Die Klägerin begehrt Zahlung von Restforderungen aus Warenlieferungen sowie Zinsen wegen verspäteter Zahlungen.
Die Klägerin ist eine juristische Person italienischen Rechts. Sie produziert und vertreibt Kleidungsstücke und Nebensortiment unter verschiedenen Marken. Die Beklagte war viele Jahre Handelsvertreter der Klägerin und betrieb daneben mehrere Einzelhandelsgeschäfte, in denen sie Waren der Klägerin vertrieb.
Die Beklagte nahm von der Klägerin von August bis November 1992 Waren zum Preis von 6.076.443,30 DM ab, die für den Vertrieb in den von ihr betriebenen Einzelhandelsgeschäften bestimmt waren. Für diese Lieferungen zahlte sie an die Klägerin nur 5.932.326,14 DM. Im Frühjahr 1993 trafen die Parteien des Rechtsstreits eine Tilgungsvereinbarung, wie des näheren im letzten Absatz unter 1.1 auf Seite 4 der Klageschrift vorgetragen, worauf Bezug genommen wird.
Im Zeitraum März bis Mai 1994 lieferte die Klägerin Waren im Wert von 4.306.481,70 DM an die Beklagte. Für diese Lieferungen zahlte die Beklagte 1.300.521,44 DM an die Klägerin. Von Juli bis Dezember 1994 empfing die Beklagte von der Klägerin Waren zum Preis von 3.946.572,10 DM. Hierauf zahlte die Beklagte 318.985,29 DM. Schließlich lieferte die Klägerin von Oktober 1994 bis Februar 1995 Waren gegen Rechnung in Höhe von 223.530,10 DM an die Beklagte, die bislang nicht bezahlt wurden.
Unter dem 27. August 1991 schlossen die Parteien eine mündliche Zahlungsvereinbarung, der zufolge eine Forderung der Klägerin gegen die Beklagte wegen Lieferungen für die Saison Herbst/Winter 1990/91 durch 25 monatliche Zahlungen in Höhe von jeweils 100.000,‑ DM getilgt werden sollte. Auf den jeweils noch ausstehenden Restbetrag sollten 7 % Zinsen gezahlt werden, insgesamt 185.208,‑ DM, wie in dem Vermerk des Zeugen … vom 27. August 1991 festgehalten.
Den Warenlieferungen an die Einzelhandelsgeschäfte lagen die Allgemeinen Verkaufsbedingungen (Ausland) der Klägerin zugrunde. Gemäß Ziff. 16 dieser Verkaufsbedingungen gilt für Streitigkeiten aus den Lieferverträgen italienisches Recht. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1995 erklärte die Klägerin, daß sie auch mit der Anwendbarkeit deutschen Rechts auf die streitgegenständlichen Lieferverhältnisse einverstanden sei. Ziff. 17 der Verkaufsbedingungen lautet wie folgt:
„17. Zuständigkeit: Alle Streitigkeiten fallen in die Zuständigkeit der italienischen Gerichte und unterliegen der örtlichen Zuständigkeit der Gerichte im Bezirk … Italien; das Recht der Verkäuferin, den Käufer bei dem Gerichtsstand zu verklagen, in dessen Bezirk der Käufer eingetragen ist oder seine Hauptniederlassung hat oder in dem die Waren vom Käufer oder in dessen Namen in Empfang genommen wurden, bleibt unberührt. Soweit erforderlich, verzichtet der Käufer hiermit ausdrücklich auf alle hierin nicht erwähnten Zuständigkeiten.“
Schließlich verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung weiterer Verzugszinsen in Höhe von 1.541,‑ DM und 6.446,‑ DM. Sie behauptet, insoweit seien frühere Kollektionen verspätet gezahlt worden. Einzelheiten ergäben sich aus den Belastungsanzeigen vom 7. Juli 1986 und 31. Januar 1987 (Anl. K 7 und K 8).
