Die Klägerin hat ihren Sitz in I. Sie ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung u. a. für die Bundesrepublik Deutschland und Belgien erteilten europäischen Patents 0., das Mittel zur Führung der Hin- und Herbewegung eines Paares von den Schußfaden tragenden Greifern im Fach einer Webmaschine mit kontinuierlicher Schußfadenzuführung betrifft.
Die Beklagte ist ein belgisches Unternehmen. Im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes stellt sie Führungsvorrichtungen her, die nach Auffassung der Klägerin von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Die betreffenden Vorrichtungen werden von der Beklagten in Belgien – und nach Darstellung der Klägerin auch in der Bundesrepublik Deutschland – gewerbsmäßig vertrieben.
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz in Anspruch. Ihr Begehren richtet sich auf Handlungen der Beklagten sowohl in Belgien wie auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Mit Teilurteil vom 25. August 1998 (veröffentlicht in GRUR Int. 1999, 455) hat das Landgericht die auf den belgischen Teil des Klagepatents gestützte Klage – mangels internationaler Zuständigkeit – als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Nach den im Streitfall maßgeblichen Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) sei grundsätzlich der Wohnsitz des Beklagten zuständigkeitsbegründend (Art. 2). Dieser liege hier in Belgien und nicht im Bundesgebiet. Auf den in Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ vorgesehenen Wahlgerichtsstand der unerlaubten Handlung könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Die genannte Bestimmung sehe zwar vor, daß eine Person mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates wegen einer unerlaubten Handlung auch vor dem Gericht desjenigen Ortes verklagt werden könne, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei. Da der belgische Teil des Klagepatents ausschließlich in Belgien belegen sei, befinde sich sowohl der Handlungs- wie auch der Erfolgsort der behaupteten Patentverletzung ausschließlich dort. Eine Anwendung des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ führe deshalb ebenfalls zu einer Zuständigkeit belgischer – und nicht deutscher – Gerichte.
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist der Auffassung, daß das Landgericht im Hinblick auf das Klagepatent zu Unrecht von einem – in nationale Teile zerfallenden – Bündelpatent ausgegangen sei. Richtigerweise handele es sich bei einem europäischen Patent um ein in allen Benennungsstaaten geltendes einheitliches Schutzrecht, das – als Folge dessen – in sämtlichen Schutzstaaten gleichermaßen belegen sei. Eine Verletzung des Klagepatents in Belgien könne deshalb in jedem der Benennungsstaaten – und folglich auch in der Bundesrepublik Deutschland – verfolgt werden. Dies gelte in jedem Fall für solche in Belgien stattfindenden Benutzungshandlungen, die ohne einen inländischen „Teilnehmer“ nicht vorkommen würden, d. h. für grenzüberschreitende Lieferungen der Beklagten an einen im Bundesgebiet ansässigen Abnehmer oder das Angebot der Beklagten zu einer patentverletzenden Lieferung in die Bundesrepublik Deutschland.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Teilurteil des Landgerichts abzuändern und
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
a) in Belgien Mittel zum Führen der Hin- und Herbewegung eines Paares von den Schußfaden tragender Greifer im Fach einer Webmaschine mit kontinuierlicher Schußfadenzuführung von der Art mit zwei gestreckten, steuernden Greiferbändern, die eine im wesentlichen horizontale Lage haben und entlang einer Richtung parallel zu dem Webkamm und der Weblade hin- und herbewegt werden, und mit einer Mehrzahl von auf der Weblade ausgerichteten, zu dem Webkamm weisenden und in einer Ebene senkrecht dazu angeordneten hakenförmigen Führungselementen für die Greiferbänder herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder vorrätig zu halten, bei denen die Greiferbänder wenigstens eine unterschnittene Aussparung aufweisen, die sich in deren Längsrichtung auf wenigstens einer der Breitseiten der Greiferbänder erstreckt, und die hakenförmigen Führungselemente mit der genannten unterschnittenen Aussparung passend übereinstimmend in Eingriff stehen und für diese beidseitige Führungspaare bilden, die mindestens in zwei rechtwinkligen Ebenen wirken, wobei die genannten hakenförmigen Führungselemente in Richtung des Webkamms offen sind und die Greiferbänder aus den hackenförmigen Führungselementen zumindest in Richtung des Webkamms hervorragen;
b) hilfsweise, Mittel der unter a) bezeichneten Art durch unmittelbar grenzüberschreitende Lieferungen aus Belgien auszuführen und in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke des Inverkehrbringens einzuführen oder dies gegenüber einem im Inland ansässigen Abnehmer anzubieten;
2. ihr (der Klägerin) Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu 1. a) bezeichneten Handlungen seit dem 27. August 1988 in Belgien (hilfsweise: von Belgien aus nach Deutschland) begangen hat, und zwar unter Angabe näher bezeichneter Eindaten;
II. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
1. ihr (der Klägerin) für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 27. August 1988 bis 29. Mai 1992 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
2. ihr (der Klägerin) allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 1. Juni 1992 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
I. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen;
II. hilfsweise, ihr einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.
Sie verteidigt das angefochtene Teilurteil und hält daran fest, daß das angerufene Landgericht Düsseldorf für eine Verletzung des belgischen Teils des Klagepatents nicht zuständig sei. Abgesehen davon – so führt sie aus – gehe der Vorwurf der Patentverletzung auch in der Sache fehl.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg.
