Klagforderung, hinsichtlich dessen die Anspruchsinhaberschaft der Klägerin nicht streitig ist.
Die Klägerin macht geltend, sie sei auch hinsichtlich der älteren Seefrachtforderung aktivlegitimiert. Wegen beider Ansprüche könne sie die Beklagte aufgrund der zwischen den Parteien geltenden ADSp vor den deutschen Gerichten in Anspruch nehmen.
Sie behauptet, sie habe ihre Tochtergesellschaft in Antwerpen A. nur zu dem Zweck gegründet, die Transporte abzuwickeln. ODS O. B.V.B.A B. habe weder Seefrachtverträge schließen noch Gelder entgegennehmen sollen. Dies sei der Beklagten von Anfang an auch bekannt gewesen. Die Beklagte habe daher ihre Frachtaufträge stets telefonisch der Hamburger Niederlassung der Klägerin erteilt. Diese Aufträge seien in den beiden streitigen Fällen zudem per Telefax vom 02.04.2004 bzw. 02.08.2004 bestätigt worden (Anlagen K 15 und K 16), worüber anschließend auch gesprochen worden sei; diese Auftragsbestätigungen enthalten ebenfalls den Hinweis auf die ADSp.
Die Einbeziehung der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen sei überdies zu Beginn der Geschäftsbeziehung im Jahr 1995 ausdrücklich in einem Gespräch zwischen ihrem Mitarbeiter Sch. und dem Geschäftsführer der Beklagten vereinbart worden.
Hinsichtlich der Rechnung über US$ 30.790,- habe sie die Beklagte telefonisch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Zahlung an ODS O. A. erfolgen dürfe, deren – inzwischen entlassener – Geschäftsführer zu Unrecht Gelder vereinnahmt und veruntreut habe. In Kenntnis dieser Weisung habe die Beklagte gleichwohl an ODS O. A. gezahlt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie US$ 33.054,52 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf US$ 30.790,- seit dem 10.06.2004 sowie auf US$ 2.264,52 seit dem 08.10.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie rügt vorab die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
Sie trägt vor, stets mit ODS O. Antwerpen A. kontrahiert zu haben. Zwischen deren ehemaligem und ihrem früheren Geschäftsführer sei die Geschäftsverbindung auch erst zustande gekommen. Hierzu verweist sie auf Schriftwechsel und E-Mails (Anlagen B 1 – B 4, B 11 – B 20). Der Einbeziehung der ADSp stehe bereits entgegen, dass die Klägerin gar nicht Vertragspartner der Beklagten geworden sei; die Beklagte habe der Einbeziehung auch nicht zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die bis zum 22.04.2005 eingegangenen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 28.02.2005 die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und mit Beschluss vom 16.03.2005 mit Zustimmung der Parteien eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, wobei es den ursprünglich auf den 15.04.2005 bestimmten Schriftsatztermin auf den 22.04.2005 verlegt hat.
Entscheidungsgründe
Durch Zwischenurteil gemäß §§ 280, 303 ZPO ist auszusprechen, dass das Landgericht Hamburg international zuständig ist.
Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit zwischen den Parteien, die beide ihren Sitz in einem unterschiedlichen Mitgliedsstaat der Europäischen Union haben, richtet sich nach der EG-VO über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO).
Nach deren Artikel 2, 3 ist die Beklagte grundsätzlich vor den niederländischen Gerichten zu verklagen, wenn nicht eine besondere oder ausschließliche Zuständigkeit nach den Abschn. 2 – 7 vorliegt. Eine solche Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt zunächst nicht aus einer Zuständigkeitsvereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1a) EuGVVO, da weder Schriftwechsel hierüber vorliegt noch auch nur eine schriftliche Bestätigung einer der Parteien. Auch eine Zuständigkeit nach lit. c) kann dem Sachverhalt nicht entnommen werden. Es besteht kein Handelsbrauch zwischen niederländischen Absendern, selbst wenn sie dem verladenden und dem Seehandelsgewerbe angehören, und deutschen Verfrachtern für Verschiffungen von belgischen Häfen zu außereuropäischen Bestimmungshäfen.
Die Formalternative nach lit. b) – „Gepflogenheiten der Parteien“ – könnte nur zutreffen, wenn zwischen den Parteien, und zwar gerade zu der Klägerin, eine laufende Geschäftsverbindung besteht – die jedoch von der Beklagten bestritten wird. Diese Geschäftsverbindung hätte die Klägerin zu beweisen, damit eine Zuständigkeitsvereinbarung angenommen werden könnte. Diese Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Vereinbarung nach Art. 23 EuGVVO hat nichts damit zu tun, dass – eine getroffene Zuständigkeitsvereinbarung vorausgesetzt – der schlüssige Klägervortrag für eine der Vereinbarung unterfallende Forderung ausreichen würde (BGH RIW 2004, 387).