Die Klägerin ist der Auffassung, daß sich die Beklagte vor einem deutschen Gericht zur Verteidigung gegen diese Forderungen nicht auf die Aufrechnung mit Gegenforderungen berufen könne. Sie meint, die in Ziff. 17 der Verkaufsbedingungen getroffene Gerichtsstandsvereinbarung enthalte gleichzeitig ein prozessuales Aufrechnungsverbot zu Lasten der Beklagten. Im übrigen fehle es aber auch an der gemäß Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ erforderlichen Konnexität, so daß die Kammer hinsichtlich der Gegenforderungen international unzuständig sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.194.399,33 DM nebst 5 % Zinsen, wie im Urteilstenor erkannt, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, die Klägerin vertreibe ihre Waren im Rahmen eines streng organisierten mündlich vereinbarten Vertriebssystem, in dem sogar die späteren Verkaufspreise und Abnahmemengen für die Einzelhändler verbindlich festgelegt würden. Als Druckmittel würden immer wieder Liefersperren gegen die Einzelhändler angedroht und auch durchgeführt. Sie meint, die mit der Klägerin abgeschlossenen Lieferverträge seien daher wegen Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften oder aber gegen § 138 BGB nichtig. Deshalb könne die Klägerin allenfalls Bereicherungsausgleich verlangen.
Sie behauptet ferner ihr stünden erhebliche, die Klageforderung insgesamt übersteigende Ausgleichsforderungen aus dem von ihr gekündigten Handelsvertretervertrag in Höhe von insgesamt 7.128.887,‑ DM nach Maßgabe ihrer Aufstellung auf den Seiten 7 und 8 des Schriftsatzes vom 20. November 1995 (Bl. 45 f. der Akten) zu, mit denen sie bereits vorprozessual aufgerechnet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftsätzlich vorgetragene vorerwähnte Aufstellung Bezug genommen.
Schließlich rechnet die Beklagte mit weiteren, ihr angeblich gegen die Klägerin zustehenden Schadensersatzforderungen auf. Zum einen behauptet sie, durch die von der Klägerin u. a. in Deutschland betriebene Werbung für die von ihr hergestellten Waren Umsatzeinbußen von 21,2 % im Jahre 1994 und 18 % im Jahre 1995 erlitten zu haben. Infolgedessen sei sie gezwungen gewesen, ihre Geschäfte zu schließen. Ihr daraus erwachsener Schaden belaufe sich auf mehr als 9,3 Mio. DM. Zum zweiten sei sie von der Klägerin durch Androhung einer Liefersperre dazu gezwungen worden, ein nicht renovierungsbedürftiges Geschäftslokal umzubauen. Die Umbaukosten hätten sich auf 636.794,64 DM und der Umsatzausfall auf 536.851,‑ DM belaufen. Sie meint, daraus ergebe sich ein Schaden in Höhe von 1.173.645,64 DM, den die Klägerin ihr zu ersetzen verpflichtet sei.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die Kammer ist örtlich und sachlich/funktionell zuständig.
a) Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus den §§ 12, 17 ZPO in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ. Zwar ist in den Allgemeinen Verkaufsbedingungen (Ausland) der Klägerin unter Ziff. 17 eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten. Diese Vereinbarung geht jedoch einseitig zu Lasten der Beklagten und schließt die Klägerin nicht von ihrem Recht aus, am allgemeinen Gerichtsstand zu klagen. Der allgemeine Gerichtsstand liegt in Berlin. Der zu den Akten gereichte Registerauszug (Bl. 63 der Akten) weist als Sitz der Beklagten Berlin aus.
