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Zusammenfassung der Entscheidung Der Antragsteller ist Konkursverwalter einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft. Er will in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter einen Aktivprozess gegen die im Ausland wohnenden „Hintermänner“ der konkursreifen, aber masselosen Gesellschaft Klage erheben. Für diese Klage, die er unter anderem auf deliktische Ansprüche stützt, begehrt er Prozesskostenhilfe. Das angerufene deutsche Landgericht lehnte den Antrag ab und bezweifelte unter anderem die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (DE) hebt den ablehnenden Beschluss des Landgerichts auf und verweist die Sache an das Landgericht zurück, da dieses noch keine Ausführungen zur Erfolgsaussicht der Klage gemacht habe. Zu den Zweifeln des Landgerichts an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte weist das Gericht darauf hin, dass zwar für Anfechtungsprozesse nach §§ 30, 31 der deutschen Konkursordnung die im EuGVÜ geregelten Zuständigkeiten nicht gelten dürften, weil sie im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ unmittelbar aus dem Konkursverfahren hervorgingen. Um einen derartigen Rechtsstreit handle es sich vorliegend aber nicht, so dass die Anwendung dieser Rechtsprechung des EuGH zweifelhaft sei. Ungeachtet dieser Zweifelsfragen sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller seine Klage jedenfalls auch auf Deliktsrecht stütze, so dass die deutsche internationale Zuständigkeit nach Maßgabe des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ in Betracht komme. Im Prozesskostenhilfeverfahren müsse hierbei nicht darüber entschieden werden, ob sich die Zuständigkeit auf die deliktischen Anspruchsgrundlagen beschränke.
JURE Zusammenfassung, abgedruckt mit freundlicher Genehmigung der Europäischen Kommission
I. Prozeßkostenhilfe kann dem Antragsteller nicht mit der Begründung verwehrt werden, den am Konkursverfahren wirtschaftlich Beteiligten sei es zuzumuten, die Kosten aufzubringen (§ 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
1. Der Senat hat bereits im Beschluß vom 1. September 1992 (17 W 40/92) ausgesprochen, daß den in der Aufstellung Bl. 150 unter Rang 1 und 3 aufgeführten Gläubigern die Aufbringung der Kosten nicht zugemutet werden kann.
2. Dasselbe gilt für die Massekosten gemäß Rang 2 der vorgenannten Aufstellung. Es kann dem Konkursverwalter die Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses nicht mit der Begründung verweigert werden, der Prozeßerfolg diene – auch – zur Befriedigung seines Vergütungsanspruchs. Durch die Einführung des § 116 ZPO nF hat der Gesetzgeber der Rechtsverfolgung durch den Konkursverwalter ein eigenständiges öffentliches Interesse zuerkannt. Im Rahmen der dem Konkursverfahren innewohnenden Ordnungs- und Regelungsfunktion hat den Konkursverwalter einen gesetzlichen Anspruch auf Vergütung für seine amtliche Tätigkeit. Selbst dann, wenn ein zu führender Prozeß hauptsächlich der Befriedigung dieses Vergütungsanspruchs dient, kann dem Konkursverwalter ein Prozeßkostenvorschuß nicht zugemutet werden (Pape in KTS 1988, 438 gegen OLG Celle in ZIP 1988, 792). Erst recht kann dies nicht gelten, wenn – wie hier – eine Forderung geltend gemacht, die angesichts ihrer Höhe sogar zu einer nicht unerheblichen Befriedigung der normalen Konkursgläubiger führen würde.
II. Ebensowenig wie den Massegläubigern ist den übrigen Konkursgläubigern ein Prozeßkostenvorschuß zuzumuten.
1. Die Konkursgläubiger gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO würden bei erfolgreichem Prozeß zu 100 % befriedigt werden. Gleichwohl kann ihnen die Aufbringung der Prozeßkosten nicht zugemutet werden. Nach der vom Antragsteller eingereichten Aufstellung (Blatt 185) handelt es sich nämlich sämtlich um Sozialversicherungsträger, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, nicht zu Prozeßkostenvorschüssen herangezogen werden können. Für die auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangenen Lohnansprüche hat die der BGH bereits in seiner im vorgenannten Senatsbeschluß zitierten Entscheidung (ZIP 1990, 1490) ausgesprochen. Durch seine weitere Entscheidung vom 8.10.1992 hat der BGH die vorgenannte Rechtsprechung auch übertragen auf sonstige Träger der Sozialversicherung. Auch diesen Verwaltungsstellen (Krankenkasse, Berufsgenossenschaft, Landesarbeitsamt) kann es sowohl im Hinblick auf ihre Funktion wie auch wegen Fehlens entsprechender Haushaltsmittel für Kostenvorschüsse nicht zugemutet werden, die Prozeßkosten aufzubringen (NJW 1993, 136, 137).