In die von der Klägerin angebotene Beweisaufnahme ist jedoch nicht einzutreten, weil sich die internationale Zuständigkeit – jedenfalls auch – aus Art. 5 Nr. 1a) EuGVVO herleitet. Dieser lit. a) ist hier für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes maßgeblich – und nicht etwa lit. b), wenngleich dieser eine Sonderregelung ausdrücklich „für die Erbringung von Dienstleistungen“ vorsieht und unter Dienstleistungen auch Werkverträge, zu denen Frachtverträge grundsätzlich zählen, gehören. Denn nach europäischem Recht fallen Verkehrsverträge nicht unter den Begriff der Dienstleistungen (vgl. Art. 51 EGV); dies findet auch in der Sonderregelung in Art. 28 Abs. 4 EGBGB bzw. dem zugrunde liegenden Londoner Schuldrechtsübereinkommen Ausdruck. Selbst bei Anwendbarkeit von lit. b) auf Frachtverträge wäre im Streitfall die konkrete Anwendung ausgeschlossen, weil die in der Verschiffung zu außereuropäischen Bestimmungshäfen liegende Dienstleistung erst mit der dortigen Ankunft als erbracht angesehen werden könnte – über lit. c) wäre somit wieder die Grundregel nach lit. a) maßgeblich.
Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1a) EuGVVO ist für die streitigen Frachtverbindlichkeiten Hamburg. Für die Bestimmung der Erfüllungsorte für die beiderseitigen vertraglichen Verpflichtungen als Zuständigkeitskriterium kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte den Vertragsschluss mit der Klägerin – im ersten der beiden Fälle – bestreitet. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes steht einer Partei auch und gerade dann zur Verfügung, wenn das Zustandekommen des Vertrages, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zwischen den Parteien streitig ist (BGH NJW 94, 2699, 2700 zum inhaltsgleichen Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ). Für die Zuständigkeitsprüfung ist daher die – auch für die materielle Anspruchsbegründung maßgebliche – Vertragsbeziehung gerade zwischen den Parteien, wie sie die Klägerin schlüssig behauptet, als sog. doppelrelevante Tatsache zu unterstellen.
Hamburg ist allerdings nicht gesetzlicher Erfüllungsort. Dieser läge vielmehr gemäß §§ 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB, 270 Abs. 4 BGB in Rotterdam als dem Sitz der Beklagten. Deutsches Recht ist das für die Bestimmung des Erfüllungsortes nach Art. 5 Nr. 1a EuGVVO – im Unterschied zur autonomen Bestimmung nach lit. b) – maßgebliche Vertragsstatut. Dies folgt wiederum aus Art. 27 ff. EGBGB, wobei Art. 28 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 EGBGB allerdings nicht einschlägig ist, weil dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind: Zwar hat die Klägerin als „Beförderer“ ihre Hauptniederlassung in Deutschland, jedoch befinden sich weder der Verladeort noch der Entladeort oder die Hauptniederlassung der Beklagten als des „Absenders“ hier. Die Parteien haben jedoch eine Rechtswahl im Sinne des Art. 27 EGBGB in Bezug auf deutsches Recht getroffen, dessen Anwendung nach den Kriterien des Art. 28 Abs. 1 EGBGB ansonsten zweifelhaft wäre.
Die Rechtswahlvereinbarung findet sich in Ziff. 30.3 ADSp bzw. in dem früheren § 65 c) ADSp. Deren unter den Parteien streitige Einbeziehung ist wiederum auf der Grundlage deutschen Rechts zu beurteilen, nämlich gemäß Art. 27 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 EGBGB. Nach Art. 31 Abs. 1 EGBGB beurteilt sich u.a. das Zustandekommen eines Vertrages oder einzelner seiner Bestimmungen nach dem Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre. Die – zunächst fiktive – wirksame Einbeziehung der ADSp liefert somit auch den Beurteilungsmaßstab für ihre tatsächliche Einbeziehung. Hinsichtlich der Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 2 EGBGB fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.