b) Die allgemeine Kammer für Handelssachen ist gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG auch sachlich/funktionell zuständig. Eine Zuständigkeit des für Kartellsachen zuständigen Spruchkörpers ist nicht gegeben. Gemäß § 87 GWB ist das für Kartellsachen zuständige Gericht ausschließlich nur für solche Rechtsstreitigkeiten zuständig, die sich aus dem GWB, aus Kartellverträgen oder Kartellbeschlüssen ergeben. Da die Klägerin Ansprüche aus einem Vertrag und nicht unmittelbar aus dem GWB geltend macht, kommt allein die Alternative „aus Kartellverträgen“ in Betracht. Es ist zunächst schon zweifelhaft, ob das GWB auf die vorliegende Rechtsbeziehung der Parteien überhaupt Anwendung findet, da in Ziff. 16 der Verkaufsbedingungen der Klägerin die Geltung italienischen Rechts vereinbart wurde. Dieser Punkt bedarf jedoch nicht der abschließenden Beurteilung. Denn selbst wenn das GWB Anwendung finden kann und deshalb die Wirksamkeit des Vertrages im Hinblick auf § 15 GWB zweifelhaft wäre, handelte es sich immer noch nicht um eine Streitigkeit aus einem Kartellvertrag im Sinne des § 87 GWB. Dieser Begriff erfaßt nur Kartellverträge gemäß §§ 1 ff. GWB, nicht aber sonstige Verträge nach den §§ 15 ff. GWB, so daß Forderungen aus einem Vertrag, der möglicherweise gegen die §§ 15 ff. GWB verstößt, vor den allgemein zuständigen Gerichten einzuklagen sind (K. Schmidt in Immenga-Mestmäcker, 2. Aufl. 1992, § 87 GWB Rn. 20; BGH WuW/E BGH 1525 – Fertighäuser-).
2. Weiterhin ist die beklagte Partei auch zutreffend bezeichnet. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, lt. Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 27. September 1995 sei eine andere Firmierung beschlossen worden, kann dies gemäß den §§ 54 Abs. 3, 10 Abs. 1 GmbHG Wirkung jedenfalls erst mit Eintragung in das Handelsregister zeitigen. Dafür, daß ein entsprechender Registereintrag erfolgt ist, ist aber trotz gerichtlichen Hinweises nichts dargetan worden.
II. Die Klage ist auch ganz überwiegend gemäß den §§ 433 Abs. 2 und 608 BGB begründet.
1. Die zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommenen Lieferverträge sind wirksam.
a) Zunächst einmal kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin im Verhältnis zu ihren Einzelhändlern ein Franchisesystem oder ein anders geartetes Vertriebsbindungssystem unterhält und dieses System gegen zwingende Vorschriften des GWB (§§ 15 bzw. 18, 34 GWB) verstößt.
aa) Dies folgt allerdings nicht daraus, daß die Parteien gemäß Ziff. 16 der Allgemeinen Verkaufsbedingungen (Ausland) zunächst vereinbart haben, daß auf die zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse italienisches Recht Anwendung finden soll. Diese Vereinbarung ist aufgrund nachträglicher Wahl deutschen Rechts hinfällig geworden. Eine nachträgliche Rechtswahl ist gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB jederzeit zulässig. Sie ist hier von seiten der Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1995 erfolgt. Hiermit hat sich die Beklagte zwar nicht ausdrücklich einverstanden erklärt, sie hat aber im folgenden ihre gesamte Verteidigung auf deutsche Rechtsvorschriften gestützt und damit einen entsprechenden Willen konkludent zum Ausdruck gebracht (italienisches Recht gilt deshalb nur noch für die Handelsvertreterbeziehung zwischen den Parteien).
bb) Unterstellt man zugunsten der Beklagten, daß ein verbotswidriges Vertriebsbindungssystem besteht, hat die Nichtigkeit dieses Systems keine Auswirkungen auf die zwischen den Parteien zustande gekommenen einzelnen Lieferverträge. Nichtig wären gemäß §§ 15 bzw. 18, 34 GWB nur diejenigen Verträge, die die Preis- oder Vertriebsbindung enthalten, somit der hier unterstellte mündliche Rahmenvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten. Die Wirksamkeit der übrigen Verträge und Vertragsbestandteile beurteilt sich nach § 139 BGB (Kühlhorn in Frankfurter Kommentar – GWB § 15 Rn. 63 und § 34 Rn. 57 sowie Emmerich in Immenga-Mestmäcker, aaO, § 15 Rn. 79), also nach einer nichtkartellrechtlichen Vorschrift. Dieser Regelung zufolge wird im Zweifel das gesamte Rechtsgeschäft von der Nichtigkeit eines darin enthaltenen Teils erfaßt. Der (nichtige) Rahmenvertrag und die einzelnen Lieferverträge stellen jedoch schon gar kein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB dar (OLG Stuttgart, WuW/E OLG 3017 [LS; OLG Düsseldorf WuW/E 3993, 3994 – Eismann-Partner -). Sie bilden vielmehr unabhängige Rechtsgeschäfte, deren Wirksamkeit nicht von der Wirksamkeit des Rahmenvertrages abhängt.