Im Ergebnis zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen (auf die der Senat Bezug nimmt) hat das Landgericht die auf den belgischen Teil des Klagepatents gestützte Klage als unzulässig abgewiesen.
I. 1. Da die Beklagte ihren Sitz außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland hat, kann sich die internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Landgerichts Düsseldorf allein aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ergeben. Die Vorschrift gestattet es, eine Person, die ihren (Wohn-) Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des Übereinkommens hat, in einem anderen Vertragsstaat zu verklagen, wenn Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Zuständig im Sinne eines Wahlgerichtsstandes ist in einem solchen Fall – neben dem Wohnsitzgericht – das Gericht desjenigen Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.
Die zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ergangene Rechtsprechung des EuGH hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung mit umfangreichen Nachweisen dargelegt. Es hat zutreffend darauf hingewiesen, daß als „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, sowohl der Erfolgsort des Schadenseintritts als auch der Handlungsort des dem Schaden zugrundeliegenden ursächlichen Geschehens anzusehen ist. Wie das Landgericht ebenfalls richtig ausgeführt hat, sieht der EuGH den Sinn und Zweck des Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung in dem Umstand, daß es aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses gerechtfertigt ist, den Prozeß vor dem Gericht desjenigen Vertragsstaates stattfinden zu lassen, der (als Handlungs- oder Erfolgsort) in einer besonders engen Beziehung zu der Streitigkeit steht und der deshalb aufgrund seiner Nähe zum Geschehen oder zum eingetretenen Schaden für eine etwaige Sachaufklärung am besten geeignet ist. Zuständigkeitsbegründend ist dabei lediglich der Eintritt eines unmittelbaren Schadens am Ort der Belegenheit des verletzten Rechtsgutes. Unerheblich im Rahmen des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ sind demgegenüber bloß mittelbare (Folge-)Schäden, die nach der Vollendung des eigentlichen Deliktstatbestandes am sonstigen Vermögen des Geschädigten entstehen. Der Ort ihres Eintritts begründet infolge dessen – auch dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des EuGH – zugunsten des Anspruchstellers keinen (eigenen) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung.
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen – die auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen werden – hat das Landgericht mit Recht seine Zuständigkeit für im räumlichen Geltungsbereich des belgischen Teils des Klagepatents begangene Verletzungshandlungen verneint.
a) Das europäische Patent ist kein für alle Benennungsstaaten einheitliches Schutzrecht, sondern – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – ein Bündel separater, jeweils territorial begrenzt geltender Patente, die lediglich ihre Entstehung einem einzigen Erteilungsakt in einem vereinheitlichten Erteilungsverfahren verdanken. Darüber besteht – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung und Literatur kein Streit. Die gegenteilige Rechtsauffassung der Klägerin ist mit dem Regelungsgehalt des EPÜ nicht zu vereinbaren:
Ausweislich der dem Text des Europäischen Patentübereinkommens vorangestellten Präambel ist es das Bestreben der Vertragsstaaten, den Erfindungsschutz in den europäischen Staaten „durch ein einheitliches Patenterteilungsverfahren und durch die Schaffung bestimmter einheitlicher Vorschriften für die nach diesem Verfahren erteilten Patente“ zu verstärken. Bereits in diesen Erwägungsgründen kommt zum Ausdruck, daß mit dem EPÜ kein einheitliches europäisches Schutzrecht geschaffen, sondern lediglich das Erteilungsverfahren zentralisiert und das in den einzelnen Vertragsstaaten geltende Patentrecht angeglichen werden soll. Entsprechend dieser Zielsetzung sieht auch erst das am 15. Dezember 1989 abgeschlossene Übereinkommen über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt ein in allen Hoheitsgebieten geltendes, einheitliches Gemeinschaftspatent vor.
