Die Kläger machen gegenüber der Beklagten zu 1) Schadensersatzansprüche aufgrund eines Reitunfalles am 27. Juli 1983 auf einem Spazierweg in Südtirol geltend. Die Kläger benutzten diesen Spazierweg gegen 20.30 Uhr, als sich ihnen von hinten der Südtiroler S. und die Beklagte zu 1) auf gemieteten Pferden näherten. Sie behaupten, nicht nur von dem Pferd des Südtirolers S., sondern auch von dem der Beklagten zu 1) erfaßt und erheblich verletzt worden zu sein.
Die Kläger haben wegen dieses Vorfalles im April 1984 eine Schadensersatzklage gegen den Südtiroler S. bei de Landgericht in Bozen eingereicht. Der dortige Beklagte S. hat auf richterliche Anordnung vom 18. Juli 1985 der hiesigen Beklagten zu 1) den Streit verkündet. Auf den Inhalt der Streitverkündungsschrift (Bl. 52 ff. der Akten) wird Bezug genommen. Die hiesige Beklagte zu 1) hat sich auf das Verfahren vor dem Landesgericht Bozen eingelassen. Das Verfahren – das von dem Untersuchungsrichter noch auf den Eigentümer der Pferde und dessen Versicherung ausgedehnt worden ist – ist noch nicht abgeschlossen.
Die hiesige Klage ist am 16. Juni 1986 bei Gericht eingegangen und am 24. Oktober 1986 der Beklagten zu 1) sowie deren Eltern – den Beklagten zu 2) und 3) – zugestellt worden. Die Klage gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) ist durch Teilurteil der Kammer vom 24. November 1986 – auf dessen Tatbestand (Bl. 93 ff der Akten) wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird – abgewiesen worden.
Die Kläger beantragen,
1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen,
a) an sie als Gesamtgläubiger 1.923,16 DM nebst 4 % Zinsen seit 3. Juni 1985 zu zahlen;
b) an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) jeweils ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit 3. Juni 1985 zu zahlen;
2. hilfsweise:
die Beklagte zu 1) zu verurteilen,
a) an sie als Gesamtgläubiger DM 1.923,16 nebst 4 % Zinsen seit 3. Juni 1985 sowie
b) an sie jeweils ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit 3. Juni 1985 zu zahlen, soweit eine Zahlung durch den italienischen Staatsangehörigen S., …, Bruneck, Italien nicht geleistet wurde;
3. das Urteil gegen Sicherheitsleistung, die auch durch eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft eines in der Bundesrepublik als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden kann, für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Die Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise für den Fall des Unterliegens ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Vorlage einer Bankbürgschaft abwenden zu dürfen.
Die Beklagte zu 1) rügt die Zulässigkeit der Klage. Sie ist der Auffassung, die Klage sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit vor dem Landesgericht Bozen – welche durch die gegenüber der Beklagten zu 1) erfolgten Streitverkündung eingetreten sei – unzulässig.
Im übrigen bezieht sie sich zum Beweis dafür, daß sie mit ihrem Pferd den Klägern habe ausweichen können, auf das Zeugnis des S., …, Italien.
Es wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Rechtsgutachtens des Max-Planck-Institutes. Wegen der Beweisfrage wird auf den Beweisbeschluß vom 9. März 1987 (Bl. 136 der Akten) und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das Gutachten des Max-Planck-Institutes vom 6. Oktober 1987 (Bl. 151 ff. der Akten) Bezug genommen.
Wegen der von den Klägern erhobenen Einwände gegen das Gutachten des Max-Planck-Institutes wird auf den Schriftsatz vom 15. Januar 1988 (Bl. 185 ff. der Akten) Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 1988 hat der Beklagten-Vertreter erklärt, alle 3 auf dem Zustellbericht der Streitverkündungsschrift des Südtirolers S. vermerkten Zustellungen seien ausgeführt worden. Zum Beweis hierfür hat er den Umschlag eines der Beklagten zu 1) am 30. September 1985 zugegangenen Einschreibebriefes sowie den Umschlag des Zustellungsauftrages des Hessischen Ministers der Justiz in Kopie vorgelegt (Bl. 192 f. der Akten).
Entscheidungsgründe:
Die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) ist unzulässig.
Die Klage war bereits bei ihrer Einreichung in Juni 1986 anderweitig – nämlich vor dem Landgericht in Bozen – seit dem 30. September 1985 rechtshängig. Die Beklagte zu 1) ist seit September 1985 Partei des von den Klägern gegenüber dem Südtiroler S. vor dem Landesgericht in Bozen geführten Schadensersatzprozesses. Zu dieser Beurteilung der Rechtslage gelangt die Kammer aufgrund des Rechtsgutachtens des Max Planck-Institutes vom 6. Oktober 1987, das die einschlägigen Vorschriften der italienischen Prozeßordnung nebst Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen detailliert wiedergibt.