b) Die einzelnen Warenlieferungsverträge selbst sind nicht gemäß §§ 15 bzw. 18, 34 GWB nichtig. Denn sie enthalten keine selbständige Preis- oder Vertriebsbindung. Dies zeigt sich insbesondere daran, daß nach dem Vorbringen der Beklagten Sanktionen für einen Verstoß gegen die angebliche Bindung die Androhung oder Durchführung einer Liefersperre durch die Klägerin gewesen sein soll. Diese Liefersperre hat ihrerseits nur Auswirkungen auf die Rahmenbeziehungen zwischen den Parteien, weil die Abwicklung des jeweils in Frage stehenden Liefervertrages davon nicht mehr betroffen war. Preisbindung und Vertriebsbindung waren, wenn sie überhaupt bestanden, sowohl hinsichtlich ihrer Ausgestaltung als auch der drohenden Sanktionen im mündlichen Rahmenvertrag festgelegt. Dafür spricht auch, daß zwischen den einzelnen Lieferverträgen keine Unterschiede hinsichtlich des Umfangs der Bindung und den daraus drohenden Konsequenzen gemacht worden sein sollen.
c) Selbst wenn man eine selbständige Preisbindung in den Lieferverträgen darin sehen wollte, daß auf den von der Klägerin herausgegebenen Preislisten zum Abschluß dieser Verträge, dem Vortrag der Beklagten zufolge, verbindliche Einzelhandelspreise genannt wurden, so würde sich die Nichtigkeit nach der insoweit eindeutigen Regelung des § 15 GWB nur auf die Preisbindung als solche beziehen („insoweit“). Die Wirksamkeit der übrigen Vereinbarungen beurteilt sich nach § 139 BGB. Es wäre dann darauf abzustellen, ob die Parteien die Lieferverträge auch ohne die Preisbindung abgeschlossen hätten. Dafür, daß es sich so verhielt, spricht in Ansehung der mehr als zehnjährigen Geschäftsbeziehung der Parteien ein erster Anschein. Die Klägerin hat erst Anfang 1995 Anlaß gesehen, die geschäftlichen Beziehungen mit der Klägerin zu beenden.
d) All dies konnte die allgemeine Kammer für Handelssachen auch ohne Verweisung an den für Kartellsachen zuständigen Spruchkörper entscheiden. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 96 Abs. 2 GWB war nicht geboten. Denn es geht nicht um eine Auslegungsfrage in Zusammenhang mit kartellrechtlichen Vorschriften, sondern um die Frage, inwieweit die aufgeworfenen kartellrechtlichen Fragen für die Verträge zwischen den Parteien, auf die es für die Entscheidung des Rechtsstreits ankommt, überhaupt beachtlich sein können. D.h., es geht um die Klärung der tatsächlichen Gegebenheiten, die an den geltend gemachten kartellrechtlichen Vorschriften zu messen sind. Da diese Prüfung vorliegend dazu führt, daß nicht die hier beachtlichen Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien, sondern andere Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien von den aufgeworfenen kartellrechtlichen Fragen evtl. berührt werden und eine mögliche Betroffenheit dieser anderen Verträge auf die hier beachtlichen Vertragsverhältnisse aber nicht durchschlagen kann, kommt es hier auf eine Auslegung von Vorschriften des GWB gar nicht an. Sinn der Vorschrift des § 96 Abs. 2 GWB ist es aber nur, eine einheitliche Auslegung des GWB zu gewährleisten (K. Schmidt, aaO, § 96 Rn. 4).
e) Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, daß die einzelnen Lieferbeziehungen gegen § 138 BGB verstießen.