Daß ein solches Einheitsschutzrecht mit dem Europäischen Patentübereinkommen noch nicht geschaffen worden ist, wird an einer Reihe von Vorschriften des EPÜ augenfällig. So bestimmt Art. 1 EPÜ, daß durch das Übereinkommen (lediglich) ein den Vertragsstaaten gemeinsames Recht für die Erteilung von Erfindungspatenten geschaffen wird. Gemäß Art. 2 Abs. 2 EPÜ hat das europäische Patent in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt worden ist, dieselbe Wirkung und unterliegt denselben Vorschriften wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. Der Erteilungsakt bringt insoweit eine der Zahl der Benennungsstaaten entsprechende Anzahl von wie nationale Patente zu behandelnde Schutzrechte hervor. Art. 64 Abs. 1 EPÜ bestimmt folgerichtig, daß das europäische Patent seinem Inhaber in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt ist, dieselben Rechte gewährt, die ihm ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent gewähren würde. Nach Art. 71 EPÜ kann die europäische Patentanmeldung für einen oder mehrere der benannten Vertragsstaaten übertragen werden. Art. 118 EPÜ trifft – im Anschluß daran – Regelungen für den Fall, daß verschiedene Personen Anmelder oder Inhaber eines europäischen Patents für verschiedene benannte Vertragsstaaten sind. Die Möglichkeit, daß sich das europäische Patent bezüglich jedes Benennungsstaates in den Händen eines anderen Berechtigten befindet, ist mit einem für alle Vertragsstaaten einheitlichen Schutzrecht nicht zu vereinbaren. Ähnliches gilt mit Blick auf die in Art. 138 EPÜ jedem Benennungsstaat eingeräumte Befugnis, das europäische Patent mit Wirkung für sein Hoheitsgebiet aufgrund des nationalen Rechts für nichtig zu erklären. Zu verweisen ist schließlich – und vor allem – auf Art. 142 EPÜ. Die Vorschrift räumt jedem Vertragsstaat die Möglichkeit ein, mit anderen Vertragsstaaten „in einem besonderen Übereinkommen“ zu bestimmen, daß die für die Vertragsstaaten erteilten europäischen Patente für die Gesamtheit ihrer Hoheitsgebiete einheitlich sein sollen. Um das europäische Patent zu einem (partiell) einheitlichen Schutzrecht zu machen, bedarf es also einer besonderen Vereinbarung der Vertragsstaaten. Das widerlegt die Auffassung der Klägerin, das europäische Patent sei schon als solches und per se ein in allen Bestimmungsstaaten geltendes Einheitsschutzrecht.
b) Das Vorhandensein einzelner, territorial geltender Schutzrechtsteile hat – wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat – zwingend zur Folge, daß sich sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort im Falle einer Patentverletzung dort befinden, wo der betreffende Schutzrechtsteil belegen ist. Soweit die Klägerin Ansprüche aus dem belgischen Teil des Klagepatents herleitet, ist das verletzte Rechtsgut (Schutzrecht) deshalb ausschließlich in Belgien belegen. Nur dort kann der belgische Teil des Klagepatents verletzt werden; nur dort kann auch der (unmittelbare) Schaden eintreten.
3. Daß sich der Abnehmer oder Angebotsempfänger patentverletzender Erzeugnisse – worauf der Hilfsantrag abzielt – im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet, begründet – entgegen der Auffassung der Klägerin – keinen inländischen Gerichtsstand. Die nach dem EPÜ bewußt territorial begrenzte Wirkung der einzelnen Teile des Klagepatents bedingt, daß bei einer grenzüberschreitenden Lieferung und einem grenzüberschreitenden Angebot die Schutzrechte beider beteiligten Benennungsstaaten verletzt sind. Die Ausfuhr patentverletzender Vorrichtungen aus Belgien und die Abgabe eines dahingehenden Angebotes tangieren den belgischen Teil, die Einfuhr der Vorrichtung in das Bundesgebiet und der Zugang des Angebotes beim inländischen Empfänger berühren den deutschen Teil des Klagepatens. Da es sich bei beiden um jeweils verschiedene Rechtsgüter handelt, liegt der die Zuständigkeit in Fällen der unerlaubten Handlung begründende „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ in einem jeweils anderen Vertragsstaat – für Handlungen, die den belgischen Teil des Klagepatents verletzen, in Belgien, bei Handlungen, die den deutschen Teil des Klagepatents verletzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Das verbietet es, über eine Verletzung des belgischen Teils des Klagepatents nur deshalb durch ein nationales Gericht zu entscheiden, weil der Empfänger der Lieferung oder der Adressat des Angebotes sich in einem Vertragsstaat befindet, der ebenfalls Benennungsstaat des europäischen Patents ist.
Für eine die territoriale Wirkung der Einzelrechte mißachtenden Handhabung besteht auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des in Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ vorgesehenen Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung kein Anlaß. Der Gesichtspunkt der Sachnähe spricht im Gegenteil dafür, daß die in dem jeweiligen Vertragsstaat begangene Verletzungshandlung auch von einem Gericht desjenigen Vertragsstaates beurteilt wird, in dem das geschützte Rechtsgut belegen und der Schaden eingetreten ist.
Die Belange der Klägerin werden hierdurch nicht unangemessen verkürzt. Ihr steht es frei, die Beklagte wegen sämtlicher in Belgien und in der Bundesrepublik Deutschland begangener Handlungen am Wohnsitzgericht der Beklagten in Anspruch zu nehmen.
4. Da die Rechtslage im Sinne der vorstehenden Ausführungen hinreichend geklärt ist, besteht keine Veranlassung, die Sache dem EuGH vorzulegen.