Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin einen Gewinnauszahlungsanspruch geltend. Bei der Beklagten handelt es sich um eine in den Niederlanden ansässige Firma.
Durch Schreiben vom 09.08.2000 erhielt die Klägerin von einer … & Partner, die sich als Vertreterin der Firma … b.v. (Beklagte) bezeichnete, eine „Letztmalige Aufforderung“ zur Vergabe der Gewinnsumme im Gesamtwert von 20.000,‑ DM. Weiter heißt es dort:
„Am 17. Juli 2000 wurden Ihnen die offiziellen Auszahlungs-Dokumente für den bei uns deponierten 20.000,‑ DM-Gewinn aus der Ziehung vom gleichen Tage, 10.30 Uhr, zugestellt, mit der Aufforderung, diese innerhalb von 10 Tagen zum Zwecke der Auszahlung zurückzuschicken.
Bis heute, 09.08.2000, konnten wir keinen Posteingang Ihrerseits zu diesem Vorgang verzeichnen.
Wir fordern Sie daher letztmalig auf, Ihrer Anforderungspflicht nachzukommen!
Hierzu setzen wir Frist bis zum 25.08.2000.
Andernfalls muss der Gewinn-Betrag in Höhe von 20.000,‑ DM laut Satzung vom 27.10.1999 einer neuen Verwendung zugeführt werden.“
Dem Schreiben war ein Prospekt beigefügt, mit dem verschiedene Produkte zum Kauf angeboten wurden.
Mit Anwaltsschreiben vom 16.08.2000 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Gewinnsumme abzüglich in Verrechnung zu bringender Depotgebühren von 41,76 DM an die Klägerin auszuzahlen. Ingesamt forderte die Klägerin unter Fristsetzung bis 25.08.2000 somit eine Gewinnsumme von 19.958,24 DM an.
Die Beklagte lehnte die Auszahlung des Betrages mit Schreiben vom 14.09.2000 ab. Sie verwies in der ablehnenden Mitteilung auf die Auszahlungsbedingungen auf der Innenseite des Briefkuverts, denen zufolge die Gewinnsumme von 20.000,‑ DM unter allen Einsendern einer gültigen Kostennote aufgeteilt und anteilig ausgezahlt wird, sofern der anteilige Gewinnbetrag über 3,‑ DM liegt.
Die Klägerin hat wegen der Ablehnung der Auszahlung Klage erhoben und beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.958,24 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit 26.08.2000 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt die Zuständigkeit des Landgerichts Hof und meint, die internationale Zuständigkeit sei nicht gegeben.
Zur Sache äußerte sich die Beklagte nicht.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.11.2001 (Bl. 61/62 der Akten) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig und, von geringen Abstrichen bei den Zinsen abgesehen, begründet.
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben, das Landgericht Hof ist örtlich zuständig.
In einer Reihe von Entscheidungen haben deutsche Amts- und Landgerichte in ähnlich gelagerten Fällen entschieden, die deutsche Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben, da kein Gerichtsstand nach EuGVÜ einschlägig sei (AG Aachen, Beschluss vom 22.06.2001, 4 C 225/01; LG Aachen, Beschluss vom 25.05.2001, 11 O 205/01; LG Hamburg, Urteil vom 01.06.2001, 313 O 63/01; LG Düsseldorf, Beschluss vom 18.09.2001, 5 O 83/01; LG Potsdam, Urteil vom 22.08.2001, 3 O 314/00; LG Saarbrücken, Urteil vom 27.08.2001, 6 O 25/01; LG Offenburg, Beschluss vom 24.09.2001, 4 O 29/01).
Dem schließt sich die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hof nicht an.
Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach dem Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ). Die Parteien haben ihren Wohn- und Geschäftssitz jeweils in einem Vertragsstaat des EuGVÜ.
Die deutsche Gerichtsbarkeit ergibt sich vorliegend aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ.
Nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ kann eine Partei, die ihren Wohn- oder Firmensitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. In diesem Fall ist dann das Gericht des Ortes zuständig, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre.
Vorliegend macht die Klägerin einen Anspruch aus § 661 a BGB geltend. Bei § 661 a BGB handelt es sich grundsätzlich um einen kraft Gesetzes entstehenden Anspruch. Zweck der durch Gesetz vom 27.06.2000 eingeführten Vorschrift ist es jedoch, unerwünschten Geschäftspraktiken entgegenzuwirken, nämlich Mitteilungen über angebliche Gewinne an Verbraucher, die die Empfänger zur Bestellung von Waren oder Leistungen bewegen sollen. Letztendlich versuchen die Verwender derartiger Gewinnversprechungen, die Adressaten in Anbetracht des zu erwartenden Gewinnes als Kunden und somit als Vertragspartner zu werben, die dann die angebotenen Produkte kaufen.
Dass dies auch Anliegen der Beklagten war, zeigt, dass der Gewinnmitteilung vom 09.08.2000 ein Verweis auf das aktuelle Produktangebot und ein entsprechender Prospekt beigefügt waren.
Geht man von Sinn und Zweck des § 661 a BGB aus, so soll das eine Vertragsanbahnung anstrebende Verhalten des Gewinn Versprechenden sanktioniert werden. Es soll die Verletzung der vorvertraglichen Pflicht, auf den Abschluss eines Kaufvertrages nicht durch irreführende Versprechungen einzuwirken, bestraft werden. Somit kann und muss man in Anbetracht des gesetzgeberischen Anliegens, welches hinter der Norm steht, § 661 a BGB als Sekundäranspruch aus der Verletzung einer vorvertraglichen Verhaltenspflicht ansehen. § 661 a BGB legt konkret fest (ähnlich einer Vertragsstrafe), welche Ansprüche bei einem Verstoß gegen die vorvertragliche Pflicht bestehen.
Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ setzt einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag voraus. Dabei ist der Begriff „Vertrag“ autonom zu bestimmen (Thomas/Putzo, 23. Aufl., Art. 5 EuGVÜ Rn. 2). Es ist darauf abzustellen, ob zwischen den Parteien vertragliche oder vertragsähnliche Ansprüche bestehen, wobei anerkannt ist, dass bereits Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss darunter fallen (Thomas/Putzo, aaO, Rn. 2).
Folgt man der oben dargestellten Auslegung des § 661 a BGB zu Sinn und Zweck, so fallen Ansprüche aus § 661 a BGB aufgrund des engen Zusammenhangs mit einer Vertragsanbahnung unter den Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Da § 661 a BGB nur die gesetzliche Rechtsfolge eines Verstoßes gegen vorvertragliche Pflichten festlegt, der Primäranspruch jedoch ein vertraglicher ist, muss für solche Ansprüche Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ greifen (so auch Lorenz, NJW 2000, 3305, 3309).
Zu klagen ist deshalb an dem Ort, an dem die Erfüllung der Leistung zu erfolgen hat.
Der Ort, an dem die Verpflichtung zu erfüllen ist, ist nach dem anwendbaren materiellen Recht zu ermitteln. Bei Gläubigerschulden ist dies regelmäßig der Wohnsitz des Gläubigers, § 29 BGB. Dabei ist bei Bestimmung des Erfüllungsortes wiederum davon auszugehen, dass vertragliche Ansprüche hinter § 661 a BGB stehen, so dass § 29 BGB einschlägig ist.
Erfüllungsort ist deshalb der Wohnsitz der Klägerin; denn hier ist der Gewinn auszuzahlen.
Das Landgericht Hof ist somit gemäß Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ iVm § 29 BGB örtlich zuständig.