Der ersten Alternative des Abs. 2 der vorgenannten Norm zufolge ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn jemand die Zwangslage seines Geschäftspartners ausnutzt. Die Beklagte hat hierzu vorgebracht, die Klägerin hätte die Zwangslage der Einzelhändler, die aufgrund der hohen Investitionen im Vorfeld ihrer Geschäftstätigkeit auf die Leistungen der Klägerin angewiesen gewesen wären, zu ihren Gunsten ausgenutzt, um das geltende Preis- und Vertriebsbindungssystem aufrechtzuerhalten. Die Beklagte ist jedoch dafür beweisfällig geblieben, daß sie sich zur Zeit der streitgegenständlichen Lieferbeziehungen in einer solchen Zwangslage befunden hat. Gegen das Vorliegen einer Zwangslage spricht, daß die Beklagte zuvor lange Jahre für die Klägerin als Handelsvertreter tätig war und ihr dementsprechend genügend Kapital zur Finanzierung der Ladeneinrichtungen zur Verfügung gestanden haben sollte. Sie war deshalb nicht unbedingt darauf angewiesen, die von der Klägerin angebotenen Leistungen in Anspruch zu nehmen.
Selbst wenn eine solche Zwangslage bestanden haben sollte, hätte die Klägerin diese Zwangslage durch den Abschluß der Lieferverträge in dieser Form jedenfalls nicht ausgenutzt. Erforderlich hierzu wäre gewesen, daß sich die Klägerin oder ein Dritter durch den Abschluß dieser Verträge Vermögensvorteile verschafft hätte, die in einem auffälligen Mißverhältnis zu der Leistung stehen. Die Beklagte hat aber nicht ausreichend darlegen können, daß die von der Klägerin für ihre Waren geforderten Preise in einem beachtlichen Umfang überhöht gewesen wären.
Was schließlich die Durchsetzung der angeblich bestehenden Preis- und Vertriebsbindung angeht, ist bereits weiter oben dargelegt worden, daß diese Abreden nur Gegenstand eines zwischen den Parteien evt. bestehenden Rahmenvertrages waren.
Aus all diesen zu e) dargelegten Erwägungen vermag die Kammer auch keinen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB zu erkennen.
2. Der Höhe nach ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Forderungen aus den von ihr aufgeführten Kaufverträgen in Höhe von 7.001.194,33 DM von der Beklagten nicht erheblich in Frage gestellt worden. Der Hinweis mit Schriftsatz vom 20. November 1995, die Klageforderung als solche sei nicht unstreitig, Rechnungsbeträge seien unrichtig, weil nicht bestellte und fehlerhafte Ware geliefert worden sei, ist nicht ausreichend substantiiert.
Es bestand auch kein Anlaß, hierauf gerichtlicherseits nochmals hinzuweisen. Denn in Zivilprozessen mit Anwaltszwang darf § 139 ZPO nicht dazu dienen, unschlüssige Klagen schlüssig zu machen (BGH, NJW 1984, 310). Entsprechendes gilt für unbeachtliches Bestreiten jedenfalls dann, wenn die Gegenpartei bereits darauf hingewiesen hat (Thomas-Putzo, 18. Aufl., ZPO, § 139 Rn. 13 mwN) oder die betreffende Partei dies ihrem Vorbringen nach im übrigen auch selber bereits festgestellt hat; dann ist es allein ihre Sache, Konsequenzen zu ziehen. Hier hatte die Klägerin bereits auf Bl. 3 ihres Schriftsatzes vom 14. Dezember 1995 darauf hingewiesen, daß das Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend substantiiert ist.
3. Zahlung von Zinsen gemäß § 608 BGB kann die Klägerin von der Beklagten nur in Höhe von 185.208,‑ DM verlangen.
Hinsichtlich dieses Betrages liegt eine ausreichende Darlegung von seiten der Klägerin unter Berufung auf eine mündliche Tilgungsvereinbarung vor. Dem in Bezug genommenen Vermerk vom 27. August 1991 ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, wie die Klägerin den Betrag in Höhe von 185.208,‑ DM auf der Grundlage der Vereinbarung berechnet.