Die von dem italienischen Instruktionsrichter am 18. Juli 1985 gemäß Art. 107 der italienischen Prozeßordnung angeordnete Streitverkündung seitens des dortigen Beklagten S. gegenüber der hiesigen Beklagten zu 1) hat die Wirkung einer Klage, d.h., die Beklagte zu l) hat als Streitverkündete mit Zustellung der Klageschrift S.s die Stellung einer Prozeßpartei erhalten mit der Folge, daß ein Urteil des Landesgerichtes in Bozen nach Art. 26, 31 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (GVÜ) in der BRD gegenüber der Beklagten zu 1) für vollstreckbar zu erklären wäre.
Der Beklagten zu 1) ist um 30. September 1985 eine Klageschrift S.s ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Beklagte zu 1) hat im einzelnen die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Auslandszustellung nach italienischem Recht – nämlich den Aushang einer Klage sowie Zustellung einer solchen durch eingeschriebenen Brief und Weiterleitung einer Klageschrift durch die Staatsanwaltschaft in Bozen an den Hessischen Minister der Justiz zum Zwecke der Zustellung – in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 1988 dargelegt und durch Vorlage des Umschlages des ihr am 30. September 1985 zugegangenen Einschreibebriefes sowie des Zustellungsauftrages des Hessischen Ministers der Justiz in Kopie auch teilweise belegt. Diesem Vortrag sind die Kläger nicht entgegengetreten, so daß die Voraussetzungen der Auslandszustellung als zugestanden anzusehen sind. Die Erfordernisse der Auslandszustellung waren mit Aushändigung der per Einschreibebrief übersandten Streitverkündungsschrift am 30. September 1985 erfüllt, da hinsichtlich der förmlichen Zustellung der Streitverkündungsschrift seitens der Staatsanwaltschaft in Bozen über den Hessischen Minister der Justiz auf das Datum der Übergabe der Klageschrift an die Staatsanwaltschaft – die bereits am 26. September 1985 erfolgte – abzustellen ist.
Daß die Kläger – was sich aus der Streitverkündungsschrift S.s ergibt – in dem von ihnen in Italien geführten Schadensersatzprozeß quantitativ – insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Schmerzensgeldes – abweichende Forderungen geltend machen, steht der Identität der Streitgegenstände jener vor dem Landesgericht Bozen anhängigen Klage und der hiesigen Klage gegenüber der Beklagten zu 1) nicht entgegen. Nach italienischem Recht, das maßgebend ist, schließen quantitative Divergenzen die Identität des Streitgegenstandes nicht aus.
Das Landgericht Frankfurt am Main ist mithin gem. Art. 21 GVÜ als das später angerufene Gericht für die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) unzuständig.
Die von den Klägern hiergegen erhobenen Einwände, daß nämlich nach dem Gutachten des Max-Planck-Institutes unklar bliebe, ob eine Streitverkündung nach italienischem Recht tatsächlich die Wirkung einer Klage habe und im übrigen die lange Verfahrensdauer italienischer Prozesse der Berücksichtigung der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegenstünde, sind nach Auffassung der Kammer unbegründet. Daß eine gem. Art. 107 der ital. Prozeßordnung angeordnete Streitverkündung die Wirkung einer Klage hat, wird in dem Gutachten des Max-Planck-Institutes eindeutig bejaht und mit Rechtsprechungshinweisen belegt. Das Gutachten erwähnt insoweit lediglich eine abweichende Literaturmeinung. Für die Kammer entscheidend ist jedoch die durch Fundstellen belegte Auffassung der italienischen Judikation.
Der Hinweis auf eine möglicherweise sehr lange Verfahrensdauer italienischer Prozesse ist nach Auffassung der Kammer unbeachtlich. Zum einen ist – abgesehen davon, daß im Verhältnis zu Schadensersatzklagen vor deutschen Gerichten bisher eine besonders lange Verfahrensdauer nicht feststellbar ist – zu berücksichtigen, daß der italienische Instruktionsrichter – wie die Streitverkündung gegenüber der Beklagten zu 1), dem Pferdeeigentümer sowie dessen Versicherung zeigt – um eine umfassende Klärung des Kreises der schadensersatzpflichtigen Personen bemüht ist. Eine solche Vorgehensweise ist zwar aufwendiger, dies jedoch im Interesse der Geschädigten. Zum anderen würde es Sinn und Zweck des Art. 21 GVÜ zuwiderlaufen, wenn man das Übereinkommen im Hinblick auf eine möglicherweise längere Verfahrensdauer in einem anderen Vertragsstaat außer Kraft setzen würde. Dieser Auffassung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in NJW 1983, 1269 f. entgegen, wonach eine besonders lange Verfahrensdauer dazu führen kann, daß der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit im Ausland nicht zu beachten ist. Diese Entscheidung betraf ein Ehescheidungsverfahren, an dessen zügiger Durchführung die betroffenen Eheleute ein besonderes persönliches Interesse haben. Im übrigen kommt der Entscheidung für den vorliegenden Fall auch keine grundsätzliche Bedeutung zu, da für Ehescheidungsverfahren das deutsch-italienische Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen, nicht aber das hier in Rede stehende Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft (GVÜ) gilt.
Die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) war mithin als unzulässig abzuweisen.