Unter Anwendung des deutschen Vertragsrechts sind die ADSp den Geschäftsbeziehungen der Parteien zugrunde zu legen. Sie sind durch schlüssiges Verhalten Vertragsbestandteil geworden. Die Klägerin hat im Rahmen einer langjährigen laufenden, von den Umsätzen her bedeutsamen und nicht nur sporadischen Geschäftsverbindung jedenfalls durch die der Beklagten übersandten Rechnungen regelmäßig auf die ADSp hingewiesen. Der Beklagten, die selbst Spediteur ist, musste auch als ausländische Vertragspartnerin wissen, dass deutsche Spediteure regelmäßig auf der Grundlage der ADSp arbeiten. Die Beklagte ist nicht nur in den Niederlanden tätig, sondern international ausgerichtet. Auch sie musste demgemäß davon ausgehen, dass die Klägerin die ihr übertragenen Seetransporte auf der Grundlage ihrer Geschäftsbedingungen ausführen würde. Dies reicht aus, um eine stillschweigende Einbeziehung der ADSp zu bejahen, nachdem die Beklagte der Geltung der ADSp niemals widersprochen hat (vgl. OLG Hamburg TranspR 96, 40). Aufgrund all dieser Faktoren sind die Voraussetzungen für die stillschweigende Einbeziehung der ADSp als Klauselwerk allgemeiner Geschäftsbedingungen erleichtert (vgl. Valder, TranspR Sonderbeilage 2004, S. 42 – 44; Koller, Rn. 18, 13 vor Ziff. 1 ADSp; LG Hildesheim, TranspR 02, 38; LG Passau TranspR 01, 269). Wenngleich bei Anwendung des hiernach verbindlichen deutschen Rechts Hamburg als gesetzlicher Erfüllungsort nicht in Betracht kommt, so haben ihn die Parteien doch vereinbart, und zwar in Ziff. 30.1 ADSp. Auch diese Vereinbarung ist unter dem Blickwinkel deutschen Rechts zu beurteilen, Art. 31 Abs. 1 EGBGB. Diesbezüglich gilt nun hinsichtlich der Einbeziehung der ADSp nichts anderes als für deren Bedeutung für die getroffene Rechtswahl der Parteien. Dass die Beklagte bestreitet, gerade der Hamburger Niederlassung der Klägerin den ersten Auftrag erteilt zu haben, nützt ihr wiederum nichts, weil es auch in diesem Streitpunkt um eine doppelrelevante Tatsache geht. Ob deren Anwendungsgrundsätze auf die Erfüllungsortvereinbarung anzuwenden sind, kann dabei dahingestellt bleiben. Es kann offen bleiben, ob dem OLG Köln (NJW 88, 2182, 2183) oder dem BayObLG (BB 01, 1923) zu folgen ist, dass es für die Vereinbarung des Erfüllungsortes auf den unstreitigen Sachverhalt und den streitigen Klägervortrag ankomme (a.A. Geimer, WM 86, 117 ff., 119). Denn es geht vorliegend nicht um die Hauptfrage der Vereinbarung eines Erfüllungsorts – diese folgt aus der aus Rechtsgründen zu bejahenden Einbeziehung der ADSp -, sondern um die Vorfrage eines Vertragsschlusses: Hier kann nichts anderes gelten, als für die Frage des Vertragsschlusses als solchen von Bedeutung ist.
Diese Erfüllungsortvereinbarung begegnet auch keinen Bedenken unter dem Gesichtspunkt, sie verschleiere lediglich eine Gerichtsstandsvereinbarung (sog. abstrakte Erfüllungsortvereinbarung). Das wird angenommen, wenn dem gewählten Erfüllungsort angesichts der ihn konstituierenden vertraglichen Pflichten keine wirkliche Bedeutung zukommen kann – die Wahl ist dann in Wahrheit eine Gerichtsstandsvereinbarung und muss daher den strengeren Formvoraussetzungen des Art. 23 EuGVVO genügen. Diese Konsequenz träfe allerdings – wenn es darauf ankäme – auf den Erfüllungsort Hamburg in Bezug auf die Verfrachterpflichten der Klägerin zu: Diese können schlechterdings in Hamburg nicht erfüllt werden, sondern nur zwischen dem Verlade- und dem Bestimmungshafen. Art. 5 Nr. 1a) EuGVVO lässt jedoch – anders als lit. b), der einen einheitlichen Erfüllungsort für das gesamte Vertragsverhältnis begründet – eine wischen den jeweiligen Pflichten differenzierende Betrachtungsweise zu. Im Streitfall geht es um die Erfüllung der Frachtzahlungspflicht – diese Zahlung kann aber sowohl in Rotterdam als auch in Hamburg und sogar überall geleistet werden.
Mit dieser Vorabentscheidung über die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg – bei deren Bejahung eine andere örtliche von vornherein nicht in Betracht kommt – ist nichts über die tatsächlichen vertraglichen Beziehungen im Hauptstreitpunkt und zu den Einwänden der Beklagten gegen die Höhe der zweiten Forderung gesagt. Insbesondere ist nunmehr zu prüfen, ob – was für die Zulässigkeit zu unterstellen war – der frühere Verschiffungsauftrag an die Klägerin oder an deren belgische Tochtergesellschaft gerichtet war und ob die Beklagte schuldbefreiend an diese zahlen konnte.