Demgegenüber kann dem Vortrag der Klägerin, insbesondere auch den von ihr in Bezug genommenen Belastungsanzeigen vom 7. Juli 1986 und 31. Januar 1987, nicht entnommen werden, aufgrund welchen Sachverhalts die Beklagte weitere Verzugszinsen gerade in Höhe von 1.541,‑ DM und 6.456,‑ DM schuldet. Diesbezüglich war die Klage mangels ausreichender Substantiierung abzuweisen.
4. Verzugszinsen auf die ihr aus den Kaufverträgen zustehenden Forderungen verlangt die Klägerin von der Beklagten zu Recht gemäß § 352 Abs. 1 Satz 1 HGB.
5. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf das Erlöschen der der Klägerin nach alldem zustehenden Forderungen durch Aufrechnung berufen. Dies folgt für einen Teil der Gegenforderungen aus der fehlenden Konnexität mit der Hauptforderung. Der übrige Teil der Gegenforderungen besteht dem Grunde nach nicht.
a) Allerdings ist die Aufrechnung nicht durch Parteivereinbarung ausgeschlossen worden. Ein solches Aufrechnungsverbot ist entgegen der Auffassung der Klägerin zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Insbesondere enthält die in Ziff. 17 der Allgemeinen Verkaufsbedingungen (Ausland) festgelegte Gerichtsstandsvereinbarung kein Aufrechnungsverbot zu Lasten der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Slg. 1978, 2133, 2142 f. = NJW 1979, 1100) und im Anschluß daran des BGH (BGHZ 60,85 = NJW 1973, 421; BGH, NJW 1979, 2477, 2478) schließt die Vereinbarung eines ausschließlichen internationalen Gerichtsstandes nicht per se aus, daß sich der Beklagte vor einem anderen als dem vereinbarten Gericht auf die Folgen der Aufrechnung beruft. Vielmehr muß durch Auslegung ermittelt werden, ob in der Gerichtsstandsvereinbarung zugleich ein Aufrechnungsverbot gesehen werden kann (EuGH, aaO; BGH, NJW 1979, 2477, 2478).
Anders als in den vom BGH entschiedenen Fällen haben die Parteien jedoch vorliegend keine entsprechende Vereinbarung getroffen. Denn bei der Auslegung der Gerichtsstandsklausel hatte die Kammer die Vorschrift des § 5 AGBG zu berücksichtigen, nach der Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders, hier der Klägerin, gehen. Eine Auslegung zu Lasten des Verwenders wären nur dann nicht in Betracht gekommen, wenn schon keine objektiven Zweifel daran bestanden hätten, daß mit der Gerichtsstandsklausel gleichzeitig die Aufrechnung vor den am Sitz der Beklagten zuständigen Gerichten unzulässig sein soll (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., § 5 Rn. 13). Für die objektive Auslegung ist auf den Wortlaut der Regelung und dessen Verständnis aus der Sicht der typischerweise beteiligten Verkehrskreise unter Abwägung ihrer Interessen abzustellen; eine Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles bleibt außer Betracht (Ulmer, aaO). Der Wortlaut der zitierten Gerichtsstandsklausel erwähnt den Fall der Aufrechnung mit keinem Wort. Auch der letzte Satz der Vereinbarung bezieht sich nicht erkennbar auf die Aufrechnung, sondern bleibt hinsichtlich seines objektiven Wortverständnisses unklar. Zu einem Aufrechnungsverbot gelangt man daher allenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Die ergänzende Vertragsauslegung ist auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen, kann aber zugunsten des Verwenders wegen seiner Formulierungsverantwortlichkeit und des in § 5 AGBG zum Ausdruck kommenden Transparenzgebots nur in Ausnahmefällen erfolgen (Ulmer, aaO, Rn. 21; Palandt-Heinrichs, 55. Aufl., § 5 AGBG Rn. 11). Ein solcher Ausnahmefall ist hier indessen nicht gegeben, weil selbst bei Vereinbarung einer einseitig begünstigenden Gerichtsstandsregelung nicht ohne weiteres auf das Interesse beider Parteien geschlossen werden kann, der insoweit benachteiligten Partei auch die Verteidigung mittels Aufrechnung zu erschweren.