2. Der Klägerin steht ein Gewinnanspruch in der geltend gemachten Höhe zu.
Gemäß § 661 a BGB hat der Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Die Voraussetzungen des § 661 a BGB sind hier erfüllt.
a) Im Schreiben vom 09.08.2000 kann eine Gewinnmitteilung in diesem Sinne gesehen werden. Wörtlich heißt es dort: „... zur Vergabe der Gewinnsumme im Gesamtwert von 20.000,‑ DM“ und weiter „... wurden Ihnen die offiziellen Auszahlungsdokumente für den bei uns deponierten 20.000,‑ DM-Gewinn ... zugestellt“. Aus Sicht eines objektiven Empfängers mußte und konnte die Klägerin nach diesen Worten davon ausgehen, 20.000,‑ DM gewonnen zu haben. Da das Schreiben auch an die Klägerin persönlich adressiert und versandt war, war sie als Gewinner hinreichend konkretisiert und durfte sich angesprochen fühlen. Dem Schreiben ist weder zu entnehmen, dass die Gewinnsumme von 20.000,‑ DM unter mehreren aufgeteilt wird, noch dass diese nicht der Klägerin allein zustehen sollen.
Zwar mag sich aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, welche auf der Innenseite des Kuverts des Gewinnschreibens abgedruckt gewesen sein sollen, etwas anderes ergeben (dazu erfolgte von Beklagtenseite kein Vortrag); die AGB wurden jedoch nicht wirksam in den Vertrag einbezogen, so dass sich die Beklagte darauf nicht berufen kann.
Gemäß § 2 AGBG werden Geschäftsbedingungen nur dann Vertragsbestandteil, wenn darauf ausdrücklich hingewiesen wird oder wenn dem anderen Teil die Möglichkeit verschafft wird, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Ausdrücklich hat die Beklagte in ihrem Schreiben nicht auf Geschäftsbedingungen verwiesen. Aber auch eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme liegt nicht vor. Die Klägerin konnte und musste nicht davon ausgehen, dass sich auf der Innenseite des Kuverts wichtige Hinweise befinden. Gerade bei Werbepost – wie dieser Gewinnzusage unter Beifügung von Prospektmaterial –, die bereits äußerlich auf ihren Inhalt schließen läßt, achtet der Empfänger gewöhnlich wenig auf das Kuvert, sondern öffnet es eher unachtsam. Auch rechnet er nicht damit, dass die Kuvertinnenseite wichtige Informationen enthält. Da jedoch ein versteckter oder missverständlicher Hinweis auf die allgemeinen Geschäftbedingungen nicht ausreicht, wie z.B. der Abdruck auf der Vertragsrückseite, kann die Beifügung in der Kuvertinnenseite erst recht nicht die Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllen. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen waren somit nicht Inhalt der Gewinnzusage und stehen deshalb der Annahme eines Gewinnversprechens über 20.000,‑ DM nicht entgegen.
b) Bei der Beklagten handelt es sich auch um einen Unternehmer im Sinne von § 661 a BGB, da sie gewerblich beruflich tätig ist und mit der Absendung der Mitteilung in Ausübung dieser Tätigkeit handelte.
c) Schließlich ist die Klägerin und Empfängerin der Gewinnzusage Verbraucher, § 13 BGB, da sie weder gewerblich noch im Rahmen einer selbständigen beruflichen Tätigkeit auftrat.
Die Voraussetzungen des § 661 a BGB liegen mithin vor. Der Anspruch aus § 661 a BGB richtet sich auf Leistung des angekündigten Preises an die Empfängerin. Er entsteht mit Zugang der Gewinnmitteilung, d.h. ab diesem Zeitpunkt ist der Anspruch fällig. Verzug tritt jedoch gemäß § 284 Abs. 3 BGB erst 30 Tage nach Zahlungsaufforderung ein. Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.08.2000. Unter Berücksichtigung der Aufgabe zur Post und der Postlaufzeit ist Verzug somit erst ab 19.09.2001 eingetreten. Deshalb können die geltend gemachten Zinsen erst ab 19.09.2000 zugesprochen werden.