2. Die Gläubiger gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2 (Finanz- und Zollbehörden) würden nach der vorgenannten Aufstellung bei erfolgreichem Prozeß eine Quote von annähernd 73 % erzielen. Auch dem Steuer- und Zollfiskus ist indes die Aufbringung von Prozeßkosten nicht zumutbar.
a) Im Unterschied zu der Gerichtspraxis vor Einführung des § 116 ZPO nF soll die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für den Konkursverwalter die Regel und die Verweigerung die Ausnahme sein (BGH ZIP 1990, 1490; NJW 1993, 136). Nur wenn dem Konkursverwalter entsprechend diesem Grundsatz Prozeßkostenhilfe bewilligt wird, kann er die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe erfüllen, eine geordnete und rechtlich abgesicherte Abwicklung des Konkursverfahrens durchzuführen.
b) Ebensowenig wie den vom BGH genannten Sozialversicherungsträgern stehen den Zoll- und Finanzbehörden Haushaltsmittel für derartige Kostenvorschüsse zu (vgl. Pape, EWiR § 116 ZPO 3/91, 724). Durch allzu strenge Anforderungen bei der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für den Konkursverwalter wird vielfach verhindert, daß – wie hier geplant – Prozesse gegen die „Hintermänner“ konkursreifer, aber masseloser Gesellschaften geführt werden. Die unerwünschte Folge ist, daß die oftmals eigentlich Verantwortlichen nicht herangezogen werden oder daß Gläubiger der Gesellschaft derartige Ansprüche nach Abweisung des Konkursantrags mangels Masse (§ 107 KO) pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Gerade aber dieser individuelle Gläubigerzugriff soll nach dem Willen des Gesetzgebers durch ein Konkursverfahren und damit auch durch die Prozeßkostenhilfe, die auf diese Weise dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger dienen kann, vermieden werden (Uhlenbruck, KTS 1988, 439).
c) Die Unzumutbarkeit für die Gläubiger gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO, die Prozeßkosten aufzubringen, ergibt sich hier ergänzend noch aus folgender Überlegung:
Wie bereits dargelegt, brauchen alle anderen vorrangigen Gläubiger die Prozeßkosten nicht vorzuschießen. Die Gläubiger des § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO müßten daher, würde man ihre Vorschußpflicht bejahen, zur Geltendmachung der hier beabsichtigten hohen Klageforderung Vorschüsse in erheblicher Größenordnung leisten, wobei der eingeklagte Betrag zum überwiegenden Teil, nämlich zu etwa 55 %, auf die vorgehenden Gläubiger entfiele.
III. Da das Landgericht bisher noch keine Ausführungen zur Erfolgsaussicht der Klage gemacht hat, war die Sache insoweit zurückzuverweisen. Soweit es die im angefochtenen Beschluß bezweifelte Zuständigkeit deutscher Gerichte angeht, ist darauf hinzuweisen, daß zwar für Anfechtungsprozesse nach den §§ 30, 31 KO die im EuGVÜ geregelten Zuständigkeiten in der Tat nicht gelten dürften, weil sie im Sinne der Rechtsprechung des EuGH unmittelbar aus dem Konkursverfahren hervorgehen (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, Art. 1, Rn. 32). Um einen derartigen Rechtsstreit handelt es sich hier aber nicht, so da die Anwendung der zitierten Rechtsprechung des EuGH, die zudem im Geltungsbereich des französischen Rechts ergangen ist, auf das vorliegende Verfahren zweifelhaft ist (vgl. Kropholler aaO, betreffend diejenigen Klagearten, die nach Art. 15 des geplanten Konkursübereinkommens vom Anwendungsbereich des EuGVÜ ausgeschlossen werden sollen).
Ungeachtet dieser Zweifelsfragen ist aber darauf hinzuweisen, daß der Antragsteller seine Klage jedenfalls auch auf Deliktsrecht stützt, so daß die deutsche internationale Zuständigkeit jedenfalls nach Maßgabe des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ in Betracht kommt, wobei im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht darüber entschieden zu werden braucht, ob sich die Zuständigkeit auf die deliktischen Anspruchsgrundlagen beschränkt (vgl. hierzu Kropholler, Art. 5, Rn. 39).