Auch der BGH hat in seiner Entscheidung vom 20. Juni 1979 (NJW 1979, 2477, 2478) zur Begründung eines Aufrechnungsverbotes besonders deutlich auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere auf die Interessenlage der Parteien im konkreten Fall abgestellt. Anders als im hierzu beurteilenden Fall hatten die Parteien dort ihren Gerichtsstand jedoch nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt. Deshalb konnte der BGH im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zum prozessualen Ausschluß der Aufrechenbarkeit kommen. Dieser Weg ist der Kammer im Lichte des § 5 AGBG verschlossen.
Auch die Tatsache, daß der BGH in ähnlichen Fallkonstellationen bisher immer zur Annahme eines gleichzeitig vereinbarten Aufrechnungsausschlusses gelangt ist (vgl. BGHZ 60,85 = NJW 1973, 421; BGH, NJW 1981, 2644), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn den dort entschiedenen Fällen lag eine andersartig gestaltete Gerichtsstandsvereinbarung zugrunde, für die der BGH durch Abwägung der Parteiinteressen zu dem genannten Ergebnis gekommen ist. Die Feststellung einer typischen Interessenlage, die für sich genommen auf das Vorliegen eines Aufrechnungsausschlusses für jeden Fall, in dem eine einseitig begünstigende Gerichtsstandsregelung vereinbart wurde, schließen ließe, liegt darin nicht.
Diese Lösung stimmt mit der überwiegenden Meinung in der Literatur überein (MüKo/ZPO-Gottwald, Art. 17 EuGVÜ [IZPR] Rn. 58; ders. IPRax 1986, 10, 12; v. Falkenhausen RIW 1982,386, 387, 389; v. Hoffmann AWD 1973, 168, 169; Geimer IPRax 1986,208,212; Geimer-Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, 1983, Bd. I 1. Halbbd., S. 528; weitergehend Rauscher RIW 1985,887,889 f.; a.A. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 4. Aufl., Art. 17 EuGVÜ Rn. 94 f., der dafür plädiert, im Zweifel in jeder Gerichtsstandsvereinbarung gleichzeitig ein Aufrechnungsverbot zu sehen). Die zitierten Autoren weisen jeweils darauf hin, daß die Grundsätze der Waffengleichheit und der Prozeßökonomie dafür sprechen, zwischen den Parteien bestehende Gerichtsstandsvereinbarungen eng auszulegen und jedenfalls für ein Aufrechnungsverbot zu fordern, daß dieses eindeutig durch Auslegung den Parteivereinbarungen entnommen werden kann. Denn eine extensive Auslegung von Vereinbarungen, die für sich genommen schon die o.g. Grundsätze einschränken, würde dazu führen, das Ungleichgewicht zugunsten der einen Partei ungerechtfertigt zu verstärken, ohne auf den wahren Parteiwillen im konkreten Einzelfall Rücksicht zu nehmen. Dies entspricht auch der Einschätzung der Kammer.
Nach alldem hätte die Klägerin ihren Willen, auch die Aufrechnung vor dem – im Falle selbständiger Geltendmachung des Anspruchs – international unzuständigen Gericht für die Beklagte auszuschließen, in Ziff. 17 ihrer Allgemeinen Verkaufsbedingungen (Ausland) deutlicher zum Ausdruck bringen müssen.
Auf die Frage, ob die in Ziff. 17 der Allgemeinen Verkaufsbedingungen (Ausland) getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung im Lichte des AGBG, des § 15 GWB und insbesondere des Art. 17 EuGVÜ wirksam ist, kommt es daher nicht mehr an.
b) Die Beklagte kann sich jedoch hinsichtlich der behaupteten Gegenforderungen wegen der Ansprüche aus Beendigung des Handelsvertretervertrage und der Umbaukosten nicht erfolgreich auf ein Erlöschen infolge Aufrechnung berufen, weil es an der erforderlichen Konnexität dieser Forderungen fehlt.
Es ist in Rechtsprechung und Literatur inzwischen weitgehend anerkannt, daß die Aufrechnung mit Forderungen, für die, wenn sie selbständig geltend gemacht würden, ein anderes Gericht als das in der Hauptsache zuständige Gericht international zuständig wäre, nicht ohne weiteres möglich ist. Vielmehr richtet sich die internationale Aufrechnungszuständigkeit nach der Widerklagezuständigkeit, so daß § 6 Nr. 3 EuGVÜ entsprechend heranzuziehen ist (BGH, NJW 1993, 2753, 2755; Geimer IPRax 1986, 208, 212; Zöller-Vollkommer, 19. Aufl., § 33 ZPO Rn. 8 mwN). Danach muß die Gegenforderung der beklagten Partei aus „demselben Vertrag oder Sachverhalt“ herzuleiten sein. Diese Begriffe sind enger zu verstehen als der bewußt nicht gewählte Begriff des sachlichen Zusammenhangs (Kropholler, aaO, Art. 6 Rn. 22). Grund für diese Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeit auf seiten des Beklagten ist der Versuch, das Aufrechnungsproblem in den Unterzeichnerstaaten einer einheitlichen Lösung zugänglich zu machen (Geimer, aaO).
Die von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Gegenansprüche wegen Beendigung des Handelsvertretervertrages beruhen nicht auf demselben Vertrag oder Sachverhalt wie die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche. Denn die Tätigkeit als Handelsvertreter für eine Marke und diejenige als Einzelhändler richten sich nach völlig unterschiedlichen Rechtsnormen. Die Rechte und Pflichten der Parteien wurden für beide Beziehungen in zwei völlig voneinander getrennten Verträgen festgelegt. Selbst die Beklagte trennt in ihrem Schriftsatz vom 20. November 1995 deutlich zwischen beiden Rechtsverhältnissen. Gleiches gilt für vermeintliche Ansprüche wegen der Umbaukosten für ein Einzelhandelsgeschäft. Als Anspruchsgrundlage kommt hierfür allenfalls § 826 BGB in Betracht, so daß schon gar kein vertraglicher Anspruch vorliegt. Der Anspruch berührt aber auch nicht denselben Sachverhalt. Vielmehr handelt es sich um einen von der Kaufpreisforderung der Klägerin klar abgrenzbaren, mit dieser, nur sehr entfernt zusammenhängenden Sachverhalt, der darauf beruht, daß die Klägerin die Beklagte hinsichtlich der Gestaltung ihres Geschäftslokals unter Druck gesetzt haben soll. Mit der Lieferung der Waren an die Beklagte, für die letztere jetzt in Anspruch genommen wird, hat das nichts zu tun.
c) Schließlich kann die Beklagte auch mit Schadensersatzforderungen wegen der von der Klägerin u.a. in Deutschland betriebenen Werbung nicht aufrechnen, weil sie das Bestehen dieser Forderung nicht substantiiert dargelegt hat.
Allerdings läge insoweit eine konnexe Gegenforderung im Sinne des Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ vor. Denn die Klägerin verstieße gegen ihre aus dem Liefervertrag folgenden Leistungstreuepflichten, wenn sie tatsächlich schuldhaft eine für die Beklagte stark umsatzmindernde Produktwerbung betrieben haben sollte. Zu den Leistungstreuepflichten zählt es auch, daß der Vertragsgegner nicht die Werthaltigkeit seiner Leistung nachträglich mindert oder in Frage stellt und so den Abnehmer seiner Leistung schädigt (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO, § 242 BGB Rn. 29). Die Verletzung dieser Pflicht begründet einen, insoweit mit der Zahlung des Leistungsentgelts, konnexen Anspruch wegen positiver Forderungsverletzung.
Die Beklagte hat aber keine Unterlagen eingereicht, die die von ihr geltend gemachten Umsatzeinbußen belegen und beziffern würden. Sie hat ferner keinen Versuch unternommen, die von der Klägerin betriebene Werbung mit ihren Umsatzeinbußen nachvollziehbar in Zusammenhang zu bringen. Damit ist der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Kausalität unschlüssig. Auf das Vorliegen einer Anscheinslage zu ihren Gunsten kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen.